Tränke, Tee und Salben - Abgebrochener Strang

  • Die Nacht war schon fortgeschritten, als Klavius über die Dächer des Seeviertels zu einem Laden eilte. Schon lange hatte er die Besitzerin beobachtet, wenn sie Nachts durch die Gassen schritt. Das Getuschel der Leute sprach von Hexe oder Schlimmeren. Die meisten mieden ihren Laden und selbst Knochenbrecher und Schleifer schlugen ein heiliges Symbol, wenn sie an ihrem Laden vorrüber gingen. Unheimlich, war eine treffende Bezeichnung, für das kleine Lädchen. Das quitschende schief hänge Türschild. die Gerüche, welche aus der Tür ströhmten und sie selbst, der eine merkwürdige Ausstrahlung anhaftete, hätten aus einem Schauermärchen für Kinder stammen können. Allerdings wusste Klavius auch, das die Nacht andere Bilder zeigte, als der Tag.
    Es dauerte nicht lange, bis die Gasse der Diebe, den Mann zu seinem Ziel geführt hatten. Regen setzte ein und er verließ die Dächer im Schutze der Schatten. Regen war ein Geschank, verschleierte er doch die Geräusche der Umgebung und schuf irrtümliche Bilder in den Köpfen der Leute, wenn sie durch dunkle Gassen strichen.
    Die Straße vor dem Laden war leer. Nicht das Klavius sich auf ihr bewegen würde, doch war sein Anliegen heikel und ein Klingeln an der Tür, für diesen Zweck besser geschaffen.
    Lautlos betrat er die Stufen des Lädchens und betätigte die Türglocke. Sein Gesicht, tief in der Kapuze seines Umhangs verborgen....

  • Der Laden lag verlassen da. Kein Lichtschein drang durch die dichten Vorhänge, die den Blick ins Innere verwehrten. Niemand regte sich auf das Läuten der Glocke hin und Herzschläge vergingen in Stille, ehe ein lautes Knarren andeutete, dass die Tür schwerfällig nach innen glitt. Das Holz gab den Blick auf das Innere des Ladens frei, beleuchtet von einer einsamen Kerze. Auf die schlichte Theke, auf der Tiegel und Säckchen auf den nächsten Tag warteten. Die Schubladen und Regale, auf denen unzählige Gläser glitzerten. Es roch nach getrockneten Kräutern und Blüten, nach Scheußlichem und Harmlosem, Bekanntem und Fremden.
    Ein Luftzug brachte das Kerzenlicht zum Flackern und bewegte die Spinnweben, die von der Decke hingen. Ein leises Rascheln, ein letztes winziges Seufzen und er wehte zur Tür hinaus.
    Doch niemand hatte sie geöffnet.
    Asharais Laden war leer.
    Ein leises Krächzen erklang und ein Rabe flog in der Dunkelheit auf, über den Kopf des Besuchers hinweg, auf die Straßen der Stadt hinaus.

  • Klavius Instinkte waren hellwach und auf der Hut. Ein wenig unheimlich, so wirkte es auf ihn. Nicht wirklich natürlich, allerdings hatte er diesen Laden auch nicht beobachtet und aufgesucht, weil er normal sein sollte. Nein, Klavius suchte das Verborgene, stammte er selbst aus einer Welt, die nur Legende war. Lautlos betrat er den Laden und lies seine Blicke schweifen.
    Die Tür war hinter ihm, die Gerüche vermittelten allerlei Kräuter, Pflanzen und Dingen, welche er nicht kannte. Wie in einem Schauermärchen, so konnte er es beschreiben. Fehlte nur noch die Hexe, welche faule Kinder frass, gebeugt mit Buckel und Warze.
    Langsam zog er das Gesichtstuch herunter und schritt zur Mitte des Raums. Augenscheinlich war niemand hier, aber warum sollte was auch immer, die Tür öffnen, wenn niemand anwesend war.
    Sein Körper stand unter Spannung, dennoch erwartete er keinen Kampf und wollte auch keinen bringen.
    Es war ungewohnt, in der Mitte eines Raumes offenbar zu stehen, doch er wartete und schaute sich um...

  • Wer sein Gesicht verbirgt, ist entweder so hässlich, dass ein Blick genügt, um einen unschuldigen Beobachter zu Stein erstarren zu lassen. Oder er bringt Ärger. In jedem Fall ist es besser, ihm aus dem Weg zu gehen.


