Verhängnisvolle Begegnung

  • Sie schoss durchs Wasser wie ein Pfeil, so wie Mallalai es ihr einst gezeigt hatte, als er sie mitgenommen hatte, tief in die Stadt der Mira'Tanar. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Kea fühlte sich frei, so frei wie seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr, welcher dennoch weiterhin schwer auf ihrer Kinderseele lastete.
    Gleichwohl war sie froh, ihren Vater gefunden zu haben. Diesen Ausflug ins Meer hatte sie unternommen, nachdem sie ihm Bescheid gesagt hatte -so wie sie ihren Vater kannte, war er nicht weit fort und bewachte sie, sein einziges Kind. Die Korallen, die bunten Fische, jede noch so kleine Kleinigkeit zog Keas Aufmerksamkeit auf sich und so erkundete das Kind seine neue Heimat auf eigene Faust.
    Für einen Moment hielt sie inne, als ein blau-silbriger Diskusfisch vor ihrem Gesicht anhielt und strahlte den Fisch an, stupste ihn gar mit einem Finger. Der Fisch blieb noch kurz, dann schoss er seinem Schwarm hinterher. Kea schwamm weiter.
    Wie schwerelos man sich im Wasser fühlte. Manchmal fragte sie sich, wie sie all die Zeit bei ihrer Mutter an Land ausgehalten hatte. Obgleich sie wusste, das auch das Land seine Vorzüge und Schönheiten hatte.


    Zwischen einigen Schlingpflanzen schoss das grünweiß schillernde Wesen hindurch, drehte eine Pirouette nach oben und entging so den Pflanzen, welche sich um ihre Beine schlingen wollten.
    Mit einem Mal wurde das Wasser kühler und dunkler. Kea hielt schlagartig in ihrem unbeschwerten Toben inne. Ein Frösteln lief über ihren Rücken, der kalte Schauer einer unangenehmen Vorahnung. Der Blick des Mädchens schweifte nach oben...
    Kea erstarrte.
    Silbriges Haar, schwarze Haut... und die kalten Augen starrten genau auf sie herab. Ein Mann und eine Frau.
    Und sie kannte den Mann - unglücklicherweise. Kea sank zum Meeresgrund herab, als könnte sie den beiden Yassalar so entgehen. Und dann entkam ein Schrei ihren Lippen. Ein lauter, schreckenserfüllter, panikartiger Schrei. Und die Yassalar ließen sich herabsinken... auf das kleine Mädchen zu.

  • Mishas Glieder fühlten sich starr an, als hätte man sie in zu kaltes Wasser geworfen. So verharrte sie wie Stockfisch, die Augen gebannt auf Kea gerichtet, die in gefährlicher Nähe zu den beiden Yassalar befand und sich zum Meeresboden herab sinken ließ.
    Flieh! Schwimm weg, schnell! YASSALAR!, dröhnten ihre Instinkte wild durcheinander und es kostete sie alle Willenskraft den Impuls wie ein Pfeil davonzuzischen zu unterdrücken und stattdessen unauffällig im Tang zu verharren.
    Da, die Yassalar sanken ebenfalls, Kea entgegen! Tu was, tu was!! Schwimm weg!


    Nein.


    Misha machte einen wahren Satz nach vorne und während ihr Puls raste wie ein Fischschwarm, der vor Haien Ausreiß nahm, schoss sie auf Kea zu. Die schwarzen Gestalten hatten sie ohnehin schon gesehen, schienen aber keinen Anreiz darin zu sehen, die Nixe zu attakieren. Nixen sind minderwertig. Nachrangig.
    Wieder brüllten ihre Instinkte und ihr Verstand mit aller Gewalt: Schwimm weg!, doch Misha schloss die Augen, schloss im Vorbeischießen Kea in ihre Arme - wie glitschig sie sich plötzlich anfühlte! - und stob, nun durch das Gewicht der kleinen Elfe gebremst weiter.
    Nur weiter, weiter! Nicht zurücksehen!


    Das Wasser war kühl, zu kühl, die Präsenz der beiden Schwarzschuppen erfüllte das Wasser mit einem bedrohlichen Vibrieren - sie spüren auf ihren Schuppen jede deiner Bewegungen und Worte, Misha - die Nixe biss die Zähne aufeinander.
    Endlich konnte sie ihrem Fluchtreflex nachgeben und ihre Schwanzschläge waren mit voller Kraft ausgeführt. Sie konnte die Gewalt der erzeugten Wellen am ganzen Leib spüren.
    Wie ungelenk Keas Glieder im Wasserstrom schlackerten! Misha umklammerte sie fester. Warum hatte sie denn keinen Fischschwanz?


    "Halte deinen Körper ganz steif.", sagte sie in Keas Ohr, doch sie war sich nicht sicher ob ihre Worte ankamen oder einfach nur davongetragen wurden, den Yassalar entgegen, mit der Strömung. Misha warf einen winzigen Blick hinter sich. Ein Fehler.


    Indess hatten die beiden Yassalar die Verfolgung aufgenommen, zu schnell. Zu schnell!

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

    Einmal editiert, zuletzt von Misha ()

  • Ob Kea Misha aus den Augenwinkeln heranschiessen sah oder nicht, würde wohl ein Geheimnis bleiben. Schreckgeweitet und starr war ihr Blick auf die Schwarzhäutigen gerichtet. Auf den Mörder ihrer Mutter. Mama...
    Kea schossen Tränen in die Augen. Just in dem Moment, in dem Misha sie im Vorbeischwimmen packte. Kea zuckte merklich zusammen, doch hielt sie sich automatisch steif wie ein Brett, Hände und Arme eng an den Körper gepresst, die Beine eng aneinander gedrückt.
    Wie schnell Misha war.. und doch kamen die Schwarzhäute näher.
    Sie werden uns in den Himmel schicken, so wie Mama...


