Selbst das Schweigen war nicht unangenehm gewesen, als seine Stimme dieses dann brach. Kaum hatte sie noch mit sich um Fassung gerungen, hob sich schon ein halber Mundwinkel, mit zwei flackernden Augen wurde der Elf flüchtig bedacht und ihre Antwort blieb ein Schnaufen. Ein Lächeln, selbst ein halbes, muss nichts bedeuten für ihn, bleibt stets geheim, was hinter der schwarzen Stirn vor sich geht. Ihr Magen schoss ihr den Rachen hinauf und die Sehnen ihrer Hände waren zum Zerreißen angespannt, aber ja, sie blieb gelassen.
Denn Zarasshin hatte kaum einen Halt mehr hinter dem Blick, der schon kurz zuvor in den See getaucht war, als sie der Fülle gewahr wurde. Der Raum wogte so endlos; einst floss er doch nicht auf einer Stelle – wo rann er jetzt? Sie fühlte dabei, wie die Erde unter ihr nachgab, fühlte sich auf einmal schon warm und weich von Schlamm umschlungen, rasch hinab gesaugt in eine warme, dunkle Tiefe ohne Luft; doch Zarasshin wusste, dass es ihr eigenes Dunkel war, darin sie absoff, wusste, dass sie sich selbst so eng umschlungen hielt, so eisern, dass es kein Entkommen gab.
Also noch einmal die Sinne sammeln, die es ja für sich nicht einmal mehr erringen konnten, das lautere Geräusch seines Gehens wahrzunehmen. Mögliches und Unmögliches rangen in ihrem Herzen miteinander, keines von beidem fähig, die Oberhand zu gewinnen; ihr eiserner Wille ließ gerade nichts anderes zu. Sortiert wurde, was wichtig war, was nichtig.
Am Ende wartete das liebliche Meer, das hier, unter der Kuppel in Gefangenschaft eines Sees, scheinbar auf seine Möglichkeit furchtbar zu sein, verzichtet hatte. Sanft war die Brise, die seinen Spiegel nur kräuselte, unerschöpflich wäre sein Farbenspiel unter freien Himmeln. Gerade von diesem mondenen See konnte man sich vorstellen, dass eine Göttin aus ihm aufgestiegen sei, die Herrschaft über alle Lebewesen zu ergreifen. Wer auch kein Herz für die Fülle, hatte mindestens ein Ohr übrig für die Melodie ihrer Stimme.
Beim Anblick dieses nächtlichen Gemäldes und der Stille empfand Zarasshin zum ersten Mal die wirkliche Art ihrer Natur: die aus ihr selbst kommende Verbundenheit zum Sternenmeer. Jetzt war die Welt wieder viel weicher an den Kanten und sehnsüchtig beneidete sie wohl schon jeden Wind, der seine Schwingen bereits den Küsten außerhalb zu wandte. Jetzt riss sie das wenige Licht an sich, befühlten ihre Augen den dunklen Himmel, der keiner war, verglich Zarasshin das Land mit den Schichten nah am Horizont und mit der Dunkelheit des Sees, der Leere dazwischen. Sie neigte düster den zerschlagenen Kopf, ungeachtet der sorgfältigen Ausführung, war es eine Parodie von dem, was die Yassalar im Grunde fühlte.
Somit sah Zarasshin seine Schritte, wie ein Stiefel neben ihren baren Fuß kam, so dicht an ihren Leib mündete Juvenos Gehen und sie kam zum unwilligen Stehen; da kam ihr dies Abschweifen der Gedanken zu Bewusstsein und sie entriss sich ihnen durch ein jähes Öffnen der Lider, die sich irgendwie halb geschlossen hatten. In einem wachsamen Zucken raste die Umgebung an ihnen vorüber, während die Schwarze sich an den dünnen Mantel ihrer schuppigen Haut presste, da sie die plötzliche Berührung nicht wahrnehmen wollte: es würde ihm nicht gut bekommen. Sie schüttelte ihre Gedanken zurecht, so dass sie seinem Blick auch stechend begegnen konnte.
Es war drohendes Schweigen und nach dem Schweigen kam der Laut. „Verzeiht?“, spottete sie leise fragend und zuletzt im Klang versickernd, da seine Stimmlage dies nicht mitgetragen hatte, dann nimm die Hand zu dir zurück. Ein Schleier schien von ihren hellen Augen zu fallen. Eine wohlwollende Warnung am Rande: erschien ihr sein Vorstoß, als habe er vergessen, auf wen er getroffen war. Nur Geduld.