    Davadri Tallinday besaß viele Weisheiten, die sie an ihre Enkeltöchter weitergegeben hatte und diese war nur die eine, die Asharai durch den Kopf ging, während sie seufzend ihren Degen umschnallte. Kundschaft zu später Stunde bedeutete selten etwas Gutes. Wer Rechtschaffenes im Sinn hatte, mied gemeinhin nicht das Tageslicht. Also gab es nur zwei Möglichkeiten: Ihr Besucher war an dunklen Dingen interessiert - oder er war ein tölpelhafter Adeliger, der hinter seinem Auftritt eine peinliche Familiengeschichte zu verbergen trachtete, bei deren Beseitigung er Hilfe benötigte. Ruhelose Geister waren selten etwas, das man mit Stolz präsentierte. Was auch immer zutreffen mochte - Großmutter würde recht behalten. Wie sie es immer tat.


    Asharai spähte noch einmal durch das Rohr, das von der Villa Tallinday aus einen Blick ins Innere des Ladens gewährte. Dann zog sie den ledernen Gehrock über ihre Bluse und strich sich das Haar aus dem Gesicht.
    Nun, zumindest hatte er seinen Gesichtsschutz abgelegt. Wahrscheinlich sollte sie dankbar dafür sein, dass es zumindest keine der albernen Masken war, die der Adel so sehr liebte. Sie seufzte und bewegte sich durch den Flur, die alte Treppe hinab, die über eine geheime Tür in den Laden führte.
    Ihre Schritte waren auf dem dicken Teppich so leise, dass sie nicht zu hören waren, als sie schließlich ins Innere des Geschäftes trat und den dunklen Vorhang zurückschob. Sie wusste, dass sie ein heller Schemen gegen die Dunkelheit war, gleich einem Geist, der aus dem Nichts erschienen war.


    "Ihr wählt eine späte Stunde für Eure Geschäfte, Fremder", sagte sie. Ihre dunkle Stimme undeutbar, gleichermaßen streng wie von einem Funken Erheiterung erfüllt.

  • Klavius war die Situation unangenehm. Er war es nicht gewohnt auf dem Presentierteller zu sitzen, so mitten in einem Raum. Auch war er es gewohnt mit Individuen zu verkehren, die er im schlimmsten Fall töten musste. Einzig sein Meister war eine Art vertrauter Mann.
    Hier aber stand er vor keiner Bedrohung, zumal er die Frau schon lange beobachtet hatte, wenn sie Nachts durch die Gassen strich und Geister jagte.
    Lautlos war sie erschienen und stand nun wie eine leuchtende Gestalt vor ihm. Ihre Stimme hatte etwas rauchig Angenehmes. Auch wenn dies alles ungewohnt und vieles suspekt war, so schüchterte es ihn nicht ein. Die Nacht hatte viele skuriele Dinge und Klavius fürchtete sich weder vor der Dunkelheit noch vor dem was in ihr verborgen sein könnte. Zumindest war ihm noch nichts begegnet, was ihm Angst gemacht hätte.
    >> Verzeiht, sollte ich euch geweckt haben. Aber ich war mir nicht sicher, euch noch vor euren nächtlichen Ausflügen zu erreichen <<, sprach er mit ruhiger Stimme und friedlichem Unterton.
    >> Meine Angelegenheit ist heikel und bedarf einer besonderen Person, mit besonderen Fähigkeiten. <<

  • Nächtliche Ausflüge ...


    Asharais Braue wanderte beinahe gegen ihren Willen in die Höhe, als der Fremde zu sprechen begann und sie begab sich nicht zurück in die Tiefe. Ihre Erheiterung verflog. »Mir scheint, Ihr seid bestens über meine Gewohnheiten im Bilde«, sagte sie mit einem kühlen Unterton, während sie sich hinter die Theke begab. »Aber ich schätze es nicht, wenn man mich beobachtet. Lasst Euch gesagt sein, dass es nicht der beste Weg ist, mit mir Geschäfte zu machen.«


    Und natürlich bedurfte fast jeder, der sie aufsuchte, einer Person mit besonderen Fähigkeiten. Sie verbiss sich den giftigen Kommentar, der auf ihrer Zunge brannte und hielt ihre Miene glatt. Zuweilen erkor es so mancher Adelige zu seinem Zeitvertreib, sie beobachten zu lassen, bevor er sie um ihre Dienste ersuchte, um ihre Fähigkeiten zu überprüfen. Und jedes Mal musste sie sich die Mühe machen, ihre Beobachter davon zu überzeugen, dass es nicht der gesündeste Weg war, sich ihr zu nähern. Es war nicht neu, doch es verärgerte sie jedes Mal über alle Maßen.