    Kea war keines klaren Gedankens mehr fähig. Ihr Herz schlug schmerzhaft schnell und ebenso überschnell arbeiteten ihre Kiemen, um den erhöhten Sauerstoffbedarf des geschockten Mädchens irgendwie zu verarbeiten.
    "Sie kommen." Ihre Stimme war nur ein Wispern. Natürlich waren die Yassalar schneller als Misha mit der kleinen Halbmeereselfe. Dennoch rechnete Kea der Nixe hoch an, das sie versucht hatte, Kea herauszuholen.
    "Lass mich fallen. Schwimm weg." Wieder war die Stimme der Kleinen nur ein Hauch, denn das Mädchen ahnte bereits die Wucht, mit welcher der Mörder ihrer Mutter heranrauschte. Er würde nicht nur sie, Kea, den kleinen Seestern töten, sondern auch Misha, weil sie es gewagt hatte, zwischen ihn und seine Beute zu kommen. Alleine würde die Nixe eine Chance haben. Kea hatte keine Ahnung, von welchem Mut ihre Gedanken um Misha zeugten.


    Und dann war der Yassalar heran, rauschte mit brutaler Gewalt gegen Nixe und Kind und riß beide auf den Meeresboden herab. Sand wirbelte auf, als Kea über den Boden kugelte, sie wusste nicht, ob Misha sie nach wie vor festhielt und noch bei ihr war oder ob es die Nixe weitergeschleudert hatte. Kea hatte ihre Augen fest zusammengepresst, um keinen Sand hinein zu bekommen. Doch ihr Schrei zeugte von der panischen Angst in ihrem Inneren.

  • Gut, die keine Meereselfe hielt still und machte sich steif wie ein Brett. Misha würde sie wie ein Stück Ladung transportieren können. Schneller, schneller! Keas Stimme klang schwach, durchscheinend wie das Wasser selbst.
    Kehr um, Misha! Lass die Kleine los! Du musst ihnen nicht zum Opfer fallen... Misha presste ihre Zähne so fest aufeinander, dass sie knirschten. Hätte sie ein zusätzliches Paar Hände gehabt, sie hätte sie auf ihre Ohren gepresst um die innere Stimme zu erdrosseln, die wahrhaftig versuchte sie zu lenken.


    "Red keinen Schwachsinn!", presste sie zwischen ihren Zähnen hervor, silbern schimmernde, tanzende Luftblasen entkamen ihrem Mund. Sie wurden von Yassalarhänden nur wenig hinter ihnen zerschlagen.
    Sie waren so nah! Misha konnte fast ihre Schuppen auf ihrer Haut spüren.
    Verzweiflung mobilisierte ihren Körper und treb ihn nocheinmal zur bestmöglichen Leistung. Ungesehene Tränen verließen ihre Augen und wurden vom strudelnden Wasser davongetragen.
    Sie sah sich nocheinmal um doch just im selben Moment wurde sie von einem der Yassalar gerammt, Kea wurde aus ihren Armen gerissen und sie flog hilflos, wie von der Fluke eines Walfisches getroffen dem Meeresboden entgegen.
    Die Luft wurde aus ihrem Körper gepresst, als sie auftraf, große silberne Lufblasen stiegen auf und ein widerwärtig stechender Schmerz durchzuckte ihre Brust. Alles war in wirbelnden Sand und kleine Pflanzenteilchen gehüllt und Misha war so gut wie blind.


    Sie tastete wild umher, nach dem Körper der Verlorengegangenen suchend. "Kea?" Sie hörte die Kleine schreien. "KEA?"


    Dann tauchte ein Schemen im Sandwirbel auf. Zorn ließ Misha ihre schmalen Fäuste ballen. Ihr Körper spannte sich und wie durch ein Wunder war plötzlich aller Schmerz vergangen. Sie würde ihnen zeigen, wie nachrangig sie war.
    Sie schoss auf den Schemen zu, duckte ihren Kopf zwischen ihre Schultern und schob die linke Schulter vor um den Yassalar mit voller Breitseite zu rammen.


    Der Aufprall war hart, Mishas Schulter schmerzte, doch die Kiemen des Yassalar flatterten. Gut so.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Es ging um ihr Leben. Kea wusste das, so sicher wie sie wusste, das Misha nicht einfach fortschwimmen würde. Hustend und mit tränenden Augen, denn etwas Sand hatte sie nun doch hineinbekommen, sah sie, wie ein Schemen auf einen anderen zuraste und jenen rammte und hörte den leisen Laut, als dem Yassalar die Luft aus den Lungen gepresst wurde.
    Kea erinnerte sich an die Nixe von dem Tag, als sie Misha mit aus dem Seetang befreit hatte.
    Noch ehe Kea irgendwie reagieren konnte, wurde sie gepackt. Kreischend begann das Kind um sich zu treten und als eine schwarze Hand - die der Frau - sich über ihren Mund legte, nahm Kea allen Mut zusammen und biss zu. Blut netzte ihre Lippen und stieg als rote Wolke im Wasser auf, sie hörte die Yassalar kehlig knurren und trat fester nach hinten aus. Sie streifte das Bein der Yassalar und zappelte so heftig, das die Frau mit dem verletzten Finger sie loslassen musste. Kea schoss zwischen einigen Pflanzen vorwärts. Für einen Moment musste die Yassalar das grünlich schillernde Kind aus den Augen verloren haben und während Kea im Seetang auf dem Boden kauerte, sammelte sie Steine. Steine, die so groß waren wie ihre geballte Kinderfaust.


    Der Yassalar war zäh und erholte sich einigermassen schnell wieder von Mishas Attacke. Er steuerte die kleinere Nixe gerade wieder an, als etwas wie ein Minitorpedo hinter ihm aus dem Seetang schoss. Bevor der Mann ganz herumgewirbelt war, hatte Kea den ersten ihrer Steine mit aller Wucht geworfen. Er traf den Yassalar schmerzhaft im Gesicht und ein zweiter Stein folgte sogleich. Keas Wut, der Zorn auf den Tod ihrer Mutter, ihre Einsamkeit, alles stand dem Kind ins Gesicht geschrieben, als ein dritter und ein vierter Stein mit aller Wucht folgten und auch vom Gesicht des Yassalar feine rote Wolken aufstiegen. Indes hatte die Frau sich wieder gefangen und schoss von unten heran, um Kea in ihrem wütenden Steinewerfen aufzuhalten. Der Mörder von Keas Mutter indes schoss ebenfalls wieder auf das Kind zu und noch ehe Kea ihm vollkommen ausweichen konnte, packte er ihre Arme mit hartem Griff, so das sie alle ihre Steine fallen ließ und tackerte das Kind förmlich auf dem Boden fest. Die Yassalarfrau zog einen dunklen, verzierten Dolch. Keas Augen weiteten sich erneut.
    Das Zappeln verstummte. Kein Schrei kam mehr von ihren Lippen, nurmehr ein hilfloser, angstvoller Blick an dem Yassalar vorbei zu Misha.


