Kleinvieh macht auch Mist

  • Ein feines zucken von Schneeflockes Ohren war das erste Anzeichen. Kurz darauf hörte auch Klivv das entfernte Scheppern. Es war noch recht weit entfernt – irgendwo in der Kanalisation. Als schließlich selbst die Vogeldame Noinin zu lauschen begann, musste der Rattenfänger grinsen. “Stimmt, dein Ziehvater wollte ja heute noch mit den Käfigen vorbeikommen“, meinte er an die gefiederte Schönheit gerichtet.

    So viel Arbeit wie ihm seine Zucht derzeit machte, hatte er gar nicht daran gedacht, dass es schon so weit war. Seit dem ersten Wurf beinhaltete ziemlich jedes Gefäß, das er im Laufe der Jahre aufgelesen hatte, mindestens einen der Nager. Trotz der neuen, professionelleren Ausstattung, die auf dem Weg hierher war, würde er bald eine Auswahl treffen und den Rest zu jeweils drei Pfennigen an die Stadt verschleudern müssen. “Na komm, sehen wir nach ob wir ihm helfen können.“ Das ließ sich Noinin nicht zweimal sagen und nahm auf der Schulter des kleinen Mannes Platz. “Ah, sind wir uns heute zu fein zum Fliegen“, grummelte dieser und stapfte los.

    “Bin schon da!“ Tatsächlich trennten Klivv nur noch wenige Schritte von dem Loch zu den Kanälen, als Brennan nach ihm rief. “Kannst die Säcke rüberwerfen, fang sie dann“, ließ er seinen Besucher wissen, nachdem er den Kopf durch die unregelmäßige Öffnung gesteckt hatte. “Die sauberen meine ich“, fügte er sicherheitshalber hinzu, denn mit einem Beutel würde sein Gast schon über die Brücke kommen.

  • "Die sauberen meine ich." Äffte Brennan im Flüsterton nach und tat wie ihm geheißen.
    Mit einem - etwas zu festem - Wurf, kam der erste sperrige Sack mit den Käfigen Klivv entgegen.
    Der zweite Sack folgte kaum das Klivv erneut aus der Öffnung schaute.


    "Ein Dutzend Käfige, wie versprochen." Kommentierte der Vogelhändler seine Lieferung, als er über die Brücke und hin zu Klivv gestiegen war.
    "Wie geht es meiner Hübschen?"
    Brennan hatte nicht mal ein Grußwort für Klivv über - was dem sicherlich nicht einmal auffiel - sondern blickte direkt zu Noinin, die zufrieden auf des Rattenfängers Schulter saß.
    Sie war gutgenährt, ihr Federkleid glänzte und sie begrüßte ihren eigentlichen Herren mit einem sanften Laut, der einem Gurren nah kam. "Gut sieht sie aus."

  • Klivv hätte nicht im Traum daran gedacht, dass sich Brennan über seine Bemerkung ärgern könnte, und auch die Wiederholung seiner Worte war ihm keine Warnung. Er nahm sie einfach als normal hin. Deshalb hatte er auch nicht mit einem so schwungvollen Wurf gerechnet und taumelte mit dem Sack in den Armen zurück. Noinin flatterte erbost über den unerwarteten Ruck auf und schimpfte aus voller Kehle. Doch lange hielt ihr Unmut nicht an, denn als der Rattenfänger den zweiten Beutel fing – diesmal besser vorbereitet – hatte sie ihren Platz bereits wieder eingenommen.

    “Danke“, murmelte Klivv, als sein Besucher darauf hinwies, dass er sein Versprechen eingehalten hatte, weil er es so von anderen Leuten gehört hatte. “Oh ja, hat sich gut hier unten eingelebt“, bestätigte er sobald sich das Gespräch Noinin und damit einem Thema, von dem er was verstand, zuwandte. “Hat sogar ihr eigenes Nest hier unten. Aus feinen Knöchelchen und mit weichem Rattenfell ausgepolstert.“ Die üblichen Baumaterialien standen ja hier in der ewigen Dunkelheit nicht zur Verfügung. “Kann Dir ja bei einem Blutwurz mehr erzählen.“ Und ohne eine Erwiderung Brennans abzuwarten stapfte Klivv mit je einem Sack in jeder Hand in Richtung seiner Höhle.

  • Brennan nickte stumm und ging hinter Klivv her.
    Den Blick hielt er auf Noinin gerichtet. Sie sah tatsächlich gesund und munter aus. Munterer als noch vor einer Woche. Was durchaus seltsam war. Ein Vogel, der nicht unter freiem Himmel lebte..


