Am Mondenteich

  • <- Der Park


    Seine Begleiterin schlug den Weg zum Wasser ein. Womöglich spielte sie dabei mit dem Gedanken, dass sie auf diese Weise länger im Licht des Festes zu sehen sein würden. Zeciass betrachtete sie abwägend, bevor er sich mit einem entschlossenen Schritt vor sie bewegte und einige Festgäste aus dem Weg schob, die sie sonst zu einem Umweg gezwungen hätten. Es mochte ein Grund sein, doch genauso wahrscheinlich war, dass sie annahm, ihn durch die Nähe zum See günstig zu stimmen.
    Tatsächlich machte Zeciass einen Schritt weiter als nötig gewesen wäre, sodass seine Füße das Wasser betraten. Noch immer hielt er ihre Hand in seiner und führte sie langsam am Ufer entlang.
    "Ich habe Euch noch nicht nach Eurem Namen gefragt", sprach er sie an. Seine schwarze Erscheinung wäre mit dem Dunkel des Sees zu einem einzigen Schatten verschmolzen, hätten seine silberweißen Haare nicht im Fackelschein des Festes geglänzt. "Meinen habt Ihr inzwischen erfahren."

  • Immer wieder warf Amelie einen prüfenden Blick in Richtung Seoul doch der schien nur noch Augen für diese andere Nymphe zu haben. Sie hätte es sich doch denken können. So versuchte sie, sich langsam einen Weg in Richtung des Mondenteichs zu bahnen, während sie sich den Nachtelfen ein für alle Mal aus dem Kopf schlug. Er war es nicht wert, dass sie kostbare Zeit und unnötige Gedanken an ihn verschwendete, beschloss Amelie.


    Warum sie den Weg einschlug, den sie ging, wusste sie selbst nicht so recht. Amelie wollte einfach nur hinaus aus diesem unsäglichen Gedränge und der Yassalar half ihr dabei, in dem er einige umstehende Festgäste zur Seite schob.


    Noch während sie ihm nach schritt, vernahm sie seine Stimme. "Ihr dürft mich Amelie nennen", nannte sie ihm ihren Namen.

  • Fanir schlenderte am Ufer entlang. Viele standen nicht vor dem See, aber die, die da waren, bewunderten sicher die Aussicht. Der Mond klitzerte wunderschön im Wasser, befand Fanir und verlor sich einen Moment in diesem Anblick. Wie kleine Diamanten, die an der Oberfläche schwammen. Sie war sich sicher, wenn sie ein Kind gewesen wäre, hätte sie sich vor dem Ufer hingekniet und probiert wie warm oder eher kalt das Wasser war.


    Nun war sie aber kein Kind mehr. Sie war eine erwachsene Frau, die sich auf einem Fest befand, auf das sie besser nicht hätte gehen sollen. Sie war eigentlich schlau genug sich keine Hoffungen zu machen, dennoch lies sie der Blick des Yassalars nicht los. Warum war die Nymphe mit ihm verschwunden? Yassalar waren gefürchtet. Würde sie wirklich ein solches Risiko eingehen? Nun, das war nicht ihr Problem, versuchte sie sich zu beruhigen.

  • Mit jedem Schritt rückte das Zentrum des Festes in etwas weitere Ferne. Noch immer spielte die Musik zu neuen Tänzen auf, doch abseits der fröhlichen Niederen gewann der angenehme Klang des Mondenteichs allmählich an Kraft. Die lose in den Sand gesteckten Fackeln zerschnitten das Ufer in gleichmäßige Streifen aus Helligkeit und Schatten.
    Sie ging ein Stück hinter ihm, zurückhaltend trotz ihres einladenden Lächelns, das ihn hergeführt hatte, sodass Zeciass seinen Schritt verzögerte und sie aufschließen ließ. Der Drang, den argwöhnischen Augen der Festbesucher zu entkommen, trieb ihn voran, doch er musste geduldig sein, wenn er sie nicht verlieren wollte. Schließlich blieb er ganz stehen und betrachtete ihr Gesicht einen Moment lang, während die Wellen seine Fesseln umspülten. "Amelie." Seine Finger umschlossen ihre Hand etwas fester. "Für eine Nacht blick nicht zurück."