    Jetzt bringt er mich zu Mama. Wie Papa doch weinen wird...

  • Ihr Herz pochte so hart, dass man es von außen schlagen sehen konnte. Sicherlich würde das Wasser diesen Schall weiterreichen, weiter und weiter, den Yassalar entgegen, die sich dort über Kea beugten.
    Ein Dolch! Misha tat so ziemlich jeder Teil ihres Körpers weh, Tränen der Wut, des Schmerzen und der Verzweiflung teilten sich ihre Augen und unfähig sich zu bewegen sah sie Kea entgegen.
    Ihr Blick! Dieser Blick schmerzte sie mehr wie alles was ihr die Yassalar angetan hatten.


    Die Präsenz der beiden Meeresgeißeln lies sie plötzlich kalt. Fast wie vor einigen Augenblicken noch, als sie fest entschlossen dem Yassalar ihre Kraft zu demonstrieren auf diesen zugeschossen kam war ihr Herz erfüllt von Zorn.
    Du hast nichts mehr zu verlieren. Wenn sie Kea getötet haben, werden sie auch dich töten.


    Diese Gewissheit schaffte Mishas Gedanken Raum. Den Raum den sie brauchten um zu beschließen, dass nun die Zeit gekommen war ihrem Ärger Luft zu machen. Sie holte tief Luft - was ihr ihre Rippen mit Schmerzen dankten - und rief aus Leibeskräften.


    "Was seid ihr für ein feiges Volk?" Mishas Gedanken überschlugen sich fast "Ihr seid so feig, dass ihr noch schwächer seid als die Meeresschnecken, die zu Euren Füßen im Dreck kriechen!"


    So kannte sich MIsha selbst nicht, aber es tat unglaublich gut! Sie lachte.


    "Seid Ihr es nicht, die predigen, das das Schwache verabscheuungswürdig ist? Dann seht Euch an, wie ihr Kinder schändet! Ihr seid die Schwachen, die Dummen!"


    Misha wusste, dass sie soeben ihr Todesurteil gesprochen hatte, aber vielleicht würden die beiden wenigstens sie zuerst töten und Kea einen Moment zur Flucht gewähren. Auch wenn es unwahrscheinlich war, dass sie ihnen entkam.
    "Geht zurück nach Zesshin Doraz, wo unter Euresgleichen noch schwächer werden könnt!"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Die Yassalarfrau blickte zu Misha, als diese schrie. Eine Nixe, die glaubte sie sei besser. Doch die Yassalar war auch zornig und zischte ihrem Kameraden irgend etwas zu und reichte ihm den Dolch, ehe sie sich abstieß, um auf die Nixe zu zu schießen. Der Yassalar, der Kea bis dahin gehalten hatte, musste sie nun mit einem Arm loslassen, um den Dolch zu halten. Kea sah, das Misha ihr eine Chance geben wollte. Und sie wollte diese nutzen. Ihre Angst spielte keine Rolle mehr, entweder sie und Misha würden das schaffen oder sie würden es nicht überleben.


    Was immer passiert, Papi, ich habe dich lieb, so wie Berengaria und Emiriel. Ihre Gedanken, beinahe wie ein liebevoller Abschied. Der Yassalar hob den Dolch und in dem Moment zog Kea das Bein an und trat zu. Keuchend ließ der Yassalar den Dolch fallen, der Kea nur um Milimeter verfehlte. Doch das Kind handelte, während die Yassalarfrau auf Misha zuschoss und diese wohl zu rammen versuchte in ihrem blinden Zorn.


    Kea ergriff den Dolch. Dieser Mann hatte ihre Mutter umgebracht. Er hatte ihr Leben zerstört und ihr eine Wunde gerissen, die vielleicht nie verheilen würde. Keas Augen loderten auf und das Kind schien sich selbst zu vergessen, schien die blutenden Wunden durch die Yassalarkrallen zu vergessen. Ihr Blick fixierte sich auf den verhassten Mann, den Mörder, den Schänder. Es spielte keine Rolle mehr, ob sie lebte oder starb. Kea umklammerte den Dolchgriff und riss die Waffe aus dem Sand.
    Und als der Yassalar sie packen wollte, riss das Kind die Waffe hoch. Der Yassalar, in seiner Bewegung gefangen und unfähig, sich jetzt noch zu stoppen, so nah an Kea, trieb sich die Waffe selbst in die Brust.
    Kea hielt sich mit aller Macht an der Waffe fest, als der schwere Leib des Yassalar in einer Wolke aus Blut auf sie nieder sank und sie spürte, wie seine Hände sich um ihren Hals schlossen und die Krallen ihre Haut ritzten.


    Er drückte zu. Raubte ihr den Sauerstoff. Kea jappste nach Luft. Sein schwerer Leib, der Sauerstoffmangel. Das Kind war am Ende seiner Kräfte, die Schmerzen, die Verzweiflung.. sie war doch nur ein Kind und nicht stark genug.
    Doch sie hielt immer noch den Dolch umklammert und warm rann das Blut des Yassalar ins Wasser. Langsam und ungläubig hob Kea den Blick, als der Druck um ihren Hals schwächer und schwächer wurde. Luftblasen stiegen silbrig aus dem Mund des Yassalar auf. Seine Augen verloren ihren Glanz und brachen. Er sackte vollends auf das Kind herunter. Und Kea lag, starr wie ein Stück Holz, die Hände um den Dolchgriff geklammert, das ihre Fingerknochen weiß hervortraten. Ihr sickerte erst langsam, unendlich langsam in den Kopf, was sie gerade getan hatte.
    Jetzt muss Emiriel mich einsperren.