    "Rattenfell? Soso.." Kommentierte er und seine Stirn legte sich in Falten. Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass es noch nicht der Zeitpunkt war, Noinin wieder mitzunehmen. Irgendetwas in ihm befürchtete, dass dieser Zeitpunkt vielleicht nie mehr kam. Wenn sie sich hier unten in der Einsamkeit wohl fühlte...
    Brennan setzte sich auf den gleichen Platz, den er letztes Mal bereits eingenommen hatte.


    "Gut, dann erzählt mir erst von Noinin. Ich helfe euch gleich die Käfige aufzustellen. Neues Futter habe ich auch mitgebracht. Nicht sonderlich hochwertig, aber es sollte genügen. Ist in dem dreckigen Sack." Sprach er und wartete darauf, dass Klivv sich mit dem Blutwurz-Geschirr zu ihm setzte.

  • “Sind die Augen“, verriet Klivv schon einmal und huschte zu seinem Regelbrett, um den versprochenen Schnaps zu holen. Mit der erschrecken leichten Flasche und einem etwas ratlosen Blick kehrte er zu Brennan zurück. “Ist der Letzte, hab aber noch anderes Zeug.“ Mit einer Art entschuldigendem Lächeln, teilte er die wenigen Tropfen auf zwei Becherchen auf.

    Für den Anfang würde das eben reichen müssen und so setzte er sich erst einmal an den behelfsmäßigen Tisch. “Sie sieht nicht so gut, und das unbekannte macht ihr Angst“, erklärte er seine Aussage näher. “Was die anderen Vögel betrifft, fühlen sie sich wohl zu wenig von ihr beachtet und hacken darum auf ihr rum. Sie sieht ja kaum, wenn sie sich aufplustern. Seit ich ihr gesagt habe, dass hier unten keiner gut sieht, fühlt sie sich wohler. Ist eine wirklich begnadete Dunkelschwinge aus ihr geworden. Und das mit den Augen… könnte den anderen Vögeln erklären, dass sie es nicht so meint.“

  • "Schlechte Augen?" Brennans Augen waren es nun, die sich zweifelnd aneinander schoben und eine tiefe Furche über dem Nasenrücken hinterließen.
    Sein Leben lang war er von Vögeln umgeben gewesen. Er kannte so ziemlich alle möglichen und unmöglichen Krankheiten, Fehlstellungen, Behinderungen. Aber in diesem Fall hatte er tatsächlich nichts bemerkt. Überhaupt nichts. Das machte ihn skeptisch.
    Er würde recherchieren müssen. Wahrscheinlich würde nichts ihn in der nächsten Nacht von der dicken Enzyklopädie der Vogelkrankheiten wegholen können.


    "Aber hier im Dunkel.. sie fliegt?" Fragte er zögernd nach. "Ohne gegen irgendeine Wand zu fliegen? Ohne sich das Genick am harten Stein zu brechen?"
    Brennan besah sich den winzigen Schluck Blutwurz, der gerade den Boden seines Bechers benässte. Grübelnd ließ er ihn hin und her schwanken.
    "Ihr meint, ihr könnt den anderen Vögeln erklären, dass...?" Immer noch den fragenden Blick im Gesicht, sah er Klivv an.
    Brennan konnte gut mit den Tieren. Aber sie waren nun mal das, was sie waren. Tiere. Tiere die äußerst gelehrig waren und schnell die Sprache der Vogeldressur lernten. Tiere, mit denen sich Brennan sogar je nach Ausbildung Unterhalten konnte. Aber ihnen erklären, dass einer unter ihnen - wäre er ein Mensch - eine Brille nötig hätte? Das konnte sich Brennan bei aller Liebe nicht vorstellen.

  • “Schlechte Augen“, bestätigte Klivv und wirkte dabei nicht so, als hätte er vom Zweifel Brennans etwas mitbekommen. “Ja, sie kommt hier ganz gut zurecht – für einen Vogel. Ist es gewöhnt alle Kniffe zu nutzen, um sich trotzdem zurechtzufinden. Ein paar Hilfsmittel braucht sie trotzdem.“ Auf ein gepfiffenes Kommando des Rattenfängers hin flatterte Noinin von seiner Schulter auf und hielt direkt auf das von den kleinen Flämmchen zweier Talkkerzen eingerahmte Nest, das er für sie auf dem obersten Regalbrett gebaut hatte, zu.

