Beiträge von Daerid Canvele

    Von unten war nichts zu hören außer dem leisen Rascheln der Stoffe, die von den beiden männlichen Bediensteten in der Garderobe platziert wurden als Daerid Atashkada die Stufen hinauf geleitete. Kostbarer gewebter Teppich machte ihre Schritte unhörbar. Nichts auf dem Gesicht des Valisar verriet, was er von Atashkada's Gebaren bezüglich seiner Bediensteten hielt. Üblich war es nicht, dass eine Dame ihnen überhaupt Beachtung schenkte, aber die Dheoran war auch nicht hier, weil sie eine der üblichen Damen war. "Es ist ein wenig extravagant." gestand Daerid mit feinem entschuldigendem Lächeln obwohl er das Haus genau deswegen gekauft hatte. "Und ich kann mich leider nicht rühmen, dass etwa ich es entworfen hätte. Es stammt aus den Nachlass eines berühmten Architekten und Dozenten der Akademie, dem diese Ehre gebührt. Es stand zufällig gerade zum Verkauf als sich abzeichnete, dass ich mehrere Wochen im Jahr in Nir'alenar zubringen würde." der Assassine hob fast unmerklich die Schultern. Dass er damals über einen Auftrag eigenhändig dafür gesorgt hatte, dass es überhaupt zu einem Erbfall gekommen war, war ein glücklicher - aber nichtsdestotrotz tatsächlich ein reiner Zufall gewesen. "Mir gefiel seine klare Gliederung - Arbeiten, Wohnen, Leben auf jeweils einer Etage - und die ruhige abgeschiedene Lage." lächelte er zufrieden und mit einer kleinen Verneigung und führte Atashkada am Ende der Treppe rechter Hand die großzügige Balustrade an einigen verschlossenen Türen entlang bis ein offener Durchgang von ihr abzweigte. Ein größere Würdigung seines Heims war von einer Angehörigen ihres Volkes kaum zu erzielen, das war Daerid bewusst. "Für meine Ansprüche und Bedürfnisse ist es wie geschaffen und es ehrt mich, wenn es auch Euer Wohlwollen besitzt." schloss er bevor sie gemeinsam hindurch schritten.


    Der Salon, der sich dahinter eröffnete, war nicht besonders groß. Seine Wände waren bis auf einen Kamin links und eine edle Glasvitrine rechts von Bücherregalen gesäumt und in der Mitte stand eine gediegene Sitzgruppe mit bequem wirkenden Polstern um einen runden Tisch, in dessen Platte kunstvoll das Spielbrett eines bekannten, anspruchsvollen Strategiespiels mit handgeschnitzten Figuren eingearbeitet war. Ein Feuer flackerte lebhaft im Kamin. Formvollendet geleitete der Valisar seine Begleitung zu einem Sessel, zog diesen passend für sie zurecht und bat mit unauffälliger Geste, dass sie sich setzen möge. Mit verschwörerischem Lächeln sah er seinen bezaubernden Gast an. "Ich ersuche Euch, Euch noch an einer kleinen Erfrischung zu laben und mich für einen winzigen Augenblick zu entschuldigen, damit ich noch schnell gewisse Pflichten eines guten Gastgebers und Hausherren wahrnehmen kann, Verehrteste." Das war die Wahrheit. Und andernfalls hätte der Assassine hier ohne zu zögern so getan als ob sie es wäre. Niemals hätte er sich vor einer Dame auch nur den Hauch des Anscheins gegeben, einen derartigen Besuch im voraus geplant zu haben. "Erweist mir die Ehre, Euch alles anzusehen, was Euch beliebt. Aber zunächst - Was darf ich Euch bringen ? Champagner ? Einen leichten frischen Wein ? Oder doch lieber eine fruchtige Limonade ?" dachte er höflich an ihre Ablehnung weiterer alkoholischer Getränke auf der Festlichkeit und auch ihres ausgiebigen Tanzes und sah die Dheoran erwartungsvoll an.

    "So schön....." hauchte Daerid mit leicht rauer Stimme und berührte noch einmal bewundernd Atashkada's Wange. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und ein Hauch von Leidenschaft stand in ihren Augen. So nah vor ihr spürte der Assassine förmlich, wie ihr ganzer Körper weicher und nachgiebiger geworden war und er konnte nicht verleugnen, dass es starke Faszination in ihm auslöste. Was für ein Anblick!
    Aber auch jetzt trat er nur höflich etwas zurück und bot ihr wieder formvollendet seinen Arm an. Sie war viel zu kostbar, um sie hier auf offener - wenn auch zu der späten Stunde menschenleerer - Straße zu verschwenden. "Dann kommt mit mir, Verehrteste!" forderte er sie auf.
    Es war alles geklärt, was zwischen ihnen geklärt werden musste.
    Nach nur wenigen Schritten - vor der letzten Häuserzeile, die das Paar noch von der nächsten breiteren Querstraße trennte - führte der Valisar seine Begleiterin sanft nach rechts in eine breite Lücke zwischen den einzelnen Anwesen hinein. Hier folgten sie einer kleinen eleganten Gartenanlage, an deren Ende einige hohe Laubbäume den Blick auf ein Haus verbargen. Es war nicht einmal besonders groß verglichen mit den üblichen Villen und Palästen des Adelsviertels, aber dafür beinah eben so hoch, wie die mächtigen jahrhundertealten Bäume vor ihm. Sie gelangten an ein schmiedeeisernes Tor, wo Daerid in eine Nische im Mauerwerk griff und Atashkada dann mit einer Verbeugung das Tor öffnete damit sie es durchschreiten konnte.
    "Tretet ein in mein bescheidenes Haus, schöne Dheoran!" bat er sie und führte sie durch einen kurzen Laubengang bis zur Eingangstür, die bereits für sie beide geöffnet war. Sie betraten die Eingangshalle seines Anwesens, einen in der Mitte offenen Raum, der sich ohne Zwischendecke bis hinauf in das runde Dachgewölbe zu erstrecken schien. Einige Meter vor ihnen führte eine Marmortreppe in die erste Etage hinauf, die Räume befanden sich offensichtlich an den Wänden des Gebäudes während die runde Mitte wie eine Art Schacht nur von noch zwei weiteren Treppengebilden unterbrochen wurde, welche von der jeweiligen Ebene in die nächst höher liegende Etagen führten. Von unten waren nur die Geländer zu sehen. Linker Hand neben der Treppe befand sich eine großzügige aber fast leere Garderobe. Auf der rechten Seite standen drei Personen, die sich nun allesamt tief verneigten als Daerid mit Atashkada vollends eingetreten war. Der erste von ihnen war ein hochbetagter Mann mit tadelloser steifer Haltung. Das einzige, was den Eindruck völliger Korrektheit etwas abmilderte, waren seine buschigen weißen Augenbrauen und der gutmütige Ausdruck in seinen Augen. Neben ihm stand ein junger, recht linkisch wirkender Bursche, der in seiner förmlichen Kleidung noch reichlich fehl am Platz wirkte und ein sehr junges Mädchen, kaum an der Schwelle zur Frau. Alle drei waren in pieksaubere Dienstbotengewänder gehüllt. Die Wangen des Mädchens waren rosig angehaucht und ihre Augen hingen voller Bewunderung an Atashkada's Gestalt als der junge Kerl sich nun dem Valisar ehrerbietig näherte "Ihr möchtet ablegen, Herr ?" und sich dabei nochmals etwas ungeschickt verneigte. Der Assassine ließ ihn gewähren. Der Alte ergriff das Wort. "Wie schön, dass Ihr wieder zurück seid, Herr! Im Salon ist alles gerichtet und erwartet Euch und die bezaubernde Dame." und bot seinerseits Atashkada mit einer Verbeugung Hilfe beim Ablegen ihres Umhangs an.
    Daerid quittierte seine Worte mit knappen Nicken. "Danke, Lombart!" und bot Atashkada wieder seinen Arm an, um sie die Marmortreppe hinauf zu führen.

