Beiträge von Asharai

    Der Laden schien leer. Kerzen flackerten im Luftzug, als sich die Tür öffnete und ein paar Staubwölkchen stoben auf und senkten sich in einem schimmernden Nebel. Es wirkte nicht unbedingt so, als ob die Geschäfte blendend liefen und die häufige Abwesenheit der Besitzerin machte sich zweifellos bemerkbar. Andererseits war es wohl kaum Asharais Hauptgeschäft und so mochte der Zustand des Ladens verzeihlich sein, vielleicht war seine desolate Einrichtung sogar beabsichtigt.


    Stille senkte sich über den Raum. Erst nach einigen Augenblicken tauchte eine geisterhafte, weiße Hand auf der Ladentheke auf, der schließlich der restliche Körper der jungen Frau folgte. Zarte Finger zupften einige widerspenstige Spinnweben aus den weißen Haarsträhnen, die sich wohl unter der Theke befunden haben mochten und ihre Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln.


    „Kommt nur herein, meine Dame. Ich beiße nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt.“


    Es mochte eine seltsame Begrüßung ihrer Kundschaft sein, doch Asharai war sich ihres Rufs sehr wohl bewusst und es amüsierte sie zuweilen, damit zu spielen. Es gab selten jemanden, der das Geschäft ohne ein mulmiges Gefühl betrat.

    Wer also von Gespenstern heimgesucht wird, einen lästigen Fluch an sich kleben hat oder mit irgendwelchen seltsamen, übernatürlichen Geschehnissen konfrontiert wird, die er nicht allein lösen kann, kann sich gerne jederzeit zwecks Problemlösung oder gemeinsamer Geisterjagd in Asharais Laden melden. :ghost:

    Es ist ein kleines, windschiefes Haus am Rande des Seeviertels. Ein altes, mittlerweile verblasstes Holzschild weist in verschlungenen Buchstaben auf die Besitzerin des Hauses und ihr Geschäft hin – Asharai Tallinday, Tränke, Tee und Salben. Darunter ein schlichtes „Geisterfinderin“.
    Doch wer hier vorübergeht, schlägt eilig ein Zeichen zur Vertreibung böser Mächte, wenn der Wind die alten Holzläden zum Knarren bringt und es ist nicht zu übersehen, mit welchem Unwohlsein man dem Gebäude und seiner Besitzerin begegnet, die man im Bunde mit finsteren Mächten wähnt. Die Blicke sind vielsagend und die geflüsterten Worte ergänzen die Gesten – Hexe. So bezeichnet man Asharai hinter ihrem Rücken und wer es ihr in das blasse Gesicht sagt, kann damit rechnen, dass sich ihre Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln verziehen. Asharai genießt ihren zwielichtigen Ruf scheinbar, unternimmt nichts, um die Gerüchte, die sich um ihre Person ranken, zu entkräften.
    Dabei tut sie offenbar recht wenig, was Anlass zu ihrer Existenz geben könnte, verkauft allerlei Tränke und Salben, die recht unterschiedliche Wirkungsweisen besitzen. Mittel gegen Warzen und Wunden, vielleicht einen Trank, der süße Träume bringt und den Schlaf anregt. Es sind keine magischen Gebräue, keine Zaubermittel – reine Kräutermischungen, die keinen Anlass zum Misstrauen geben.
    Und doch wagen sich nur wenige in das Innere des Geschäfts, das mit allerlei Seltsamkeiten vollgestopft ist und das stets den Geruch der Tinkturen und der Kräuter verströmt.
    Es ist immer ein wenig dunkel in Asharais Laden. Kerzenlicht glimmt auf gläsernen Phiolen und irdenen Töpfen, die Fenster sind mit Stoffen verhängt, die nur wenig Tageslicht in ihr Haus lassen und Spinnweben und Staub schmücken die langen Regale, die sich an den Wänden entlang ziehen.
    Doch es ist nicht das unheimliche Knarren, das leise Quietschen der Türen, das Besucher aus der Ruhe bringt – es ist Asharais verborgenes Talent, das ihre Augen manchmal leer und abwesend werden lässt, wenn sie ihren Kunden gegenübersteht. Ein Talent, das sie in eine andere Welt führt – denn Asharai kann in die Welt der Geister blicken und mit ihren Bewohnern kommunizieren.