    “Sie ist gut darin auf Licht und Schall zuzufliegen.“ Der kleine Mann zuckte verlegen mit den Schultern, denn er wusste, dass sein Besucher Vögel im Dunkelflug trainierte und ging davon aus, dass diese noch ganz andere Wunder zu vollbringen wussten.

    “Kein Erklären im eigentlichen Sinn“, erwiderte er auf Brennans Frage. Er hatte nicht erwartet jemanden, der so viel mit Tieren zu tun hatte, erklären zu müssen, was sich so schwer in Worte fassen ließ. “Es ist eher ein begreiflich machen.“ Er zuckte hilflos mit den Schultern. Entgegen der arroganten Annahme der meisten Menschen, war es ja nicht so, dass Tiere nicht dachten oder verstanden. Was für ein Hohn war doch das Wort „vernunftbegabt“. Als ließe sich Vernunft anhand der Quantität der Gedanken messen, ohne die Qualität auch nur zu berücksichtigen. Denn welch dummes, unvernünftiges Zeug dachten die Leute doch die meiste Zeit über! Und dann war da natürlich noch die Fertigkeit sich in menschlicher Sprache auszudrücken. Ein weiteres Kriterium, wie es lächerlicher nicht hätte sein können…

  • Brennans Kiefer begann zu vibrieren. Klivv kratzte an etwas sehr Gefährlichem ohne es auch nur zu ahnen. An Brennans Stolz.
    Immer grimmiger wurde der Blick in den Becher mit der roten Flüssigkeit. Immer schneller rauschte das Blut durch die Ohren des Dunkelhaarigen.
    Musste er sich hier wirklich von einem Rattengesicht vormachen lassen, wie man einen Vogel zu dressieren hatte? Er, einer der erfolgreichsten Junghändler in Shay'vinayar? Er, der mit den Tieren aufgewachsen und nie etwas anderes hatte machen wollen, als mit ihnen zu arbeiten? Sollte tatsächlich eine Kanalratte einen besseren Draht zu den Tieren haben? Er ballte die Faust und atmete tief ein.


    Sein Blick traf Klivvs tiefliegende Augen. Wievielen Ratten mochte er schon den Garaus gemacht haben?


    "Wenn sie sich so gut bei euch gemacht hat.." Brennan schluckte und seine Stimme blieb kalt.
    "Ist es vielleicht das Beste, Noinin bleibt bei euch."
    Blauen Augen sagte man oft nach, dass sie kalt waren. Doch auch aus Brennans dunklen Augen war alle Wärme gewichen.

  • “Sie bei mir behalten?“ Klivv schien aufrichtig überrascht über die großzügige Geste des netten Mannes. Natürlich hatte er auf diese Worte gehofft und zweifelte keinen Herzschlag lang daran, dass diese Entscheidung zum Wohle Noinins war, doch auf der anderen Seite verdiente Brennan seinen Lebensunterhalt mit Vögeln wie ihr…

    “Eine hervorragende Idee. Wir verstehen uns.“, stellte er sichtlich erfreut fest. Da diese Angelegenheit zu aller Zufriedenheit geklärt schien, entschied der Rattenfänger sich weniger wichtigem Kram zuzuwenden: “Hat sich wegen dieser Münze eigentlich schon was ergeben?“ Nicht, dass ihm besonders viel daran lag und er wäre dem Vogelhändler auch nicht böse, wenn er es vergessen hätte. Schließlich war dieser ein vielbeschäftigter Mann. Doch irgendwie schien es bei Begegnungen zwischen Menschen ein ungeschriebenes Gesetzt zu sein, dass Stille mit Worten zu füllen sei, und da hielt er sich nun einfach mal dran.

  • "Und wie wir uns verstehen.." Dachte Brennan voll Ironie.
    Es brach ihm das Herz, einen seiner Vögel derart zu verlieren. Aber wahrscheinlich war es so am Besten.
    Noinin wurde hier unten gut behandelt, Klivv musste Verantwortung für eine einer Spinner übergeordneten Lebensform übernehmen und er selbst würde nicht täglich mit seiner Schmach konfrontiert, wenn er in Noinins Knopfaugen blickte.