    von..... Der Park



    "Fast wie Ihr, Atashkada." nickte der Valisar. "Ich reise über die gesamte Insel, Von Lysielle im Osten bis Corandir und Akari im Westen und hoch bis Kharsah in den Norden. Hier und dort habe ich Leute, die die Waren abholen oder ausliefern, manches findet auch gar nicht den Weg bis hierher sondern wird schon woanders wieder gehandelt. In dem meisten Städten ist es kein Problem, vorübergehend ein Lager anzumieten, wenn Bedarf besteht. Aber ein wirkliches Domizil habe ich sonst nirgendwo auf der Insel." erklärte er der Dheoran. "Und wenn man so viel unterwegs ist, bleiben Begegnungen mit Eurem Volk nicht aus." schmunzelte er gekonnt. "Die Gastfreundschaft an seinen Feuern ist legendär und ich durfte sie hier und dort bereits genießen. Was sagten sie ? Sie bräuchten die Freiheit, immer einer neuen Geschichte und neuen Begegnungen nachgehen zu können, die bereits hinter der nächsten Weg- oder Flussbiegung auf sie warten könnten. Die Unabhängigkeit, keinem Herrscher oder Fürsten dienen zu müssen, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben. Dass so viele Familienmitglieder gar nicht in einem Haus leben könnten, aber ein neuer Wagen immer noch hinzu passen würde. Manche sagten sogar, ein Dheoran würde sterben, wenn man ihn hinter Mauern einsperren würde." Nachdenklich sah der Assassine zu seiner Begleiterin hinüber. "Der Tenor war tatsächlich immer, dass ein Dheoran gar keine Heimat hat. Und nun sagt Ihr, dass sie in Euerm Herzen sei.... " er lächelte. "Ein schöner Gedanke, wenn Ihr Wert auf meine bescheidene Meinung legt, Verehrteste." er neigte sacht das Haupt. "Aber Ihr habt Recht.... niemand weiß, was einmal sein wird......." Daerid schwieg und zwinkerte Atashkada dann zu, ein verschwörerisch-anzügliches Lächeln auf den Lippen. "Oder vielleicht doch.... ich denke, ich weiß, dass es ein beneidenswerter Mann sein wird, der Euer Herz einmal erobern kann, schöne Dheoran." Und wirklich fragte er sich für einen Augenblick, ob Atashkada wohl so eine Frau wäre, bei der er so etwas wie Bedauern oder gar Eifersucht empfinden würde, wenn sie einem anderen gehörte. Es gab Frauen, die diese Wirkung auf Männer hatten, das war ihm bestens bekannt. Manche ohne es zu wollen, andere legten es geradezu darauf an. Nun ja.... die schwächlichen albernen Nöte der Fühlenden halt. Daerid lachte leise auf als er für sich feststellte, dass er nichts dagegen hätte, Atashkada in den Armen eines anderen zu sehen. Im Gegenteil - vorausgesetzt, derjenige wäre ebenso attraktiv wie sie, wäre es sicherlich ein Genuss ihnen zuzusehen. Für sein Valisar-Auge jedenfalls. "Verzeiht, schöne Dheoran!" entschuldigte er sich höflich. "Eure Frage hat durchaus ihre Berechtigung. Wir scheinen da etwas gemeinsam zu haben, denn bislang fehlte es meiner Person an der entsprechenden Dame." gestand er ihr und gab seinem Gesicht und auch der Stimme wieder einen ernsthaften Anstrich. "Wobei ich zugestehen muss, dass es für eine Frau auch nicht einfach ist, mit einem Mann zu leben, der oft abwesend ist und wenig Zeit hätte, ihr seine volle Aufmerksamkeit so zu teil werden zu lassen, wie sie es verdiente. Es wäre ein recht einsames Leben an meiner Seite und das schreckt vermutlich ab." Und wer setzte sich schon freiwillig eine Laus in den Pelz, bei der man ständig auf der Hut würde sein müssen, dass sie von seinem tatsächlichen Broterwerb nichts mit bekam ? Daerid verhielt seine Schritte und wandte sich ganz der Dheoran zu. Sacht strich er ihr mit den Fingerkuppen über die seideweiche Wange und seine Augen begannen im Schein der Straßenbeleuchtung kaum merklich zu funkeln als sein Daumen hauchzart die Konturen ihrer Lippen nachzeichnete. "Vielleicht bin ich auch einfach noch nicht dazu bereit, auf einen Abend wie diesen und eine atemberaubende Frau wie Euch verzichten zu müssen, bezaubernde Atashkada. Aber wie Ihr schon sagtet - vielleicht eines Tages....." Sehr bewusst betrachtete er Atashkada's makelloses Gesicht und ihre glänzenden Augen, das duftige Haar, dessen weiche Strähnen es anmutig umspielten........ womöglich urteilte er auch etwas zu streng über den fühlenden männlichen Teil der Welt. Sie war schon ein ganz besonderer Leckerbissen....

    Daerid nickte nur, ohne Atashkada anzusehen, aber mit vielsagendem Grinsen. Langsam durchschritten sie das kunstvoll gestaltete Tor, welches die Besucher hier auf der Nordseite in den Park einließ. Ein bemerkenswertes Bauwerk verschiedener handwerklicher Künste - vom Steinmetz über Schmiedekunst bis zu Malerei, Glasbläserkunst und natürlich Gärtnerei, welches sich perfekt in das Landschaftsbild einfügte und auch vor dem strengen Auge des Assassinen Gnade fand. "In mir wächst die Überzeugung, eine solche Rose gefunden zu haben." lächelte er charmant. "Vielleicht ist das ihr Geheimnis, dass man sie im Verborgenen findet, wenn man gar nicht damit rechnet."
    Er führte seine Begleiterin geradeaus die Straße entlang. Im ersten Moment mochte man kaum glauben, dass man den Park tatsächlich schon verlassen hatte, denn lauschige Bäume und Gärten säumten den breiten Weg und die vereinzelten prächtigen Häuser lagen meist außerhalb der gut ausgeleuchteten Straße. Das Adelsviertel war der Teil Nir'alenars, wo man auch des Nachts vor unangenehmen Begegnungen und Gefahren recht sicher war. Und so schlenderte sogar der Assassine beinah entspannt neben der schönen Frau an seiner Seite an den schmucken Villeneingängen entlang......



