Das Haus & Stallung der Amandils

  • Wie er so an der Schuppenwand lehnte, war Tamrin eigentlich darum bemüht, seine Aufregung wieder etwas unter Kontrolle zu bekommen, als sich neben ihm der Streifen des durch die Tür des Schuppens hereinfallenden Lichtes lautlos verbreiterte. Die Tür war offensichtlich gut in Schuss gehalten und geschmiert. Dem jungen Mann stockten Atem und Herzschlag - hatte ihn jemand gesehen oder gehört ? Er starrte zur Tür und es dauerte unnatürlich lange, bis er Celebs Kopf im schwachen Gegenlicht wirklich registrierte und erkannte, dass es sich um Tári’s Hund handelte. Nicht einmal nach seinem Dolch hatte er gegriffen, obwohl ihm das sonst in derartigen Schrecksekunden quasi in Fleisch und Blut übergegangen war. Womöglich war sein Unrechtsbewußtsein in dieser Situation hier einfach zu groß, um ernsthaft an Gegenwehr zu denken, sollte er erwischt worden sein.
    Gepresst entwich dem jungen Mann der angehaltene Atem und selbst bei diesem Geräusch war zu hören, dass er vor Anspannung zitterte. Sein Hinterkopf sank gegen die Schuppenwand. “Celeb!” hauchte er leise mit geschlossenen Augen. “Ich hab fast einen Herzstillstand wegen Dir.” beschwerte er sich mit erstickter Stimme.

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    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Unverwandt hatte Celeb den Blick weiterhin auf Tamrin gerichtet. Jener war so angespannt, dass der große Hund erst einmal verharrte, der Schwanz wedelte noch immer und seine Augen waren freundlich. Es dauerte eine ganze Weile, bis 'der Fremde der viel lacht' sich endlich regte. Er nannte seinen Namen und Celeb horchte auf, die Ohren gespitzt den Kopf leicht zur Seite gedreht. Was redete er da nur? Es klang so als hätte der Graue etwas falsch gemacht? Mit wem hatte der Hochgewachsene nur gerechnet? So viel Angst wie in der Luft lag. Alle anderen waren doch am Schlafen. Und was wäre er für ein Beschützer für die junge Frau, die oben so selig mit dem Stück Stoff seines Gegenübers in ihrem Bett schlief, wenn er verdächtigen Geräuschen nicht nachgehen würde ? Er musste schon nach dem Rechten sehen, fand er. Aber Gefahr ging von dem jungen Mann sicher nicht aus. Er würde nicht anschlagen, an sich wäre es auch etwas spät dafür. 'Alles in Ordnung.' Celeb brummte leise und schlüpfte nun durch den Spalt in das Innere des Holzhäuschens, setzte sich und sah Tamrin an. Ob er etwas für ihn dabei hatte? Appetit hatte er noch immer.

  • Einige Sekunden verharrte Tamrin so, dann öffnete er die Augen wieder und sah den Hund an. Celeb war herein gekommen und saß nun vor ihm und sah ihn an. Wenigstens blieb er ruhig. “Ich ...äh …. mache die Tür dann wieder zu. Einverstanden ?” Tamrin machte Anstalten in Richtung Tür. Der Hund sah ihn weiter an. “Gut. Ich nehm das als Zustimmung.” flüsterte der junge Mann und schob die Tür sachte wieder zu. Im spärlichen Licht der Fenster konnte er mittlerweile mehr erkennen und das wenige Licht, das durch Tür herein gefallen war, hatte die Sichtverhältnisse nicht nennenswert verbessert. Der Spalt war kein Risiko wert. “Hat Tári es geschafft, die Kleider her zu bringen ? Weißt Du das ?”, fragte Tamrin den Hund beiläufig, während er sich angestrengt um sah. Sein Blick glitt über einen Zweispänner. Den Karren von ihren Besorgungen. Werkzeuge für die Garten- und Hofarbeit. Ein Regal. Ein Tisch. Oder war es eine Ablage ? “Es geht ihr gut, nicht wahr, Celeb ?”, fragte Tamrin weiter. Zu gern hätte er Tári wenigstens gesehen. Noch lieber im Arm gehabt. Aber wenn der Hund so ruhig war, war bestimmt alles in Ordnung. Das musste ihm wohl genügen. Konnte er da hinten nicht etwas Unförmiges ausmachen ? Ein letzter Blick auf den Hund - und Tamrin schlich sich zu dem Gebilde, um es in Augenschein zu nehmen. Es war tatsächlich groß und recht weich. Sehr groß, um genau zu sein, und Tamrin fragte sich mit aufgerissenen Augen, wie er damit unerkannt und ohne irgendwelches Aufsehen zu erregen wieder heil im Seeviertel ankommen sollte. Und das auch noch nachts, wo es dort ohnehin nicht besonders sicher war. “Manchmal wünschte ich mir auch einen Hund.” gestand er Celeb seufzend. “Einen, der vor mir herläuft und mir sagt, ob jemand mir entgegen kommt oder sich vor mir auf dem Weg versteckt hält.” Es war nicht so, dass Tamrin wirklich glaubte, der Hund würde ihn verstehen. Aber das Reden half gegen die Nervosität. Und wer hörte ihn schon - außer dem Hund halt. Tamrin hob das Bündel hoch. Allzu schwer war es zum Glück nicht. Aber wie tragen ? Suchend sah er sich weiter um. “Könntest Du eventuell weg sehen, wenn ich auch noch ein Seil ausborgen muss ?”, fragte er Celeb.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Es dauerte etwas aber dann sprach der Halbstarke erneut, Celeb sah ihn nur an ohne sich groß zu bewegen. Tamrin schloss die Türe etwas, was den Hund nicht störte. Er konnte sie einfach aufstupsen wenn er wieder gehen wollte, die Nacht wollte er hier sicher nicht verbringen. Dennoch wollte Celeb sehen was der junge Mann hier wohl tat und hoffte noch immer auf einen Happen.
    Der große Graue horchte auf, als die Stimme von Tamrin wieder erklang, wovon redete er da nur? "Tári" hatte Celeb immerhin verstanden und wedelte leicht mit dem Schwanz. Es war etwas ganz anderes von einer anderen Person angesprochen zu werden als von der jungen Frau. Die Kommunikation war einfach eine andere, egal ob sie sprach oder nur dachte...
    Der Halbstarke war dabei sich umzusehen und Celeb lauschte kurz nach draußen, alles ruhig. Wieder ein Wort, welches er erkannte. Sein Name ... Futter? Sein Schwanz wedelte stärker über den Boden. Aber Tamrin hatte seine Aufmerksam noch immer suchend in das Innere des Schuppens gerichtet und so wurde sein Wedeln schwächer und verebbte. Kein Futter also...? Es juckte und Celeb kratzte sich mit seinem hinteren Lauf sein Ohr und machte ein wohlig brummendes Geräusch dabei. Während Tamrin sprach wanderte die kratzende Pfote zu seinem Hals und befreite ihn auch dort von einem Jucken. Celeb stand auf und ging dem jungen Mann hinterher, denn er hatte sich etwas in den hinteren Teil des Schuppens entfernt. Wieder ein Wort das er kannte... "Wegsehen". Tári kommunizierte zwar ganz anders mit Celeb, als andere Personen aber dennoch gab es auch Kommandos zwischen ihnen, damit ihre Art der Verbindung nach außen nicht allzu seltsam anmutete.
    Celeb setzte sich erneut und legte sich eine Pfote über die Schnauze...wegsehen...Futter...? Der große Graue ließ die Pfote sinken, stellte sie auf den Boden und wedelte wieder mit dem Schwanz. Auf ein Kunststückchen gab es immer eine Belohnung. Erwartungsvoll sah er den jungen Mann an.