Wie kann etwas fordernd und sanft zugleich sein? Gibst du auch?, da war er wieder der Spott; zwei ihrer Finger schnitten zwischen den Mündern, die Fäden Atem zerreißen, die da vielleicht gehangen hatten. Noch hatte man keine Gemeinsamkeiten gefunden als den Tod im Meer. Den leisesten Versuch einer Fortsetzung sollte man jetzt und hier im Keim ersticken. An einer Erfahrung wachsen und andere zur Seite schieben, sie zuwachsen lassen an einer neuen Erkenntnis, einer einzigen Form wahrhaft ansichtig werden, so ließ sie sich nicht beirren: nie hatte da ein Freund benannt werden können. Auch wenn sie nun wissen wollte, wie es sich anfühlte. Merkwürdigerweise musste sie wirklich nicht glauben, was sie wusste, mit diesen drohenden Schatten der Yassalar im Nacken konnte man nicht ewig urteilslos existieren – aber wo bliebe da die Hoffnung? Im Gegenteil, je schmerzlicher es werden würde, umso weniger erschütterte es sie. Verrate sie, Juveno, und sie fühlte alles, ja, sich bestätigt.
Es gab keine Sorgen, ob man gesehen werden könnte – das Bewusstsein des eigenen Stolzes enthob sie solcher Gefühle, denn sie war vom Boden des Gewöhnlichen erhoben. Nun würde es wirklich finster für solche, die des nachts nicht zu sehen fähig waren, verloren sie die Helligkeit der Lampen, das Blätterdach schloss sich und sie setzte mit traumwandlerischer Sicherheit die Füße von der Ferse zu den Zehen, genoss unerwartet das Gefühl des sprießenden Grases, das glatte Gefühl der Steine.
Zarasshin erstarrte, dort, wohin er sie geführt hatte, nahm sich behutsam aus seiner Führung und starrte in das Dunkel. War es eine Aufforderung? Gewiss, sie sah den See – mehr als das. Sie roch und fühlte die Fülle. Der geheime Genuss strahlte weiter, die Nerven nahmen ihn auf und gaben ihn weiter, er drang ins Hirn und das Herz verdoppelte seine Schläge. In den Fingerspitzen, den Handgelenken, den Schläfen schlug rhythmisch das erregte Blut.
Das Wasser machte hier sogar, eingeschlossen von einigen Felsen, einen Sprung, hart wie Eis erschien es ihr, so weich wie eine tanzende Fee. In seinem Fall umschwebte luftgleicher Staub das Wasser, webte einen funkelnden Schleier im gedimmten Licht. Ihre Augen im Wasser könnten auch an ihr vorbei in die Parodie eines Himmels sehen. Ein Echo, hin und her geworfen, ein Schall zwischen Himmel und Erde, ein Nachthimmel im Wasser ... das Wasser im Himmelszelt. Keine Form war beständig, kein Sein ewiglich, alles war im Fluss, beständig in Veränderungen begriffen; Juveno hatte es erst bewiesen.
Eine flache, geschwungene Linie Bäume konnte Zarasshin sehen, die Grenze wie Quecksilber schwimmend auf ihrer Welt … langsam spürte sie, wie der letzte Atem verbraucht wurde, so unbewegt sie sich auch hielt, der Zwang begann, ihre Kiemen wollten ausatmen und verlangten nach frischem Nass. Die geschwollenen Schmerzen im Gesicht verlangten nach Kühle. Noch bedeutete es zwar nicht ihren Tod an Land zu bleiben, noch fand sie Halt unter ihren Füßen ... „Juveno“, sagte sie seinen Namen, gleichmäßig und betont, „hier wird sich unser Weg vorerst trennen, denn wir nehmen an, ein Bad zu nehmen, liegt Euch fern. Diese Nacht also dann: im Guten.
Lasst nicht zu, dass die Götter mit Euch spielen.“ Wie versprochen waren ihre Krallen in Verborgenheit geblieben, ruhend mit ihrem Spott. Sie hielt ihm ihren Arm zum Ergreifen hin, wollte seinen Unterarm nehmen wie Kriegerart.