    nach..... Canvele's Haus

    Daerid gelang der Spagat eines stillen in sich Hineinlächelns, das von außen gut als solches zu erkennen war, obgleich er nichts Erheiterndes empfand. "Und das ist nur, was man sagt...Werteste" gab er sich verheißungsvoll. Eine sonderbare Ironie des Schicksals, dass ein Valisar ausgerechnet in Rosandrié von seiner Mutter abgegeben worden war. Oder nein - vielleicht nicht einmal so sonderbar. Vielleicht hatte sie auch Absichten dabei gehegt.... Hoffnungen ? Wer vermochte es zu sagen ?
    Hatten sie sich erfüllt ? Auch darauf würde der Assassine niemals die Antwort kennen. Es spielte auch keine Rolle. Er hatte noch nie diese seltsamen Anwandlungen gehabt, die manche seines Volkes ihre Existenz mit einem Verlust behaftet ansehen ließ. Für diese Sperenzien hatte Daerid nichts übrig. Nüchtern betrachtet sah er sich den Fühlenden gegenüber in jeder Hinsicht als haushoch überlegen an. Auch ein 'Verdienst' Rosandriés..... denn die heimtückischen und gefährlichen Intrigen, die hinter der schönen Fassade umgingen, ließen sich bar jeder Leidenschaft so viel besser durchschauen und umgehen. Unter diesem Gesichtspunkt hätte seine Mutter dann wohl alles richtig gemacht. Daerid hob den Kopf und sah sich betont um. "Nir'alenar kann sehr stolz sein auf das, was es in diesem Park erschaffen hat - aber nichts auf Beleriar geht über die Pracht und den Duft der dunklen Rosen in den Gärten des Palastes Varaskar." erklärte der Valisar in kühler aber weicher Tonlage. "Höchstens vielleicht eine der sehr seltenen wilden Rosen..." fuhr er dann mit einschmeichelnder Stimme fort.
    ".. aber die sollen sehr sehr schwer zu finden sein, sagt man. Ihr solltet die Stadt einmal besuchen bei Gelegenheit, Verehrteste."
    Ihre artigen Worte zu seinem Handelsgeschäft nahm der Valisar als selbstverständlich, nickte aber natürlich dankbar zu der Dheoran hin. Mittlerweile lag der See hinter ihnen und in nicht all zu weiter Entfernung war nun bereits das gut beleuchtete nördliche Parktor zu sehen. Daerid steuerte direkt darauf zu. Aufmerksam lauschte er nun der Frau an seiner Seite, denn unbekannte Eigenschaften der Fühlenden - oder eines bestimmten Teils von ihnen - waren für ihn immer von Interesse. "Durchaus hörte ich das." gestand er ihr. "Aber ich habe es noch niemanden so ausdrücken hören, wie Euch jetzt, Atashkada." Er deute zum Parkeingang hin. "Dort vorn liegt die Hälfte des Weges bereits hinter uns. Ich schätze, dass ich etwa ein Drittel eines Jahres hier in Nir'alenar verbringe." antwortete er dann sinnend. "Natürlich nicht am Stück, aber selten unter zehn Tagen." nickte er dann langsam und kam doch noch einmal auf ihre Beschreibung von Heimat zurück.
    "Und der Mann, der Euer Herz einst erobert, wird dann Eure neue Heimat werden ?" fragte er mit harmlos-interessiertem charmantem Lächeln aber durchaus auch aus der kühlen Logik des Assassinen in ihm heraus.

    'Natürlich nicht! Und wenn Du hältst, was Du zu versprechen scheinst, ich für längere Zeit vielleicht auch nicht.' dachte der Valisar ganz automatisch in einer Selbstgefälligkeit, die für ihn keine war - neigte aber nur ehrerbietig das Haupt in Richtung seiner Begleiterin, zum Zeichen, dass er ihre Worte gehört hatte. Ohne Hast schlenderten sie weiter am Ufer des Sees entlang durch die von zahlreichen Blüten mit ihrem duftigen Hauch durchtränkte, milde Nachtluft. Daerid lachte leise und höflich zu Atashkada's Frage, wie es sich gehörte. "Ja und Nein." bekannte er dann mit einem Schmunzeln, dass ihm besonders leicht von der Hand ging. "Ich stamme aus Rosandrié und dort befindet sich auch das Haupthaus meines Handelsgeschäft." fuhr er dann fort und sann einen Augenblick lang darüber nach, ob er die Stadt wirklich als Heimat bezeichnen würde. Gefühlsmäßig selbstverständlich nicht - aber immerhin hatte er dort den Großteil seiner Jugend verbracht und kannte die Stadt in und auswendig. Und selbst nach Neheran's Dahinscheiden war irgendetwas in ihm gewesen, dass ihn dazu angehalten hatte - unter einigen Mühen und Risiken - das Handelskontor seiner ehemaligen Zieheltern zurück zu erobern und zu neuem Glanz zu führen. Es war einer der wenigen Orte, wo der Valisar sich mit seinem eigentlichen Broterwerb vollständig zurück hielt, wenn gleich auch aus eher taktischen Erwägungen heraus. Ja, vielleicht konnte man es dann tatsächlich 'Heimat' nennen. Nach den Maßstäben der Fühlenden gewiss. "Aber Ihr habt natürlich ganz Recht, Verehrteste. Nir'alenar ist ein überaus wichtiger Stützpunkt für meine Geschäfte und Umschlagplatz für meine Waren. Hier in den Lagerhäusern am ehemaligen Hafen kommt an, was ich auf meinen Reisen erwerbe und von hier startet auch, was ich verkaufe. Und damit sich keine Schlampereien einschleichen, ist es wichtig, häufig präsent zu sein und den reibungslosen Ablauf zu überblicken." fuhr er mit etwas kühlerer, geschäftsmäßiger Stimme fort. Das war nun auch die reine Wahrheit. Oder wenigstens ein Teil davon. "Ein eigenes Domizil erwies sich irgendwann als umungänglich, je umfangreicher das Geschäft sich entwickelte." Der Assassine neigte den Kopf etwas und ließ den Blick anerkennend und ein wenig anzüglicher als es eigentlich schicklich gewesen wäre, über den Körper der Dheoran an seiner Seite wandern. "Und mittlerweile weiß ich den Komfort und die Freiheit, die das Haus mir offeriert, ganz besonders zu schätzen." und es war ziemlich offensichtlich, dass er Komfort und Freiheit auf Atashkada's Gesellschaft und seine Absichten in dieser Nacht bezogen wissen wollte. "Und was, bezaubernde Atashkada aus dem Feuer des Nélio, nennt eine Dheoran wohl ihre Heimat ?" spiete er den Ball dann artig wieder zu ihr zurück, durchaus mit einem gewissen Interesse.

    Während der Arm der Dheoran erneut federleicht auf seinem eigenen zu liegend kam und Daerid die Schönheit gemessenen Schrittes den Holzsteg wieder hinunter geleitete, fragte er sich einen Moment lang tatsächlich, ob sie ihn gerade genarrt hatte mit ihrer Frage. Sehr kurz war das Zögern gewesen bis sie dann einwilligte, ihm in sein Domizil zu folgen. Etwas zu kurz vielleicht und etwas zu bereitwillig. Unauffällig musterte er die schöne Frau von der Seite. Waffen trug sie jedenfalls keine, davon hatte er sich beim Tanz ausgiebig überzeugen können. Aber bitteschön - als ob er selbst eine Waffe bräuchte, um jemanden aus dem Leben zu befördern.
    Kurz ließ der Valisar noch einmal den Moment vor seinem Inneren ablaufen, wie er sie am Arm gepackt hatte. Nein... Da war nicht das aller kleinste Anzeichen dafür da gewesen, dass Atashkada es darauf angelegt hätte, von ihm angesprochen zu werden. Überhaupt war sie bis auf diese eine kleine Merkwürdigkeit vorhin vollkommen authentisch gewesen.
    Wie dem auch sei, er würde wachsam sein.
    Nichts von diesen Gedanken war Daerid anzumerken als er ein kleines charmantes Lächeln in seinem Gesicht entstehen ließ. "Selbst wenn es das so wäre, Verehrteste - kein Weg könnte zu weit sein, wenn ich ihn in Eurer bezaubernden Gesellschaft und in einer so zauberhaften Nacht zurücklegen darf." Mit eleganter fließender Bewegung wies der Assassine den vom Fackellicht sanft beleuchteten Weg am Seeufer entlang, weiter fort von der Musik und den Geräuschen des Fests.
    Am Ende des Stegs angelangt, hielt er an, so dass Atashkada vor ihm zu stehen kommen und ihn ansehen musste. Er beugte sich vorsichtig zu ihr hinunter, seine Wange so nah an der ihren, dass sie sich beinah berührten, und flüsterte ihr sacht ins Ohr. "Aber beunruhigt Euch nicht. Es ist in der Tat kein besonders weiter Weg." Im Grunde war es tatsächlich nicht viel mehr als der Spaziergang, zu dem sie sich ohnehin entschlossen hatten. Zumindest vorgeblich. Tief atmete Daerid den unaufdringlichen Duft ein, der um die schöne Frau herum war und der so perfekt auf sie abgestimmt war, dass er seine feinen Sinne zu faszinieren vermochte. Der Valisar zog den Kopf wieder ein wenig empor, so dass ihre Gesichter sehr nah voreinander waren und heftete seine Augen ohne die geringste Scham auf Atashkada's leicht geöffnete, sinnliche Lippen. "Aber was diese Nacht an Verlockungen zu bieten hat, wäre jeden Schritt wert gewesen." flüsterte er mit wohlgefeilter, leicht rauer Stimme. Kurz hatte er überlegt, sie zu küssen - aber dann Abstand davon genommen. Das würde er sich aufheben. Lange würde er in seiner Erinnerung forschen müssen, wann er das letzte Mal eine derart anziehende Frau gehabt hatte und er würde sich diesen Genuss jetzt nicht mit irgendwelchen Schnellschüssen selbst schmälern. Distanziert stellte er für sich fest, dass seine Überlegungen zu ihr, die leise Möglichkeit einer dunklen Gefahr, ihre fast unwiderstehliche Attraktivität für ihn noch verstärkt hatte. Längst gab sein kühler Verstand bereits die leisen Anweisungen an sein Hauspersonal angesichts ihrer Ankunft dort als der Valisar mit einem tiefem Blick in Atashkada's strahlend blaue Augen und einer angedeuteten Verneigung den geziemenden Abstand zu der Dheoran wieder herstellte und sie weiter den Uferweg entlang führte, auf die nördlich gelegenen Ausgänge des Parks zu.