  • Mittlerweile hatten seine Augen sich recht gut auf die Lichtverhältnisse im Schuppen eingestellt, doch egal wohin Tamrin seinen Blick schweifen ließ - da hing nirgendwo ein Seil an der Wand. Nicht einmal etwas seilartiges, wie ein Lederriemen oder so etwas. Leicht missmutig drehte Tamrin sich um. Der Hund war ihm gefolgt und hatte eine Pfote über sein Gesicht gelegt. Tamrin riss die Augen auf und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Und musste unwillkürlich lachen, was er sofort so gut es ging unterdrückte, aber es sah wirklich sehr drollig aus, was Celeb da tat. “Verstehe - Du siehst auch kein Seil, hm ?” machte er ihr gegenseitiges Missverständnis ahnungslos perfekt. Tamrin überlegte. Konnte es denn wirklich sein, dass es ausgerechnet so etwas hier einfach nicht gab ? Sein Blick fiel auf das akkurat gestellte Werkzeug, die sorgsam mit Tüchern bedeckte Kutsche und erinnerte sich, dass der Karren exakt wieder in die richtige Position gestellt worden war. Wenn hier jemand so sorgfältig mit den Sachen umging - vielleicht waren dann auch die Seile so ordentlich weg geräumt, um sie vor Mäusen und Feuchtigkeit zu schützen. Sein Blick viel auf mehrere Kisten am Ende der Werkbankablage. Das wäre doch eine Möglichkeit …..


    Mit drei schnellen Schritten war er dort und öffnete die Erste, die glücklicherweise nicht verschlossen war und spähte hinein. Aber schon der Geruch sagte ihm, dass dies jedenfalls die falsche Kiste war. Es roch nach getrocknetem Fleisch. In der nächsten befanden sich Werkzeug, Nägel und Schrauben. Aber in der Dritten fand Tamrin das Ersehnte: Stricke und auch verschiedene Lederriemen. Er zögerte nicht lange und suchte sich einen geflochtenen Strick in passender Länge heraus. “Dein Part.” kniff er dem Hund zwinkernd ein Auge zu als er sich wieder umgedreht hatte, und sah dann nachdenklich wieder zu der ersten Kiste hin. “Aber jetzt könnte ich Dich sogar bestechen, damit Du schweigst.” witzelte er angesichts der unverhohlenen Aufmerksamkeit Celebs ein wenig herum in seiner Erleichterung über den Fund und trat zu der ersten Kiste hin, um einen weiteren Blick zu riskieren. "Also - was haben wir ...." mit spitzen Fingern wühlte Tamrin in den getrockneten Stücken herum und hielt nacheinander welche gegen eines der Fenster. "Gänsehals ........... Rippenstück ........ äh.. Fleisch ?" Das letzte Stück war im schwachen Licht nicht zu bestimmen.

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  • Das Kunststück schien gut angekommen zu sein, immerhin reagierte der Fremde der viel lacht, wie einige der anderen Leute und eigentlich folgte darauf eine Belohnung. Aber dieses Mal nicht. Irgendetwas schien ihn abzulenken oder suchte er etwas? Celeb wollte nun aber seinen Happen haben, er machte solche Dinge doch nicht zum Vergnügen. Deswegen wich er Tamrin nicht von der Seite, auch wenn es nur wenige Schritte waren. Er öffnete eine Kiste und Celeb witterte, sein Wedeln lebte auf und er drehte sich freudig. Da war er an der richtigen Stelle, genau das wollte er von ihm. Doch dann öffnete der Halbstarke eine andere Kiste, das konnte doch nicht wahr sein. Tamrin sprach mit ihm und er verstand nichts davon. Aber seinen Blick zu der ersten Kiste, den registrierte er und auch sein Blick heftete sich an die Kiste. Celeb setzte sich erneut, eine Pfote bettelnd hebend, wieder und wieder in die Luft streckend und auch brummte er leise. Das war nun der letzte Versuch, um an etwas zu kommen, sonst würde er zurück in die Küche gehen und dort stöbern. Er hatte schließlich auch seinen Stolz ! Aber tatsächlich der Halbstarke hatte sich nun der Kiste zugewandt, dessen Inhalt Celeb begehrte. Die Aufregung von Celeb stieg und er stand auf, wedelte eifrig mit dem Schwanz. Seine Geduld wurde hart auf die Probe gestellt, da der junge Mann sich der Dinge erst besah. Celeb war es gleich, er hätte genommen, was ihm Tamrin gegeben hätte oder besser noch, von jedem eines. Der große Graue ging vorne hinunter, lag mit dem Brustkorb auf dem Boden, das Hinterteil in die Höhe gereckt. Sein Brummeln wurde lauter und ging in leise ungeduldigere Geräusche über. Musste er ihn vielleicht doch anbellen...?