    Es verwunderte ihn selbst, dass er die Geduld fand, sich Gedanken über sie machen. Im Grunde hatte er längst gewonnen. Sie war nicht anders als die Unzähligen, die ihm arglos gefolgt waren. Wäre da nicht die Magie gewesen, die er an ihr spüren konnte. So schön sie war, so verschlossen erschien sie ihm zugleich. Ein Geheimnis, das sein Gesicht hinter einer ansehnlichen Maske verbarg. Oder war selbst das Illusion und ein Teil des Zaubers, mit dem sie sich umgab?

  • "Es scheint, als könntet Ihr es kaum erwarten, dem Fest zu entfliehen", stellte Amelie mit einem Lächeln fest. Sie spürte den festen Griff seiner kühlen Hand um die Ihre, während sie beständig schritt hielt, dem festlichen Treiben zu entkommen. "Und ich kann Euch nur zu gut verstehen. Auch mir ist das Treiben der Stadt oft zu viel".


    Das Licht der umstehenden Fackeln spiegelte sich in Amelies Augen, während sie gedankenverloren auf den Mondenteich blickte. Wie schön er doch war in dieser Nacht. Und wie sehr er sie doch an den Spiegelsee erinnerte. Der Silberwald ... Für eine Weile schwelgte Amelie in den Erinnerungen an ihren Herkunftsort und schien alles um sie herum zu vergessen.

  • Fanir hielt es nicht mehr aus, sie zog sich erst den einen, dann den anderen, halb zertretenen Schuh von den Füßen und trat ein paar Schritte in das kühle Wasser. Sie schloss die Augen und genoss die Erfrischung. Vielleicht steckte in ihr doch noch ein Kind. Obwohl, als Kind, wäre sie noch weiter hineingegangen, jetzt beschränkte sie sich darauf, ihr Kleid etwas anzuheben und nur bis zu den Knöcheln im Mondenteich zu stehen.


    Abwechslung, das war es was sie suchte. Und sie ein kleines "Bad" im See, wer könnte da schon nein sagen. Vom Fest hörte sie, wenn der Wind günstig stand, noch die Musik und sie summte etwas mit.


    Da bemerkte sie den Yassalar und die Nymphe. Unweit von ihr entfernt standen sie und unterhielten sich. Die Nymphe lächelte. Auch der Yassalar schien nicht unzufrieden. Ohne, dass sie es bemerkte, ging sie näher zu den beiden. Im Wasser machte sie dabei kaum Geräusche, wie sie erstaunt feststellte, aber ihr war klar, dass sie dennoch gehört werden würde. Ihre Haut kribbelte, sie würde noch ein Stück weitergehen.

  • Obwohl die Abgeschiedenheit kaum ein Dutzend Schritt entfernt in Form einiger schützender Weidenbäume lockte, kam Zeciass nicht umhin, dem verträumten Blick seiner Begleiterin zu folgen. Nun selbst über die Schulter auf den See schauend, bemerkte er die schlanke Frauengestalt im seichten Gewässer. Den Stoff ihres Kleides leicht gerafft, erzeugten ihre Schritte ein sanftes Plätschern, kaum mehr als ein Flüstern im Klang der Nacht, während sie sich langsam näherte. Seine Sinne auf sie richtend, spürte der Yassalar den feinen Aufruhr in den Wellen, die seine Schuppenhaut streiften. Im nächsten Moment erinnerte er sich, woher sie ihm bekannt vorkam.


    Die kleine Unscheinbare, deren neugierige Blicke ihn aufmerksam gemacht hatten. Farina? Nein... Fanir.
    Warum war sie ihnen gefolgt? Und weswegen hatte sie dazu sein Element gewählt, anstatt sich trockenen Fußes zu bewegen wie Staubatmer es sonst bevorzugten?


    Leichte Erheiterung spiegelte sich in seinen Augen. Unnötige Fragen, wo die Erklärung doch so einfach war. Er hatte seine Wirkung auf die Frauen Beleriars ganz offenkundig unterschätzt... "Wir haben eine Verfolgerin", teilte er seine Entdeckung Amelie mit und wog ab, wie lange es noch dauern mochte bis sein Hunger die Frage nach der Wahl seines Opfers instinktiv entscheiden würde.