    Das 'Zurecht!', welches unverzüglich in Daerid's Gedanken auftauchte, verließ nie seine Lippen. Stattdessen deutete er eine Verneigung an. "Die Freude ist ganz auf meiner Seite." bekannte er ohne Zögern und mit charmantem Lächeln - es mochte gefühlsmäßig nicht der Wahrheit entsprechen und doch spürte der Valisar den Adrenalinanstieg in seinem Blut. Eine ihm vertraute Reaktion darauf, wenn ein Vorhaben erfolgreich Gestalt anzunehmen begann. Ein schwacher und dazu auch rein körperlicher Abklatsch dessen, was die Fühlenden als Euphorie bezeichneten, vermutete Daerid in nüchterner Betrachtung seiner selbst versunken.
    Gemächlich schlenderten sie auf den Steg zu, schritten auf den leise knarrenden Holzplanken über das Wasser und wandten die Blicke zurück zu den Lichtern und der leisen Ahnung von Musik.
    Sonderbar wie viele Gesichter die Nacht doch hatte. Dieses hier war eines ihrer freundlicheren, ruhig und scheinbar friedlich. Wie anders waren doch ihre Fratzen in den düsteren Schatten der engen Gassen oder gar im Abgrund des Nachmarkts. Lauernd und gierig auf die Gelegenheit wartend oder schrill und zerstörerisch in den Augenblicken, in denen Leben verlosch. Doch weder verschlafenes Vogelgezwitscher noch liebliche Blumendüfte konnten den Assassinen darüber hinweg täuschen, dass auch diese Nacht hier jederzeit in ihr hässliches Gesicht umschlagen konnte. Konkurrenz ? Nein. Er gehörte zu diesen Gesichtern der Nacht dazu, war eines von ihnen, lebte und atmete ihren Rhythmus. Vielleicht war sie in Wahrheit seine Braut, die sich schon längst mit ihm und seinen Umtrieben abgefunden hatte und ihn immer wieder bereitwillig in ihre Arme schloss.


    Seine aparte Begleitung hatte sich augenscheinlich mit ganz anderen Gedanken getragen, wie die Fragen verrieten, die aus ihren sinnlichen Lippen hervor kamen. Womit auch immer der Valisar gerechnet hatte - etwas anzüglicheres Geplänkel oder heftigere Flirterei - mit einer solchen Frage jedenfalls nicht. Er hatte sich zu gut im Griff um die Frau an seiner Seite rasch anzusehen, aber diese Fragen passten nicht zu dem Bild, welches er sich von ihr gemacht hatte. Und wenn etwas die ungeteilte Aufmerksamkeit des Assassinen erregen konnte, dann ein neuer Aspekt im Verhalten der Personen um ihn herum, den er nicht vorhergesehen hatte. Nebeneinander lehnten sie auf dem Geländer des Stegs und Daerid wandte sich der Dheoran nun doch zu. Bewusst langsam und seine Augen blickten forschend in ihre Gesichtszüge, suchten nach dem Grund ihrer Frage. So sehr er auch suchte, er fand keine Anzeichen von Eifersucht in ihrem Gesicht, keine verkniffenen Lippen, keine eigensinnigen Linien um Augen und Mund, keine verkrampfte Haltung. Sie lächelte fast ein wenig verzagt und ihm schien eher leise Wehmut in den strahlenden dunkelblauen Augen zu schimmern, die ihn ohne Scheu ansahen. Mitgefühl ?
    Höchst sonderbar. Aber nicht auf sie selbst und ihn bezogen und deshalb unbedenklich, befand der Valisar nüchtern. Behutsam hob er die Hand zu Atashkada's Wange und strich mit den Fingerkuppen sacht hinüber, nur ein leiser kühler Hauch beinah. Daerid hatte die Menschen um sich herum hier und da sagen hören, man solle die Feste feiern, wie sie fallen. Nun - Feste waren nicht unbedingt sein bevorzugter Zeitvertreib - aber die Kernaussage traf den Geschmack des Assassinen. Er hatte ohnehin nie vorgehabt, diese betörende Frau irgendwo hier draußen hinter einem Baum zu verführen. Fast schauderte er beim Gedanken an solche Stümperei, die ihr nicht im Mindesten gerecht werden würde. Nichts gegen die raue Schönheit der Natur - dieses Geschöpf da wollte er allerdings bevorzugt in Samt und Seide vor Lust vergehen sehen. Sie in sein Haus zu locken hatte er sich schwieriger vorgestellt. Doch nun hatte sie ihm eine Vorlage geliefert, geradezu auf dem Silbertablett serviert und Daerid war nicht gewillt, die Gelegenheit dieses "Festes" ungenutzt vorüberziehen zu lassen. "Eure Haut ist so weich wie Seide." flüsterte er mit kalter Berechnung in sanfter Tonlage während er seine Hand sinken ließ. "Warum überzeugt Ihr Euch nicht selbst davon, dass niemand mich vermisst, und begleitet mich zu meinem Haus, faszinierende Dheoran ?" fragte er in verführerischer Herausforderung und bot ihr abermals seinen Arm. Kluge Menschen. Wenn man den Sack zubinden konnte, dann sollte man es auch tun.

