Kleinvieh macht auch Mist

  • Der lederne Sack war fest auf Brennans Rücken geschnallt, als er hinab in die Katakomben stieg.
    An diesem Tag war er nicht in erster Linie zur Vogeldressur hier, auch wenn ein Tierchen dabei hatte.


    Heute war es Geschäftliches, was er zu erledigen hatte.
    Die Sprossen nach unten nahm der Dunkelhaarige ohne Schwierigkeiten. In der Tiefe angekommen brauchte er einen Augenblick um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Erst, als er meinte, Umrisse erkennen zu können, zog er eine kleine Lichtmuschel heraus und setzte seinen Weg fort.


    Er wollte zu @Klivv Rattenfänger.


    Den schrulligen Mann hatte er vor Jahren kennengelernt, als er gerade neu in Nir'alenar angekommen war. Seine Vogelhandlung hatte er erst vor wenigen Tagen eröffnet, als ihn eine schreckliche Rattenplage überkommen hatte. Überall war das Viehzeug, machte sich über das Futter seiner Tiere her, infizierte sie mit Krankheiten oder bissen Küken tot. Erst der Rattenfänger hatte Einhalt gebieten können.
    Dabei hatten die Männer eine fast schon erstaunliche Entdeckung gemacht. Die Ratten Nir'alenars schienen das Vogelfutter aus Shay'vinayar bereits aus großer Entfernung zu wittern und stürtzten sich geradezu darauf.


    Diese Erkenntnis hatte Brennan geholfen, den Ratten Herr zu werden, in dem er das Futter unzugänglicher lagerte.
    Aber auch für Klivv war diese Information brauchbar gewesen. Seit diesem Tag lieferte Brennan dem Rattenfänger das Shay'vinayar Vogelfutter, damit er es als Köder einsetzen konnte.


    "Rattenfänger? Seid ihr da?" Rief Brennan kurz vor der Höhle Klivvs und setzte seine Tasche ab. Er würde hier warten, bis Klivv kam und ihn entweder herein bat oder das Futter abnahm und ihn fortschickte.

  • Klivv saß gerade leise fluchend in seiner Kammer, denn der Bau von Lebendfallen war nun wirklich nicht seine Spezialität und er hatte sich gerade einen Finger eingeklemmt, als er jemanden nach ihm rufen hörte. “Sehr gut“, murmelte er vor sich hin als er die Stimme erkannte. Die frische Lieferung an Ködern spielte schließlich eine entscheidende Rolle in seinen Plänen.

    Trotz der schlafwandlerischen Sicherheit, mit der er sich durch all das Geröll in den Kellern bewegte, dauerte es eine Weile, ehe er das Loch in der Backsteinwand erreichte. “Kommt nur rüber“, meinte er ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen seinen seltenen Gast zu begrüßen. “Hab was mit Euch zu besprechen. Werd in nächster Zeit wohl etwas mehr Futter brauchen – muss kein so erstklassiges sein – und vielleicht ein paar Käfige.“ Ja, das war gut.

    Der Vogelhirte hatte kaum Probleme mit einer Brücke aus Spinnweben und der Rattenfänger kniff die Augen im Licht der Muschel zusammen und reichte ihm die Hand, als er sein Ufer erreichte. “Seid zeitig dran diesmal. Kann’s gut gebrauchen, kommt nur mit.“ Mit flinken Schritten führte er seinen Besucher den gewundenen Pfad zu seinem eigentlichen Zimmer entlang.

  • Der Vogelhändler folgte zielsicher dem Rattenfänger. Er konnte kaum noch zählen, wie oft er hier unten in diesem Loch gewesen war.


    Klivv bat ihn nicht immer herein, doch kam es immer wieder vor, dass die beiden Männer sich zusammen setzten. Auch wenn Brennan Vögel züchtete und Klivv Ratten vernichtete, so war ihre Arbeit doch nicht so unähnlich, als dass es nicht immer irgendetwas auszutauschen gab.
    Von Klivv hatte Brennan auch die besten Stellen in den Katakomben gefunden, in denen er seinen Vögeln ungestört den Dunkelflug beibringen konnte.