    "Die Münze, ach ja." Brennan kramte in seiner Tasche.
    "Ich habe mich tatsächlich ein wenig umgehört. Es sieht aus, als wäre es eine alte Prägung aus Vakris. Diese Rille hier.." Noch immer suchten Brennans Finger unablässig die goldene Münze, die er in seiner Tasche verstaut hatte. Hervor brachten sie jedoch das Amulett, welches Brennan im Morast gefunden hatte. Er legte es vor sich auf den Tisch und mit dem nächsten Griff in seine Tasche hatte er auch die Goldmünze gefunden.
    "Diese Rille hier symbolisiert wohl den Kristallfluss. Diese Kreise die Weinberge." Er deutete auf die feinen Symbole des Goldstücks.
    "Ein Sammler gäbe euch vielleicht 5 Golddukaten. Doch das Gold ist nicht besonders sauber. Auf dem freien Markt bekommt wohl nicht mehr als 2."

  • “Vakris“, wiederholte Klivv ohne dass ihm die Bezeichnung wirklich was sagte und nickte. Diese Geste führte er auch aus, als es um die Prägung ging. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch längst dem Amulett, das auf dem Tisch lag. Was es interessanter als die Münze machte? Nun, hauptsächlich, dass es neu war und er es noch nicht gesehen hatte.


    “Fünf Dukaten?“ Nun war seine Aufmerksamkeit doch noch einmal zu dem Goldstück zurückgekehrt und etwas wie Hochachtung schwang in seiner Stimme mit. Das gleiche Material wenn auch etwas mehr, wie er zugeben musste, und gleich der fünffache Wert? “Wo nimmt man einen Sammler her? Was hat es mit diesem Ding auf sich? Wozu ist es gut?“ Bei diesen Worten hob der Rattenfänger bereits den Anhänger an der Kette hoch und ließ ihn vor dem Gesicht des Vogelhändlers baumeln. “Und was ist es wert?“, fügte er an, da sie schon beim Thema waren und man ja nie wissen konnte wann man etwas ähnliches in den Tunneln fand.

  • Brennan zuckte mit den Schultern.
    "Einen Sammler.. in adeligen Kreisen werdet ihr sicherlich jemanden finden, der Interesse an dem Stück haben könnte. Aber fragt jetzt bitte nicht, ob ich euch da vermitteln kann."
    Abwehrend hob Brennan die Hände vor seinen Körper. Er hatte keine Lust, nach den Erkundungen zur Münze sich jetzt auch noch um deren Veräußerung zu kümmern.
    Es musste ja reichen, dass er an Klivv bereits einen Vogel verloren hatte.


    Das das Interesse des Rattenmannes nach wenigen Augenblicken bereits dem Amulett galt, registrierte Brennan erst einen Moment später. Er nahm dem Kauz die Kette aus der Hand - das Baumeln vor seinem Gesicht machte Brennan nervös.


    "Eine Kette. Streng genommen gehört sie euch.." Brennans Augenbrauen schoben sich zusammen. "Ich habe sie vorne, vor eurer Wohnhöhle gefunden.." Der Vogelhändler wischte wie zum Beweis noch etwas Dreck von dem Anhänger und schon ihn dann Klivv rüber.

  • Klivv runzelte die Stirn als habe er soeben ein höchst komplexes
    Fremdwort vernommen. Tatsächlich war er adeligen Kreisen etwa so fern,
    wie dem ungetrübten Tageslicht der Oberfläche. Dennoch sollte Brennans
    Mühe nicht umsonst gewesen sein und so entschied er sich die Münze auf
    unbestimmte Zeit im Regal zu verstauen anstatt sie bei nächster
    Gelegenheit für zwei Dukaten zu verscherbeln. “Habt genug getan, habe zu danken“,
    erwiderte er auf die Worte des Vogelhändlers. Wie hätte er von
    jemanden, der Noinin aus freien Stücken bei ihm wohnen ließ, auch mehr
    verlangen können?


    Der Rattenfänger kam erst dazu den Kettenanhänger näher in Augenschein
    zu nehmen, als ihn sein Besucher bereits wieder an sich genommen hatte. “Wer’s findet, darf‘s behalten“,
    widersprach er. Schließlich konnte ja nicht alles, das sich in den
    Kanälen befand, ihm gehören und in vielen Fällen war er auch froh
    darüber. Dieses Ding hätte er allerdings schon genommen. Es hätte sicher
    den ein oder anderen Silberling eingebracht. Noch wichtiger als der
    mögliche Wert war Klivv jedoch das Symbol, das auf dem Amulett
    abgebildet war. “Soll seinen Träger schützen“, behauptete er.