  • Mit geschlossenen Augen war auch Amelie weiter in den Mondenteich getreten und spürte wie aus weiter Ferne das Plätschern der leichten Wellen um ihre Füße. Es war eine herrliche Nacht und die Nymphe dankte Shirashai dafür. Alsbald würde sie sich auf den Weg machen, ihre einstige Heimat wieder aufzusuchen, beschloss Amelie, bevor die Stimme des Yassalar sie wieder in die Realität zurück holte.


    Eine Verfolgerin? Leicht irritiert folgten Amelies Blicke denen des Yassalar. Die Gestalt einer jungen Frau zeichnete sich im Schein der Fackeln ab. Auch sie wandelte durch den Mondenteich. Fast geräuschlos bewegte sie sich auf sie zu. "Fanir ... Was sie wohl hier möchte?", grübelte Amelie nur so laut, dass einzig und allein Zeciass ihre Stimme vernehmen konnte.

  • Sahen sie zu ihr hinüber? Fanir war sich fast sicher, in der Dunkelheit der Nacht dieses Detail auszumachen. Sie blieb automatisch stehen. Was passierte wohl, wenn sie sie wirklich gesehen hatten? Wie sollte sie sich verhalten, oder eher, was würden die beiden tun?


    Unsicher starrte sie zu den beiden und blickte schnell auf den See, aber sie würde weder sich, noch der Nymphe und dem Yassalar vormachen können, dass sie nicht gesehen hatte. Sie haderte kurz mit sich, was sollte sie tun? Einfach hinübergehen kam ihr zu dreist vor - allerdings auch die einzige Variante, die einigermaßen höflich gewesen wäre. Noch einen Augenblick sah sie auf den Mondenteich, dann setzte sie sich zu den beiden in Bewegung, wie auch immer sie empfangen werden würde.

  • Amelies verschwörerisch leise Stimme besaß einen eigenartigen Reiz, der seinen Blick das Gesicht der Dunkelhaarigen erforschen ließ. Sie war näher zu ihm ins Wasser getreten ohne dass es ihm bewusst geworden war. Irritierend. Wie hatte ihm das entgehen können?
    "Leicht herauszufinden", murmelte er in nun ebenfalls gesenkter Stimmlage und wandte den Kopf Fanir zu, sodass dabei mehrere weiße Haarsträhnen über seine Schulter nach vorn rutschten. Abseits der Festgäste kam ihm ihre einsame Gestalt wie Treibgut vor, das sich vom Fest gelöst hatte und nun ziellos ans Ufer getragen worden war. Schwer hing seine Stimme über den Wellen, passender zum Rauschen des Meeres als zum entfernten Klingen der Musik. "Hat es dich auch vom Fest getrieben, Fanir?"
    Seine Augen, die zu ihr blickten, waren so schwarz wie das Wasser.
    "Oder suchst du etwas Bestimmtes?"

  • Seinem Blick hielt Amelie stand, während er sie forschend betrachtete. Es tat gut, endlich wieder ein wenig Aufmerksamkeit zu erfahren. Fast war sie geneigt, noch ein wenig näher zu treten, seine Nähe förmlich zu suchen doch so leicht wollte sie es dem männlichen Geschlecht nun doch nicht machen.


    Auch ihre Augen suchten die Richtung, aus der Fanirs Gestalt näher an sie heran trat. Die junge Frau wirkte so einsam, so zerbrechlich. Nur zu gerne wollte sich Amelie ihrer annehmen. Sie grinste gedankenverloren in sich hinein, während der Yassalar das Wort an Fanir richtete. Während die Gestalt Zeciass' fast mit dem See verschmolz, wurde die Fanirs immer deutlicher sichtbar.

  • Hatte er sie wirklich angesprochen? Ihre Wangen färbten sich rot, sie war sich nicht sicher, wie gut die Augen des Yassalar waren, aber sie hoffte, es würde niemand bemerken. Langsam kam sie zum stehen vor diesem so ungleichen Pärchen. Alle drei standen sie im Wasser, es war eigentlich eine sehr lustige Szene, wenn Fanir zum Lachen zumute gewesen wäre.
    "Ja, es waren mir zu viele Leute da." Sie stockte kurz. Der zweite Satz verunsicherte sie etwas, dennoch sprach sie weiter. "Ich wollte unbedingt den See sehen." Die Nymphe schaute sie so komisch an. Fanir richtete den Blick kurz an den Yassalar, aber da fühlte sie sich auch nicht besser. Gerne hätte sie noch etwas gesagt, doch sie wusste weder was, noch war sie sich sicher, dass sie es wirklich über die Lippen gebracht hätte. Und so schwieg sie, schon wieder.