    "Das Futter ist frisch. Ich habe es gerade erst aus Shay'vinayar bekommen." Entgegnete Brennan. "Wenn ihr mehr braucht kann ich es euch liefern. Zur Zeit habe ich sowieso zu wenig Vögel aus meiner Heimat zur Ausbildung."
    Manchmal versetzte es Brennan einen Stich, dass das qualitativ hochwertige Futter den Ratten als Köder diente. Doch wurden die zarten, ölhaltigen Körner so schnell ranzig, dass es besser war, wenn sie hier ihren Dienst taten, als wenn sie die Langschwänze doch noch in seine Handlung lockten.


    Die dunklen Augen Brennans sahen über die hängenden Schultern Klivvs.
    "Käfige? Was habt ihr vor?" Targos Augenbrauen zogen sich zusammen. Ihm war eine Ratte tot lieber, als lebendig.

  • Bei der Frage nach seinem Vorhaben hielt Klivv inne und schien kurz nachzudenken. Obwohl er nie genug Worte mit Brennan gewechselt hatte, um diesen Verdacht zu bestätigen, hatte er schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass an dem Mann nicht alles so strahlend war, wie es schien. Vielleicht war er also jemand, mit dem er auch Klartext reden konnte. Auf der anderen Seite jedoch blieben manche Dinge besser im Schatten…

    “Keine Sorge Vogelhirte, will nicht auch unter die Tierverkäufer gehen“, meinte er deshalb, um etwas Zeit zu gewinnen. Dennoch wich er von seiner üblichen Route ab und führte seinen Lieferanten in einen Keller, der in weniger gutem Zustand war, als die Kammer, die der kleine Mann bewohnte. Dort quiekten in fünf improvisierten Käfigen ebenso viele Ratten. “Das ist der Bock, der Rest Weibchen“, erklärte Klivv und es war ihm anzumerken, dass ihm die Gesellschaft der Tiere kaum angenehmer war als seinem Besucher. “Könnten recht bald recht viele werden.“

    Und jeder Schwanz drei Pfennig, hatte er anmerken wollen. Doch das würde höchstens überschüssige Tiere betreffen und irgendwas bewog ihn bei der Wahrheit zu bleiben. “Gibt es niemanden, dem Ihr eine Rattenplage an den Hals wünschen würdet? Und was das Futter betrifft: Sind sie erst einmal gefangen, würden die Viecher auch schlechte Körner fressen. Es mag nicht Eure Art sein mindere Wahre auch nur anzubieten, aber es gibt keinen Grund den Biestern ihr Leben hier angenehm zu machen.“

  • Brennan Targo überragte Klivv den Rattenfänger um mehr als einen Kopf. So "geräumig" wie die Höhle des Rattenfängers auch war, an einigen Stellen musste der Vogelhändler sich bücken um sich nicht böse den Kopf anzuschlagen.


    Interessiert folgte er dem Mann mit den rattenähnlichen Gesichtszügen in den Keller und fragte sich einen Augenblick, warum er, der die Ratten verjagte, sich hier offenbar eigene hielt.
    Klivvs Worte und wenige Augenblicke, in denen der Gedanke sacken konnte später, stieß Brennan einen anerkennende Pfiff aus.


    "Bei Emulars Wanst! Soviel Genialität hätte ich euch gar nicht zugetraut, Klivv!" Brennan klopfte dem Rattenfänger anerkennend auf die Schulter.
    "Erst nehmt ihr bare Münze dafür die Ratten einzusetzen um dann bei der anderen Partei die Hand aufzuhalten, wenn ihr die Tiere wieder verjagt." Schmunzelnd nickte Brennan. Der einfache Rattenfänger hatte sich binnen Sekunden zu einer Person verwandelt, die dem Anhänger der Shirashai noch sehr nützlich werden konnte. Für einen Augenblick erlaubte Brennan sich den Gedanken daran, den Tempel der Eriadne über und über mit Ratten zu wissen und die dunklen Augen glommen diabolisch auf.