    Als sie die Musterung der Nymphe bemerkte, erwiderte Asharai diese mit einem undeutbarem Blick aus ihren beunruhigend silbrig schimmernden Augen und einem wölfisch anmutenden Lächeln, das an ihre Tiernatur erinnerte. Diese war bei Asharai gemeinhin stärker ausgeprägt als bei ihrer Schwester Lusandrie, deren Patentier ein Rabe war. Sie war eine dunkle, verführerische Schönheit, Asharai dagegen war ein deutlich wilderes Geschöpf. Sie hatten nicht viel gemein, wenn man davon absah, daß sie sich beide zu den Schatten hingezogen fühlten.


    Die Ankunft der rothaarigen Fremden lenkte Sie für einen Augenblick von den Geschehnissen am Kartentisch ab und sie musterte die Frau für einen Augenblick. Irgendetwas an ihr schien ihr vage vertraut, ganz so, als hätte sie sie schon einmal gesehen. Allerdings konnte sie sich nicht an die Gelegenheit erinnern...


    Rotes Haar, dunkle Haut. Ihre Erscheinung war auffällig, in ihren Augen lag eine Intensität, an der nichts menschliches war. Dai'Vaar, sie würde ihren Laden darauf verwetten.
    Eine schwache Erinnerung zuckte durch ihr Gedächtnis, ließ sich jedoch nicht greifen.


    Die Tua'Tanai zog die Stirn in Falten und wandte sich wieder ab.


    Sie hegte wenig Interesse für das Kartenspiel an sich, doch ihr Interesse an dem Wesen, das seine Regeln erklärte, war weitaus stärker. So beließ sie es dabei, zunächst nur zuzuhören, während sie zu ergründen versuchte, was an ihm sie eigentlich so sehr störte.

    Adamair. Asharai dachte nach. Der Name war ihr nicht geläufig, schien also keineswegs zum Hochadel der Stadt zu gehören. Das allein bedeutete noch nichts. Womöglich stammte er nicht aus Nir’alenar, womöglich log er. Sie nahm sich vor, bei Gelegenheit nach dem Namen zu forschen, schob den Gedanken jedoch wieder beiseite, bis es einen günstigeren Augenblick dafür gab.


    Stattdessen musterte sie die beiden anderen Frauen, die sich an den Tisch gesellt hatten. Die Nymphe hatte sich in den Vordergrund geschoben, so wie es einer Angehörigen ihres Volkes scheinbar gebührte. Die Ta’tanai verkniff sich ein ironisches Lächeln. Sie hielt wenig von Vorurteilen, wenngleich sie sich zuweilen als nützlich erwiesen. Man sollte niemals so dumm sein, ein anderes Wesen zu unterschätzen, weil man angeblich seine Motivationen verstand. Ein Ruf konnte ebenso hilfreich sein, um die Wahrheit darunter zu verbergen.
    Die andere Frau wirkte weitaus distanzierter. Asharais Brauen zogen sich unmerklich über ihren hellen Augen zusammen. Ihre Haltung grenzte an Unhöflichkeit, ohne dass es für den Moment einen Grund dafür gab.


    Dann wandte sie sich ab, wieder dem Fremden zu, der für den Augenblick den größten Teil ihrer Aufmerksamkeit beanspruchte.


    „Asharai. Völlig ohne Titel. Und nun wollt Ihr mir sicherlich sagen, was diese Karte zu bedeuten hat, nicht wahr?“


    Sie wies auf das Blatt, das sie auf seine Aufforderung hin aufgedeckt hatte, lächelte vage, während sie noch immer versuchte, einen Grund für das seltsame Gefühl zu finden, das er in ihr auslöste.

    Ein rätselhaftes Lächeln umspielte als Antwort Asharais Lippen.


    „Dramatische Worte. Aber sicherlich wisst ihr selbst am besten, wie es um Eure Wehrhaftigkeit bestimmt ist und niemals würde ich es wagen, Eure Worte in Zweifel zu ziehen.“


    Kaum eine erkennbare Spur von Gefühl zierte ihre Worte und so blieb ungewiss, ob sie es so meinte oder ob sich Sarkasmus eingeschlichen haben mochte.
    Ihre Finger bewegten sich zu den Karten und scheinbar ohne Zögern griff sie zu und drehte eine davon herum. Die hellhaarige Tua’Tanai schien keinerlei Furcht zu empfunden. Noch nicht einmal die silbrig schimmernden Augen offenbarten eine Spur von Angst. Offensichtlich gehörte sie nicht zu den schreckhaftesten Gemütern und war nur schwer aus der Ruhe zu bringen.