  • Celeb bewedelte den Gänsehals heftig mit dem Schwanz. Das war dann wohl sein Geschmack, schloss Tamrin daraus. Mittlerweile stand der Hund beinah neben ihm. Das nächste Stück schien noch besser anzukommen, denn Celeb streckte den wedelnden Schwanz extra hoch in die Luft, damit Tamrin es auch nicht übersehen konnte. Der junge Mann nickte verständnisvoll. “Schon gut, ich verstehe.” versicherte er dem Grauen. Beim folgenden Brocken geriet Celeb ganz schön außer sich, er machte Laute, die Tamrin weder als Qietschen noch als Knurren identifizieren konnte. Aber das wurde ihm jetzt etwas zu heiß - am Ende machte Celeb hier noch Spektakel und er wurde auf den letzten Drücker doch noch erwischt. “Pssst !!!! Ist ja gut. Du bekommst alle drei. Aber sei leise !!” flüsterte er dem Hund sehr eindringlich zu und schloss die Kiste mit dem getrockneten Fleisch wieder, nachdem er die drei Kostproben heraus genommen hatte.
    Und jetzt ? Einfach geben ? Oder draußen geben ? Erst Mal ein Stück, nur damit der Hund Ruhe gab? Mit vollen Maul würde er ja wohl nicht bellen. Vielleicht war er auch hungrig, überlegte Tamrin, das bisschen Fischrest war auch mehr eine Füllung für einen hohlen Zahn gewesen, musste er zugeben. Vorsichtig packte er den Gänsehals am ganz hintersten Ende und hielt ihn Celeb hin. “Aber leise dann !” mahnte er zugleich inständig.

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  • "Pssst" kannte Celeb wieder, aber es viel ihm schon sehr schwer an sich zu halten. Aber da Tamrin drei Teile raus gesucht hatte und diese nicht mehr in die Kiste zurück gewandert waren, begnügte er sich mit freudigem Wedeln seines Schwanzes. Erwartungsvoll sah er den jungen Mann an. Hypnotisierend hätte man seinen Blick auch nennen können. 'Gib, gib, gib...' Vorsichtig hielt Tamrin dem Hund einen Gänsehals entgegen und Celeb schluckte erstmal in seiner Gier, bevor er den Happen ganz vorsichtig mit den Vorderzähnen nahm. Er zog nicht, er wartete bis Tamrin los gelassen hatte, so wurde es ihm gelernt. Aber dann zog er sich rasch etwas zurück um sich die verdiente 'Beute' einzuverleiben.

  • Zu Tamrin’s Erleichterung nahm Celeb den Gänsehals außerordentlich manierlich aus seinen Fingern und suchte sich sogleich ein Fleckchen, wo er selbigen verspeisen konnte. Er selbst wandte sich nun dem umfangreichen Kleiderpaket zu, dass er transportieren wollte. Bei näherer Betrachtung fanden seine tastenden Finger nun auch einen Schlüssel, der obenauf gelegen hatte. Tamrin steckte ihn zunächst in seinen Umhang. Dann formte der junge Mann eine Schlinge aus dem Seil und schlang sie jeweils längs und quer über das Bündel Kleider, so, dass das Seil dabei etwas Spannung bekam, bevor er es fest zurrte. So würde er das Bündel auf dem Rücken tragen können und hätte sogar eine Hand frei. Wenn nötig - was er nicht hoffte - auch zwei, weil er das Seil schnell loslassen könnte, ohne dass das Bündel auseinander gehen würde beim Aufprall. Tamrin war recht zufrieden mit dieser Lösung und eigentlich würde er sich nun gern aus dem Schuppen zurück ziehen. Suchend blickte er sich nach dem Hund um. “Celeb ?” flüsterte er fragend. “Bist Du fertig ? Ich muss hier wieder zusperren. Du kannst den Rest draußen bekommen.” Tamrin nahm das Bündel zunächst in die Hand und ging zur Tür, um sie ein winziges Stück zu öffnen. Vielleicht verstand der Hund dann, dass er mitkommen sollte.

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  • Mit einem kurzen Blick bedachte der Hund den jungen Mann noch rasch, ehe er seine Leckerei von oben bis unten beschnüffelte. Wo anfangen? Etwas unschlüssig war er, legte sich dann aber, nahm den Gänsehals zwischen die Vorderpfoten und begann genüsslich Stück um Stück zu vertilgen. Was Tamrin tat interessierte Celeb gerade nicht, er war ja nun mit Wichtigerem beschäftigt. Während Celeb noch übertrieben kaute, fiel sein Name und er wandte sich zu dem Halbstarken um. "Draußen" kannte der Hund gut. Ellaha schickte ihn immer mit "Celeb draußen ist dein Futter" vor die Türe. So setzte er Pfote vor Pfote und schlüpfte hinaus aus dem Schuppen, ein paar Schritte nur. Noch immer kaute er und schmatzte unnatürlich, als versuchte er etwas zwischen seinen Zähnen los zu werden.

  • Verblüfft sah Tamrin dabei zu, wie Celeb tatsächlich den Rest Gänsehals aufnahm und anstandlos zur Schuppentür getrabt kam. Wie ein Butler erweiterte er ihm den Türspalt, so dass der Hund ohne Anzuhalten gleich weiter hinaus traben konnte und sah ihm kurz hinterher.


