Was niemand wissen will

  • "Bitte, erzähl uns noch eine Geschichte!", krähten die Kinder, die sich um Layia versammelt hatten, im Chor. Díe Kleinsten waren vielleicht 7 oder 8 Jahresläufe alt, die Ältesten, die sich wie selbstverständlich um die jüngeren kümmerten, waren 16, 17.
    "Bitte, Layia, erzähl!", bettelte die kleine Halbcath'shyrr, die sich so eng an Layia gepresst hatte, dass diese ihre Rippen spüren konnte und fühlte wie sie zitterte.
    Layias Herz krampfte sich zusammen. Es tat so weh, die bettelnden, kleinen Gesichter, die so weich sein sollten, zu sehen, die Wangenknochen, die aus ihnen herausstachen zu sehen. Ihre Augen aber strahlten sie an. Layia schluckte. Die Kinder sollten heute Nacht nicht weinen.
    "Na gut.", sagte sie und lachte, obwohl ihr Herz schwer war, wie ein ganzes Gebirge samt Gletscher und Schneekappen.


    ---


    ...und Ihr braucht nicht so aufzubegehren, ich habe das Wort Bastard nicht leichtfertig gewählt. Ihr mögt ein behütetes Zuhause gehabt haben, aber die meisten Kinder, die stehlen sind von ihren Eltern unerwünscht, Unfälle, Vergewaltigungen und was Ihr Euch sonst noch so denken könnt...


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    Layia presste sich so fest an die kalte, feuchte Mauer, dass sie die einzelnen Steine spüren konnte. Die Muer bot ihrem Rücken den nötigen Halt, den sie sich selbst nicht geben konnte. Ihr wurde ganz schlecht bei diesen Erinnerungen.
    Ihre Nacht war nicht besonders erholsam gewesen. Es war zu spät gewordern und so war sie nicht, wie eigentlich angedacht, in den Wald zurückgekehrt um dort zu schlafen, sondern hatte Zuflucht auf einem Baum im Park gesucht.
    Sie hatte ja nicht ahnen können, dass sie dort eine Angriffsfläche für allerlei Nachtschwärmer sein würde, die sich gerne an ihr vergriffen hätten. Nach einer erschöpfenden Verfolgungsjagd - ein Glück, dass sie besser klettern konnte als diese Vandalen- hatte sie sich schließlich in einer Böschung an der Stadtmauer niedergelassen. Nicht weiter schlimm, aber auch nicht bequem.


    Welch ein Wahnsinn..., sprachen ihre Gedanken und Layia schüttelte entschlossen den Kopf. Vergesse.


    Die Halb-Tua'Tanai stieß sich von der Mauer ab und warf sich ins Gedränge des Marktplatzes, wo sie innerhalb weniger Augenblicke mit der Menge verschmolz. Nur durch den Birkenstab mit den seltsamen Zeichen darauf konnte man sie ausfindig machen.
    Sie kämpfte sich am Rande des Platzes bis zu einem der großen Lindenbäume vor. Dieser Tag bot eigentlich gute Chancen ein guter Tag zu werden.
    An der großen, einzel stehenden Linde angekommen, ließ sie ihre Tasche zu Boden gleiten, setzte sich daneben und packte ihre Flöte aus. Während sie das Instrument mit den Fingern wärmte, sondierte sie ihre Umwelt.
    Sie saß etwas erhöht in dem von Steinen umgrenzten Erdhügel, in dessen Mitte die Linde wuchs, eingefasst von frühlingsgrünem Gras. Von hier aus konnte sie die Köpfe der Leute zwar nicht überblicken, aber der Klang würde sich einigermaßen gut ausbreite können. Es war eine der ruhigeren Ecken des Marktplatzes, hier kamen viele Leute nur vorbei um zum nächsten, großeren Stand zu gelangen.
    Um so besser für Layia, die auf die ein oder andere im Vorbeigehen geworfene Münze hoffte.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

    Einmal editiert, zuletzt von Shiai ()