    Doch es dauerte nicht lange, dass der Geschäftsmann in Targo wieder durchkam.
    "Ihr könnt von mir soviel Futter haben, wie ihr benötigt. Egal welcher Qualität." Brennan wusste, dass die Ratten in der Not kein Korn verschmähten und selbst gegenüber Papier und Seife nicht abgeneigt waren. Wahrscheinlich hätte er die Abfälle der Vögel noch den Ratten als Futter vorsetzen können.


    "Und ihr bekommt ein Dutzend an Käfigen dieser Größe von mir." Brennan deutete zwischen seinen Händen in Ungefähr eine Größe von 40 Zentimeter an. "Kostenfrei."
    Fügte er hinzu und seine Lippen verzogen sich abermals zu einem breiten Grinsen. "Ich glaube an euer Projekt.."

  • Klivv zuckte unter Brennans Berührung ein wenig zusammen, doch die Worte des größeren Mannes quittierte er mit einen Grinsen, das schon Augenblicke später von einem verwirrten Gesichtsausdruck abgelöst wurde. Bisher hatte er bei seinen Plänen eher an seine eigene Rache und eine gewisse Gräfin gedacht und vorgehabt die übrigen Ratten anschließend zu versilbern. Als er sich an den Gedanken, seine Dienste auch anderen vergeltungssüchtigen Gemütern anzubieten, gewöhnt hatte, kehrte da breite Grinsen jedoch zurück. Da tat sich wohl ein weiterer heimlicher Geschäftszweig auf und er mochte Geheimnisse. Zudem konnte er eine gewisse Erfahrung mit hausgemachten Rattenplagen nicht leugnen, auch wenn das lange her war und ihm die Idee mit der eigenen Zucht erst jetzt gekommen war…

    “Teilt Eure Begeisterung nicht mit zu vielen Leuten“, meinte er deshalb nur. So wie sich der Vogelhirte verhielt, traute er diesem jedoch durchaus zu, dass er beurteilen konnte welchen Kunden er Klivvs besondere Dienste empfehlen durfte. Außerdem kannte Brennan ihn lange genug, um zu wissen, dass zu viel Besuch in diesen Hallen unerwünscht war.

    “Brauche so viel gutes Futter, wie bisher. Für die normalen Fallen und um frisches Blut einzufangen“, kam auch er auf den ursprünglichen Handel zurück. “Dazu genug anderes, um ein gutes Dutzend fetter Ratten zu ernähren. Altes Korn, trocknes Brot oder ranzige Butter, was auch immer Ihr gut besorgen könnt. Für die Käfige habt Ihr eine Plage frei und ich verspreche nicht in Eurer Nachbarschaft zuzuschlagen. Aber jetzt zu angenehmeren Dingen als den Nagern: Wen habt Ihr heute mitgebracht?“ Klivvs Blick galt ganz dem Vögelchen als er wie so oft mehr Interesse an einem Tier als an den Menschen zeigte.

    Da es im Rattenstall nichts mehr zu sehen gab, führte er seinen Gast in seine Wohnkammer. Sofort begann ihnen ein Kater mit überwiegend schwarzem Fell um die Füße zu streichen und der Hausherr erklärte ihm rein präventiv in strengem Tonfall, dass der Flattermann keine Beute sei. “Kennst sie ja schon alle“, wandte er sich wieder an Brennan. “Halt, inzwischen bewohnt Lady Achtbein IX die Ecke dort drüben.“ Besagte Lady war im schwachen Licht hier unten kaum zu erkennen, sah jedoch aus wie all die Spinnen vor ihr und war gerade dabei Herrn Achtbein zu verspeisen. “Setzt Euch ruhig, kann ich Euch was anbieten?“

  • "Meine Lippen bleiben verschlossen, wie die Kuppel." Antwortete Brennan eher pro forma und folgte Klivv in seine "Wohnstätte".
    Der Rattenfänger war schrullig und sicherlich fand er die Räumlichkeiten auf seine eigene Art und Weise "wohnlich". Brennan jedoch bevorzugte eine etwas wärmere Ausstattung. Und nicht unbedingt Spinnenweben als Dekoration.