    Das hatte besser funktioniert als erwartet. Schnell schlüpfte er nun seinerseits mit seinem Paket hinaus, stellte es kurz neben sich ab und verschloss die Schuppentür mit dem Schlüssel. Nun musste er nur noch Celeb’s Wassereimer finden. Der Hund schmatze. Es klang entsetzlich laut in Tamrin’s Ohren und unruhig sah er zum Haus hinüber. Aber noch waren alle Fenster dunkel und alles ruhig. “Psssst!!!!! Friß leise!!” herrschte er den Hund an, was sich im gepressten Flüsterton erheblich weniger beeindruckend anhörte als Tamrin es gern gehabt hätte. Kopfschüttelnd bugsierte er sich das Kleiderbündel per Seil auf seinen Rücken und tat ein paar lautlose Sprünge zum Haus hinüber. In dessen Schatten fühlte er sich schon wieder etwas sicherer und weniger auf dem Präsentierteller als vor der leicht einsehbaren Schuppentür. Selbst hier im Schatten war die Hintertür recht gut auszumachen und Tamrin schlich hin. Tatsächlich stand dort auch ein Eimer mit Wasser, wie eine schnelle Probe mit dem Finger bewies, in der Nähe. Nach kurzer Überlegung platzierte Tamrin den Schuppenschlüssel direkt darunter, etwas Sichereres fiel ihm nicht ein.


    Suchend sah er sich dann nach Celeb um. War er etwa schon satt ? Dann hätte Tamrin die müffelnden Stücke getrockneten Fleischs wohl ganz umsonst in der Umhangtasche hierher getragen.

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  • Der große Graue war mit dem Gänsehals zu sehr beschäftigt, als dass er die Worte des jungen Mannes auf sich gemünzt hätte und selbst wenn, sie hätten ihm nichts gesagt. Der Tonfall vielleicht noch, aber selbst da wollte Celeb gerade gar nicht auf ihn hören, schaltete auf Durchzug und überhörte sein ‘Psssst’ geflissentlich. Diese Leckerei hatte er sich fast schon schwer erarbeitet und er würde sie so fressen wie er das wollte. Erst als er auch das letzte Stück zerlegt und geschluckt hatte, vielleicht etwas zu hastig, sah er sich nach dem jungen Mann um. Eher war es nicht nötig gewesen, er hörte ihn hier und da etwas tun. ABER Tamrin hatte noch etwas, was der Hund nur zu gern noch bekommen wollte. Was er wohl dafür tun musste? Celeb trabte in einem Bogen auf seinen Wassereimer zu, dort hatte er gerade etwas getan. Der Wolfshund drückte seine Nase an den Boden und schnüffelte um den Eimer herum. Was hatte er da getan? Celebs Blick ging in den Eimer und er schlappte einmal hinein. Schmeckte wie sonst auch. Sein Blick hob sich und er sah Tamrin fast schon fragend an. WAS muss ich tun um das Futter zu bekommen?, stand ihm ins Gesicht geschrieben.

  • Nein, der große Hund kam gerade angetrabt. Intensiv beschnüffelte er den Boden um seinen Wassereimer. “Nun, ich sollte ihn dort drunter legen.” wisperte Tamrin entschuldigend. “Sie hat es so gesagt.” Celeb hielt die Nase in den Eimer, probierte und sah ihn dann an. Lange. Lange und vorwurfsvoll. So jedenfalls kam es dem jungen Mann vor. “Es war nur ein Finger.” rechtfertigte der sich leise und kramte hastig die beiden verblieben Fleischstücke aus der Tasche hervor. Achselzuckend legte er sie neben den Eimer. “Hier. Vielleicht ist der Durst danach dann größer als die Vorbehalte.” murmelte er trocken. Wer hätte gedacht, dass Hunde wegen einem menschlichen Finger in ihrem Wassernapf so pikiert sein könnten ? Suchend sah er die Hauswand hinauf. Welches wohl Tári’s Fenster war ? Hatte sie überhaupt ein Fenster zur Rückseite ? Einen Augenblick lang verfing Tamrin sich in seiner Sehnsucht, sie sehen zu können und malte sich aus, wie sie wohl aussehen würde, eingekuschelt in ihre Decke und friedlich schlafend.

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  • Celebs Schwanz begann erneut freudig zu wedeln, als Tamrin ihm die zwei Leckereien auf den Boden neben seinen Wassereimer legte. Einfach so? Das war natürlich das Schönste was ihm gerade widerfahren konnte. Der Hund nahm eines der Stücke auf und sah dann etwas unleidlich auf das andere hinunter, nur zu gerne hätte er beide ins Maul genommen und sich einen gemütlichen Platz gesucht. Er versuchte es zwei, drei Mal die beiden Stücke ins Maul zu nehmen, aber es gelang ihm nicht. So fing er an Ort und Stelle an sie zu vertilgen. Celeb kaute zufrieden vor sich hin, stellte sich aber so, dass man ihm den anderen Brocken nicht entreissen konnte. Das war nun SEINS. Seine Beute, sein Futter und teilen würde er nicht.

  • In seiner wehmütig-romantisch angehauchten Stimmung war Tamrin fast versucht, den Hund zu bitten, er solle Tári ausrichten, wie sehr er an sie dachte und den entscheidenden Abend herbei sehnte. Doch beim gänzlich unromantischen Gebaren des Hundes verwarf er den Gedanken augenblicklich. Celeb konnte sich offenbar nicht entscheiden, welches Stück er zuerst vertilgen sollte und schnüffelte abwesend (und auch ein bisschen sabbernd) zwischen den beiden Brocken hin und her, bis er endlich den Richtigen gefunden zu haben schien und genüsslich daran herum kaute. Wenigstens einer, der zufrieden war. “Ich muss dann einmal gehen.” teite er dem Hund aber zumindest mit “Mach’s gut, Celeb.” bevor er sich seine Paketkonstruktion wieder über die Schulter lud, noch einmal kurz zu den Fenstern blickte und dann Richtung Schuppen davon huschte. Diesen passierte und sich dahinter wieder an der mächtigen Linde vorbei drückte, um erneut auf der kleineren Querstraße anzukommen. Im Schatten des Eckhauses verharrte Tamrin kurz - aber hinter ihm blieb alles still. Er entschied, als Rückweg die Strecke direkt am Fluss entlang zu nehmen. Nur für den Fall, dass ihn trotz der späten Stunde einer der Anwohner hatte kommen sehen. Da musste der ihn nicht wenig später mit einem großen Bündel zurück laufen sehen und das am Ende verdächtig finden. Immer noch war die Nacht um ihn herum friedlich und ruhig und so trabte Tamrin aus den Schatten heraus und die Querstraße links hinunter.



