Beiträge von Asharai

    Auf dem Friedhof gab es nicht viel auszurichten. Asharai hatte ein Auge auf ihre Umgebung und jene, die sich in ihrer Nähe befanden. Wo angepackt werden musste half sie mit, versucht dabei, die Skelette nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Pistole ruhte derweil nutzlos in ihrer Hand, doch sie wagte es nicht, sie einzustecken. Der Himmel allein wusste, was diese Nacht noch für sie bereithalten würde.
    Schließlich war sie am Haus angekommen und schlüpfte nicht ohne Vorsicht durch die Tür, sah sich dann suchend um, um sich ein Bild von ihrer neuen Umgebung zu machen.

    Asharai spürte das übelkeitserregende Knirschen der Knochen unter ihrem Stiefel und unterdrückte ein Würgen. Geister waren im Vergleich eine saubere Angelegenheit und bislang war ihr eine Begegnung mit lebendigen Skeletten und ähnlichen Kreaturen erspart geblieben. Kurzum fühlt sie sich ähnlich hilflos wie viele der Anwesenden.


    Sie richtete sich auf und ließ die Augen kurz über den Friedhof gleiten, über den sich bereits die nächsten Knochenmänner näherten. Als die Worte ihrer Begleiterin an ihr Ohr drangen, schüttelte sie den Kopf.


    „Ich glaube, das müssen wir auf später verschieben. Ohne Waffen können wir es nicht mit diesen … Kreaturen aufnehmen. Vielleicht finden wir in dem Haus zumindest Schutz und irgendetwas, was wir gegen sie verwenden können. Mit Ästen und Stiefeln werden wir nicht weit kommen. Minaril weiß, wie viele von diesen Dingern noch aus dem Boden steigen werden.“


    Mit einer gewissen Wehmut dachte sie an ihre nutzlose Pistole, registrierte dann, dass der restliche Körper aus dem Boden aufsteigen wollte. Noch einmal verpasst sie dem Kopf einen frustrierten, kräftigen Tritt und setzte sich dann flugs in Bewegung, ohne darauf zu achten, ob sie irgendetwas damit ausgerichtet hatte.

    "Sagen wir, zumindest weiß ich, mit wem wir es hier zu tun haben. Und er sollte auf gar keinen Fall mehr auf Niel'Anor weilen, sondern seit 300 Jahren in den Traumlanden verschwunden sein. Ich will sehen, ob ich sein Grab finden kann. Vielleicht hilft uns das, hier herauszukommen. Denn seid Euch sicher - er wird uns nicht einfach gehen lassen."


    Asharai hielt nicht an, während sie mit der anderen Frau sprach. Zumindest schien sie geistesgegenwärtig und unerschrocken. Eigenschaften, die die Tua'Tanai schätzte. Die allgegenwärtige Hysterie und Panik würde jetzt niemandem weiterhelfen.
    Es dauerte nicht lange, bis neue Schreie erklangen, eindeutig nicht weit entfernt. Suchend glitten ihre Augen über den Friedhof, bis sie an dem Mann hängenblieben, der sich offenbar in Bedrängnis befand. Und scheinbar war der Grabstein nur ein kleiner Teil seines Problems.
    Asharai überlegte nicht lange. Es gab nur wenig, was man mit solchen Erscheinungen tun konnte. Sie eilte zu dem Gefallenen und ließ einen ihrer Stiefel mit einem gezieltem Tritt auf die Knochen krachen.

    „Nun gut …“


    Letztlich gewann die Geschäftsfrau in Asharai die Vorherrschaft und ließ sie zum wesentlichen kommen. Offenbar war die Frau davon überzeugt, dass das Verschwinden des Geistes keiner natürlichen Ursache zuzuschreiben war. Sie hatte zwar nicht die geringste Ahnung, wie man einen verschwundenen Geist aufspüren sollte, doch sie würde tun, was in ihrer Macht stand. Obgleich sie das Gefühl beschlich, dass diese Suche wenig Aussicht auf Erfolg besaß.


    „Wo habt Ihr Euren Geist denn zuletzt gesehen? Könnt Ihr Euch daran erinnern? Wenn ich Euch helfen soll, muss ich so viel über die Umstände erfahren, wie möglich.“

    "Es gibt keine Friedhöfe in Nir'alenar."