    Doch damit war die Gefahr noch nicht gebannt. Die Yassalarfrau hatte mitbekommen, wie ihr Gefährte sein Leben aushauchte und war nun umso entschlossener, die Nixe um das Ihre zu bringen. Mit erhobenen Händen und gebleckten Zähnen schoss das schwarze Muskelpaket auf Misha zu.

  • Sie gingen tatsächlich auf sie ein ...? Ließen sich von ihren unbedachten Worten reizen?
    Triumph durchfloss die Adern der jungen Nixe plötzlich, scheinbar waren die Yassalar doch nicht so unerschütterlich, wie es immer hieß. Doch dann verschwand der triumphierende Glanz in ihren Augen und machte blanker Angst Platz.
    Du hast erreicht was du wolltest ... traurig lächelnd streifte ihr Blick Kea, die es tatsächlich fertig gebracht hatte einen der Yassalar außer Gefecht zu setzen - etwa zu TÖTEN?


    Nun zahle den Preis, Mireala'sha Malaken'adar.

    Die Yassalarfrau schoss zornentbrannt auf sie zu, sie trug das kalte Wasser wie eine klebrige Masse heran, in der sich Misha geschlagen geben musste wie damals, als sie im Tang gefesselt lag.
    Mit voller, ungebremster Wucht trafen die beiden ungleichen Körper aufeinander, die über und über schwarz geschuppte Yassalar ließ sich nicht von Mishas fehlender Gegenwehr verwirren. Ihre Hände tasteten nach einer Waffe.
    Die Gedanken der Nixe standen still. Zur Salzsäule erstarrt.
    Es gab keinen Fluchtinstinkt mehr.


    Die Yassalar beschränkte sich auf die Kraft ihrer Hände, als sie auf Anhieb keine Waffe fand, folgte dem Beispiel ihres gefährten, der leblos im Wasser trieb ... kea unter sich begraben.
    Die junge Nixe würgte, Sand in ihrer Kehle, die kalten, harten Finger der Yassalar um ihren Hals geschlossen ... sich zuziehend wie ein Schraubstock, unbezwingbar wie die Brandung selbst.
    Es wurde zunehmend dunkler um sie herum, während ihre Fluke sich immer zaghafter bewegte.


    Ein letzter Versuch noch. Komm schon! Quittiere den Preis mit Schmerzen!
    Misha schloss die Augen, widerstand dem Gefühl nach Luft zu schnappen und ließ sich stattdessen hilflos sinken. Jede Spannung war aus ihr gewichen, wie ein abgerissener Strang Seetang ließ sie sich in die tödlichen Arme der Yassalar sinken.
    Nur ein einziger letzter Versuch ...


    Nur um plötzlich alle Muskeln wieder anzuspannen, mit aller letzter Kraft ihren Schwanz zur Seite zu schwingen und mit voller Wucht die Yassalar damit zu treffen.
    Widerwärtig war das Geräusch mit dem ihr Fischkörper auf den schwarzen Leib traf, Schuppen rieben an Schuppen, man konnte fast kalte Funken fliegen sehen, es klang wie das Geräusch wenn Steine aufeinanderrieben.
    Der Schlag ging Misha durch Mark und Bein, durch ihren ganzen Körper brandete der Rückstoß.
    Doch nun verließ alle Kraft Mishas Leib, Schmerzen durchzuckten ihren Körper wie die Stromschläge, die manche Aale zu verteilten pflegten, wenn man sie reizte. Ihre Lider wurden schwer, müde Augen sahen zu der getroffenen Yassalar hinauf.
    Feine rosa Wölkchen stiegen um Mishas Kopf auf, aus Kratzern die Yassalarnägel in ihrer Haut hinterlassen hatten.


    Was war mit ihr? Würde sie nun zurückschlagen?

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Kea fröstelte bei Mishas Blick. Wie festgeklebt hingen ihre Hände an dem Dolch, lag sie unter dem toten Yassalar. Arbeitete sich unter ihm vor, während sie mit ansehen musste, wie die Yassalar ihr Retterin würgte, wie die Kraft in Misha nachzulassen schien. Und Kea durchzuckte ein tiefer Schmerz. Ihre Mutter.. wie musste sie gelitten haben. Wie sehr litt Misha nun? Keas Rippen stachen, sobald sie Sauerstoff durch ihren geschundenen Kinderleib sog, doch sie konnte nicht mit ansehen, wie noch jemand, den sie mochte, durch einen Yassalar starb.


    Und die Schwarzhaut, welche keuchend zur Seite getrieben worden war mit dem Schwanzschlag der Nixe, schoss bereits wieder auf Misha zu, um ihr den Garaus zu machen. Kämpf.. kämpf! Du hast mich gerettet, gib nicht auf... bitte gib nicht auf!