    <--------- Ein Zimmer im Seeviertel .....

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  • Kurz sah Celeb auf, als Tamrins Stimme zu hören war. Doch dann kaute er versonnen weiter an seinem letzten Fleischstück. Erst als er fertig war, sah er dem jungen Mann hinterher, welcher sich bereits an dem riesigen Baum vorbeischlich. Schnell war er aus seinem Sichtfeld verschwunden. Es war für ihn wohl an der Zeit ...
    Der Hund schmatzte noch ein paar Mal und trank dann etwas aus seinem Eimer, ehe er eine kleine Runde in dem Hinterhof drehte. Wenn er schonmal hier war. Alles war ruhig und der junge Mann kehrte auch nicht zurück, seine Spur verblasste auch zusehens. Er nieste einmal und machte sich auf den Weg durch das offene, kleine Fenster zurück ins Haus. Auch dort war alles ruhig und er tappte nach oben in das Zimmer der jungen Frau. Einige Augenblicke ruhte sein Blick auf ihr. Wovon immer sie gerade zu träumen schien, es muss ein sehr schöner Traum gewesen sein. So ruhig und selig hatte Celeb sie des Nachts noch nie gesehen. Er stupste sacht ihre Hand an. Tári regte sich etwas ohne aufzuwachen. Sie hatte das Hemd des jungen Mannes noch enger in ihre Arme geschlossen. Celeb seufzte leise. 'So ein Umstand...' Faul und gesättigt lies er sich nun auf seiner Schlafstelle nieder, gähnte einmal und rollte sich zusammen.

  • Am nächsten Morgen - Tag 8



    Viel zu schnell hatte der Morgen die junge Frau aus ihren Träumen gerissen. Es war schon hell und Celeb hatte sie mit einem leisen Quengeln geweckt, denn sein Frühstück hatte er bereits abgestaubt und nun lockte es ihn hinaus an die frische Luft. Mit einem leisen Seufzen öffnete Tári die Augen und gähnte herzhaft. Die Tunika das jungen Mannes hatte kaum an Geruch verloren und sie drückte sie eng an sich. Ob alles geklappt hatte des Nachts? Ihre Gedanken eilten weiter zu dem gestrigen Tag und es stahl sich ein verträumtes Lächeln auf ihre Lippen. So verwirrend der letzte Tag und die Tage davor auch gewesen sein mochten, genauso schön waren die Erinnerungen an jene. Ein wenig ärgerte Tári sich, dass sie so fest geschlafen hatte und seinen 'Besuch' so gar nicht mitbekommen hatte. Sie hatte eine Weile gelauscht und musste darüber eingeschlafen sein. Wie gern hätte sie ihn gesehen und in seinen Armen gelegen.
    Wie es ihm wohl heute ergehen mochte? Sie würden einander heute nicht zu Gesicht bekommen und damit holte sie allzurasch der bevorstehende Tag ein und es hätte sie fast ihre gute Laune gekostet. Tári sollte ihre Tante heute auf einen gesellschaftlichen Anlass begleiten, wo sie doch viel lieber…


    Die junge Frau kroch wenig begeistert aus dem Bett und erwischte sich einmal mehr dabei, wie sie jenes richten wollte. Mit einem abfälligem Schnauben beließ sie es bei einer umgeklappten Bettdecke. Aber die Tunika konnte sie nicht so einfach dort zurück lassen. Das wäre sicherlich nicht gut, wenn Ellaha sie dort finden würde...? Tári legte das Hemd ordentlich zusammen und versteckte es in ihrem Nachttisch, wo sie sicher war, es würde keiner nachsehen.


    Die Zeit bis zu der Einladung, welcher sie folgen würden, war Tári frei überlassen. So nutzte sie die Zeit für einen Spaziergang hinaus zu den Stallungen, nachdem sie den Schlüssel, von unter dem Wassereimer wieder dorthin zurückgelegt hatte, woher sie ihn genommen hatte. Das klappte zum Glück ohne einen Zwischenfall und da der Schlüssel lag wie vereinbart, musste doch alles geklappt haben...? Was Tamrin heute wohl den ganzen Tag tun würde...? Hätte sie geahnt, dass sie so viel Zeit hatte, hätte sie ihn treffen können. Sie seufzte tief in sich hinein.


    Die Stallungen waren ihre Wahl gewesen, da sie Celeb dort lassen wollte, er durfte eh nicht mit ihr mitkommen. Und warum sollte er dann im Haus auf sie warten müssen, wenn er sich hier draussen die Zeit vertreiben konnte? Sie waren gerade unterwegs als Tári erneut an Tamrin dachte und Celeb schien das irgendwie zu spüren. Er lief gelassen neben ihr. 'Er war in der Nacht hier.'Etwas irritiert und aus ihren Gedanken gerissen sah sie den grauen Hund an. "Wer?", wollte sie wissen. War Celeb nicht die ganze Nacht auf seiner Schlafstelle gewesen? 'Na der Fremde, der viel lacht. Den du Tamrin nennst. Er war im Schuppen, als ich nachgesehen habe. Er hat von dort etwas mitgenommen. Einen Stoffhaufen und ein Seil. Gelacht hat er nicht, er war ganz schön aufgeregt.', erzählte er ihr. 'ABER er hat mir Futter gegeben.'Allein schon als er daran dachte, an den Nachtimbiss, wedelte er mit dem Schwanz und klang erfreut. 'Musste sogar Kunststückchen machen...', nun klang er etwas anklagend. Die Blonde sah den Hund etwas irritiert an. "Streuner!", sagte sie dann aber leise lachend und freute sich innerlich sehr. Tamrin hatte sich die Kleidung geholt, wie sie es besprochen hatten. Alles würde gut werden wenn er morgen Abend mit Tante Dilara sprechen würde. So ging sie den Weg beschwingten Fußes und dankte Celeb für die Informationen.