    Als wäre ich eine Zuchtstute, die man zuerst auf ihr perfektes Gebiss überprüft, bevor man sie zu einem Hengst führt. Arrogantes Pack.


    Ärger. Er hinterließ spitze Pfeile in ihrem Mund und sie bemühte sich, sie nicht in voller Stärke auf das Ziel schnellen zu lassen, das vor ihr stand. Stattdessen schob sie die Kräutersäckchen beiseite, die ihr im Weg standen. Die Bewegung ein wenig zu abgehackt und unwirsch. »Und wenn Ihr befürchtet, mich nicht zu erwischen - mein Laden ist bei Tage geöffnet. Ihr seid nicht gezwungen, in der Nacht an meiner Tür zu läuten. Oder verfolgt Euch ein ruheloser Geist, der Euch dazu anhält, nur in der Dunkelheit auszugehen?« Spott. Sie verbarg ihn nicht.

  • >> Ich bitte um Verzeihung für das Missverständnis, ich habe euch nicht beschattet oder der Gleichen. Um ehrlich zu sein, bin ich durch Zufall auf euch aufmerksam geworden und ich empfinde eine gewisse Neugier für eure Arbeit. Nennt es Neugier, welche zu einem ernsten Anliegen wurde. Seit euch gewiss, das ich nicht zu eurem üblichen Klientel gehöre und nicht auf banale Dinge hoffe. Und ja in der Tat, ich bin gezwungen dem Sonnenlicht aus dem Weg zu gehen <<, entgegnete Klavius der Frau, ohne auf ihren Spott einzugehen.
    Die Meisten reagierten des Nachts gereizt, wenn man sie weckte. Und Wecken war nicht gerade sein Spezialgebiet.


    Das war das Problem mit Anliegen und Bitten, man war auf Wohlwollen angewiesen. Wohlwollen und Vertrauen, eine Illusion.


    >> Zumal jeder meiner Schritte wohl bedacht sein muss und ich wissen musste, ob ich die richtige Person zu Rate ziehe. <<


    Es würde wohl ein anstrengendes Gespräch werden....

  • Sonnenlicht aus dem Weg gehen … das tat lichtscheues Gesindel meist. Asharai unterdrückte ein Schnauben und legte die Hände gespreizt auf ihre Ladentheke.„Und lasst mich raten. Ihr verbergt Euer Gesicht, weil die Sonne in der Nacht so hell scheint, dass Ihr ihre Strahlen fürchten müsst? Oder ist es der Mond, der unter der Kuppel zu hell brennt und Euch zu Asche zerfallen lassen könnte?“


    Noch immer hatte sie ihren Ärger nicht abgelegt, doch es war kaum verwunderlich, wenn man bedachte, dass sie kaum eine seiner Beteuerungen glauben konnte. Man fand die Gewohnheiten eines anderen selten ohne Beobachtung heraus. Ein praktisches Missverständnis, gewiss.


    „Also? Wie kann ich Eure Neugier befriedigen und Euer Anliegen erfüllen, Fremder? Geisterjagd? Ein Kraut, das Schatten über Euch wirft? Die Befragung einer ruhelosen Seele, die Euch Reichtum einbringen wird?“


    Fern von den Dingen, die Ihr ohnehin bereits in Erfahrung gebracht habt.


    Asharais Fingerspitzen pochten auf das Holz. Ein leiser Takt, Ungeduld, die sich auf ihre Miene widerspiegelte.

  • Entweder war die Kundschaft dieser Frau unausstehlich oder nur Pack. Anders konnte Klavius sich ihre Laune nicht erklähren.
    >> Ich versichere euch, das ich nicht euer Feind bin und meine Gesicht enthüllte ich bereits. Und ja in der Tat, die Sonne bereitet mir Schmerzen und verbrennt meine Haut in kurzer Zeit <<, entgegenete er friedlich.
    Klavius wusste nicht wirklich, wie er ihr seine Frage beibringen sollte und wahrscheinlich wäre es weit weniger gefährlich gewesen in den Katakomben nach einem Seelenfresser zu suchen, als das hier. Er begann an seiner Idee zu zweifeln.
    >> Ihr müsst verstehen, dass es sehr gefährlich für mich ist, euch diese Frage zu stellen und vertraue auf euer Stillschweigen. Es geht um einen... sagen wir... Fluch. Jene die ihn vergab ist eine Göttin und zweifelsohne sieht sie es als besonderes Geschenk. Im Gegensatz zu mir! Traut ihr euch zu, damit zu verfahren und zu schweigen wie ein Grab? Ich werde euch entlohnen ob mit Gold oder Gefallen, das ist mir gleich. <<