  • "He.. dich kenn ich doch?" Vielleicht mochte die leise Stimme Layia aus ihren Grübeleien reißen. Ein kleines Gesicht linste um den Baum rum und Kea trat ins Mondlicht, ihre grünlichen Schuppern glitzerten leicht. "Du hast mir doch mal geholfen und mich dann zur Stadtwache gebracht, wo die böse Yassalarfrau auf dem Markt mir wehgetan hat." Kea hatte nie begriffen, das die Marktfrau keine Yassalar gewesen war. Dies war ein Teil ihres Traumas, welches sie durch den Tod ihrer Mutter erlitten hatte.
    Keas Blick wanderte auf die Flöte. "Machst du Musik? Darf ich zuhören? Ich bin mit Papi hergekommen und der ist dann wieder nach Hause, weil eigentlich wollte ich Berengaria und Emiriel besuchen. Die beiden von der Stadtwache, die sich um mich gekümmert haben."


    Kea ließ sich vor Layia nieder und suchte deren Blick, während sie ihre Arme um ihre Knie schlang und das Halbwesen vor sich erwartungsvoll ansah.

  • Layia wandte sich um und musterte die Kleine lächelnd. Natürlich kannte sie Kea noch. Wenn sie nur wüsste, wie ihre Grübeleien mit ihr zusammenhingen.


    Der Mond leuchtete tatsächlich immer noch über der Kuppel, ein wenig spät für den nächtlichen Wanderer, wie Layia fand. Es hatte bestimmt schon die 5. oder 6. Stunde des Tages begonnen und immer noch stand der Erdentrabant am künstlichen Himmel. Bald würde er verblassen und verschwinden, genauso wie der herrliche grüne Glanz von Keas Schuppen verblassen würde.


    "Natürlich kenne ich dich noch, Kea!", antwortete sie und ihr Lächeln wurde breiter und wärmer. "Du darfst gerne bei mir bleiben und zuhören, wenn du willst."


    Erstaunlich, wie die Kleine quasselte in Relation zu den wenigen Wörtern die sie damals von sich gegeben hat. Irgendein Wandel muss in ihr vorgegangen sein ... hatte sie nicht eben ihren Papa erwähnt?
    Vielleicht war es das, was Kea so verändert hatte... irgendetwas war da noch in Layias Gedächtnis, es wollte ihr nur nicht einfallen.


    "Aber sag, was machst du denn so spät - so früh hier draußen, Kea?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • "Na ich wollt den Emiriel besuchen und seine Freundin, die Berengaria.. aber ich will die nicht so früh wecken, darum bin ich noch ein bisschen.." Sie senkte ihre Stimme und schaute Layia beinahe verschwörerisch an: "...rumgestreunert." Und dann erschien ein keckes Grinsen auf dem Gesicht des Mädchens. "Aber sag das ja nicht meinem Papa, ich glaub der würde das nicht so gut finden."


    Und wieder sah sie gespannt auf die Flöte. Sie selbst hatte ja kein Instrument und konnte auch keines spielen, um so mehr gefiel es ihr, wenn jemand diese Kunst beherrschte und sie die Möglichkeit hatte, zuzuhören. Keas Augen funkelten Layia an.

  • "Ohooo...", kommentierte Layia mit von äußerster Wichtigkeit gefüllten Augen und senkte ihre Stimme ebenfalls, um mit genauso verschwörerischer Mine zu sagen: "Ich schweige wie ein Grab."


    Layia lachte leise und umfasste ihre metallene Flöte fester. Sie war nun handwarm, die beste Vorraussetzung für einen kristallklaren Ton. Wie gebannt Kea das Instrument ansah! Als würde sie versuchen sie mit ihren Augen zu verschlingen.
    Die Halb-Tua'Tanai drehte die Flöte in der Hand, ließ das letzte Mondlicht darauf spiegeln, dann hob sie sie. "Das ist ein Lied für dich.", sagte Layia noch, ehe sie das Metall an ihre LIppen setzte und einen hellen, sanften Ton anspielte.