    Alles stumme Flehen in Gedanken würde nicht helfen. Kea erkannte es voller Schmerz. Und dann wurde der Blick des Kindes hart. Hart wie ein Kinderblick nicht sein sollte. Ihre Hand, ihr Körper, ihr Haar, die feinen Schuppen, alles war mit Blut beschmiert. Kea sah auf den Dolch in ihrer Hand hinab. Sie wusste, das es nur eine Rettung für Misha gab. Die Rettung lag in ihrer Hand. Ein Dolch der Yassalar.. zum Töten gemacht.
    "HE! HE DU DICKE FETTE HÄSSLICHE SCHWARZHAUT! DU BIST JA ZU DUMM ZUM KÄMPFEN! NICHT EINMAL MIT EINEM KIND WERDET IHR FERTIG!"
    Kea schrie aus Leibeskräften. Die Yassalar ließ sich diesmal jedoch nicht davon beeindrucken und entließ Misha nicht aus ihrem Klammergriff. Kea konnte förmlich spüren, wie das Leben der Nixe mit jedem weiteren Druck ein Stückchen mehr wich.
    Nichts hielt die Kleine nun mehr. Mochte sein, das sie bestraft wurde und eingesperrt. Es war ihr nun gleich. So vieles hatte ihre Kinderseele aushalten müssen. Eine tote Mutter, die Suche nach ihrem Vater. Sie hatte den einen Yassalar getötet. Was machte ein Zweiter da aus?
    Mit aller Kraft, welche Kea noch zur Verfügung stand, schoss sie durch das Wasser, trieb eine kalte Welle vor sich her, welche die Yassalar traf. Doch wieder kümmerte jene sich nicht darum, erwartete sie von einem geschwächten Kind doch keine Gefahr. Keas grüne Augen blitzten - wie Misha wohl sehen konnte - wutentbrannt und gnadenlos. Es war ein hässliches, widerliches Geräusch, als Kea mitsamt dem Dolch auf das Genick der Yassalar traf.. abrutschte, Knochen berührend mit dem tief eindringenden Dolch, Haut zerteilend. Die Fingerknochen des Mädchens traten schneeweiss hervor, obwohl Blut an Keas Händen klebte. Sie riss den Dolch aus der Haut, schlug wieder zu und wieder und wieder. All die Wut, welche sie beim Mörder ihrer Mutter nicht herausgelassen hatte, bekam nun die Yassalarfrau zu spüren und immer neue Blutstriemen zogen durchs Wasser. Noch ein Stich und noch einer. Die Tränen, welche von Keas Wangen liefen, sah man nicht im Wasser, doch das Beben ihrer Lippen sprach von allem, was in ihr vorging. Kea wusste nicht, wie oft sie zugestochen hatte, ehe der Griff der schwarzen Hände endlich von Misha löste. Yassalar und Nixe gingen zu Boden. Kea ließ den Dolch knapp unterhalb des Schulterblattes der Yassalar stecken, als jene zu Boden sank. Ob sie tot war? Kea wusste es nicht. Durch den Schleier aus Blut war ihr Blick auf die Nixe gerichtet, welche wohl noch lebte, doch erschöpft und zerschunden wirkte. Kea wirkte nicht minder zerschunden und in ihren Augen lag ein Ausdruck, welcher ganz und gar nicht einem Kind gebührte, eine Mischung aus Zorn, Angst und Trauer, ein Ausdruck wie der eines Erwachsenen.


    "Misha..." Es war ein rauhes Flüstern, mit dem die kleine Halbmeereselfe sich neben die Nixe in den Sand sinken ließ, ehe es dunkel wurde um ihren Geist. Die Erschöpfung und die erlittenen Verletzungen waren wohl schlicht zu viel gewesen und so mochte die Ohnmacht das Beste sein - oder auch nicht, wenn man bedachte, dass das Blut der beiden Verletzten und der beiden Yassalar alsbald die Haie anlocken würde...

  • Misha fühlte ihren Schädel pochen. Wie in einem seltsamen Tanz schwebte sie zu Boden, sich einmal horizontal um die eigene Achse drehend, sanft aufsetzend. War es vorüber?


    Wie im Traum sah ihre Welt aus. Funkelnde Silberperlen, die durch das Wasser tanzten, in allen Farben der Welt schillernde Lichtpunkte, die über ihrem Kopf umherschwirrten ... Misha lächelte selig. Es war recht dunkel um sie herum.
    Dumpfe Klänge erreichten ihr Ohr, Meeresklänge... Rauschen, Pochen ein leises Klicken von einem Delfin der irgendwo weit von hier vorbeizog.


    Sie schmeckte Blut. Ihr eigenes? Yassalarblut? Keas Blut???


    Misha würgte, spie das roséefarbene Wasser aus, dass ihren Mund erfüllte. Sie streckte ihren gepeinigten Körper, öffnete die Augen weiter und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Was war geschehen?
    Dann sah sie Keas regungslosen Körper daliegen.


    "Kea!", wollte sie rufen, doch ihrer Kehle entkam nur ein Krächzen. Sie beugte sich über die kleine Elfe, berührte sie sacht an der Schulter. Keine Reaktion. Verfluchter Kopf, hör auf zu schmerzen! Sie schwamm einmal um sie herum, unsicher was mit ihr geschehen war.
    Lebte sie?
    Misha schob ihren rechten Arm vorsichtig unter Keas Hals, um ihre Schultern, den anderen legte sie unter ihre Kniekehlen der Beine, die sie auf Land vielleicht gut tragen würden, doch hier im Meer, nun da sie sich nicht mehr rührte, nutzlos waren.
    Tränen sickerten aus ihren Augen ins offene Meer hinaus.


    Sie bewegte ihre Schawnzflosse in unregelmäßigen Stößen, schwach, zaghaft, unter Schmerzen und presste den kleinen Körper fest an sich - Sei nicht so wehleidig Misha, Schmerzen bedeuten dass du lebst! - der glänzenden spiegelnden Oberfläche entgegen, die so weit entfernt war, dass sie selbst unter normalen Voraussetzungen länger gebraucht hätte um sie zu erreichen.
    Erst sah sie stumm auf Kea hinab, presste ihre Ohren auf ihren Brustkorb um zu lauschen ob das Herz darin noch schlug. Tatsächlich, da war ein leises Pochen, ganz leise, fast nicht zu hören. Misha strahlte. Dann bestand noch Hoffnung!


    Sie hoffte, dass es richtig war, sie zur Oberfläche zur bringen. Vielleicht würde die Luft sie wieder erwecken? Sie begann damit auf Kea einzureden.


    "Kea?", fragte sie nochmals, als sie nur noch ein paar wenige Schwanzschläge von der Welt der Trockenen entfernt war. "Kea, hörst du mich? Tu mir den Gefallen und komm zurück ... du bist noch zu jung um zu gehen ... hörst du mich?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • "Kea, hörst du mich? Tu mir den Gefallen und komm zurück ... du bist noch zu jung um zu gehen ... hörst du mich?"
    Wie von weit her, durch einen dichten Watteschleier, hörte Kea eine Stimme. Sie kannte die Stimme. Und die Stimme kannte ihren Namen. Doch Kea fühlte sich zu geschwächt, zu zerschunden, um zu antworten.