    “Die Faust ist ein mächtiger Schutzzauber. Zeigt, dass man nicht
    aufgegeben hat. Der Wille zu überleben ist was, das die Götter oft
    respektieren. Soll selbst mich schon gerettet haben.“ Obwohl der
    kleine Mann im Moment so aussah, als hätte er seine Zweifel daran jemals
    einen solchen Willen besessen zu haben.

  • "Ein Schutzzauber? Das Ding sieht nicht unbedingt magisch aus." Sprach Brennan mit Zweifel in der Stimme. Er hatte keinen Blick dafür wenn etwas magisch war. Wie auch? Manchmal war Magie klein wie eine Stecknadel. Manchmal so groß, dass sie Häuser, Straßen, ja ganze Städte verschlingen konnte. Seine eigene, göttliche Magie, spürte er ganz klar. Sie saß zwischen seinem Herzen und seinem Magen, tief unter dem Brustbein. Sie war nicht immer dagewesen, doch konnte er sich nicht mehr an das Gefühl erinnern, als sie noch nicht dort saß. Sie schlug ihm warm und wild im Köper, wie ein pulsierender Stern. Shirashais Stern.Doch er war lebendig. Dieses Amulett war ein Gegenstand. Wenn Klivv sich nicht irrte, mit einem Spruch belegt. Magie war an etwas Dingliches gekoppelt worden.


    "Nun, Schutz können wir in diesen Tagen wohl alle brauchen." Brummelte der Vogelhändler noch immer vor sich hin. Für einen Augenblick, dem gefühlten Hundertstel einer Sekunde, dachte er an die Vogelkäfige in seinem Laden. Wie viele Wochen wartete er jetzt schon auf neue Lieferung? Wie lange blieb ihm nun schon mehr und mehr der teuren Lebendware aus?Den Blick von der Kette gewandte, stand Brennan auf. "Wenn ihr daran glaubt, einen Talisman vor euch zu haben, so schenke ich ihn euch." Das zweite Geschenk, welches Brennan Klivv am heutigen Tag machte. Seine eigene Großzügigkeit wurmte den Mann aus Shirashai. "Mein Leben und wirken habe ich ganz unter den Schutz Shirashais gestellt."

  • “Bei Schutzzaubern kommt es nicht auf die Magie an“, behauptete Klivv ernst. “Geht auch ums Symbol und die Absicht.“ Ganz überzeugt schien der Vogelhändler von seiner Einschätzung nicht zu sein, aber war auch gar nicht entscheidend. “Gut,
    kann es schon nehmen, muss nämlich schon dran glauben. Könnt dafür
    ruhig mal sagen, wenn Ihr was braucht. Dann will ich sehen, ob ich’s
    hab.“


    Damit schien der Rattenfänger der Meinung zu sein eine Art Handel
    geschlossen zu haben und ließ das Amulett in einer Manteltasche
    verschwinden. Denn an Geschenke war er nun einmal nicht gewöhnt – schon
    gar nicht an zwei an einem Tag. “Dann lass uns mal nach den Ratten sehen und die Käfige aufstellen, nicht?“
    Ohne dem Dunkelhaarigen auch nur die Gelegenheit zu geben seine Meinung
    zu äußern, erhob sich Klivv und wuselte auf flinken Beinchen in
    Richtung des Raumes, den er Brennan schon einmal gezeigt hatte, davon.
    Es war höchste Zeit, dass die Tiere in richtigen Käfigen untergebracht
    wurden und alles konnte ihm der Kanal auch nicht liefern…

  • Immernoch missmutig erhob Brennan sich und stiefelte hinter Klivv her. Er nahm sich zwei der Säcke mit den Käfigen und trug sie in den Raum, in dem der Rattenfänger seine Tiere züchtete.
    "Es sind simple Käfige mit einem Einhakriegel. Ihr braucht keine Schlösser dafür."Erklärte er, während er die ersten Käfige aus den Säcken holte und in den Raum stellte.


    "Allerdings solltet ihr auch aufpassen, dass euch die Käfige nicht umfallen. Ein kräftiger Ruck in die falsche Richtung und.." Brennan demonstrierte den Mechanismus aus Metall. ".. ihr könnt die Ratten in eurer eigenen Höhle einfangen."

