Der Musikwettbewerb.. wie ungern sie an das Desaster zurückdachte, in welchem er geendet hatte, obgleich es eine fröhliche Veranstaltung hatte werden sollen. Thalassia war in keinem Gasthaus mehr gewesen. Sie schlief manchmal im Freien, manchmal gar nicht. Übermüdet wirkte die schlanke Syrenia und irgendwie geschunden. Ein Mann war gestorben und niemand hatte etwas tun können. Ab und an dachte sie an die "Warnung" des Geistes zurück, das jeder, der an jenem Tage anwesend gewesen war, auch an die Reihe käme. Sie hatte Alpträume und mehr als einmal war sie schweißgebadet wach geworden.
Der Tag war warm, die Sonne schien oben über dem Meer und erhellte das Wasser über der Kuppel bis in die Tiefe, vereinzelt hörte Thalassia die Vögel zwitschern, welche hier in Nir'alenar waren. Sie hatte ihre Arme um die Beine geschwungen, die Enden ihrer Schwingen ruhten am Boden, ja, nicht einmal die sonst so anmutige Haltung ihres Körpers und ihrer Schwingen hielt sie aufrecht. Dunkle Schatten waren unter ihren Augen zu sehen und der Glanz aus ihren Augen schien gewichen. Sie fragte sich, ob es so eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen, nach der Stadt zu suchen. Doch letztlich war sie ohne eigenes Verschulden hier gelandet und nun, da sie hier war, sehnte sie sich nach dem offenen Himmel an der Oberfläche.
Vor ihr glitzerte das Wasser eines kleinen Sees, der sie an einem anderen Tag zum Baden eingeladen hätte, doch heute hatte sie keine Lust darauf. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu ihrer Heimat.
Was sollte sie nun tun, hier in Nir'alenar? Bislang hatte sie noch niemanden getroffen, der ihre Stimme ausbilden konnte und sie wusste, es wurde Zeit, einmal zur Akademie der Künste zu gehen, von welcher sie gehört hatte. Ein sehnsüchtiger Blick zur Kuppel hinauf folgte. Und dann erklang ihre Stimme, ein zarter, klangvoller Hauch an diesem Morgen:
"Wohin dein Herz sich sehnt,
zum Himmel der sich dehnt,
im Horizont allein,
kannst du zuhause sein.
Wohin der Wind dich trägt,
dein Herz im Flugwind schlägt
nur in des Windes Flut,
geht es dir wirklich gut.
Wohin im Mondenschein,
fliegst du so ganz allein?
Wenn Nacht dem Tage weicht,
hast du dein Ziel erreicht."
Es war nur ein kurzes Lied und die Melodie war traurig und sehnsüchtig, ebenso wie die Stimme der Syrenia in jenem Moment klang. Verletzlich wirkte sie, den Kopf schräg gelegt, ihr Haar mit rötlichem Schimmer über die rechte Schulter nach vorn fallend, einen Teil des Gesichtes verdeckend, während die Syrenia zur Kuppel hinaufsah. Vor ihrem inneren Auge sah sie andere Syreniae, ahnte, wie sie nun im Wind des Morgens in den Lüften kreisten und sie, Thalassia, dies nicht mehr vermochte. Nur bis zur Kuppel würden ihre Flügel sie jemals wieder tragen, doch niemals darüber hinaus.