    Ein leises, kaum hörbares Wimmern drang von ihren Lippen, als Ausdruck dessen, das sie Misha verstanden hatte. Schwach drückte eine kleine Hand Mishas Arm. Keas Augenlider flackerten einige Momente lang, ehe das Mädchen ihre Augen aufschlug und als sie die Augen offen hatte, sah sie Misha verschwommen und schemenhaft. Es dauerte mehrere Herzschläge, bevor ihre Sicht etwas klarer wurde. "Hab ich sie tot gemacht...?" Kea versuchte nach unten zu sehen, wo das Wasser roséfarben war, wo bereits jetzt zwei bis drei Haie kreisten, vom Blut angelockt. Die Gefahr war nicht vorüber, auch Kea und Misha waren verletzt und selbst jetzt, wo die Yassalar keine Gefahr mehr darstellten, waren beide noch nicht in Sicherheit. "Haie.." Keas Stimme war eher ein leises Krächzen, schwach wies ihre Hand nach unten, zu dem Ort, den Misha erst verlassen hatte. Kea war sich nicht bewusst, das Misha sich und Kea gerade an die Oberfläche brachte. Ihr Kopf schmerzte, die Rippen schmerzten, wenn sie Luft holte. Wo war ihr Papa?
    Kea blickte Misha an und schloss dann ihre Augen wieder. Dem Mädchen wurde bewusst, was geschehen wäre, wenn die Nixe nicht da gewesen wäre. Ein Band der Freundschaft zwischen Mischwesenkind und Nixe war entstanden, bedingt durch jene gefährliche Situation. Kea wusste, wenn Misha nicht gewesen wäre, hätte sie selbst niemals die Kraft aufgebracht, auch zu kämpfen.


    In diesem Moment durchstieß Misha die Wasseroberfläche und für einen Moment bäumte Keas gequälter Leib sich auf, als er von der Atmung durch die Kiemen auf die Luftatmung umstellte. Keas schmale Arme schlangen sich schutzsuchend um den Hals der Nixe. Dann schlug sie ihre Augen wieder auf und sah sich um, wohl zur Orientierung, wo genau sie nun waren.

  • Hab ich sie tot gemacht?
    Misha schluckte und sah nach unten. Die beiden schwarzen Körper trieben leblos im Wasser. Wenn sie die Haie nicht fraßen, so würden sie in ein paar Tagen an die Oberfläche steigen, an der Luft treiben... austrocknen?
    Diese makaberen Gedanken ließen Misha zusammenzucken, musste das Geschehene ihre Seele denn verderben? Musste sie die Bilder etwa auf ewig tragen?


    Bin ich ein Mörder?

    Der Gedanke schmerzte Misha. Sie kleine Meereselfe sollte keine Mörderin sein, nein, dafür war sie zu unschuldig, zu jung. Misha überlegte ernsthaft, ob sie die Kleine nicht anlügen sollte. Würde eine Lüge ihr Leben leichter machen?
    Keas Leben mit Sicherheit, Mishas Leben nicht.
    Die junge Nixe war zu ehrlich, als dass sie hätte verbergen können was in ihren Augen geschrieben stand.


    Ja, du hast sie in den Tod geschickt.


    "Sieh nicht hin, Kea!"
    Einen Moment zuckte die frische Erinnerung auf, Keas Augen, so hart, so erwachsen, so brutal! Ein durch das Wasser zischendes Messer, Blut. Als Keas Stimme erneut ertönte, ihre Lippen Worte formten, wandte sich Misha von ihren Gedanken ab und sah die Meereselfe an.
    Haie?


    Sie hatte nicht an die Räuber gedacht, gefährlich, lauernd. Doch vorerst beschäftigt mit zwei gefundenen Fressen. Oder reizten sie die sich bewegenden Leiber der beiden jungen Meeresgeschöpfe mehr?
    Schmeckten Yassalar ihnen vielleicht nicht?
    Waren ihre von Bosheit gestählten, in Hass getränkten Schuppen nicht unverdaulich, selbst für den größten, hungrigsten Schattenhai?


    Sie durchstieß die Oberfläche, spürte Keas Arme fest um ihren Hals, als sie an der Luft zu atmen begann. Auch Misha japste für einen Moment, dann jedoch sog sie ihre Lunge voll mit salzgeschwängerter Luft. Ihre buschigen Grünen Haare klebten platt auf ihrem Kopf, ihrem Gesicht.
    Wie viel von diesem kostbaren Unsichtbaren hier einfach so zur Verfügung stand. Es war anders, als wenn man mit Kiemen atmete, sie waren träger, im Vergleich zu den Lungenflügeln ... doch trocknete das Luftatmen die Kehle nach und nach aus.
    Es war effektiv, aber unangenehm.
    Nun, da sich ihre Lungen wie eine Schwimmblase mit Sauerstoff füllten trieb sie ganz automatisch an der Oberfläche, konnte ihre Muskulatur entspannen.


    Voll Sorge musterte sie Kea, die sich noch immer an sie klammerte. Sie befand die Frage nach Keas Wohlbefinden als zu banal um sie zu stellen. Sie musste ja nur in ihr Gesicht sehen um zu erkennen, dass sie genauso geschwächt war, wie sie selbst.
    "Du bist zurückgekehrt.", stellte die junge Nixe überflüssigerweise fest und lächelte zögerlich. Wie hohl und abgehackt ihre Stimme an der Luft klang... Sie sah sich aufmerksam um. "Wir sind nicht weit von der Kuppel, Kea."

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Keas Augen füllten sich neuerlich mit Tränen und langsam wandte das Mädchen den Kopf in die Richtung, wo Nir'alenar liegen musste. "Wir müssen aus dem Wasser raus, bis die Haie fort sind." wisperte sie leise, doch ihre Stimme klang gebrochen und den Tränen nah. Langsam löste sie ihre Arme von Misha, wollte der Nixe keine weitere Last sein. Zu Schlimmes hatten beide nun erlebt und Kea wusste, wie es war, wenn man Schlimmes erlebte..