    "Habt ihr noch etwas von dem guten Blutwurz, den ihr mir beim letzten Mal angeboten habt?" Antwortete Brennan auf Klivvs Frage und setzte sich tatsächlich hin.
    Für einen Augenblick widmete er die ganze Aufmerksamkeit Lady Achtbein IX. "Ich bin erfreut, eure Bekanntschaft zu machen, Lady. Ich glaub eine weit entfernte Cousine von euch haust seit einiger Zeit in meinem Garten." Er schmunzelte und hob die mitgebrachte Tasche auf die Knie.


    Das Wort wieder an Klivv richtend sagte er: "Noinin. Eine hübsche kleine Vogeldame. Seht, ihr perfekt gefärbtes Gefieder!" Ehrfürchtig hob Brennan den kleinen Transportkäfig heraus und stellte ihn auf den Tisch. Noinin war ein typischer Singvogel aus Shay'vinayar, das Gefieder schillernd und bunt gefärbt.
    "Sie ist allerdings sehr schüchtern." Sehr schüchtern war untertrieben. Noinin konnte sich den ganzen Tag in ein Vogelhaus setzen und nicht mehr herauskommen. Andere Vögel akzeptierte sie kaum, Menschen noch viel weniger. Ein wenig war sie wie Klivv, dachte Brennan bei sich. Auch wenn der Vergleich hinkte. War Klivvs Äußeres doch nicht unbedingt als perfekt zu beschreiben.

  • “Sicher, sicher und gut möglich. Die Achtbeins sind inzwischen über die ganze Stadt verteilt. Habe der Stammmutter schließlich versprochen nach ihrem Nachwuchs zu sehen…“, murmelte Klivv und schlurfte tatsächlich zu einem Regalbrett mit einem wilden Sammelsurium an Gefäßen aller Größen und Formen, um besagten Schnaps und zwei Becher zu holen, ehe er seine Aufmerksamkeit erneut der Vogeldame widmete.

    “Schüchtern sagt Ihr? Könnte sie mir ja mal ansehen“, schlug der Rattenfänger vor. Mit den meisten Tieren kam er schließlich deutlich besser aus, als mit Menschen. “Wird seinen Grund haben. Vielleicht verrät sie mir ja welchen.“ Klivv streckte seine schmale Hand mit den kräftigen Fingernägeln nach dem Käfig aus, hielt jedoch in der Bewegung inne, um dem Züchter Zeit zu geben ihn gegebenenfalls davon abzuhalten.

    “Ach und Ihr kennt Euch doch mit Geschäftskram aus. Hab da ein paar Menschendinge und keine Ahnung welchen Wert sie haben. Könnt sie vielleicht ansehen und mir den ein oder anderen Tipp geben.“ Es kam nicht oft vor, dass er andere Leute um Hilfe bat und nachdem Brennan schon zugestimmt hatte Futter und Käfige zu liefern, rechnete der Rattenfänger fast damit nun zu weit gegangen zu sein. Auf der anderen Seite wurde es jedoch Zeit, sich nach diesen Dingen zu erkundigen. Schließlich hatte schon eine ganze Weile das Gefühl, dass er auf dem Nachtmarkt regelmäßig über den Tisch gezogen wurde…

  • Die Hand des Vogelhändlers griff zur staubigen Schnapsflasche und entließ somit den Gastgeber aus seinen eigentlichen Pflichten. Brennan wusste, dass Klivv keinen Wert auf Förmlichkeiten legte und schüttete sich und dem Rattenfänger einen Doppelten in den Becher ein.


    "Schaut sie euch an, schaut sie euch an." Antwortete Brennan und nickte.
    Tatsächlich hatte Brennan gehofft, dass Klivv das Vögelchen nicht nur in Augenschein nehmen würde.
    "Einige dominantere Vögel haben bereits damit begonnen, sie vom Futter zu verjagen und ich muss sie oft separieren. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich gehofft, ihr könntet sie.. also nur für ein paar Tage..."
    Brennan zuckte mit den Schultern und schon Klivv den Becher rüber.
    Natürlich war eine Höhle nicht der geeignete Ort für einen Vogel. Aber besondere Vögel brauchten manchmal besondere Maßnahmen.
    "Vielleicht bekommt ihr die Stille besser als das ewige Gehacke der anderen Tiere. Sie soll kein Außenseiter sein, sondern ihre Andersartigkeit als besonders empfinden. Versteht ihr?"