    Weiter wagte sich Klavius noch nicht vor. Nicht das er Angst vor der Frau hatte. Doch er wollte keine Konsequenzen ziehen müssen. So hoffte er auf die Neugier der Hexe und eine Lösung seines Problems. Zumindest eine Linderung erhoffte er sich, zu lösen wäre sein Problem nicht.

  • Asharai schnaubte und richtete sich gerade auf. Nichts an ihr offenbarte Angst und tatsächlich fürchtete sie wenig. Sie hatte zu viel gesehen, zu viel erlebt, um sich von einem Fluch und einer tragischen Geschichte einschüchtern zu lassen. Wer mit Geistern verkehrte, hatte seine Berufswahl verfehlt, wenn er seine Hosen durchnässte, sobald der Tod ins Spiel kam.


    "Niemand würde mich beauftragen, wenn ich mich in Klatsch erginge. Da Ihr meine Vertrauenswürdigkeit ohne Zweifel überprüft habt, solltet Ihr das bereits wissen, sonst würdet Ihr jetzt nicht vor mir stehen", gab sie bissig zurück.


    Ein Fluch also. Und eine Göttin. Nichts, was einen Bewohner Beleriars auch nur entfernt in Erstaunen versetzen würde. Sie hätte mühelos auf die betreffende Göttin wetten und einen saftigen Gewinn einstreichen können. Wahrscheinlich wäre es einfacher, als des Nachts Geister aufzuscheuchen und im Morast der Adelshäuser umherzustiefeln.


    Ihre Haltung veränderte sich. Sie wurde geschäftsmäßiger, ihre Miene glatter und ausdrucksloser als zuvor. "Also. Fragt", forderte sie ihren bleichen Besucher auf. "Anderenfalls kann ich Euch kaum eine Antwort gewähren."

  • Sie war schlau, was Klavius gefiehl. Natürlich hatte er die Vertrauenswürdigkeit der Frau überprüft, soweit es möglich gewesen war. Schließlich ging es ums Geschäft und um seine Sicherheit. Offenbar hatte sie viel erlebt und gesehen, denn sie behielt ihre Ruhe und Sicherheit. Bei ihrem Beruf war dies wohl auch kein Wunder. Eventuell würde die Nacht ja doch erfolgreich verlaufen.


    >> Nun gut. Das Problem wurzelt in einer Geburt. Vielleicht wisst ihr es schon, aber ich bin ein Sir`Dhar. Zu meinem Leidwesen. Dementsprechend bin ich gezwungen, mich anderes zu ernähren, wie ihr bestimmt auch wisst. Ein Umstand der mir weder Freude noch Vergnügen bereitet <<, erklärte er mit einem Unterton, der seinen Unmut über seine Situation wieder spiegelte.
    >> Ich suche eine Möglichkeit, diesen Umstand zu lindern, meinen Hunger im Griff zu haben und ihn so lange wie möglich zu bremsen, um unangenehme Situationen zu vermeiden. Ich habe schon etliche Jahre mit einer Suche nach einer Lösung gesucht, aber nichts gefunden. Mag sein, das die dunkle Göttin ihre Freude daran hat, ich habe sie nicht. Der Gedanke ein Kind oder einen Unschuldigen zu schaden ist wiederwärtig und mir kam der Gedanke, dass wenn kein Lebender eine Lösung weiß, vielleicht ein Toter das Wissen besitzt? <<


    Klavius hatte sich weit vor gewagt und hoffte, dass die Dame sich nicht überschätzt hatte. Er wollte sie unter keinen Umständen töten müssen, nur um sein Geheimnis zu wahren. Die Lösung eines Gefangenen war zwar ein Glücksfall, dennoch konnte er sich nicht immer von seinem Meister abhängig machen. Vor allem nicht, wenn er eine längere Reise unternahm oder ein Auftrag ihn in ein anderes Reich sandte.


    >> Aber ich versichere euch, dass ich keine Gefahr für bin. <<

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