    Mit diesen Gedanken kam ihre Erinnerung wieder. Die Erinnerung an diesen Zorn, der durch ihre Adern gebrodelt war, der sie hatte immer wieder zustechen lassen. Langsam wandte ihr Blick sich auf ihre Hände, die trotz des Wassers noch immer nicht frei von Blut waren. Als sie jenes sah, zuckte das Kind merklich zusammen. Sie hatte getötet.


    "Ich muss zu Emiriel. Man darf das nicht ungestraft, jemanden töten." flüsterte sie ernst. Wieder einmal viel zu ernst für ein Kind. Stille Tränen netzten Keas Wangen, verfingen sich teilweise in den feinen, grün schillernden Schuppen. Kea ließ den Kopf hängen und ihr feuchtes Haar klebte sich seitlich an ihrem Gesicht fest. "Papa wird mich bestimmt nicht mehr sehn wollen..."

  • "Nein, das stimmt nicht. Nein, ganz sicher wird dich dien Papa noch sehen wollen!", sagte Misha voll inbrünstiger Überzeugung. "Von soetwas lässt sich doch keine Liebe zerstören, oder?"


    Misha griff entschlossen nach Keas Händen und, soweit es ihre Schwimmhäute zuließen, rubbelte sie das Blut von Keas Händen. Das arme Kind... Misha realisierte nicht, dass auch sie Narben davontrug, dass sie selbst doch noch ein halbes Kind war. Es kam ihr so unwirklich vor, so fern, als hätte sie es auf den Wänden Mira'Manyrs gelesen und nicht selbst erlebt.


    "Du hast dich nur verteidigt.", sagte sie und hielt inne, Keas Hände fest umschlossen. Dann löste sie eine Hand, tauchte sie in die Luft und wischte sanft Keas Tränen fort, strich ihr vorsichtig die Haare aus dem Gesicht. Zorn wallte in Mishas Kopf auf. Yassalar. "Wir haben uns nur verteidigt. Sie haben dich angegriffen. Sie wären nicht fortgeschwommen. Sie hätten uns nicht schwimmen lassen."


    Misha sah vorsichtig nach unten wo die Haie um die beiden Leichen kreisten, sie hin und wieder forschend mit der Schnauze berührten. Ob sie noch leben? Quatsch.
    "Du hast recht, wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden.", sagte sie und sah Kea noch einmal aufmunternd an. "Geht es?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Moro machte sich sorgen. Kea war nun schon ziemlich lange verschwunden und auch wenn sie manchmal länger weg blieb als abgesprochen, dann doch nicht so viel später. Schon eine ganze Weile schwamm er auf der Suche nach ihr.
    Er war kein Hai und doch....roch er das Blut. Also war es mehr als nur ein bisschen. Jetzt sah er es auch, es trieb in der Strömung.
    Sein Brustkorb zog sie zusammen und er schwamm langsamer. Seine Hand glitt Richtung Dolch, den er immer bei hatte, wenn er nicht in einer der Meeresstädte war.
    Zuerst entdeckte er die Yassalar. Wie versteinert blieb er auf der Stelle mit so wenig Bewegungen wie möglich. Erst als er sicher war, dass sie tot waren, schwamm er etwas näher. Seine Sorgen um Kea nahmen zu und er spürte einen Stich im Herzen. Er begann sich mit hektischen Bewegungen umzusehen. Es war nicht sicher, dass keine Yassalar mehr da waren, doch er musste es tun. "Keaaaa?! Kea?"
    Vielleicht war sie aber auch irgendwo anders in Sicherheit. ER hoffte.

  • Kea hörte Misha zu, doch die Tränen flossen noch einige Minuten, ehe das Kind sich etwas beruhigte. "Ich weiß, wo wir sind." meinte sie mit belegter Stimme und deutete auf das Wasser um sich. "Es gibt nicht weit von hier eine Ausgang aus Nir'alenar, der uns in den Mondenteich bringt. Da hab ich früher Mallalai getroffen." erzählte sie mit belegter Stimme. "Wenn wir jetzt ostwärts schwimmen und untertauchen, brauchen wir nicht lang und kommen von den Haien fort."


    Misha musste mindestens so zerschunden und verschmiert mit Blut aussehen, wie Kea selbst, zwischen deren Fingern ja auch Schwimmflossen zu sehen waren. Vorsichtig löste sie sich vollends von Misha. Sie wirkte wieder einmal viel zu alt für ein Kind ihres Alters und sah auch die Notwendigkeit, schnell von den Haien fortzukommen, ehe sie auf die frischen Wunden der beiden überlebenden Meereswesen aufmerksam wurden. Jede Bewegung schmerzte Kea, doch nahm sie nun Mishas Hand und zog die Nixe mit sich unter Wasser, wo ihr Körper sich sogleich wieder auf die Kiemenatmung umstellte. Ostwärts schwamm sie, um einige Felsen herum, zwischen Korallenbänken hindurch, aus denen bunte Fische schossen und Meereselfchen und Nixe umkreisten, als wollten sie die Beiden begleiten.


    Wie trügerisch die Schönheit hier draußen ist. Stetig überschattet von Gefahr. Ein Schauer rann über Keas Rücken und das Mädchen schwamm schneller, die Schmerzen missachtend, wohl wissend das Misha gut mit ihr würde mithalten können, war die Nixe mit ihrer Fluke doch weitaus schneller, wenn es darauf ankam, als Kea mit ihren Beinen, auch wenn das Kind sich gewandt im Wasser bewegte.
    Alsbald kamen sie zu einigen Felsen. "Da müssen wir rein." Kea schwamm zügig auf die Felsen zu und deutete auf eine Öffnung, während sie Mishas Hand nun losließ. "Wir können nur nacheinander reinschwimmen. Komm mir nach."