    Zögernd hob Brennan den Blutwurz in die Höhe.
    "Und ich revanchier mich, in dem ich einen Blick auf eure weltlichen Güter werfe." Endete er und prostete Klivv mit fragendem Blick zu.

  • “Mach ich, mach ich“, stimmte Klivv zu und nickte eifrig. “So ein schönes Mädchen und die anderen hacken auf Dich ein. Werd Dir ein schönes Plätzchen einrichten, Futter ist ja jetzt genug da.“ Der Rattenfänger hatte den Käfig bereits geöffnet und die schüchterne Vogeldame erstaunlich schnell auf einen seiner klauenartigen Finger, die ihm einen seiner unschmeichelhafteren Spitznamen eingebracht hatten, gelockt. “Vielleicht wirst Du hier zu einer solch geschickten Nachtfliegerin, wie Lederflügel“, scherzte er während er ihr über das Köpfchen stricht. Sie tatsächlich mit einer Fledermaus konkurrieren zu lassen, wäre schließlich ein wenig gemein.

    “Weltliche Güter, ja so machen wir’s“, fuhr Klivv fort, als ihn der fragende Blick des Vogelhirten wieder an seine eigene Bitte erinnerte. “Also zum Wohle.“ Mit zwei kräftigen Schlucken war der Becher geleert.

    Nachdem er Noinin auf seine Schulter umgesiedelt hatte, machte sich Klivv auf den Weg zu einem weiteren seiner Regalbretter und warf scheinbar wahllos Gegenstände in einen Beutel. Die Sammlung die er schließlich mitbrachte und vor Brennan aufreihte beinhaltete eine Öllampe aus Bronze, einen verbogenen Silberlöffel, einen kleinen Diamanten, der wohl aus seiner Fassung gebrochen war, eine schwere ausländische Goldmünze, eine daumengroße aus Obsidian gearbeitete Figur der Göttin der Nacht, sowie vier nicht weiter bemerkenswerte Schmuckstücke. “Finde ständig solche Sachen.“, bemerkte er. Blei und Eisen konnte er immer gut gebrauchen und auch die Bronzegegenstände waren zum Teil recht nützlich. Edelmetalle jedoch waren weich, glitzerten verräterisch und weckten Begehrlichkeiten. Waren sie nicht gerade in Münzform geprägt, hatten sie nur Nachteile.

  • "Zum Wohl und auf weiterhin so fruchtbare Zusammenarbeit." Brennan stürzte den Inhalt des Bechers ebenfalls die Kehle hinunter. "Ah.. wirklich gut, der Wurz lobte er anerkennend."
    Er war tatsächlich äußerst zufrieden mit dem Ablauf der Geschäftsbeziehung mit dem Rattenfänger. Er mochte seine Eigenheiten habe, aber sicherlich war niemand schlecht beraten, sich gut mit ihm zu stellen. Und sei es nur, um in Zukunft einer Rattenplage zu entgehen.


    Brennan beobachtete den kleinen Mann eingehend bei seinem Handeln und fragte sich, ob Klivv von irgendetwas dem Wert schätzen konnte oder ob er einfach nur versuchte alles zu verbrauchen oder zu verkaufen, was ihm irgendwann irgendwie in die Finger fiel.
    Diesen Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, legte sich Brennans Blick gleich auf das schwarze Abbild Shirashais. Er nahm die Figur in die Hand und strich zärtlich über ihre glatte Oberfläche.


    "Wer.. wer wirft etwas so wunderschönes weg?" Die Vorstellung, eine Darstellung seiner Göttin irgendwo in der Kanalisation herumtreiben zu sehen, bereitete ihm Schmerzen. Brennan wusste nicht, ob Klivv ahnte, welche Göttin er verehrte, anbetete, ja sein Leben in ihren Dienst gestellt hatte. Wenn er es bisher nicht gewusst hatte, so bestand bei der Sanftheit mit der er den Obsidian berührte, keinen Zweifel mehr.