    Im Stall angekommen besah sie sich die Pferde, welche sie gestern getragen hatten. Sie beschäftigte sich einige Zeit mit ihnen und als sie die beiden verließ wirkten sie zufrieden und grasten gemächlich dahin. Die blonde Frau lies sich vor der Koppel auf den Boden in einen Schneidersitz gleiten und packte sich ihr Frühstück aus. Ihre Augen streiften in der Umgebung umher und ihre Gedanken gingen ihre eigenen Wege während sie aß und trank. So verrann die Zeit sehr schnell und nach einem kurzen Abschied machte sie sich ohne Celeb auf den Rückweg, nicht ohne ihm zu bedeuten, hier zu warten, bis sie ihn wieder abholen würde und Futter und Wasser im Stall für ihn zu richten.

  • Zuhause war mittlerweile reger Betrieb ausgebrochen und Ellaha war damit beschäftigt Táris Tante zur Hand zu gehen. Auf möglichst leisen Sohlen begab Tári sich in ihr Zimmer. Ein Kleid für den heutigen Anlass war bereits aus dem Schrank gewählt, hing auf einem Bügel an einem Haken und darunter die dazu passenden Schuhe platziert. Der extreme innere Widerstand bestand so nicht mehr, sich in jenes zu kleiden was ihre Tante für sie ausgesucht hatte. Tári musste aber auch anerkennen, heute versuchte ihre Tante nicht, ihr ihren Geschmack aufzudrängen.
    Die junge Frau begab sich ins Bad und das einige Zeit. Sie hatte es bei diesen Vorbereitungen immer gar nicht so eilig wie sonst. Gerade als sie soweit war sich die Kleidung anzulegen, stand ihre Tante mit bester Laune vor ihr. Jene übernahm es einmal mehr sich um die Haare und die korrekte Kleidung der jungen Frau zu kümmern. Ohne große Widerworte ließ Tári das Prozedere über sich ergehen. War ihre Hoffnung doch so groß, immer wieder Freiräume zu erhalten in denen sie sich ihre Zeit einteilen konnte wie sie es wollte. So wie gestern... und schon wieder lächelte sie leicht.
    Ihre goldblonden Locken ließ die Tante großteils offen, nahm nur das obere Deckhaar kunstvoll zurück und befestigte es mit einem Lederband am Hinterkopf der Halbelfe. Dann kam das Kleid an die Reihe, welches in einem dezenten Hellblau gehalten war. Es schmiegte sich der oberen Silhouette von Tári hervorragend an und ging über in einen langen und weit schwingenden Rock, sowie wunderschöne und weite Ärmel. Unterschiedliche Details dieses Kleides zeigten eindrucksvoll das Verständnis des Schneiders für perfekten Stil und Design in der Fertigung solcher Bekleidung. Die Schnürung an beiden Seiten des Kleides war goldfarben. Ebenso wie die Verzierung der Borten, welche am Rand zusätzlich mit goldfarbenen, gedrehten Schnüren eingefasst waren. Die Nähte am Vorderteil des Kleides war mit kleinen, goldenen Perlen bestickt und betonten die zierliche Figur der jungen Frau auf unnachahmliche Weise. Zum Schluss folgten die Schuhe und ein Samtbeutel, verziert mit Spitze und Perlen für ihr Handgelenk.



    Die Tante der blonden Halbelfe wirkte so überaus glücklich und strahlend. Es war schon ein ungewöhnlicher Anblick für Tári, solange sie nun hier bei ihrer Tante war, hatte sie jene nie so gesehen. Unbehagen regte sich in der jungen Frau, ohne dass sie erklären konnte wieso oder weshalb. Vor der Türe wartete eine Kutsche auf sie. Es war eine der Droschken die jedermann gegen Bezahlung bestellen konnte, aber von der gehobeneren Sorte. Das Pferd war ein gutmütiger Brauner, welcher nicht allzu unzufrieden wirkte. Die Kutsche war schwarz und edel, der Kutscher bereits in die Jahre gekommen, mit wettergegerbter Haut und silbrigem Haar und Bart. Er trug einen Zylinder und schwarzen Umhang. Mehr erkannte sie nicht. Die Stirn der jungen Frau legte sich in Falten. Sie wusste, dass die Gesellschaft in Nir'alenar sein würde, aber nicht genau wo. Vielleicht lag es auch an der fortgeschrittenen Tageszeit...? Der Abend hatte sich bereits über die Stadt gelegt. So stieg sie, im sich verabschiedenden Tageslicht, ihrer Tante hinterher ein, jeweils durch die Hand des Kutschers geleitet.
    Allzu weit war es nicht, wohin die Kutsche sie fuhr. Es wäre sicherlich ein ordentlicher Fußmarsch gewesen, so tief im Adelsviertel, aber machbar wäre es auf jeden Fall. Sie stiegen aus und kamen vor einem hochherrschaftlichen Anwesen zu stehen. Zu zahlen brauchten sie nicht, der Droschkenkutscher wünschte ihnen mit seiner rauen Stimme noch einen schönen Abend und ließ sein Pferd erneut antreten. Rasch war er aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Die Augen der jungen Frau glitten zu dem Anwesen vor dem sie nun standen. Es wirkte irgendwie so gar nicht bewohnt, zumindest nicht von außen. Es war alles gehegt und gepflegt, aber keinerlei Spuren davon, dass es auch Leben in diesem nüchternen Vorgarten gab. Nun ja, was sollte sie sich daran stören? Es war nicht ihr Zuhause und es war ja nur dieser Abend den sie hier verbringen würden.