    Es war der Klang einer Sonne am Horizont, welche die ersten Strahlen wie lange Finger über das Land tasten ließ. Dann ließ Layia den Ton vibrieren und er wurde zu einem einfachen, aber verspielten Lied, das leichtfüßig über den Boden eines Frühlingswaldes zu hüpfen schien und die Luft um die Tua'Tanai und die kleine Meereselfe mit Vogelstimmen füllte.
    Sie ließ Bilder aus ihrer Kindheit aufsteigen, vermischt mit den Bildern, die Sicils Lied damals beinhalteten, ein ausgelassenes Fangspiel im lichten Schatten eines Birkenhains ...


    Die Miniaturen und Schnörkel an der Melodie wurden immer ausgelassener und verspielter, bis sie den Höhepunkt erreicht hatten. Nun schwebte die Melodie wie ein Herbstblatt zu Boden, wurde ruhig, wurde leise. Immer sachter wurde Layias Spiel, bis die Töne schlussendlich versiegten, verschwanden.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

    Einmal editiert, zuletzt von Layia Wolfstochter ()

  • Das Lied war längst verklungen, die Flöte hatte den letzten Klang erzeugt, das sirrende Schwingen war vergangen. Stille kehrte ein, obwohl der Platz um sie herum laut genug war um einen betrunken Schlafenden zu wecken.
    Sie verlor sich im Anblick des Silberinstruments. Was hatten sie nicht alles zusammen erlebt? Wie oft hatte sie ihr über die in oder nadere trübe Stunde hinweg geholfen?


    Layia sah auf, zu Kea hinüber und lächelte sie an. Layia erinnerte sich noch haargenau an ihre erste Begegnung. Sie hatte lieder nie erfahren, was mit der Marktfrau geschehen war. Zorn war es nicht mehr, der in ihrer Brust schwelte, nein, es war eine Frage;
    Warum?


    Warum, warum... eine verrückte Frage., fand Layia. Und wieder versank sie in Nichts als Grübeleien, die igentlich keinen Sinn und Zweck erfüllten ... die ihr nicht weiterhalfen.


    Plötzlich vernahm sie ein Knacken, sah hinauf in das Blätterdach über ihnen.
    Eichhörnchen.
    Layias Herz krampfte sich vor Schreck zusammmen, als der Wolf in ihr auffuhr. Nein, jetzt nicht!
    Die Wolfstochter japste nach Luft, hatte sich jedoch fast sofort wieder gefangen und hüstelte lediglich noch etwas.
    Sie hasste es, wenn er sich so erschreckte.


    Es war nicht so, dass dies der Drang gewesen wäre, das arme Tier zu jagen, zu fressen. Es war nur ein Schreck gewesen. Ein beleidigtes Schnappen nach dem Störenfried.
    Doch warum es so stark an die Oberfläche drang wusste Layia auch nicht. Verzeihend sah sie zu Kea hinüber und hüstelte nochmals, als hätte sie etwas in den falschen Hals bekommen.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Kea hatte verzückt dem Lied gelauscht. Ihrem Lied. Layja hatte es nur für sie gespielt. Als die letzten Töne verklungen waren, saß das Mischlingselfenmädchen so still wie Layja. Kein Ton drang über ihre Lippen, sie sah nur die Frau an. Wartete. Sah, das Layja in Gedanken versunken war. Ihr Blick huschte nochmals über die Flöte und dann nickte sie für sich sachte.


    Layjas Auffahren des Eichhorns wegen erschreckte sie. Doch nachdem sie den Grund erfahren hatte, wurde das Mädchen wieder ruhiger.

  • Wenn der Wolf sie je etwas gelehrt hatte, dann war es Vorsicht. Absolute Vorsicht in allen Situationen und Angelegenheiten.
    Niemals sollst du die Sinne ruhen lassenn, niemals ganz schlafen.
    Sinne sind ein Geschenk.