    Schon seit er den Vorschlag gemacht hatte, suchte Daerid's kühler Verstand nach dem geeignetsten Vorgehen, nach einem möglichst störungsfreien Weg durch die Menge hindurch ebenso wie nach einem Ort, an dem die Dheoran an seiner Seite Gefallen finden mochte. Alles an Etablissements schied jedenfalls aus, lächelte er süffisant wenn auch kaum merklich in sich hinein. Aber sie waren ja bereits an einem recht romantischen Plätzchen. Daerid's Blick musterte das fackelbeleuchtete Seeufer, wenn er es recht in Erinnerung hatte, befand sich dort auch irgendwo ein Steg, der etwas auf den See hinaus führte.
    "Gehen wir doch etwas am Ufer entlang." schlug er also vor als sie die letzten Stufen zurück gelegt hatten und führte Atashkada am Ende der Treppe höflich aber sehr bestimmt weg von den Tischen und den lauten Stimmen hinüber in die etwas lauschigere Umgebung des Seeufers.
    Langsam und gemessen setzte der Assassine seine Schritte, so dass seine Begleitung mühelos an seinem Arm neben ihm her schlendern konnte. Hinter ihnen wurden die Gespräche und die Musik langsam leiser. "Eine herrliche Nacht." bemerkte der Assassine und es stimmte durchaus. Nicht nur wegen ihres möglichen Verlaufs - die Luft war trotz der späten Stunde noch sehr mild und abseits der Festlichkeit wagten sich sacht die lieblichen Düfte der sorgfältig gehegten Blumenanlagen hervor und umschmeichelten den Weg des Paares am vom Fackelschein beleuchteten Ufer entlang. Still und ruhig lag das Wasser da und nur die vorwitzigen Flammen zeichneten hier und da ein geheimnisvolles Licht auf seine Oberfläche als wollten sie mit dem silbrigen Schein einer Mondscheibe konkurrieren, die gar nicht da war. Der Valisar registrierte all dies, auch wenn es in ihn nichts auszulösen vermochte. Aber er wusste um die Wirkung auf andere - nicht auf alle, aber seiner Einschätzung nach würde es Atashkada gefallen - und das war schließlich beabsichtigt. 'Wundert es Euch ?' hatte sie auf seine Nachfrage hin geantwortet und der Assassine musste feststellen, dass ihm gefiel, dass sie das Spiel so klar durchschaute und so gekonnt daran teilnahm - auch wenn es nicht das überschwängliche Gefallen der Fühlenden war, so machte es doch auch für einen Valisar einen Unterschied, ob ein Vorhaben nach Plan verlief oder misslang.
    Der anvisierte Steg tauchte im Fackelschein auf. Der Assassine war mit der Planung des folgenden Wegabschnitts bereits am Ende und wandte sich an die Frau an seiner Seite. "Sagt, Verehrteste - es wird sich auf dem Fest niemand beunruhigen, wenn wir die Zeit vergessen sollten oder die Sonne am Morgen etwas zu schnell aufgehen wird, nicht wahr ?" Er fragte es nicht aus Sorge. Es war Atashkada's letzte Gelegenheit, in die Nacht einzuwilligen oder einen Rückzieher zu machen.

    Sie hatte keine Angst, wie Daerid anerkennend feststellte. Nicht vor ihm, nicht vor den Blicken der Leute um sie herum und ganz sicher nicht vor dem, worauf ihr Spiel aus doppeldeutigen wie eindeutigen Anspielungen hinaus lief. Obwohl sie sich ihm völlig überlassen hatte in diesem Tanz und erst recht in dieser Endposition. Er nickte kaum merklich, die Lippen immer noch zu dem genüsslichen Lächeln geformt. "Euer Wunsch ist mir Befehl." schmeichelte er der Dheoran und hob sie unendlich langsam aber vollkommen mühelos wieder zu sich empor. Keine Sekunde ließ er dabei die Augen von Atashkada, deren Körper ihm weich und biegsam folgte, bis sie wieder sicher auf ihren Füßen und in seinem Arm Halt hatte. Erneut führte er die warme Hand an seine kühlen Lippen. "Ich danke Euch für ein höchst vergnügliches Erlebnis, schöne Dheoran." sagte er dann zu ihr - und musste seiner Tanzpartnerin dafür nichts vorspielen, denn er zollte ihr tatsächlich ehrlichen Respekt für die tänzerische Leistung, die sie hier geboten hatte.
    Formvollendet bot er ihr sodann seinen Arm, um sie von der Tanzfläche zu geleiten. In beabsichtigter leichter Ungehörigkeit neigte er den Kopf zu ihr hin "Ihr seid ein klein wenig erhitzt, Verehrteste." hauchte er dabei mit leiser Ironie in ihr Ohr hinein. "Was würdet Ihr davon halten ein wenig im Mondschein zu flanieren, um wieder zu Atem zu gelangen ? Auch ließe sich dabei sicher besser eine Unterhaltung führen als ...."
    Sie hatten die Treppe erreicht und Daerid's unverhohlen missfälliger Blick glitt von oben über die mittlerweile doch recht beachtliche Zahl trinkfreudiger Gäste, die immer noch eifrig Wein und Bier zusprachen und dabei ungeniert lachten und sich laut unterhielten "...... hier." beendete er den Satz. Niemals würde er sich so gehen lassen.
    Langsam schritten sie die Stufen hinab, nach wie vor machten ihnen die jungen Gaffer beinah ehrerbietig Platz. "Was haltet Ihr davon, Atashkada?" wandte der Assassine sich wieder mit sehr charmantem Lächeln an sein Zielobjekt. Wobei das anvisierte Ziel dieses Mal ein ausgesprochen harmloses war. Und für den Valisar zusätzlich längst eine willkommene Gelegenheit, ganz nebenbei einige seiner einstudierten Talente zu überprüfen.

    Natürlich konnte sie das nur zurückgeben, befand der Assassine ganz selbstverständlich für sich. Aber es gehörte nun mal zum Spiel dazu, dass sie es auch aussprach. Schamlos glitt Daerid's Blick über ihre vollen Lippen hinunter zur heftiger atmenden Brust seiner Tanzpartnerin. Keine zehn Sekunden Tanz hatte es ihn gekostet, um festzustellen, dass sie absolut nichts weiter trug unter ihrer Bluse. Es gab keine künstliche Vermehrung und in Form gezurrt war auch nichts. Allein schon deswegen wäre die überreiche Pracht, die sie ihm da dar bot, auch ganz ohne sonstige Ambitionen einen genaueren Blick wert gewesen. In der Kombination mit ihrer lebensbejahenden Fröhlichkeit sprach es Daerid's Sinne und Instinkte gleichermaßen an, wie er kühl feststellte. Es passte ihm gut ins Konzept, dass die Dheoran einer Fortführung des gegenseitigen Umgarnens offensichtlich nicht abgeneigt war, wie ihr verführerischer Tonfall und der Augenaufschlag bewiesen.
    Der Valisar hätte dieses Balzen nicht gebraucht, aber er war bereit, es der Schönen zuzugestehen. Leistung gegen Gegenleistung, das Prinzip war ihm bestens geläufig und Perfektionist wie er nun einmal war, würde es auch hier keine halben Sachen geben.
    Betont langsam fuhren seine Augen über ihren Körper zurück, bis sich sein Blick wieder in ihre Augen senkte, sein Gesicht zu einem Lächeln höchster Anerkennung geformt. "Wohl gesprochen, schöne Atashkada." flüsterte er mit gezielt sanfter Stimme. "Und sie verheißt, was man kaum zu erträumen wagte." Es war längst zu dem Schluss gelangt, dass sie eine selbstbewusste Frau mit Erfahrungen war, geradeheraus, kein jungfäuliches Püppchen, dass man mit zu direkten Komplimenten womöglich verschreckte. Ihr freier Geist würde im unverhohlenen Begehren den Reiz der Jagd empfinden und das Abenteuer des Augenblicks genießen können. Und sich erobern lassen, wenn es ihr gefiel. Und das Wichtigste: Für eine Dheoran würde es keine falschen Liebesschwüre für die Ewigkeit brauchen, um ihre Gunst zu gewinnen und nachfolgend weder Tränen noch Eifersuchtsszenarien geben. Sie hingen ebenso an ihrer Freiheit und Unabhängigkeit wie er selbst.
    Nach den ruhigeren Klängen, die dem Valisar zusätzlich zu seinen gedanklichen Betrachtungen daneben auch ermöglichten, die Fortsetzung des weiteren Abends und die Eroberung der Dheoran ähnlich einem Kriegsherrn zu planen, griffen die Musiker bald einmal wieder flotter in die Saiten und Tasten ihrer Instrumente. Ein wahres Feuerwerk aus Rhythmus und Klängen forderte die Tänzer nun geradezu zu ebensolchen Höchstleistungen auf. Konzentriert ließ Daerid seine Partnerin um sich herum wirbeln, jederzeit auf das Sorgfältigste darauf bedacht, dass sie zu keinerlei Blöße von ihm genötigt wurde und er jeden Fehltritt augenblicklich hätte auffangen können. Doch es gab keinen. Perfekt auf ihn eingestimmt wie die Instrumente des Orchesters es aufeinander waren, tanzte Atashkada anmutig und leicht in seinen Händen und Daerid musste zugeben, dass er mit der Dheoran auch im prunkvollen Ballsaal eines Hohen Hauses keinesfalls unangenehm aufgefallen wäre. Der feurige Tanz erwärmte sogar seinen Körper ein wenig, wie er distanziert bemerkte - auch wenn er ihn zu keinem Zeitpunkt als Anstrengung bezeichnet hätte. Eine letzte gekonnte Drehung, eine letzte wirbelnde Pirouette und exakt zum grandiosen Finale des Stücks lag Atashkada in Fallpose an seinen Oberschenkel gelehnt und von seiner Hand im Rücken gehalten, die andere stütze ihr erhobenes Bein und hielt zugleich schicklich den Rock über jeden etwa zu tiefen Einblick. Die Tanzfigur erlaubte dem Assassinen den uneingeschränkten Blick auf ihren heftig atmenden, hingegebenen Körper und Daerid entschied endgültig, dass er sie genau so sehen wollte später. Musste. Sie würde ein unvergessliches Kunstwerk bilden in ihrer entfesselten Leidenschaft.
    Ein anerkennendes, begehrliches Lächeln stand wohl modelliert in seinem Gesicht und er ließ sich sogar dazu herab, ebenfalls etwas betonter zu atmen. "Die Versuchung dieser Nacht ist wahrlich übermächtig, Atashkada aus dem Feuer des Nelio." bekannte er anzüglich und mit rauchiger Stimme und ließ erst gar keinen Zweifel daran aufkommen, dass er ihren eindeutigen Anblick unter sich genoss. Und sie trotzdem auf das leiseste Anzeichen von ihr hin augenblicklich wieder aus ihrer Position herausholen und aufrichten würde.