  • Die Türe öffnete sich bereits, als sie den Weg bis zur Hälfte beschritten hatten. Ein großer und kräftiger Mann ließ sie herein. Er schien ihre Tante zu kennen, was nichts Unübliches war. Den beiden Frauen wurden ihre Mäntel abgenommen und so stießen sie zu einer etwas größeren Gesellschaft, es war fast so als hätten alle nur auf die beiden Frauen gewartet. In Tári regte sich erneutes Unwohlsein, doch dieses wurde von großer Überraschung abgelöst, als der Hausherr das Wort erhob. Sie kannte diese Stimme, auch wenn es schon sehr lange her war und die Begegnungen eher flüchtiger Natur.
    Fanorian Ruosoi hieß an der Seite seines Vaters Herzog Teofil Ruosoi und seiner Mutter Lucuha, der Herzogin, die Gesellschaft mit auserwählten Worten und seinem ganzen Charme willkommen. Davon hatte er eine ganze Menge. Die junge Damenwelt hatte er bereits für sich gewonnen und leises Tuscheln entstand darüber, wie gut der junge Herzog doch aussah. Fanorian Ruosoi war ein blonder, hochgewachsener Mann mit dunklen Augen. Er sah wahrlich alles andere als schlecht aus.
    Tári wäre am Liebsten sofort wieder rückwärts hinaus aus dem Empfangsbereich, aber wollte sie sich heute doch perfekt benehmen. Der Tante keinen Anlass bieten verärgert zu sein, damit sie morgen wohlgestimmt auf Tamrin treffen konnte und jener seinen, nein ihren gemeinsamen Wunsch vortragen konnte.
    Es wurde zu einem leichten Dinner geladen und dort ging man einfachen Gesprächen nach. Der Raum war groß und prächtig ein- und hergerichtet. Als die Dienerschaft alles abgetragen hatte und auch jeder Gast mit einem Getränk versorgt war, öffnete sich eine große Flügeltüre. Sogleich begann Musik aufzuspielen und die Gastgeber luden dazu ein den Raum zu wechseln. Er war noch größer als das Esszimmer und sehr behaglich eingerichtet. Auch wenn die Einrichtung zeigte, dass viel Gold in ihr steckte.
    Es gab eine große Tanzfläche und um jene herum reichlich Sitzgelegenheiten. Die junge Frau blieb an der Seite ihrer Tante in der Hoffnung, die anwesenden Herren würden an ihr vorbeigehen und die anderen jungen Frauen zum Tanz auffordern. Eine ganze Weile war dem auch so, bis ein weiteres Mal das Lied gewechselt wurde. Nun stand Fanorian hoch aufragend vor ihr und bat um den Tanz. Die blonde Frau fühlte den Blick ihrer Tante auf sich ruhen und willigte ein. Einen Tanz konnte sie ihm schon geben und damit hätte sie ihr Soll heute wohl auch erfüllt...?
    Der junge Herzog führte Tári über die Tanzfläche und versuchte sich an Komplimenten und Schmeicheleien. Wie schön sie doch geworden sei, seit ihrer letzten Begegnung und dass ihr das Kleid wirklich gut stünde. Sie unterdrückte es mit den Augen zu rollen und bedankte sich artig bei ihm für seine Worte, wenn sie auch noch so unehrlich waren. Er roch nach einer anderen Frau ... nicht nur nach einer!! Es hatte sich wohl nichts geändert, dachte sie stumm für sich und ersehnte das Ende der Musik herbei.
    Es war ihr Glück, dass der Gastgeber sich nicht nur mit ihr beschäftigen konnte und so wechselte sie in die Arme eines anderen jungen Herren der ebenfalls hier zu Gast war. Es war kein Vergleich zu dem Abend im Park, als Tamrin sie gehalten und geführt hatte. So wurde es später und später und irgendwann verstummte die Musik und es wurde zum Abendessen geladen. Langsam aber sicher sollten sich alle im Esszimmer einfinden.