  • "Den See sehen", wiederholte Zeciass ihre Worte mit einem Stirnrunzeln. "Was man hier vom See sieht, ist doch nichts als seine schwarze Haut", stellte er geringschätzig fest und bemerkte, dass ihre Wangen dunkler wirkten als noch vor einem Moment. Wo das Licht nachließ, beherrschten Grautöne seine Wahrnehmung, doch Details wie dieses blieben ihm dennoch nicht verborgen.
    Ein grausamer Gedanke stahl sich in seinen Verstand und während sein Daumen über den Handrücken Amelies strich, neigte er seinen glänzenden Oberkörper dem schüchternen Ding entgegen, das sich nach Gesellschaft zu sehnen schien. Seine Augen tauchten in ihre und sein Lächeln ließ seine weißen Zähne bestechend blitzen. "Ist es nicht bei vielen Dingen so? Die wahre Schönheit findet sich oft nur unter der Oberfläche."
    Sein Hunger grollte ungehalten, doch die neue Situation versprach ihn gut zu unterhalten, sodass Zeciass ihn noch etwas länger zu beherrschen gedachte.

  • Ein amüsiertes Schmunzeln unterdrückend musste Amelie dem Yassalar Recht geben. In der Tat klang es sehr merkwürdig, dass Fanir mitten in der Nacht den See betrachten wolle. Viel mehr als das Licht der Fackeln war in dem dunklen Wasser nämlich nicht zu sehen. Bei genauerem Hinsehen konnte man lediglich ihre eigenen verschwommenen Spiegelbilder darin wabern sehen. Mehr nicht. Allerdings verstand Amelie nur all zu gut. Der See strahlte dennoch eine gewisse Faszination aus. Und es war eine Wohltat zu spüren, wie die eigenen Füße von dem kühlen Wasser umspült wurden.


    Und noch während sie sich ihren Gedanken hin gab, vernahm sie Zeciass' Worte bezüglich der schwarzen Haut. Sie trat etwas näher an ihn heran und suchte seinen Blick. "Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, dass es gerade die schwarze Haut sein könnte, die eine derartige Faszination ausübt, dass man sich kaum davon fern halten könnte?", gab sie mit süßem Lächeln zu bedenken und das kecke Augenzwinkern, was darauf hin folgte, hob die Zweideutigkeit ihrer Worte deutlich in den Vordergrund.

  • Fanirs Gesicht fühlte sich an, als würde es brennen. So hatte sie das nicht gemeint, waren die beiden denn noch nie durch Wälder gegangen und hatten den Bäumen beim flüstern zugehört? Den Wellen am Strand, wie sie Geschichten erzählten? Die Schönheit der Natur, wie sie still und dennoch eindringlich ihren Weg ging, bei dem sie alle nur Zuschauer sein konnten?
    Peinlich berührt sah sie zu Boden. Was sollte sie auch sagen? Zwei Meinungen ihrer gegenüber, das schien ihr nicht fair. Aber darum ging es hier ja auch nicht. Fairness war etwas, was der Yassalar und die Nymphe bestimmt nicht kannten.
    Sie ballte ihre Fäuste. "Nun, ich finde diese 'Schwarze Haut' sehr schön", sagte sie leise, aber bestimmt. Ihr entging nicht, das die Nymphe auf die schwarze Haut des Yassalars anspielte, und ihr wurde bewusst, das auch ihre Worte in diese Richtung gedeutet werden konnten. Ihr Gesicht glühte nur noch mehr. Doch die Dunkelheit wiegte sie in die Sicherheit, das keiner der beiden es mitbekommen würde.