    Daerid's Augen verengten sich unmerklich als Atashkada ihn exakt den richtigen Hauch zu lange warten ließ, um die Situation reizvoll zu gestalten. Zwar vermochte es den Valisar nicht zu reizen, aber er kannte dieses Spiel in und auswendig und seinem in langen Jahren intensivster Beobachtung geschärftem Auge entging nicht die leiseste Geste oder Andeutung, die seine Begleitung machte. Der Abend bewegte sich auf einen verheißungsvollen Ausklang zu. Zwar kannte der Valisar keine Gefühle, dies hinderte ihn jedoch nicht daran, mit einer Art Wohlwollen die natürliche Eleganz zu bewundern, mit der Atashkada ihm virtuos schelmisch-verführerisch zulächelte, um sich gleich im Anschluss daran scheinbar zahm seiner Führung zu überlassen. Sie beherrschte ihren Part. Nüchtern stellte der Assassine fest, dass sein Körper sich der Anziehungskraft der schönen Dheoran jedenfalls überaus bewusst war. Nun - der hatte auch schon längere Zeit auf derartiges verzichten müssen, denn der Valisar war wählerisch mit seiner Gunst.
    Und Arbeit ging ohnehin immer vor.
    Federleicht und warm lag Atashkada's Hand auf seinem Arm und für einen Augenblick bohrte sich Daerid's Blick in ihre Augen. "Ihr freut Euch zurecht darauf." versicherte er ihr mit der unwiderstehlichen Arroganz, zu der nur ein Valisar fähig war. Nur dass es für Daerid lediglich die simple Feststellung einer unumstößlichen Tatsache war, auch wenn ihm durchaus bewusst war, dass sich sonst kaum jemand zu einer solchen Bemerkung hinreißen lassen würde. Oder trauen würde.
    Ehrerbietig und achtsam geleitete er seine Tanzpartnerin den Weg entlang, den er lange zuvor schon als den störungsfreisten eruiert hatte und tatsächlich zeigte niemand ein Interesse daran, seiner schönen Begleiterin den Weg zu verstellen. Und auch der eine oder andere Betrunkene zog es angesichts des eisig-stechenden Blick ihres hochgewachsenen Begleiters ganz freiwillig vor, sie nur trunken und selig anzuhimmeln. An der Treppe genügten ein paar unauffällige aber um so unmissverständlichere Gesten seitens des Assassinen, um die jungen Strolche, die sich auf ihr herumtrieben, dazu zu bewegen, ihnen augenblicklich Platz zu schaffen. Ihr leises Flüstern wurde von den sanften Klängen der Musik zurück gedrängt, die den Rest ihres Wegs umschmeichelte. Auf der Tanzfläche angelangt, wartete Daerid wohlerzogen ab, bis sich Atashkada ihm zugewandt hatte und führte dann die Hand auf seinem Arm in einer erneuten Verneigung an seine Lippen.
    Das geplante, zweideutige Lächeln erschien auf seinen Zügen als er sie wieder ansah. "Auf das Vergnügen." sagte er mit bewusst leicht rauem Tonfall - diesen seinen jeweiligen Absichten anzupassen, hatte ihn viel Mühe gekostet, aber inzwischen saßen die gewollte Nuancen - und zog den Körper seiner Partnerin eng an den seinen heran und umfing ihn unaufdringlich mit seinem Arm. Mit gelassener Selbstverständlichkeit begann er die schöne Dheoran in die wunderbare Melodie hinein zu führen und stellte zufrieden fest, wie mühelos und elegant sie ihm folgte. Und was er von Atashkada's Körper fühlte während dieser ersten einfachen Schritte zur beiderseitigen Orientierung ...... nun es passierte Daerid nicht häufig, dass seine Erwartungen übertroffen worden. Heute war es soweit. Aber heute nahm er es mit Genuss zur Kenntnis, denn sogar das Parfum, welches sie angelegt hatte, schmeichelte seinem Sinn mit leidenschaftlich seidiger Note und passte perfekt zu den Verlockungen, die ihre Kleider noch vor seinem Blick verbargen.
    Schnell wurde ihre Choreografie mutiger und schwieriger und es befriedigte Daerid's Sinn für Ästhetik, mit ihrer biegsamen Gestalt taktgetreu über die Tanzfläche zu schweben. Atashkada raubte der Unzulänglichkeit um sie herum jede Beachtung von Daerid's Seite.
    Als die Musik wieder zu ruhigeren Klängen überging und ihre Körper sich wieder nah waren, senkte der Valisar seinen Mund an ihr Ohr. "Es ist wahrlich ein Vergnügen Euch so zu spüren, schöne Dheoran." flüsterte er in sanftem verführerischen Ton hinein und zog sie noch näher zu sich heran. Langsam war es an der Zeit, seinen Absichten etwas mehr Nachdruck zu verleihen und zu sehen, was die schöne Frau in seinen Armen davon halten mochte.