  • “Nicht weggeworfen, verloren“, korrigierte der Rattenfänger. “Manche Leute tragen ihre Göttin gern bei sich, aber die meisten von ihnen sind so furchtbar achtlos. Hab sie in der Nähe des Marktes gefunden. Steckte in einem Beutel aus schwarzem Samt an einem gerissenen Band, der war leider nicht mehr zu gebrauchen.“ Um zu veranschaulichen was er meinte fischte Klivv in seinem Hemdkragen und holte schließlich ein ganz ähnliches Säcklein aus Rattenfell, das er an einem Stück Schnur um den Hals trug, daraus hervor. Als er es öffnete kam eine bis in die Details ziemlich exakte Kopie der kleinen Figur aus mit Kohle geschwärztem Holz zum Vorschein. “Man trifft sie oft hier unten, die Göttin der Schatten. Bis vor kurzem hatte ich auch noch ein Frohblatt aus Elfenbein, hab’s weggegeben. Könnt aber die hier nehmen, habe jetzt ja meine eigene.“

    Die winzige Statue schien Brennan schließlich zu gefallen und für eine Göttin Geld zu verlangen kam ihm genauso falsch vor, wie sie sich einfach anzueignen. “Könnt auch einen passenden Beutel haben. Wenn ich hier unten etwas habe, das mir niemals ausgeht, dann ist es Fell und die Zeit etwas daraus zu machen. Hab eine ganze Kiste davon.“ Und das obwohl er etliche im Umlauf hatte, um allen möglichen Kleinkram darin zu transportieren. Nicht einmal er selbst konnte ganz sicher sagen, wie es schaffte jedes Mal so zielsicher zum richtigen Täschchen zu greifen.

  • Wissend nickte Brennan und war gleichermaßen erstaunt, als Klivv seine Göttin hervorzauberte.
    Langsam griff er unter sein Hemd und zog das Amulett mit dem einzelnen, silbernen Stern hervor.
    Schon immer hatte er seinen Glauben in Amulettform bei sich getragen. Er wusste, dass andere Priester einen Ring zu Ehren Shirashais hatten und es war ihm auch nicht fremd, dass Kleinode von den Gläubigen mitgeführt wurden, doch hatte er ein solches nicht bei dem Rattenfänger vermutet.


    "Ich ahnte nicht, dass wir die selbe Göttin verehren." Gab Brennan zu - auch wenn es ihm eigentlich klar sein musste, dass genau dies hier Shirashais Gebiet war.
    "Ich sah euch noch nie im Tempel..." Fügte er erklärend hinzu und wusste dennoch sofort, dass er den Rattenfänger dort wohl auch nie zu sehen bekommen würde.


    "Es ehrt euch, dass ihr mir dies Kleinod geben wollt, doch lasst es uns im Tempel abgeben und hoffen, dass es seinen rechtmäßigen Besitzer wiederfindet. Vielleicht hat Shirashai dies nur geschehen lassen um uns gegenseitig zu erkennen zu geben."

  • “Ich bin eben in ihrem Zeichen geboren“, meinte Klivv mit einem Schulterzucken. Offen gesagt wusste er nicht viel über die Göttin, da Religion immer auch mit Gemeinschaft zusammenzuhängen schien. Dennoch konnte er nicht leugnen, dass das wenige, was er über die Shirashaigeborenen wusste, für ihn zu einem gewissen Grad zutreffend war. In seiner schmalen Nische hegte er sogar so etwas wie Geltungssucht und wer seine Rattenfängerehre verletzte, konnte dies durchaus zu spüren bekommen.