    Asharais Stimme wirkte merkwürdig gepresst. In der Stadt brachte man die Toten in die Katakomben. Ein Friedhof gehörte eindeutig nicht ins Bild der Stadt. Sie befanden sich ... irgendwo.
    Sie sah kurz zu der Frau, die an ihre Seite getreten war und richtete ihren Blick dann wieder in die Ferne. Noch immer dachte sie fieberhaft nach, suchte in ihrem Geist nach dem Namen, der ihr bekannt erschien.
    Es war eine schwache Erinnerung, die sich schließlich in ihrem Geist verfestigte. Tatsächlich. Sie kannte diesen Namen. Doch der Träger dieses Titels hatte vor 300 Jahren auf der Insel gelebt und seine schauderhaften Forschungen waren seinerzeit Anlass für eine blühende Legendenbildung gewesen, die die Zeit überdauert hatte. Nun ... anscheinend waren sie von Erfolg gekrönt, wenn auch auf eine Weise, die er sicherlich nicht erwartet hatte.


    "Er ist untot ..."


    Es war ein leises Murmeln.


    "Und dort draußen ist ein Friedhof. Vielleicht ..."


    Sie führte den Gedanken nicht zu Ende. Ein weiterer Blick zu der Frau, der eine Aufforderung oder ein Abschied sein mochte. Dann setzte sich Asharai in Bewegung und folgte der Menge durch die Tür. Doch es lag nicht in ihrer Absicht, einen Ausweg zu finden. Stattdessen peilte sie den Friedhof an. Wenn dieser Graf untot war und dies sein Anwesen, konnte es irgendwo da draußen ein Grab geben. Und vielleicht war es hilfreich, dieses Grab zu finden. Wenn sie sich nicht täuschte, würde er sie kaum einfach entkommen lassen.
    Das Heulen schien sie kaum zu beachten, doch ihre Hand zog die kleine Pistole aus dem Innenfutter ihres Gehrockes, die sie darin verborgen hatte. Wölfe mochten ihr kleinstes Problem sein.

    Die seltsame Trance fiel von Asharai ab. Benommen schüttelte sie den Kopf und sah sich dem rothaarigen Menschen gegenüber, mit dem sie offenbar getanzt hatte. Er musste dem Adel entstammen. Seine Miene und seine Art sich zu kleiden, verrieten es ihr. Allerdings kannte sie ihn nicht. Zumindest wollte ihr auf den ersten Blick nicht einfallen, welcher Familie er entstammen könnte. Seine Worte waren nicht bis in ihr Bewusstsein gedrungen. Eine zarte Röte stieg in ihre bleichen Wangen und die sonst nicht um Worte verlegene Tua’Tanai stammelte eine zögerliche Entschuldigung.


    „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Es ist normalerweise nicht meine Art …“


    Weiter kam sie nicht, als einige Männer Anstalten machten, den Ballsaal zu verlassen und eine Tür öffneten. Es schien ihr ein sinnloses Unterfangen. Jemand, der die Macht besaß, eine solche Masse an Wesen unter seinen Willen zu zwingen, würde wohl kaum zulassen, dass dieser Raum verlassen wurde.
    Zu ihrem Erstaunen gelang es ihnen jedoch. Sollte es denn so einfach sein? Ihr Gastgeber war plötzlich verschwunden und der Zauberbann fiel von den Versammelten ab. Würde er sie einfach gehen lassen? Nach dieser Darbietung? Niemals.
    Der folgende erstaunte Ausruf brachte sie dazu, vollends die Nachwirkungen des Zaubers zu verdrängen. Nicht mehr in Nir’alenar? Was sollte das bedeuten? Asharai setzte sich ohne zu zögern in Bewegung und suchte ein Fenster, von dem aus man einen Blick auf die Umgebung würde erhaschen können. Dabei arbeitete es fieberhaft in ihrem Geist. Sie musste sich einen Überblick über die Situation verschaffen.