    Das Lächeln verblieb auf Daerid's Gesichtszügen wie in Erz gegossen, während sein Blick wieder zu den Tänzern hinüber glitt. Bewegen war das richtige Wort für das Trauerspiel, dass den kundigen Augen auf der Tanzfläche geboten wurde, denn Tanzen konnte man das wohl kaum nennen. Zwischendurch hatten ein Meereself und seine Partnerin kurzfristig dafür gesorgt, dass den zauberhaften Klängen der Musiker etwas Ebenbürtiges zuteil wurde .... im Großen und Ganzen war es jedoch eine Beleidigung dieser Virtuosen, was aus ihren beflügelnden Klängen gemacht wurde. Und eine Beleidigung für Daerid's Sinne. Aber was konnte man auch erwarten, wenn massentauglicher Tanz für alle gesellschaftlichen Klassen das Bild bestimmte.
    Nüchtern wog der Valisar ab, ob seine aparte Gesellschaft die Zumutung wert war, diese Figuren aus der Nähe betrachten zu müssen. SIE würde weder sich noch ihn derart blamieren, da war der Valisar sich sicher. Einer Dheoran lagen Rhythmus und Körpergefühl im Blut - er sollte die restlichen Leute ein Stück weit ausblenden können dafür.
    Ein berechnendes, leicht diabolisches Grinsen erschien auf seinen Zügen als er Atashkada wieder ansah. Sie wollte also tanzen. Daerid verzieh ihrer Schönheit den kleinen Trick, mit dem sie unschicklicherweise beinah eine Art Damenwahl praktiziert hatte. Er schloss daraus, dass auch sie seinen heimlichen Erwägungen nicht völlig abgeneigt war. Denn was war Tanzen schon anderes als das gesellschaftskonforme Ausloten des anderen Körpers, wenn man Leib an Leib schmiegte ? 'Ja' entschied der Valisar für sich. Er verspürte in der Tat ein gewisses Interesse daran, ob die üppigen Rundungen seiner Begleiterin auch bei dieser näherer Betrachtung hielten, was sie versprachen. Und so glitt er mit fließender Bewegung von seinem Platz kaum dass Athashkada's Worte verklungen waren, streckte ihr die Hand entgegen und verneigte sich formvollendet vor ihr. "Dann habe ich die Ehre und das Vergnügen, Euch um diesen Tanz zu bitten, schöne Atashkada." Sein Blick senkte sich auffordernd in ihre Augen hinein.

    Daerids Gesicht nahm den angemessen Ausdruck für eine unliebsame und unerwartete Nachricht an - nicht zuu übertrieben. Sacht schüttelte er den Kopf dazu als könne er es nicht so recht glauben, was er da hörte.
    Der Sermon über das Parfum des Begünstigten gab dem Assassinen Zeit für ein paar eigene Gedanken über das Geschehen.
    Es war eine ziemliche Sauerei gewesen, Sandaîr so zu zurichten und der Valisar bevorzugte, nicht daran zu denken. Es bewies allerdings auch die Unzulänglichkeit der ermittelnden Stadtwachen, wenn sie nicht erkannt hatten, dass die Stiche dem Opfer erst nach Todeseintritt zugefügt worden waren...... andererseits - auf ein paar Tricks und kleine Hilfsrezepturen, die auch totes Blut nochmal etwas ausschwemmen ließen, musste man erst einmal kommen. Es war wohl Ironie des Schicksals, dass dennoch ein Mann den Titel des Meisterparfumers gewonnen hatte. Daerid war sich ziemlich sicher, dass seine Auftraggeberinnen dies anders vorgesehen hatten...... Und die untreue "hohe" Frau war nur ihren Liebhaber, nicht aber den ungeliebten Gatten losgeworden. Aber das alles kümmerte ihn nicht. Der Auftrag war reich entlohnt worden und solange alle Welt überzeugt war den Täter zu kennen, spielte es keine Rolle, dass der aufgrund seines Vermögen dem Strick entgangen war. Geschäfte würden sich auch mit Zerial Berjár abwickeln lassen, da war der Assassine zuversichtlich.
    Die Augen des Valisar kehren vom Wein, den er sanft in seinem Kelch hatte kreisen lassen, wieder zu Atashkada zurück und erneut erschien das anziehende Lächeln auf seinem Gesicht "Da spricht die Kennerin - sehr interessant Eure Ausführungen." und nichts an seinem Gesichtsausdruck verriet, dass er kaum zugehört hatte. "Nun - solche Dinge sind natürlich sehr betrüblich." wahrte er den Anstand und bekannte "Aber es war tatsächlich eine reine Geschäftsbeziehung, keine engere Verbindung. Ich denke, ich werde die Zutaten auch anderweitig gut handeln können." Das stand außer Frage und auch wenn Daerid stark bezweifelte, dass ein junger Dheoran sich dieselben würde leisten können, fuhr er artig fort. "Es wäre mir ein Vergnügen, Eurem geschätzten Bruder meine Waren zeigen zu dürfen." Er prostete ihr angedeutet zu und leerte sein Glas. Der Abend hätte aus seiner Sicht kaum zufriedenstellender verlaufen können. Doch die lebhaften blitzenden Augen hatten ihn gewarnt, das Glück nicht all zu sehr heraus zu fordern und so ließ er jetzt den Blick etwas über ihren Tisch hinaus schweifen bis hinauf zur Tanzfläche. "Das Orchester ist hervorragend, nicht wahr ?" schlug er mit verführerischem Lächeln ein aus seiner Sicht unverfängliches Thema an. Sein Informationsbedürfnis hatte Atashkada bis hierhin wahrlich gut gestillt, vielleicht war die schöne Dheoran auch für ein Übereinkommen zu gewinnen, in dieser Nacht noch ganz andere Bedürfnisse zu befriedigen. Und falls nicht, war sie die Sünde des Weins dennoch wert gewesen, resümierte Daerid. "Darf ich Euch noch etwas zu Trinken holen, Verehrteste ?"

    Während ein kalkuliertes amüsiertes Lächeln auf seinen Zügen erschien, resümierte Daerid leidenschaftslos, dass ein wacher Verstand in dem hübschen Köpfchen saß. Das war keine geistig minderbemittelte kleine Hure oder ein geldgieriger Informant. Er würde etwas besser aufpassen müssen. "Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, schöne Atashkada !“ setzte er dennoch mit ausgefeiltem Senken des Kopfes und leisem Zwinkern noch ein verspieltes Flirten oben drauf.
    Falls ihre Neuigkeiten seine Erwartungen nicht erfüllten – diese pralle Portion Lebensfreude mit den überreichen Kurven zu entblößen und jede einzelne Stelle dieses Körpers kunstfertig der höchsten Erregung zuzuführen, um in den Genuß des Anblick ihrer anmutigen entfesselten Leidenschaft zu kommen, wäre wohl ebenfalls ein lohnendes Unterfangen für diese Nacht.
    Es konnte nicht schaden, sich alle Optionen offen zu halten.....


    „Habt Dank für Eure freundliche Anteilnahme!“, sagte er kurz darauf und es kostete ihn dies Mal keine große Schauspielkunst, etwas fatalistisch und mit klagender Stimme hinter her zu schieben „Der Verlust war hart – aber noch zu verschmerzen. Was geht bloß in solchen Personen vor ? Kein Sinn für Recht und Ordnung oder die Nöte anderer. Und da werden sie wohl wieder ungestraft davon kommen.“ Er schüttelte leise seufzend den Kopf.
    Denn es stimmte – der Verlust eines Teils seiner dortigen Waren, die er zur Tarnung vertrieb, war tatsächlich in finanzieller Hinsicht nicht unerheblich gewesen. Zumindest wenn man nicht wusste, dass die Witwe Fomlo eine weit mehr als beträchtliche Summe dafür gezahlt hatte, dass ihr ungeliebter Gatte dort in dem Lagerhaus spurlos verschwunden war. Die aparte Dheoran berichtete dem Valisar da gerade von einer sehr umfangreichen Operation, die Daerid über mehrere Monate beschäftigt hatte – angefangen von der Entführung Ehereck Fomlo's bis hin zu seiner Ermordung und Entsorgung im Feuer eines Lagerhauses – nach dem genügend Zeit verstrichen und der Ehemann der selbstredend zutiefst betrübten Witwe endlich für tot erklärt worden war. Leider hatte der begnadete, wenn auch verrückte Alchemist, der Daerid mit dem benötigten Brand- und Zündstoffen für ein derart spezielles Feuer versorgt hatte, am Ende die Nerven verloren und unplanmäßig in seinem eigenen Feuer entsorgt werden müssen. Er hatte ganze Arbeit geleistet, wenn in den Überresten des Feuers nicht die geringste Spur der beiden Leichen gefunden worden war. Daerid machte in Gedanken einen abschließenden Haken hinter diesen Auftrag und notierte im Geiste zugleich die demnächst Frischvermählte als zukünftige potentielle Unterkunft für weitere Geschäfte in Ilassea.