    “Könnt es zum Tempel bringen“, willigte der kleine Mann nur widerstrebend ein. “Soll aber in Zukunft besser auf seine Sachen aufpassen. Gehört sich nicht so etwas zu verlieren und wenn es binnen drei Monden niemand holt, soll es dem Tempel gehören.“ Auf diese Idee war er dank der Pfandstube, deren Prinzip er langsam zu begreifen begann, gekommen. Und ehrlich gesagt, wäre ihm dieser Fall am liebsten. Während seiner letzten Worte hatte Klivv wieder begonnen sich intensiver um Noinin zu kümmern und vielleicht war auch das ein Zeichen dafür, dass er dem Vogelhirten nicht ganz zustimmte: Wer auf seine Sachen nicht aufpassen konnte, hatte sie auch nicht verdient.

  • "Sicher, sicher, ihr habt recht." Brennan steckte die kleine Statue ein. "Dennoch sind die Wege der Götter unergründlich und sollte jemand Shirashais Schutz vermissen, so werde ich ihm die Figur der Göttin zurück geben. Doch jetzt zeigt die anderen Gegenstände her."


    Brennan wandte den Blick auf die restlichen Fundstücke Klivvs.


    "Die Lampe könnt ihr selbst nutzen, die wird euch nichts bringen. Ein einzelner silberner Löffel ist ebenfalls schwer an den Mann zu bringen. Schmelzt ihn sauber ein und ihr könnt sicherlich 3 Dukaten für ihn bekommen. Vielleicht auch 4. Der Diamant..."
    Der Händler kniff ein Auge zusammen und drehte den Stein zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. "Hat auf jeden Fall einen Wert. Der Schliff ist aussergewöhnlich und ihr solltet einige Dukaten für ihn bekommen. Das Schmuckstück in dem er einst gesteckt hat, war sicherlich nicht günstig."


    Ordentlich legte Brennan die Fundstücke auf Klivvs Beutel ab.

  • Klivv schüttelte einmal mehr über die Wertschätzung der Menschen den Kopf. Gut ein Silberlöffel mochte seinen Zweck auch nicht besser erfüllen, als ein hölzerner. Aber dass das Einschmelzen den Wert gleicht steigerte, schien doch ein wenig übertrieben. Außerdem musste er sich dafür erst einmal die richtige Ausstattung beschaffen, denn für seine Bleikugeln und die Tränke war er mit weniger Hitze zurechtgekommen. Und Diamanten… Nun sie waren sehr hart und brannten, aber mehr als ein Werkzeug mit diamantener Spitze zum Ritzen, brauchte nun wirklich kaum jemand.

    “Werd’s mir merken“, versicherte der Rattenfänger dennoch. Es war schließlich an der Zeit, dass er den Wohlstand, den ihm die Kanäle bescherten, voll ausschöpfte. Obwohl er sich nicht sicher war, was er mit all den Münzen anfangen sollte, war es nie gut die Geschenke der Göttin geringzuachten. Vielleicht ein richtiges Labor einrichten, oder einen weniger feuchten überirdischen Raum mit schönem Zugang zu den Katakomben suchen? Sollte er sich gar ein Geschäft mit einem hübschen Schild vor der Tür einrichten? Wenn er die Missgeburt aufgehoben hätte, wäre sie gewiss ein gutes Modell für den Maler gewesen... Aber nein, das würde ihm nur alle Nase lang Kundschaft einhandeln.

    “Habt Dank.“, fügte Klivv an, als er merkte, dass ihn die derzeitigen Gedanken nicht weiterbringen würden. “Werd mich dafür auch gut um Noinin kümmern. Wenn Ihr die Käfige und das mindere Futter bringt, weiß ich gewiss mehr. Noch einen Blutwurz?“

  • "Einen noch. Für den Weg." Antwortete Brennan und ließ sich einschenken.


    "Eines Tages, Klivv.." Sprach Brennan einen Gedanken aus, den er vielleicht besser für sich behalten hätte ".. eines Tages lad ich euch auf einen Ogerwurz in der "schwarzen Katze" ein. Wir suchen uns ein hübsches Mädchen und vergessen für einen Abend die Geschäfte."
    Brennan nahm den Becher mit dem Schnaps in die Hand, schloß die Augen und kippte das Wurzelgesöff hinuntert.