    Mit wachsendem Entsetzen lauschte Asharai den Ausführungen ihres Gastgebers. Oder auch jener Kreatur, die diesen offenbar auf dem Gewissen hatte. Noch immer hielten einige seine Worte für einen gelungenen Scherz. Das war an der Miene vieler der Gäste mühelos abzulesen. Doch die übersinnlichen Empfindungen, die der Tua’Tanai bereits so manche denkwürdige Begegnung verschafft hatten, wurden es nicht müde, sich zu Wort zu melden. Sie war sich sicher, dass dieses Wesen keineswegs einem Scherz entsprungen war.


    Doch sie kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, geschweige denn, irgendetwas zu unternehmen. Die Musik setzte ein und Asharai bemerkte, wie sie gegen ihren Willen von den Klängen davongetragen wurde. Ihre Füße setzten sich in Bewegung und glitten in einige entfernt bekannte Tanzschritte, ohne dass sie etwas dazu tun musste.
    Sie war keineswegs eine großartige Tänzerin. Die Tua‘Tanai kannte einige Schritte der bekannteren Tänze, doch im Allgemeinen hielt sie sich von Tanzflächen fern. Allerdings schien ihr am heutigen Tage keine Wahl zu bleiben.


    Eisern versuchte sie, die Impulse zu unterdrücken, die ihr von ihrem Körper aufgezwungen wurden. Aber es wollte ihr nicht gelingen, ihrer sterblichen Hülle einen Befehl zu erteilen. Beinahe schlafwandlerisch fassten ihre Hände nach dem ersten Wesen, das sich in ihrer Nähe befand. Es war ein rothaariger Mann, der neben ihr zum Stehen gekommen sein musste. Es fiel Asharai schwer, einen klaren Gedanken zu fassen und sich gegen diese schreckliche Musik zur Wehr zu setzen, die ihren Willen untergrub. Stattdessen wirbelte sie den Rothaarigen in den Tanz, als ob es nichts gäbe, das sie lieber täte. Ihre Augen allerdings, blieben leer und abwesend.


    Irgendwo tief in ihr schrie eine kleine, schwache Stimme ihres Selbst auf und unternahm einen Versuch, sie wachzurütteln. Es blieb vergebens.

    Asharai hatte das Geschehen ungerührt beobachtet. Es schien eine grandiose Darbietung mit einigen Tricks, die sicherlich magischer Natur sein mussten. Der Graf verstand sein Handwerk, keine Frage. Neugierig verließ sie ihren Standpunkt an der Wand und trat einige Schritte näher auf die Empore zu, um sich seine nächsten Schritte genauer ansehen zu können.
    Dann fiel ihr Blick auf die riesige Gestalt, die mit dem Stab zu jonglieren begann und dabei großes Geschick demonstrierte. Sollte dies ihr Gastgeber sein? Sie kniff die Augen zusammen und musterte ihn genauer.


    Da nahm er die Maske ab und Asharai sog vor Überraschung scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. Ein Totenkopf … eine Illusion … nichts weiter. Es war närrisch, sich davor zu erschrecken. Eine Hand legte sich auf ihre Brust, um den schnell gewordenen Herzschlag zu beruhigen. Gleich würde der Harlekin sein wahres Gesicht offenbaren.


    Plötzlich begann es, in ihrem Nacken zu kribbeln. Unwillkürlich fuhr sie mit der Hand zu ihrem Hals empor, schaute auf, um die Kreatur noch einmal zu betrachten und ein eisiges Gefühl fuhr in ihren Magen. Nein. Dies war keine Illusion. Es war … echt! Panik kroch durch den Geist der Tua’Tanai, ein Gefühl, das sich ihrer nur selten bemächtigte. Sie versuchte, ein Zittern zu unterdrücken, doch ihr Erfolg ließ zu wünschen übrig. Ohne es zu bemerken, wich sie vor dem Geschöpf auf der Empore zurück und ihre Finger krochen in Richtung ihres Gehrockes, in dem sich die winzige Pistole verbarg. Es war eine unsinnige Geste. Dieses Wesen war untot. Sie würde es nicht damit verletzen können.

    Es bedurfte mehr als einer plötzlichen Dunkelheit, um Asharai aus der Ruhe zu bringen. Allerdings war der Zeitpunkt seltsam gewählt, hatte sich schließlich nicht gerade erst das Orchester bereit gemacht, um mit dem Spiel zu beginnen? Der einlullende Gesang hatte sich verflüchtigt und mit seinem Fehlen war auch ihre Wachsamkeit zurückgekehrt.