    Selbst jetzt, da Layia unaufmerksam wirkte, abgedriftet, in Gedanken versunken war, analysierten ihre Sinnesorgane genauestens was sie wahrnahmen.
    Sie spürte das Gras, auf dem sie saß, dass sich sanft neigte und sie am Arm kitzelte; sie fühlte die sich bewegende Luft, die aufkommende Wärme des Tages darin. Das Rauschen der Baumkrone und das empörte Keckern des Eichhörnchens drangen intensiv an ihre Ohren, genauso wie die Worte, die die vorbeigehenden Leute sich unbedacht und nichtsahnend zuwarfen.
    Und schließlich fing ihre Nase ab und an den Geruch der Leute auf. Die einen rochen nach Arbeit, nach Schweiß und nach erschöpften Gliedern, andere waren von Wolken üppigen Blumenduftes umgeben, übergossen sie sich auch mit grausigen Duftwässerchen, die Layia in die Nase bissen. Es war als redeten ein dutzen Boten gleichzeitig auf sie ein, ein jeder davon überzeugt, dass seine Nachricht die wichtigste war.


    Kea roch nach dem Meer. Diesen Geruch liebte sie fast so sehr wie den Geruch ihres Waldes. Er sprach von Weite, einer nicht enden wollenden Weite, von Ferne.
    Es roch nach Sehnsucht.
    Layia seufzte leise. Das Meer belohnt jene nicht, die all zu beflissen, zu gierig, zu ungeduldig sind. Nach Schätzen im Sand zu wühlen, sich blindlings in die Wellen zu stürzen um endlich davon getragen zu werden, zeugt nicht nur von Ungeduld, sondern auch von einem Mangel an Glaube und - vor allem - von einem Mangel an Realismus.
    Leer, offen und passiv sollten wir daliegen, wie der Strand. Die Zeit einfach verstreichen lassen, ohne einen Blick auf ein Ziffernblatt zu werfen.
    Vielleicht, vielleicht werden wir dann das Geschenk des Meeres erhalten und verstehen.


    "Erzähl mir vom Meer, Kea.", bat Layia in der Manier in der sonst immer die Kinder sie gebeten hatten zu erzählen. "Du und dein Vater, lebt ihr dort?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Valeria hatte sich auf dem Marktplatz umgesehen, sie war gehörte zwar nicht zur kämpfenden Truppe der Stadtwache, hatte jedoch eine Pfeife um den Hals, mit der sie in windeseile ein paar der Wächter mit gezogenen Schwertern zu sich rufen konnte wenn das nötig werden würde. Die Alaria Priesterin, die als Heilerin, als vermittlerin zwischen Parteien und für den seelischen Beistand der Wächter zuständig war, arbeitete gerne ausserhalb des 'Bienenstocks, wie sie die Zentrale auf dem Marktplatz gerne nannte.


    Als sie so herumging, mal hier und mal dort nachsah, entdeckte sie zwei Gestallten, die ihr bekannt vorkamen, beide saßen an einem Baum in der Mitte des Marktes. Valeria musste grinsen. Ein Hort der Ruhe in diesem ganzen Trubel. Sie sah zur Sonne empor, schätzte kurz und entschied dann, dass sie Zeit hatte sich dem ungewöhlichen Paar anzuschließen. Die kleine Meereselfe interessierte die Priesterin noch auf eine ganz andere Weise, so war doch ihre existenz ein Symbol dafr, dass das Meer und das Land in Liebe vereint werden konnten.


    Sie ging langsam an die beiden heran, lehnte ich an den Baum und hörte noch die letzten Gesprächsfetzen der Frage Der Braunhaarigen Frau.


    "Ja bitte erzähl davon, denn gibt es etwas schöneres als das Meer?"

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • So spontan aus der inneren Ruhe gerissen, war Layias Blick ein grüner Blitz, der demjenigen entgegenzuckte, der gewagt hatte sie zu stören. Ehe Layia bemerkte, dass es ein bekanntes Gesicht war, hatte der Blitz bereits seine Weg genommen... zu spät, ihn zurückzuholen. Also verzog Layia die Lippen zu etwas, das wie ein Lächeln aussah und musterte die Priesterin.
    Sie war es.