  • Tante Dilara nutzte diese Möglichkeit und nahm sich Tári etwas zur Seite. Sie wollte die junge Frau auf das Kommende vorbereiten. Die Hände der Tante legten sich um jene der jungen Frau und Dilara strahlte sie überglücklich an. "Tári Liebes.", begann sie, strich ihrer Nichte eine Haarsträhne aus der Stirn, welche sich beim Tanzen gelöst hatte und fasste erneut ihre Hand. "Ich habe so wunderbare Neuigkeiten für dich. Fanorian Ruosoi ist wegen dir hier und gibt diesen Empfang.", sprach sie weiter und Táris Züge wurden immer ernster. Fanorian Ruosoi war wegen ihr hier? Und gab deswegen den Empfang? Weswegen? Sie kannten einander nur flüchtig. Soweit sie sich richtig erinnern konnte war er ihr auf der Verlobungsfeier sowie der Hochzeit ihrer Schwester vorgestellt worden und begegnet. Ein argwöhnisches Schnauben konnte sie gerade so noch unterdrücken. Fanorian war unglaublich und fast unerträglich schön, hatte ihre Schwester ihn ihr damals beschrieben, bevor Tári ihn selbst zu Gesicht bekam. Théra fand einfach keine passenderen Worte dafür. Es war mehr als nur gutaussehend. Gutaussehend war wohl eine gängige Bezeichnung bei Männern, aber die Bedeutung des Wortes war zu eng, fand Théra. Dieser Mann war einfach wahrhaftig schön. Seine Züge waren so ausgesprochen vornehm, das sie dem Wort edel eine ganz neue Bedeutung verliehen. Helle Augenbrauen wölbten sich über dunkle Augen. So männlich und gleichzeitig wieder jungenhaft durch die dichten und langen Wimpern. Und seine Augen glommen immer leicht gefährlich... Ja ihre Schwester mochte vielleicht sogar Recht haben, wenn man Fanorian Ruosoi mit so manch anderen Männern verglich. Aber so schön er von außen war...Tári mochte ihn nicht. Er würde wohl gut zu dem Lüstling passen, dem sie mit Tamrin auf dem Marktplatz begegnet war. Und das was sie gerochen hatte bestätigte sie in ihrer Annahme.
    "Kind, er hat bei deinem Vater um deine Hand angehalten und Aidan hat seine Zustimmung gegeben.", pure Freude sprühte aus der Stimme der älteren Frau hervor.
    Die Halbelfe kniff ihre Augen zusammen und starrte ihre Tante an. Es dauerte eine Weile. Eine ganze Weile.
    Hatte ihre Tante ihr gerade gesagt, sie wäre mit Einwilligung von ihrem Vater nun mit Fanorian Ruosoi verlobt? Sie wollten, dass sie diesen Mann, den sie gar nicht kannte und schon so aus der Entfernung nicht sonderlich leiden konnte, heiratete? Wie konnte ihr Vater diesem Vorhaben nur zustimmen? Wieso tat er ihr das an? Lag es daran, dass die Ehe ihrer Schwester auch arrangiert war? Ja, ihre Schwester Théra war glücklich mit dieser Ehe. Ihr Ehemann hatte sie dann doch im Sturm erobert und ihr die Welt zu Füßen gelegt. Théra beteuerte immerzu es hätte ihr nichts besseres passieren können. Und nun? Hoffte ihr Vater darauf, dass es sich für Tári genauso ergeben würde? Hatte er sie aufgegeben? Tári erinnerte sich an den Anblick des Anwesens. Alle Fenster und Türen waren fest verschlossen gewesen. Der Garten sah auch nur gepflegt und nicht benutzt aus. Ein goldener Käfig...? Für sie? Wie konnte ihr Vater diesem Irrsinn nur zustimmen? Ohne mit ihr darüber gesprochen zu haben? Er wusste doch was Tári ihre Freiheit bedeutete und ganz sicher konnte sie jene nicht in einem solchen Adelshaus haben. Warum musste er nur so weit fort sein UND warum war ER nicht hier und sagte ihr das selbst? Warum war es ihre Tante, die ihr diese Nachricht überbrachte... Nein sie diesem Mann überbrachte...?
    Táris Tante drückte sacht zur Aufmunterung die Hände der Blonden. In diesem Moment durchfuhr es sie wie ein Blitzschlag und schlagartig wich der jungen Frau jegliches Leben aus ihrem Gesicht. Auch hatte sie das Gefühl sich nicht mehr auf den Beinen halten zu können. Ein Teil ihrer Welt brach soeben mit dieser Nachricht zusammen. Sie...Sie...Sie wollten sie wirklich verheiraten...? Einfach so...? Mit Fanorian Ruosoi? Tári wollte ihre Hände zurück ziehen, aber ihre Tante hielt sie fest. Leichte Besorgnis stand jener nun ins Gesicht geschrieben. "Das ist ein Scherz ...? ... Nicht wahr?" Die Stimme war kaum zu vernehmen so sehr zitterte sie. "Tári, das sind hervorragende Neuigkeiten.", kam es der Tante überzeugt über die Lippen und sie lächelte aufmunternd und beschwichtigend. Die junge Frau würde so in ein altes Adelsgeschlecht einheiraten, welches gerade wieder am Aufleben war. Und immer mehr an neuem Glanz gewann. Verwirrt schüttelte Tári den Kopf. Sie kam sich so ... verraten? vor. Von ihrer Tante und auch ihrem Vater...? Tränen stiegen ihr in die Augen und mit einem einzigen Ruck löste sie die Umklammerung der Hände ihrer Tante. Jene kam dabei fast ins Straucheln. "Nie ... nie ... nie... nein, nein.", brachte sie gerade noch so vehement mit dem Kopf schüttelnd über die Lippen, während sie begann einige Schritte rückwärts zu gehen.


    Táris Tante trat auf ihre Nichte zu um den Abstand zwischen der aufgebrachten jungen Frau und sich selbst zu verringern. Doch jene wich immer weiter vor ihr zurück und spürte etwas in ihrem Rücken. Tári drehte sich um und stand vor einer mächtigen Glastüre. Sie öffnete sie und entwich nach draußen auf eine erhöhte steinerne Terrasse. Dilara versuchte noch immer ihrer Nichte näher zu kommen, doch ehe sie sie erreichte packte die junge Frau den Rock des Kleides und begann zu laufen, die Treppen hinunter. Sie wusste noch nicht wo hin, sie wollte einfach nur fort von dort. Weg von dem Ort an dem man sie verraten hatte... Ihre Tante rief aufgebracht hinter der blonden Halbelfe her, doch dies ließ Tári nur umso schneller laufen, den Garten durchqueren auf die Straße hinaus und in eine Seitenstraße flüchten. Weg aus dem Sichtfeld der Tante und des Hauses. Die Tränen liefen ihr über die Wangen und sie erregte wohl so einiges Aufsehen, so eilig wie sie rannte. Ihr Kopf belagerte sie mit Fragen die sie sich nicht beantworten konnte, so konnte sie nicht einen klaren Gedanken fassen. Aber auch ihre Gefühlswelt war in Aufruhr. Durch den Tränenfilm in ihren Augen war Táris Sicht nicht die Beste und so wurde aus ihrem schnellen Lauf ein eiliger Gang, da sie fast so einige umgerannt hatte auch wenn die Straßen breit waren, sie waren sehr belebt zur abendlichen Stunde. Es störte sie nicht. Des Öfteren war die junge Frau in weitere Seitenstraßen des Adelsvietels abgebogen, doch nun hatte sie die Orientierung verloren. Sie drehte sich einmal im Kreis, wollte in diesem Viertel sicher nicht bleiben und so lief sie weiter. Tári hatte sich für die Hafenrichtung entschieden, irgendwann würde sie schon wieder auf eine ihr bekannte Straße treffen und dann von neuem entscheiden. Und so war es auch, sie passierte die große Hauptstraße des Händlerviertels. Doch sie fühlte sich darauf nicht wohl und zog seltsamer Weise die schmaleren Gassen vor.



    --> Ein Zimmer im Seeviertel

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