    Innerlich jedoch, war Asharai am Grübeln, was sich wohl hinter der kultivierten Fassade des Fremden verbergen mochte. Und um eine Fassade, dessen war sie sich sicher, handelte es sich. Sie war auf der Hut, keineswegs so selbstsicher, wie es sich darstellen mochte. Asharai wusste nur zu gut, dass man nicht allein vor wilden Tieren Respekt an den Tag legen musste. Es gab zwischen Himmel und Erde mehr, als viele sich vorstellen konnten. Niemand wusste das besser als sie.


    Für einen Augenblick wandte sich ihr Blick von dem Mann ab, um den beiden Frauen zuzunicken, die sich ebenfalls an den Tisch gesellt hatten. Als das Mädchen mit dem Wein an den Tisch trat, winkte sie ab – es war angeraten, wenn sie nüchtern blieb. Schließlich wandte sie sich wieder an den Fremden.


    „Ihr möchtet, dass wir Euer Spiel mitspielen. Würde es dann nicht den Regeln der Höflichkeit entsprechen, wenn Ihr als erstes Euren Namen nennen würdet?“


    Ein neuerliches Lächeln. Vielleicht höflich, vielleicht jedoch von Unverschämtheit gezeichnet.

    Sie spürte etwas. Asharais Stirn legte sich in Falten, als sie zu ergründen versuchte, was dieses seltsame Gefühl in ihrem Inneren auslöste. Ein Blick aus farblosen Augen glitt über die Individuen, die sich in der schwarzen Katze versammelt hatten, fand schließlich die Quelle des merkwürdigen Prickelns, das über ihre Haut wanderte.
    Der Mann schien nicht in diese Umgebung zu passen, seine Kleidung, sein Aussehen - nichts davon wollte zu dem üblichen Klientel passen, das die Katze an solchen Abenden heimzusuchen pflegte. Nachdenklich strich sie sich über das Kinn. Das, was er in ihr auslöste, schien einerseits bekannt, dann aber wieder fremdartig. Hinzu kam, daß selten ein Wesen aus Fleisch und Blut eine solche Empfindung in ihr zum Klingen brachte. Aber dieser Mann war aus Fleisch und Blut. Zumindest oberflächlich betrachtet.


    Er war allein, schien auf ein Glücksspiel aus. Nun gut, dies zumindest war hier keine Seltenheit. Vielerlei Betrüger verpesteten diesen Ort mit ihren Machenschaften und nutzen die Betrunkenen aus, um sich die eigenen Taschen durch ihre Weinseligkeit zu füllen. Aber war es das, was er wollte? Es schien närrisch, sich in einem solchen Aufzug hier aufzuhalten, sprach jedoch auch für eine Selbstsicherheit, die nicht allein seinem möglichen Stande zuzuschreiben war. Vielleicht war es ein Trick, ein Aufzug, der täuschen sollte. Vielleicht aber auch nicht. Zusammen mit diesem undefinierbaren Gefühl weckte es eindeutig Asharais Neugier in einem Maße, das durchaus ungesund zu nennen war.


    Sie nickte dem vermummten Mann zu, mit dem sie den Tisch geteilt hatte. Einem Kunden, der ihrer Hilfe bedurfte, sich aber keineswegs in ihrem Laden hatte sehen lassen wollen. Nun, wer gab schon gerne zu, daß er Probleme hatte, die einer übernatürlichen Ursache zu verdanken waren? Familiengeschichten neigten dazu, schmutzig zu sein. Ihre Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. Doch ihr Handel war abgeschlossen, die Informationen ausgetauscht. Es gab keinen Grund, länger seiner Gesellschaft ausgesetzt zu bleiben und tatsächlich warf er flugs einige Münzen auf den TIsch und huschte dann schnellen Schrittes aus der Taverne, ohne sich noch einmal umzusehen.


    Scheinbar unbeteiligt und mit zur Schau getragenem Desinteresse schritt sie zu dem Tisch hinüber, an dem der Fremde saß und über seinen Karten sinnierte.


    "Ihr seht mir kaum aus wie ein Glücksspieler. Glaubt Ihr nicht, daß Euer Aufzug an einem solchen Ort ein ungesundes Interesse hervorrufen könnte? Oder ist es das, was Ihr wollt?"


    Die Stimme der Tua'Tanai war rauchig und dunkel, ein schiefes Lächeln verzog ihren Mund. Ihr war bewusst, daß sie stets eine Welle von Unwohlsein bei anderen Wesen hervorrief, doch es war ihr gleichgültig.