    Schon wieder an den Tag erinnert, an dem sie Kea kennenlernte, wanderten ihre Gedanken davon, während ihr Blick noch immer auf Valeria ruhte. Sie hatte Keas Schmerzen gelindert, den tiefvioletten Fleck, den der Tritt der Marktfrau hinterlassen hatte, verschwinden gemacht. Sie hatte ihr zu danken.
    Wirklich?
    Es war ihr Beruf. Sie hatte es getan, weil es ihr Beruf ist, nicht weil sie sich speziell Keas wegen erbarmt hatte. Gedanken formten in Layias Kopf eine skurrile Mischung aus Anerkennung, Misstrauen und Neugierde.


    Layias Blick kehrte zurück aus der Welt der Gedanken, sah Valeria unverwandt an. Sie wollte etwas sagen, doch fand sie nicht die nötigen Worte dazu. Sie wandte den Blick ab, der nun nachdenklich auf ihre Hände hinabsank, die die silberne Flöte liebkosten.
    Ob Kea erzählen würde?

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • "Das Meer..." Keas Augen wandten sich mit einem beinahe veträumten Ausdruck nach oben, gen Kuppel. "Es ist kühl und eigenwillig und doch umfängt es einen wie ein schützender Mantel, wenn man hineinschwimmt.. es braust durch die Kiemen und erinnert einen viel deutlicher daran, das man lebt, als es die Luft tut, wenn man sie einatmet. Die Fische und Schildkröten tanzen mit dir durchs Wasser und die Pflanzen streicheln dich im Vorbeischwimmen.. aber es hat auch Gefahren. Manche Pflanzen greifen nach dir und halten dich fest, als wollten sie dich auf ewig festhalten und nie mehr freigeben.. und die Yassalar.. blutgierig, düster.. tödlich.."
    Bei Letzteren waren ihre Worte leiser geworden, unruhiger. Keas Finger strichen unruhig durchs Gras und ihre grünen Augen wandten sich wieder den Beiden Frauen zu.

  • Wie aus einem Refelx heraus - nur Kireala mochte wissen wo her er kam - legte Layia die Hand auf Keas unstet durchs Gras streichenden Finger und umfasste deren Hand. Es sollte ihr Sicherheit geben, Stärke.
    Was Kea über das Meer erzählt hatte klang phantastisch... wie es einen umfassen würde, wenn man sich hineinwagt, wie es einem geheimnissvollen eigenen Willen folgte. Ganz anders wie ein See oder ein Tümpel, der stillstand.
    Doch als Kea die Yassalar erwähnte, zogen sich Layias Brauen zusammen und bildeten ein steiles V. Waren es jene schwarzschüppige Meeresgeißeln, die sie meinte? Das absolut Schwarze, das absolut Böse?
    Gab es soetwas überhaupt?
    Layia glaubte zwar, das alle Wesen einen guten Kern hatten und sie schloss mit dieser Überzegung eigentlich auch kein Volk aus, doch sie zweifelte. Aber andererseits hatte sie auch erlebt, damals als sie zwei Nachtelfen zugleich begegnet war, dass ihre Sichtweise doch beschränkt ist, dass sie nicht alles wissen konnte. Auch nicht, dass ein Nachtelf ihr Seelenverwandter sein konnte.
    Würde es bei den Yassalar genauso sein?


    "Das Leben im Meer hat also genauso seine Schattenseiten wie das Leben an Land...", sagte Layia leise und blickte ziellos in die Menge. "Das ist zwar beruhigend zu wissen, aber es enttäuscht. Ich bin noch keinem Yassalar begegnet ... darum wage ich nicht zu urteilen; aber jedes Wesen hat einen guten Kern, ich bin mir sicher."

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • "Yassalar also!" murmelte Valeria leise, "Ich habe mich schon gefragt..."


    Dann lächelte sie warm den beiden Frauen zu und nahm Keas kleine Hände in die Ihren. Sie spreizte die Finger und zwischen ihnen lugten die ansätze von Schwimmhäuten hervor.


    "Danke dass du über das Wasser und über dasschwimmen geredet hast, Ich höre gerne Geschichten darüber."


    Sie setzte sich neben Kea und blickte auf die vorbeiziehende Masse der Menschen von ihrer kleinen Insel aus.