  • Klivv machte sich sogleich daran die Ratten in ihre neuen Behausungen
    überzusiedeln und sperrte dabei schon mal zwei oder drei der Tiere in
    einen Käfig. Nach welchem System er dabei vorging war jedoch schwer zu
    erkennen. Nebenbei überlegte er ob und wie er die Riegel sichern sollte,
    kam aber zu dem Schluss dass es in diesem abgelegenen Gewölbe äußerst
    unwahrscheinlich war, dass einer der Käfige umfiel. “Werde aufpassen“,
    versprach er also ohne sich weiter um das Thema zu kümmern und
    versorgte die Biester mit dem weniger guten Futter, das Brennan ihm
    mitgebracht hatte. “Gibt’s noch was, das ich für Euch tun kann? Wollt Ihr noch was zu Trinken?“

  • Brennan half Klivv beim Aufbau der Käfige, versuchte den Ratten aber nicht zu nah zu kommen. Er hatte zu häufig gehört, dass diese Tiere eine Unmenge an Krankheiten mit sich trugen.


    "Trinken?" Die dunklen Augen des Vogelhändlers sahen auf und blickten den Rattenfänger an. Irgendetwas in Brennan schrie nach ein paar Tropfen Alkohol. Die Hoffnung, den Verstand ein wenig zu vernebeln klang verlockend. Und doch - Brennan war nicht in der richtigen Stimmung.
    Er wußte, wenn er jetzt trank, würde er nicht die ausgelassene Freude spüren, die ihm der Alkohol an einem guten Tag, in einer gemütlichen Schenke, mit einem hübschen Mädchen auf dem Schoß schenkte. Nein, wahrscheinlich würde sich das Gefühl, dass er momentan in sich trug, nur noch weiter in ihm ausbreiten. Seinen Körper langsam taub werden lassen, seine Gedanken schwärzer als Shirashais schwarzeste Nacht einfärben.


    "Nein danke," antwortete Brennan und sah in Klivvs tiefliegende Knopfaugen. Er nickte dem Rattenfänger zu und berührte ihn an der Schulter.
    "Ich weiß euer Angebot zu schätzen und nehmt es mir nicht krumm, wenn ich ablehne und gleich den Gang nach Hause anstrebe." Als wenn Klivv irgendetwas krumm nehmen würde. Brennan atmete tief ein und richtete sich ein wenig auf. Er meinte, sich erklären zu müssen. "Ich.. es plagen mich geschäftliche Sorgen, aber ich will euch nicht weiter damit belästigen. Mir.. ist heute nur nicht nach Gesellschaft." Ein Schatten lag auf Brennans sonst so entspanntem Gesicht. Wenn Klivv etwas von Brennans Gerede nachvollziehen konnte, dann waren es wohl die letzten Worte..

  • „Nicht so schlimm, ein andern mal“, meinte Klivv. Es war er schließlich nicht so, dass ihm menschliche Gesellschaft viel bedeutete. Selbst wenn ihm die Vogelhirte inzwischen vertraut genug war um ihn kaum zusammenzucken zu lassen, als er ihn an der Schulter berührte. “Sagt wenn Ihr Hilfe braucht. Meine Geschäfte laufen gut.“ Ratten gab es schließlich genug und dann waren da viele Dinge, die früher oder später in die Kanäle gespült wurden. Nicht alle davon waren schlecht. “Und Danke für Eure Hilfe. Also dann…“ Es gehörte nicht gerade zu den Stärken des Rattenfängers die richtigen Worte zu finden und so legte er eine ziemliche Pause ein. “Zeige Euch den Weg zurück, wie?“

  • "Auf das Shirashai eure Geschäfte noch lange unter ihren segnenden Stern stellen wird."
    Brennan nickte und folgte dem Rattenfänger hinaus.
    Egal wie häufig er schon die Höhle des Einsiedlers aufgesucht hatte - bei jedem Mal war er erneut froh, dass der Rattenfänger ihm den Ausgang zeigte.


    Bei der Brücke angekommen streckte Brennan Klivv die Hand entgegen und drückte sie fest.
    "Ich.. ich weiß euer Angebot mir zu helfen sehr zu schätzen. Ich weiß allerdings nicht, wie lange ich mein Geschäft in Nir'alenar noch halten kann." Sagte der Schwarzäugige und sein Blick war bedauernd und doch kalt.
    "Solltet ihr je nach Shay'vinayar kommen..." Das seichte Lächeln mit zusammengekniffenen Lippen wurde von einem Nicken unterstützt. Klivv sollte wissen, dass Brennan ihn immer als Geschäftspartner schätzte. Egal wann und wo.


    Und so drehte sich der Vogelhändler um, war einen letzten Blick auf den Rattenmann sowie die kleine Noinin und schritt dann über die wankende Brücke.

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