    Asharai bewegte sich nicht. Sie verharrte reglos an die Wand gelehnt, die sie sich zuvor auserkoren hatte und wartete. Noch war sie der Ansicht, dass es sich um eine neuerliche Extravaganz des Grafen handeln musste, die zwangsläufig seinem großen Auftritt vorausgehen würde. Allerdings wuchs ihre Neugier auf dieses Individuum beträchtlich. Ganz zu schweigen davon, dass sie es kaum erwarten konnte, zu erfahren, was der Graf sich noch hatte einfallen lassen. Und dann blieb noch die große Frage nach dem Grund für all das. Was mochte jemanden dazu treiben, ein solches Spektakel zu inszenieren?

    Es war interessant, wie wenige hochrangige Persönlichkeiten auf dem Ball des Grafen geladen waren. Asharai hatte einige niedere Adelige entdeckt, doch niemanden, der wirklich Macht und Einfluss besaß. Anscheinend bevorzugte es Hasuan Madiriel, auf seinen Gesellschaften die einzige Person von hohem Rang zu sein. Es mochte Eitelkeit dahinterstecken oder auch ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis. Nun ja, wer ein solches Ereignis veranstaltete, bei dem man bemüht war, alles möglichst geheimnisvoll zu gestalten, wurde selten von reiner Wohltätigkeit getrieben.


    Asharai lehnte an der Wand und unterdrückte ein Gähnen. Die Speisen und Getränke ließ sie für den Augenblick unbeachtet. Stattdessen wunderte sie sich über die Schläfrigkeit, die sie überkommen wollte, und zog die Brauen zusammen. Es mochte an dem Gezwitscher liegen, das eine recht beruhigende Komponente besaß. Sie musterte die Verursacher der stetigen Melodie und wunderte sich darüber, dass offenbar auf ein Orchester verzichtet wurde und Vogelgesang für die musikalische Untermalung sorgte.

    Mittlerweile hatten sich Falten auf Asharais Stirn gebildet, während sie das Geschehen musterte. Es mochte ihrem natürlich Misstrauen zu verdanken sein, doch all das schien ihr recht seltsam zu sein. Anscheinend hatte der Graf eine Schwäche für geheimnisvolles Gehabe – der seltsame Vorhang mit seinen Sonnen und Sternsymbolen sprach ebenso dafür wie der Mann mit der Harlekinmaske, der die Einladungen überprüfte. Sie war gespannt, wohin dies alles führen mochte.


    Doch wahrscheinlich würde sie es ohnehin bald erfahren. Spätestens, wenn der mysteriöse Graf das Parkett betrat und seine angekündigte Rede halten würde. Was auch immer er wohl seinen Gästen zu sagen hatte.


    Asharai bezog Stellung an einem Flecken fern des allgemeinen Tumultes, von dem aus sie das Treiben im Auge behalten konnte und verlegte sich für den Augenblick darauf, die bunt durchmischte Schar zu beobachten, die sich in dem Saal tummelte. Was mochte der Graf für ein Mann sein, wenn er auf eine solch seltsame Idee kam?


    Alkoholische Getränke lehnte sie für den Augenblick ab. Sie zog es vor, einen klaren Kopf zu behalten. Allerdings trank sie ohnehin selten - es war nicht dienlich, wenn der Verstand benebelt war, während ein Geist aus dem Jenseits anklopfte.

    Graf Hasuan Madiriel war eine Kuriosität. Und Asharai war überaus an Kuriositäten interessiert. Für einen Angehörigen des Adels verhielt er sich ausgesprochen merkwürdig, verkehrte nicht allein mit seinesgleichen, sondern lud wahllos Bürger der Stadt zu seinen Bällen ein.
    Bislang hatte sie noch nie zu den Auserwählten gehört. Nun, an und für sich war das kaum ein Wunder, ihr Bekanntheitsgrad war durchaus existent, doch sie gehörte nicht unbedingt zu den Leuten, die man zu gesellschaftlichen Vergnügungen einlud, wenn es sich vermeiden ließ.