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • "Kein Yassalar hat einen guten Kern." Keas Stimme klang hart, zu hart für ein Kind. "Niemand, der einem Kind seine Mutter nimmt, hat einen guten Kern. Sie werden es wieder und wieder tun, böse und verderbt, dem Dunkel anheim gefallen, mordlüstern."


    Kein Kind sprach vermutlich, wie Kea sprach, wenn es nicht erlebt hatte, was die Yassalar taten. Und Kea hatte es erlebt. Langsam wandte sie den Blick so wie Valeria auf die umherziehenden Massen an Menschen. Doch beide Frauen, jede hatte ja nun je eine Hand von ihr in den Händen.. spürten, wie ihre Finger vor Anspannung zuckten, konnte sie doch so nicht mehr durchs Gras streichen.

  • Valeria verzog das Gesicht bei der aussage Keas. Kein Kind sollte so reden, durfte so reden, doch sie hatte sch schlau gemacht, sie hatte mit Berengaria gesprochen und wußte was die Kleine durchgemacht hatte und wie Berengaria und Emiriel sie gefunden hatten. Also schüttelte sie nur leichte den Kopf, setzte das Lächeln wieder auf und strich ihrerseits durch das frische Gras, nachdem sie Keas Hand wieder freigegeben hatte, als sie bemerkte, dass die Kleine nervös wurde, weil beide Frauen ein Stück von ihr haben wollten.


    Die Geschichte über das Schwimmen hatte sie wirklich beeindruckt, hatte sie doch selbst Meeresbewohner als Vorfahren, doch so lange vor ihr, dass das einzige was ihr geblieben war die Liebe zum Meer und seinen Bewohnern, wie die Liebe zum Leben selbst und Schwimmhäute geblieben waren. Würde sie gegen Menschen schwimmen müssen, würde sie gewinnen, aber im Meer genauso wie Menschen ertrinken.


    Sie betete still zu Alaria um Beistand und fasste den entschluss, ein paar Erinnerungen dieses Kindes die Kanten zu nehmen.


    "Schwimmst du alleine, oder schwimmt jemand mit dir?"

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • Layias Hand zuckte beinahe zurück, als sie Keas Worte vernahm. Kein Yassalar hat einen guten Kern... Ob Kea recht hatte? Nach wie vor hielt sich Layia an ihren Grundsatz über niemanden zu urteilen, den man selbst nicht kennengelernt hatte ... nach wie vor blieb der Umstand in Erinnerung, dass auf die Urteile über Nachtelfen nicht gehört hatte, trotz der Zweifel, die sie oftmals überkommen waren ... und siehe da: ihre Annahme hatte sich bestätigt. Sie hatte den besten Freund in Sicil gefunden, den es wohl geben konnte auf dieser Welt.


    Sie zog ihre Hand zurück, gab Keas nervös umherstreichenden Fingern ihre Freiheit zurück, ein wenig missmütig darüber, dass Valeria diese Geste ebenfalls benutzt hatte. Layia verschränkte ihre Arme und legte sie um ihre angewinkelten Beine. Ihre Flöte lag kalt auf dem frühlingsgrünen Gras.


    Böse und verderbt, dem Dunkel anheim gefallen, mordlüstern... war das alles was man über die Schwarzschuppen wusste? Nein, es gab da noch die Bilder und Geschichten von ihren atemberaubenden architektonischen Künsten, von ihrer Gesellschaft in der es keine Armut gab.
    Wieder ruhten ihre Augen auf den Passanten, musterte die reich bestickte Seide, Brockat, Samt, der reich adelig anmutende Leiber verhüllte genauso wie das Leinen, den groben Rupfenstoff und die Wolle, welche die Einfacheren kleideten. Oftmals war es nicht ersichtlich wer wohin gehörte, so oft vermischte sich nüchterne Schlichtheit mit Prunk...