  • "Ist das so?" Zeciass' Blick wanderte von der zwinkernden Amelie zur errötenden Fanir und wieder zurück. Sein Lächeln versiegte und machte einem nachdenklichen Ausdruck Platz. Kurz darauf begann er zu schmunzeln, streckte seine freie Hand aus und schloss sie mit behutsamer Kraft um das Handgelenk Fanirs. Noch während er sich rückwärts zu bewegen begann und dabei sowohl sie als auch Amelie sanft mit sich zog, nahm seine Stimme einen wärmeren Klang an. "Das müsst ihr mir unbedingt genauer erzählen..."


    Kaum zehn Schritte entfernt neigte sich einer der alten Bäume bis übers Ufer. Sein Blätterdach bildete dabei einen schützenden Vorhang, dessen längste, kaum merklich schwankenden Äste bis ins Wasser hinein tauchten. Wenn Zeciass sich nicht irrte, würden seine breiten Wurzeln sich hervorragend eignen, um darauf Platz zu nehmen. Ein ungestörter Ort, verborgen vor allen Blicken und erhellt nur durch die Schwärme von Glühwürmchen, die dort verspielt zwischen den Bäumen kreisten.


    "Es ist erst meine zweite Nacht hier in Nir'alenar", gestand Zeciass bei seinen nächsten Schritten und ließ sein Lächeln etwas zerknirschter werden. "Die meisten, die ich bisher traf, sahen nicht so aus als würden sie meine schwarze Haut besonders schätzen... eher im Gegenteil. Verratet mir... was für seltsame Gerüchte erzählt man sich über uns Yassalar?" Sein fragender Blick berührte erst Fanirs, dann Amelies und verriet dabei nichts außer ehrliche Neugier.

  • Auch wenn Fanir sich ihrer Anspielung mit der schwarzen Haut anschloss, so hatte Amelie dennoch das Gefühl, dass ihr die Zweideutigkeit ihrer Worte erst zu spät bewusst geworden war. Davon zeugte jedenfalls die Tatsache, dass sich ihre Wangen in den Schatten der Nacht dunkler zu verfärben schienen. Doch das sollte nicht Amelies Problem sein.


    So ließ sie sich anstandslos von Zeciass mit ziehen, als dieser den Weg zu den Bäumen am Ufer anstrebte. Dieser Ort gefiel Amelie unbeschreiblich gut. So nah am Fest und doch scheinbar so weit davon entfernt. Wären sie unter vier Augen gewesen, hätte dies zweifelsohne ein großes Maß an Romantik versprochen und dieser Gedanke löste ein wohliges Kribbeln auf ihrer Haut aus.


    "Nun ...", setzte sie an, während sie auf einer der Wurzeln Platz nahm. "Man erzählt sich, Ihr wärd die gefährlichsten und mächtigsten Wesen unter der Meeresoberfläche". Doch konnte man aus ihren Worten heraus hören, dass sie sich keineswegs an diesen Gerüchten störte. "Und ich für meinen Teil gehe den Dingen gerne selbst auf den Grund".

  • Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus, als seine Hand ihr Handgelenk berührte. Fanir hatte nicht oft Kontakt zu anderen, und erst recht keinen Kontakt Haut auf Haut. Seine Haut fühlte sich anders an, anders als sie es von ihrer eigenen gewohnt war. Ihre war glatt, weich, warm. Seine, wenn nicht wirklich anders hatte dennoch etwas differenziertes, was sie nicht greifen konnte. Ihre Haut gribbelte bei seiner Berührung.
    Sie lies sich, wie die Nymphe zu dem Geäst ziehen, das sich über das Wasser lehnte. Wobei sie einen kurzen Moment überlegte, ob sie seine Hand abschütteln sollte. Nur ein kleiner Gedankenblitz, den sie aber aufgab. Erstens war der Yassalar viel stärker als sie. Und dann wollte sie es auch nicht. Natürlich hatte es etwas befremliches, dass er sie ausgerechnte am Handgelenkt gepackt hatte, aber sie lies ihn gewähren.
    Die Nymphe setzte sich auf einen der Äste, natürlich sah sie dabei grazil und wunderschön aus, was hatte Fanir anderes erwartet? Sie hingegen stellte sich nahe einer der Äste, ohne darauf Platz zu nehmen. Sie hätte nicht gewusst, wohin mit ihren Schuhen, nicht dass sie noch nass wurden.
    Zu den Worten der Nymphe nickte sie. Zweifelsohne waren die wahr, ihre Mutter hatte sie immer vor Yassalar gewarnt, auch wenn es sehr unwarscheinlich gewesen war, dass sich einer zu ihnen aufs Land verirrte, so weit entfernt von jeglichen Wasser.
    Sie störte es, dass die Nymphe so bewundernd klang. Auch wenn sie eingeschüchtert war, lies sie sich dazu hinreißen etwas zu sagen, sie fühlte sich genötigt dazu. "Ja, sie gelten als gefährlich, nicht viele wollen mit ihnen Umgang halten deswegen. Allerdings gibt es doch gegen jeden Vorurteile, richtig?" Sie deutete in ihre Runde, keiner der drei war davon ausgenommen, Nymphen und Dai'vaar hatten auch nicht immer ein leichtes Leben.