    "Habt dank für eure Gastfreundschaft und die Statue. Wegen der Münze werde ich mich oben umhören und euch ihren Wert nennen, wenn ich euch die Käfige bringe und Noinin wiederhole." Brennan erhob sich und richtete so gut es ging seine Kleidung. Er strich Noinin über das schmale Köpfchen und legte sich die Tasche um.



    "Bringt.. begleitet ihr mich noch ein Stück?" Den Weg hinaus würde Brennan auch ohne Klivv finden, dessen war er sich sicher - doch ob es auch der schnellste Weg war, bezweifelte er arg.

  • “Eines Tages“, brummte Klivv nachdem er seinen Becher geleert hatte und klang dabei eher zweifelnd als zustimmend. Mädchen hatten noch nie viel mit ihm anfangen können und er war sich im Gegenzug nicht einmal sicher was genau man unter hübsch verstand – zumindest nicht wenn es dabei um Menschen ging. Noinins Schönheit hingegen wusste er durchaus zu schätzen und so schmerzte ihn der Gedanke sich schon bald wieder von der Vogeldame trennen zu müssen, obwohl er sie noch kaum kannte.

    “Ja, bis zum nächsten Mal, Vogelhirte“, verabschiedete sich der Rattenfänger bereits, erhob sich jedoch ebenfalls, um seinen Gast hinauszugeleiten. Schließlich hatten viele seiner Besucher ein Problem mit dem Weg – die Unterkunft war ja extra so gewählt – und er ging gerne sicher, dass sie wirklich weg waren.

    Auch wenn er selbst kein Licht brauchte und Brennan seine Muschel hatte, nahm sich Klivv eine Talkkerze mit. Vor allem für den Rückweg, denn er wollte seine geflügelte Begleiterin nicht zu plötzlich mit der völligen Dunkelheit konfrontieren. Sobald er sie an einem Holzspan entzündet hatte, wuselte er mit flinken kleinen Schritten der Spinnenbrücke entgegen. Wenn er zurückkam, würde er als erstes das Vogelfutter in einer der Nebenkammern aufhängen müssen, denn obwohl er von den Ratten lebte wollte er sie nicht bei sich zuhause haben.

  • Ein Gruß des Abschiedes, ein kurzer Blick zurück auf sein wertvolles Tier und 8 Sprossenstufen später war Brennan wieder auf Nir'alenars Straßen. Er atmete tief ein und schloß die Augen.
    Dieser Besuch war produktiv gewesen und hatte Erkenntnisse gebracht, mit denen Brennan am Anfang des Tages nicht im entferntesten gerechnet hatte.
    Brennan klopfte sich den Schmutz der Katakomben rasch aus der Kleidung und ging nach Hause.

  • Schon von Weitem hörte man an diesem Morgen den Vogelhändler in die Tiefen der Katakomben einsteigen. Selbst Noinin reckte und streckte das Köpfchen, obwohl Brennan noch weit von Klivvs Wohnhöhle entfernt war.


    Der dunkeläugige Händler hatte Käfige dabei. 4 in der Rechten, 4 in einem schweren Leinensack auf seinem Rücken und 4 die bis vor wenigen Minuten noch in einem Sack in seiner Linken gewesen war, nun aber im Morast der Nir'alenarer Kanalisation lag.
    Brennan wischte sich die freie Hand an seiner ledernen Hose ab, als er von den Sprossen gesprungen war. Er blinzelte einige Male um sich an das Licht hier unten zu gewöhnen, doch gelang es ihm nicht auf anhieb.
    So hob er den Sack auf und blieb noch einige Augenblicke wie angewurzelt stehen, bevor er sich weiter auf den Weg machte.


    "Shirashai, was schickst du mir da?" Nuschelte er leise, als sein Blick auf etwas kleines Silbernes fiel.
    Brennan beugte sich hinab, machte erneut die Hand frei und steckte etwas das wie ein Amulett mit einer dünnen, feingliedrigen Kette aussah ein. Er würde es sich später angucken. Jetzt musste er erst Klivv finden.


    "Rattenfänger!" Tönte sogleich die souveräne Stimme des Mannes aus Shay'vinayar durch die Katakomben.

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