    In diesem Jahr schienen die Dinge allerdings ein wenig anders zu liegen. Nachdenklich drehte Asharai die Einladung in ihren Händen, studierte die Worte noch einmal, obgleich sie doch nur allzu gut wusste, was darauf geschrieben stand. Ein Beobachter mochte die kleine Furche auf ihrer Stirn entdecken, während sie dort stand und versuchte, den Sinn hinter dem Tun des Grafen zu ergründen.


    Dann straffte sie ihre Gestalt und ließ die Karte in ihr Dekolleté gleiten, das an diesem Abend von einem Korsett ordentlich in Szene gesetzt war. Allerdings hatte Asharai sich keineswegs der gängigen Mode angepasst. Die Entfernung der Federn und kleinen Knochen, die sie normalerweise in ihrem Haar trug, war bereits ein gewisses Zugeständnis. Trotzdem steckten ihre Beine in engen Hosen und hohen Stiefeln. Ein langer Gehrock fiel darüber und mochte so manches Geheimnis verdecken. Kostbare Spitze zierte ihre Bluse und man konnte erkennen, dass dieses Gewand keineswegs aus billigem Stoff geschneidert war.
    Asharai wusste, wie man sich angemessen kleidete, wenn man in einer höheren Gesellschaftsschicht verkehrte. Doch sie trug nur dann einen Rock, wenn sie überhaupt keine andere Wahl besaß. Es war keine Abneigung, eher die Angewohnheit einer Frau, die in den Kreisen des Adels die schmutzige Arbeit verrichtete und sich dabei nicht darum scherte, was man von ihr denken mochte.


    Wenn man sie einlud, gab es normalerweise einen Grund dafür. Und dieser Art von Grund begegnete man nun einmal am Besten, wenn man eine Hose trug. Andere mochten sie für exzentrisch halten, Asharai hielt sich jedoch schlicht und ergreifend für praktisch.


    Eine Hand streifte das weiße Haar aus dem blassen Gesicht, ein tiefer Atemzug folgte, dann näherte sie sich mit entschlossenen Schritten dem Gebäude, das der Graf in seiner Einladung erwähnt hatte.


    „Gasse der Rätsel, wie überaus passend, lieber Graf …“


    Die Worte waren nur ein leises Flüstern, für niemandes Ohren bestimmt.

    "Ach? Sie ist verschwunden? Tatsächlich?"


    Ein erstaunter Laut. Normalerweise waren Geister an einen bestimmten Ort gebunden und bewegten sich in einem bestimmten Umkreis. Noch nicht einmal ihre Großmutter, die ein altes Geisterwesen war, vermochte es, die Villa Tallinday zu verlassen. Es war das erste Mal, dass Asharai von einem Geist hörte, der von seinem Platz entfernt und entführt werden konnte. Allerdings ... Asharais Stimme wurde sanft. Gemeinhin hatten solche Begebenheiten eine ganz bestimmte Ursache. Nur musste man an dieser Stelle sehr behutsam sein. Sie hatte keine Ahnung, wie empfindsam diese Halbnixe sein mochte.


    "Seid Ihr Euch sicher, dass ihr Verschwinden nicht natürlichen Ursprunges ist? Vielleicht war ihre Aufgabe erfüllt und sie ist in die Traumlande gegangen."


    Sie lächelte leicht. Wenn man bei Geistern von "Natürlich" sprechen konnte. Allerdings war dies für den Augenblick die einzige Möglichkeit, wie ein Geist gemeinhin verschwand.

    - Charakterdaten -


    Name: Asharai Tallinday
    Volk: Tua'Tanai (Schnee-Eule)
    Heimat: Nir'alenar
    Tätigkeit: Geisterfinderin
    Tag der Geburt: 24. Numaran
    Patengottheit: Selurian
    Religion: Minaril
    Mitgliedschaften: VGM
    Wesensmerkmale: aufbrausend, spitzzüngig, großspurig, wagemutig
    Aussehen: hellhäutig, weißes Haar mit schwarzen Spitzen, silbergraue Augen


    - Attribute -


    Inklusive 1 Vorteilspunkt


    Muskelkraft: 2
    Konstitution: 2
    Gewandtheit: 2
    Fingerfertigkeit: 3
    Reflexe: 2
    Intelligenz: 3
    Willenskraft: 3
    Weisheit: 2
    Wahrnehmung: 3
    Ausstrahlung: 2