    Nur beiläufig lauschte Layia dem Gespräch zwischen Priesterin und Kind.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Noch ehe Kea eine Antwort geben konnte, veränderte Layia auf dem allmählich unbequem werdenen Untergrund ihre Haltung und schenkte der Heilerin ein offenes Lächeln, dass plötzlich aus ihrer tiefsten Seele aufgetaucht war. Sie strich beiläufig über Keas Hand als sie sprach.
    "Ich würde unheimlich gerne mal mit dir schwimmen, Kea. Nicht raus ins Meer ... aber irgendwo innerhalb der Kuppel."


    Die Wolfsäugige ließ ihren Blick wieder abschweifen, unterließ das Händestreicheln und legte den Kopf in ihre auf den Knien aufgestützen Hände. Sie konnte sich nicht sattsehen an den Bildern, die ihre Vorstellungskraft zu weben begann, von ihrer kleinen Freundin Kea - immerhin schon eine richtige Streunerin, wie man an Uhrzeit und Ort unschwer erkennen konnte - durchs Wasser flog wie ein Pfeil. Sie musste im Wasser so zuhause sein, wie Layia in ihrem Wald, sich dort so natürlich bewegen, dass man glauben könnte, sie hätte nie etwas anders getan als dies.
    Es waren schöne Bilder, die sie im Kopf hatte, doch traurig war ihre Miene. Sie erinnerten zu sehr an vergangene, schöne Tage, die man ja doch nicht mehr zurückholen konnte, egal wie sehr man in ihnen schwelgte.
    Sie betrachtete beiläufig die Schwimmhäute zwischen den Fingern der Priesterin .. sie trug ein meerisches Erbe ... wie gerne hätte Layia daran teilgehabt. Zu schwer war es, ihrem eigenen Erbe würdig zu werden, so schwer, dass sie es gegen jedes andere sofort eingetauscht hätte. Ohne nachzudenken.


    "Was hältst du davon?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • "Ja, wir können zusammen schwimmen.. aber ich glaube du kannst nicht so tauchen wie ich." meinte Kea auf Layias Vorschlag und das Lächeln fand den Weg auf ihr Gesicht zurück, auch wenn das Kind nach wie vor angespannt und unruhig wirkte, was man daran merkte, das die eine, freie Hand, wieder unruhig durchs Gras strich.


    Auch sie hatte die Schwimmflossen zwischen den Händen der Priesterin bemerkt, sagte jedoch nichts dazu. Das die Frau nicht einfach ins Meer sprang und es ausprobierte, mochte darauf hindeuten, das sie es nicht konnte oder nicht wagte.

  • "Hm, das ist doch ein wunderbarer Vorschlag. Waum macht ihr das denn nicht. Ich würde gerne dabei zusehen, wie ihr beiden schwimmen geht."


    Valeria ließ Keas Hand los und sah auf ihre Füße. Das Kind war sehr verschlossen. Sie würde ihr gerne Helfen, ihr wenigstens sagen, dass nicht alle Yassalar so waren, daran glaubte Valeria ganz fest, sonst wäre sie nicht Priesterin der Alaria, die auch die Yassalar beschützte.


    "Sag, du schwimmst doch mit jemandem zusammen, oder?"

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • "Manchmal schwimmt Papa mit, oder meine Freundin Misha, die ist eine Nixe. Manchmal auch nur ein paar bunte Fische, die irgendwie in die selbe Richtung müssen. Manchmal schwimme ich auch allein. Heute nacht bin ich allein geschwommen. Papa würde das nicht gerne sehen, das weiß ich. Aber manchmal brauche ich das."


    Sie sah Layia abwartend an. Wollte ihre große Streunerfreundin vielleicht jetzt gleich schwimmen gehen? Der Mondenteich war nicht weit - er war nicht groß, wenn man ihn mit dem Meer verglich, aber groß genug, um darin schwimmen zu gehen, war er allemal. Und um den Unterwassertunnel ins Meer zu finden, hätte Layia länger die Luft anhalten müssen, als sie es wohl konnte. Demnach würde sie auf diesem Wege ohnehin nicht ins Meer gelangen, wohl eher nie, da sie nunmal kein Meereswesen war. Da hatte Kea den Vorteil, das sie in beiden Welten atmen konnte, da sie ja sowohl Lunge, als auch Kiemen besaß.

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