  • Der Schleier aus Blättern schwang raschelnd hinter ihnen zusammen. Beide Frauen lösten sich von ihm, was Zeciass zwar schweigend, doch nicht gerade erfreut zur Kenntnis nahm. Während Amelie sich auf einer der Wurzeln niederließ, trat Fanir neben eine andere. Zeciass selbst verharrte noch einen Moment, maß die Umgebung mit einem argwöhnischen Blick und lauschte konzentriert, doch außer ihnen schien sich kein anderer hier aufzuhalten. Der unerwartete Besuch hatte taumelnde Bewegung in die Glühwürmchen gebracht, die sich nur langsam wieder beruhigten. Eingeschlossen unter der Baumkrone und dabei völlig lautlos kreisten sie in einem endlosen Strudel am äußeren Rand der Äste entlang. Nur wenige Lichter verließen diesen goldgelben Reigen, um die Anwesenden neugierig zu umschwirren.


    Mit einer knappen Handbewegung vertrieb Zeciass ein Insekt, das zu nah vor seinen Augen tanzte und horchte auf Amelies Antwort. Sein Gesicht hob sich in unverhohlenem Wohlwollen bei ihren Worten, die sein Volk so treffend beschrieben. Sein dunkler Blick ruhte auf der schönen Nymphe und sein Körper spannte sich bereits in dem Verlangen, sich neben sie auf die Wurzel zu setzen als die zarte Stimme Fanirs erklang und seine Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Etwas an ihrer Antwort machte ihn stutzig. Seine schwarzen Augen musterten sowohl Amelie als auch Fanir für einen Moment, bevor er langsam tiefer zu ihnen unter die Blätterkuppel trat.
    "Warum sollte jemand Vorurteile gegen euch hegen?" Seine Mimik war im unsteten Schein der Glühwürmchen nur vage zu erkennen, doch wer genau hinhörte, dem mochte der lauernde Unterton auffallen, der sich bei dieser Frage in den ruhigen Klang seiner Stimme gemischt hatte.

  • Während der Yassalar sich scheinbar an den umherschwirrenden Glühwürmchen störte, genoss Amelie diese Nähe zur Natur mitten in der Stadt. Und auch Fanir schien sich nicht recht wohl zu fühlen denn sie bevorzugte es, stehen zu bleiben. War es ihr etwa nicht angemessen genug, mit einer Baumwurzel als Sitzgelegenheit Vorlieb zu nehmen? Kurz rümpfte Amelie die Stirn und sehnte sich ein weiteres Mal nach ihrer Heimat.


    Doch dann erklang die Stimme Zeciass' und beförderte Amelies Gedanken wieder ins Hier und Jetzt. "Warum jemand Voruteile gegen mich hegen sollte", wiederholte sie die Frage, obgleich diese gewiss nicht an sie sondern an Fanir gerichtet war. "Nun das ist schnell erklärt. Die weiblichen Wesen hassen uns aus Angst, wir könnten ihnen ihre Männer um unsere kleinen Finger wickeln". Um diese Worte zu unterstreichen hob Amelie spielerisch ihren besagten Finger nach oben und zeigte diesen in die kleine Runde bevor sie fort fuhr. "Die Vertreter des männlichen Geschlechts hingegen fürchten, unserem Bann vollends zu verfallen". Und die wahre Liebe wird uns somit immer verwährt bleiben fügte sie in Gedanken hinzu und beobachtete mit wehmütigem Blick die Glühwürmchen, welche immer noch aufgeregt um sie herum schwirrten.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!