    - Kampf und Erfahrung -


    Schadensstufen: 6
    Initiative: 2
    Verteidigung: 9
    Ausweichwert: 2
    Ausdauer: 2
    Schicksal: 2


    Erfahrung
    Gesamt: 3
    Aktuell: 3


    Ruf:
    Positiv:
    Negativ:


    - Fertigkeiten und Vorteile -


    Vorteile


    Übernatürliche Wahrnehmung (4)
    Katzenhafte Anmut (3)
    Samtzunge (2)
    Wertvoller Grundbesitz (1)
    Beidhändigkeit (2)
    Geheimgesellschaft (3)
    Gestaltwandel (0)


    Nachteile


    Feind (-4)
    Schlechter Ruf (-2)


    Fertigkeiten


    Athlet (3)
    Akrobat 1
    Klettern 3
    Rennen 1
    Schwimmen 1
    Springen 1
    Werfen 1


    Geisterjägerin (4)
    Fallen stellen / finden 2
    Lauschen 1
    Lippen lesen 2
    Orientieren 1
    Schleichen 3
    Schlösserkunde 3
    Spuren lesen 2
    Verbergen 3


    Gesellschaftsdame (3)
    Geschichte 3 (Spezialisierung: Nir'alenar +2)
    Heraldik 2
    Höfische Manieren 1
    Höfischer Tanz 1
    Klatsch 2
    Verführen 2


    Kämpfer (3)
    Rapier 3
    Dolch 2
    Pistole 2


    Kräuterfrau (3)
    Gift mischen / erkennen 2
    Heilkunde 2
    Kräuterkunde 2
    Naturwissen 1
    Tränke brauen 3


    Mystiker (2)
    Alchemie 1
    Astrologie 2
    Esoterik 2
    Magiekunde 1

    Polyglott (1)

    Belerianai 4
    Belerianai Lesen & Schreiben 3


    - Geld und Ausrüstung -


    Vermögen:


    Golddukaten: 120
    Silbertaler: 69
    Kupferpfennige:


    Ausrüstung:


    Dolch
    Rapier
    2 Pistolen
    Diebeswerkzeug

    Verblüffung zeichnete sich für den Bruchteil einer Sekunde auf dem Gesicht der Tua’Tanai Frau ab. Sie war keine gewöhnliche Ermittlerin, die vermisste Personen suchte. Für gewöhnlich erstreckte sich ihr Betätigungsfeld auf ein etwas weniger lebendiges Gebiet.


    „Nun, ich bin mir nicht sicher, ob Euer Ansinnen nicht vielleicht in den Händen der Wache besser aufgehoben sein könnte. Außer, es handelt sich bei Eurer Freundin um einen Geist.“


    Sie lächelte leicht und die Worte klangen scherzhaft. Für gewöhnlich wurden Geister nicht entführt. Sie mochten verschwinden, wenn sie ihre Aufgabe erledigt hatten. Doch eine Entführung war relativ unwahrscheinlich. Dies wiederum ließ es wahrscheinlich erscheinen, dass es sich um eine lebendige Person handelte und dafür war sie kaum die richtige Ansprechpartnerin.

    Asharai blickte der Elfe noch für einen Augenblick nachdenklich hinterher, dann wandte sie sich zu der anderen Kundin um, die mittlerweile einen recht verdutzten Eindruck machte. Nun, wenn es darum ging, fühlte sich die Tua'Tanai in diesem Augenblick nur wenig besser. Ein aufmunterndes Nicken, ein kurzes Lächeln, das auffordernd wirkte.


    "Ja, ich denke, so könnte man es nennen. Was kann ich für Euch tun?"

    „Aber sicher … Tahera wird sich sicherlich über …“


    Weiter kam sie nicht, als die Worte der Elfe ihren Satz unterbrachen. Asharais Brauen schossen überrascht empor. Ganz offensichtlich war Schlaflosigkeit nicht das einzige Problem der Elfenfrau und tatsächlich war es ungewohnterweise nicht Asharai, die man für verrückt halten würde. War es Besessenheit oder eine geistige Störung? Der Tag versprach interessant zu werden.
    Allerdings war Vorsicht angebracht. Ein falsches Wort würde sie sicherlich umgehend verscheuchen.
    Behutsam trat die Tua‘Tanai um die Ladentheke herum und öffnete eine verkratzte Tür, die schon bessere Tage gesehen hatte und die in ein kleines Nebenzimmer führte. Nur wenig Licht drang aus diesem Raum heraus und die Luft, die austrat, roch muffig. Anscheinend wurde dieses Zimmer nur selten benutzt.