    Und damit verschwand das weiß-grüne Mischelfchen auch schon zwischen den Felsen und tauchte hinab in einen düsteren Gang, der doch seine ganz eigene Unterwasserschönheit hatte. Es würde eine Weile dauern, ehe sie ihn ganz durchquert hatten, doch dann würden sie in eine größere "Kaverne" hineinschwimmen und hinauf, wo ihnen das Licht Nir'alenars entgegen glitzerte. Der Mondenteich. Hier wären sie zunächst in Sicherheit.
    Als Kea knapp unter der Wasseroberfläche war, ließ sie sich auf einen schmalen Sims gleiten und setzte sich dort hin. Ihr Herz schlug rasend schnell und sie fühlte sich matt und ausgebrannt. Die Schmerzen wurden ihr wieder bewusst und sie lehnte sich an die Felswand hinter sich, die mit weichen Algen bewachsen war. Für einen Moment schloss Kea die Augen, nachdem sie sich versichert hatte, das auch Misha heil im Mondenteich angekommen war.


    Vielleicht mochten Moro die feinen Blutspuren im Wasser auffallen, feinste Schlieren, die bis zu den Felsen führten, zwischen denen sich der Unterwassergang zum Mondenteich befand.

  • Keine Antwort. Vielleicht war Kea ja gar nicht hier gewesen und wartete nun ungeduldig zu Hause auf ihn. Unruhig schwamm er auf und ab. Außerdem würde sie keine 2 Yassalar töten können. Keine so kleine Meereselfe schaffte das. Moro wandte sich um, um wieder zurück zu schwimmen. Dann überlegte er es sich doch anders. In welche Richtung?! Er sah Blutspuren die nicht von den Yassalar stammten und als er merkte in welche Richtung sie führten, wurden er erneut panisch. Mondenteich?! Da war Kea öfters gewesen. Schnell schwamm er hin. Den schmalen Gang entlang, voll Sorge und die eigenen Gedanken........die Möglichkeiten kaum ertragend. Zwischendurch rief er immer wieder nach seiner Tochter. Wollte wissen wie es ihr ging.........ob sie noch lebte.

  • Keas Blick ruckte herum, als sie die Rufe hörte. "Papa...?!?" Ein leises Raunen zunächst, dann sah Kea zu Misha und wieder in die Richtung, aus der sie gekommen war. "PAPA!! Ich bin hier!!" schrie sie dann lauter und schwamm einige Meter zurück in die Tiefe, wo das etwas kühlere Wasser vom Ausgang zum Meer kündete. Ihr Herz schlug rasend schnell. Ihr Papa war hier. Und sie und Misha sahen total zerschunden und blutverschmiert aus. Trotzdem freute sich das Mädchen, das Moro da war. Sie schob den Schock über ihre Tat immer noch beiseite.

  • Der Mondenteich... Misha war erst einmal in ihrem Leben hier gewesen, von Neugierde getrieben. Sie hatte ein wenig ziellos ein paar Runden gedreht, dann hatte sich ihre Neugierde so stark aufgebäumt, dass jede Gegenwehr sinnlos war und sie war aufgetaucht, die gewohnte Welt verlassend und eintauchend in die Welt der Trockenen.
    Wundersam waren die Dinge, die sie gesehen hatte. Seltsame Korallen, die unbewegt in die Luft wiesen, mit rauer, brauner Haut und grünem, dem Meer gleich rauschendem Blattwerk. Es flogen Geschöpfe durch die Luft, wie Fische, doch hatten sie keine Schuppen ... die Schwere die sie in der Luft besitzen mussten, war ihnen gleich.
    Und dann erinnerte sie sich nur noch an einen Trockenen, der sie erblickt hatte, ihren eigenen unbändigen Schrecken und ihre darauffolgende Flucht durch den Dessibar, den Durchgang.


    Das Wasser hier war wärmer, aufgewärmt von der künstlichen Sonne, die hier unter der Kuppel schien, Seerosen schwammen auf seinem ruhigen Wasser und Misha hörte das Quaken von Fröschen, es klang wie ein Schlaflied.


    Sie war erschöpft, so müde ... beinahe hätte sie der Versuchung nachgegeben sich einfach zum Grunde des Sees, in das weiche, wabernde Bett aus Algen und Wasserpflanzen sinken zu lassen und zu schlafen. Doch die Schmerzen hielten sie auf wundersame Weise wach. Und Keas Anwesenheit, ihr erschöpftes, zerschundenes Gesicht ... de Zerbrochenheit ihrer Seele.
    Ihr Blick schwamm an Kea vorbei in die Tiefen des Sees, zum Dessibar hinab, wo sich die Pflanzen des Meeres sanft neigten, einer unsichtbaren Strömung nachgebend. Ganz leise war eine Stimme zu hören, zerissen von den Wellen schwebten Laute an ihr Ohr, die ihr bekannt waren, die sie schon einmal gehört haben musste.
    Keas Vater? Rief er sie?
    Misha hielt die Luft an, ihre Kiemen schwiegen und sie lauschte in die Dunkelheit am Grund. War es womöglich nur ihre Einbildung, die ihr dies vorgaukelte, war es die Sehnsucht danach, gefunden zu werden, gerettet zu werden?


    Es war real, tatsächlich! Nun hielt Kea nichts mehr, sie schrie nach ihrem Vater, schwamm wie ein aufgeschrecktes Seepferdchen tiefer ihm entgegen. Misha rührte sich nicht.


    Erleichterung erfüllt Mishas Herz und die Müdigkeit stülpte sich triumphierend über die Welt. Schwere nahm von ihr Besitz, sie ließ sich ins tiefere Wasser gleiten, schwebte der Unterwasserwiese entgegen, die bereit war sie aufzunehmen.
    Lasst mich schlafen, ich bin müde.
    Dunkelheit umantelte sie, wie weiche, liebkosende Finger streichelten die Algen sie und sie verschmolz mit der Vegetation des Seegrundes.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Als Moro die Stimme seiner Tochter vernahm, machte sich Erleichterung in ihm breit. Endlich hatte er sie gefunden. So schnell wie möglich schwamm er ihr entgegen um zu sehen ob alles in Ordnung war. Doch das war es nicht. In seinem inneren bildete sich erneut ein Knoten und er hatte das Gefühl, dass alles Blut aus seinem Körper wich. "Bei Alaria, was ist geschehen?!" rief er voll Entsetzen aus und nahm Kea erst einmal stürmisch in die ARme, als er sie erreichte.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!