    "Ja.....“ sagte der Valisar nachdenklich. "So sind die Leute. Nichts ist interessanter als Klatsch und Tratsch – und eine solche Heirat ist in der Tat geeignet, die Münder zum Reden zu bringen.“, bestätigte er seiner Gesprächspartnerin und nahm einen Schluck seines Weins. Das war schon mal ein zufriedenstellender Auftakt seiner Begegnung mit Atashkada gewesen.
    "Nun ja – vielleicht eröffnen sich mit dieser Vermählung neue Möglichkeiten für Geschäftsabschlüsse. Ich muss optimistisch sein. Das wäre dann tatsächlich doch noch eine gute Neuigkeit, die Ihr mir da mitgeteilt habt, Verehrteste.“ und er schenkte ihr eines seiner anziehensten Lächeln dafür – auch wenn sie den wahren Zusammenhang nicht verstehen konnte natürlich.


    Auf das Sorgfältigste darauf bedacht als sei ihm der folgende Gedanke gerade erst gekommen, wandte der Assassine den Kopf mit gerunzelter Stirn ein wenig ab und sah die Dheoran dann wieder an. "Wisst Ihr – bei Geschäftsbeziehungen fällt mir etwas ein. In Deléuna stand ich in enger Geschäftsbeziehung zu einem der berühmtesten Parfümer der Stadt – jeder erwartete, dass er in diesem Jahr den Titel des Meisterparfümers erobern würde. Ich selbst lieferte ihm einige der erlesensten Zutaten dafür, müsst Ihr wissen.“ In bewusster leichter Arroganz strich Daerid's Hand gezielt sein seidiges tiefschwarzes Haar etwas zurück. "Aber bis heute habe ich nichts mehr von Corlan Sandaîr gehört – keine Nachricht, keine Geschäftspost, keinerlei Bestellung. Ihr habt nicht zufällig etwas über den Ausgang des diesjährigen Wettbewerbs in Deléuna gehört ?“

    Selten hatten die Augen des Valisar eine so schöne Frau des fahrenden Volkes gesehen - und Daerid Canvele kannte deren einige. Es blieb fast nicht aus, dass man den Dheoran begegnete, wenn man selbst viel unterwegs war. Wenn auch aus völlig verschiedenen Gründen.
    Ihre ungewöhnlichen Augen waren ihm nicht fremd, irritierten ihn nicht und so sah er mit ernstem aber entspanntem Gesicht hinein, im sicheren Bewusstsein, dass sein Gesichtsausdruck in dieser Form als freundlich angesehen wurde. "Es war Eure Wahl." erinnerte er mit sanft empor gezogenem, millimetergenau berechnetem Mundwinkel und trank ebenfalls einen kleinen Schluck. Alkoholische Getränke standen für gewöhnlich nicht auf Daerid's asketischem Lebensplan - aber hier ging es um's Geschäft.
    "Atashkada..." ließ er sich den Namen auf der Zunge zergehen - einen angenehmem Klang hatte ihr Name dort. "... ein ungewöhnlicher Name. Nelio .... lasst mich überlegen. Nelio ... ?" eine kleine Falte erschien auf der sonst so glatten Stirn. "Ihr nennt eine recht einflussreiche Familie die Eure - wenn ich mich nicht täusche." Und Daerid pflegte sich gewöhnlich nicht zu täuschen. Von dieser Familie hatte er allerdings schon gehört. "Ja ... Neuigkeiten." nickte er langsam. "Wisst Ihr, als Händler bekomme ich zwar so einiges mit. Doch leider zwingen mich die Geschäfte häufig, früher abzureisen als ich möchte - und so verpasse ich manchen Ausgang der Geschehnisse. Und es schadet nie, sich genauer über manches Gerücht kundig zu machen, das man unterwegs so aufschnappt. Führte Euch Euer Weg letztens vielleicht nach Ilassea ? Vor etwa sechs Monaten gab es einen großen Brand bei den dortigen Lagerhallen. Ein Teil meiner eigenen Waren fiel dem Brand zu Opfer." Daerids Stimme erhielt bei diesem Satz eine kunstvolle Nuance aus Empörung und Fatalismus angesichts eines solchen Frevels. "Wisst Ihr vielleicht, ob die Täter inzwischen gefasst wurden ?"

    Nur für einen kurzen Augenblick konnte Daerid im Gesicht der Dheoran echte Überraschung und Irritation erkennen. Schon als sie ihn daraufhin genauer unter die Lupe nahm, waren ihre Züge wieder von dieser typischen aufgeschlossenen Offenheit eingeholt, die man so sonst bei kaum einem anderen Volk auf Beleriar zu finden vermochte. Der Assassine ließ dem wachen Blick ausreichend Gelegenheit seine gepflegte Erscheinung und die edlen Kleider zu studieren damit die Frau die etwas rüpelhafte Kontaktaufnahme darüber vergaß. Mit unauffälliger Eleganz geleitete seine Hand die Dheoran zur angebotene Sitzgelegenheit, nachdem sie seine Einladung angenommen hatte und der Valisar nahm ihre tänzerische Anmut ebenso wohlwollend zur Kenntnis wie ihr gutes Benehmen. Ein Augenschmaus, wenn er es mit der nervösen Kanalratte davor verglich, die zwar ebenfalls informativ aber dafür optisch ein Trauerspiel gewesen war.
    Er selbst blieb stehen.
    "Daerid Canvele" stellte er sich höflich vor sobald seine neue Gesprächspartnerin sich auf der Bank arangiert hatte. "Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Euch das Gewünschte zu holen. Gebt mir einen Moment." Mit einer ehrerbietigen Verneigung, die angemessener nicht hätte sein können, wandte sich der Assassine vom Tisch ab und begab sich zum Ausschank, seine Schritte geschmeidig und fließend. Er hatte ihr absichtlich keine Zeit gelassen, sich ihrerseits vorzustellen, da der Anstand gebot, dass er zunächst seinen Teil des "Geschäfts" einlöste. Die ersten Wellen der Getränkesuchenden waren mittlerweile versorgt und so erstand Daerid recht schnell das Begehrte. Mit zwei edleren Weinkelchen in den ruhigen Händen kehrte er an den Tisch zurück, servierte seiner neuen Bekanntschaft formvollendet ihren Wein und glitt dann selbst auf die andere Bank ihr gegenüber. Höflich hob er sein Weinglas zum leichten Gruß an.
    "Auf das Glück, Euch getroffen zu haben und auf ein anregendes Gespräch!" prostete er der schönen Frau lächelnd zu. Dies alles war für Daerid längst ein Kinderspiel geworden, unzählige Male erprobt und immer wieder bis zur Vollendung verfeinert. Man hätte den Valisar schon sehr gut kennen müssen, um sein Gebaren als ein einziges Schauspiel enttarnen zu können. Wenn er denn je jemandem diese Gelegenheit gegeben hätte.