    „Vielleicht möchtet Ihr nebenan warten und mir dann in aller Ruhe von Euren Schwierigkeiten erzählen?“


    Die Stimme der weißhaarigen Frau klang aufmunternd und ließ keineswegs erkennen, ob sie das Verhalten der Elfe in irgendeiner Weise als seltsam empfand.

    Asharais Brauen fuhren bei dem gereizten Tonfall der Elfenfrau erstaunt in die Höhe. Anscheinend war hier eine ausgesprochen ausgeprägte Schlaflosigkeit am Werk. Sie räusperte sich leise und zeigte dann ein beruhigend anmutendes Lächeln – falls man bei einer Person ihres Äußeren überhaupt etwas als beruhigend empfinden konnte.


    „Ich bin mir sicher, dass wir etwas Passendes für Euch finden werden. Würdet Ihr es bevorzugen, mir Euer Problem unter vier Augen zu schildern? Dann kümmere ich mich gerne erst um die andere Dame.“


    Dann wandte sie sich zu der Halbnixe um. Asharai besaß keinen Hund. Was wohl bedeuten musste, dass sie einen Geist sah und diese Fähigkeit ihres Volkes geerbt haben musste. Interessant. Überaus interessant. Asharais eigene Gabe meldete sich nur dann, wenn ein Geist mit ihr Kontakt aufnehmen wollte. Ihre Augen verengten sich, während sie für einen Moment nachsann. Konnte es Lusandries Hund sein? Tahera? Ihre Schwester hatte das Tier besessen, als sie noch sehr klein war und der Laden noch ihrer Tante gehört hatte.


    „Das ist Tahera. Und ja, sie war in der Tat ein sehr braves Tier.“


    Ein Schuss ins Blaue. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, welcher Hundegeist sich sonst an diesem Ort aufhalten würde. Sie seufzte leise. Ihre Kundin musste sie für vollkommen verrückt halten.

    Zwei Kundinnen so kurz hintereinander? Begann etwa ihr Ruf in irgendeiner Weise zu schwinden? Wie überaus unerfreulich.
    Eine weiße Braue zog sich für einen Augenblick in die Höhe und Asharai musterte die soeben eingetretene Frau knapp. Ein grüßendes Nicken folgte. Ein Halbwesen. Wahrscheinlich gab es eine Nixe in ihrem Stammbaum. Asharai interessierte sich durchaus für die merkwürdigen Meereswesen, die eine ähnliche Begabung wie sie selbst besaßen. Nun gut, zumindest erklärte dies ansatzweise, warum sie ohne Scheu den Laden betreten hatte. Wenn sie nur ein Fünkchen Nixenblut besaß, war ihr die Geisterwelt sicherlich nicht fremd. Vielleicht war ihr Ruf also ohne Schaden geblieben.


    Sie lauschte den Worten der schwarzhaarigen Elfe und ein Lächeln verzog ihre Lippen, während sie verstehend den Kopf neigte und mit einem gezielten Griff die Finger in ein Regal in ihrem Rücken wandern ließ. Sie brachte ein kleines Fläschchen mit einer lavendelfarbenen Flüssigkeit hervor, ohne jemals genauer hinzuschauen oder zu zögern.


    „Mondrose. Sie hilft den meisten Wesen, die unter Schlaflosigkeit leiden. Zumindest, wenn es sich um eine gewöhnliche Schlaflosigkeit handelt. Es handelt sich doch um eine gewöhnliche Art der Schlaflosigkeit?“


    Eine Frage, die womöglich merkwürdig anmutete. Bedachte man jedoch Asharais Tätigkeit ein wenig genauer, so fiel es nicht schwer, zu erraten, was sie wohl damit meinte. Flüche, Geister, Magie. Es gab so einige Ursachen, die keines natürlichen Ursprunges waren und gegen diese würde auch die stärkste Mondrose nicht helfen.