Da standen sie, die beiden, fast auf gleicher Höhe vor ihm.
Er beinahe das Ebenbild einer der kunstvollen Statuen überirdischer Männlichkeit, wie sie so manchen Tempel in Nir'alenar zierten. Und sie so geschmeidig und ansehlich wie es die Damen sein mussten, die mit wehmütigen klangvollen Stimmen auf den Bühnen dieser Stadt besungen wurden, in denen ihnen die Herzen zu Füßen gelegt wurden.
Völlig freies Trefferfeld auf beide.
Daerid hatte keinerlei Idee, was die Frau dazu bewogen haben mochte, den Platz hinter Pottler frei zu geben und sich zu dem Syreniae in die Zange zwischen Sprungbart und sich selbst zu begeben. Ein schwerer taktischer Fehler seiner Meinung nach - denn einer der beiden würde nun immer sterben, wenn diese Situation hier eskalierte.
Sinnlos, es ergründen zu wollen und so lauschte Daerid dem Wortwechsel der beiden Kontrahenten. Willian hatte offenbar begriffen, dass er im Augenblick so oder so der Gelackmeierte war. Die graue Schlange würde von dieser Sache hier erfahren - Zeugen gab es zuhauf - es spielte gar keine Rolle mehr, ob Sprungbart etwas verriet oder nicht.
Wenn der Geflügelte die Halle aufrecht verließ - war Willian so gut wie tot.
Dann konnte er sich jeden sonstigen Respekt des Haufens dort draußen sonst wo hinschmieren, mit seiner Büste zerhacken und mitsamt seiner roten Pampe konsumieren.
Als Henkersrausch, sozusagen.
Das laute melodische Lachen des Geflügelten durchdrang die fast leere Halle bis in ihren letzten schmutzigen Winkel hinein und schien sie für einen winzigen Augenblick von ihrer Besudeltheit zu erlösen. Für den Sekundenbruchteil konnte Daerid sich den Mann selbst auf einer Bühne stehend vorstellen und mit glockenklarer Stimme die Frau an seiner Seite umschmeicheln sehen.
Der Gedanke blieb - den Worten des Satyr geschuldet, der dem Syreniae einen Vorschlag an den Kopf donnerte, der ebenso aberwitzig wie tollkühn war.
Ein Bühnenstück für die graue Schlange......
Vielleicht steckte in Sprungbart doch etwas mehr von dem kühl kalkulierenden Auftraggeber als den Daerid ihn kennen gelernt hatte.
Und nicht ganz so viel ............ Der Valisar verzog leicht das Gesicht.
Und der Syreniae ? Daerid fragte sich, ob er selbst dem Satyr trauen würde - und Antwort war einfach: Um's Verrecken nicht. Aber was mochte in Sprungbart überwiegen ? Würde er den Geflügelten hintergehen, um weiterhin vor der grauen Schlange zu buckeln ? Oder würde er es als den heiligen Aufgang allen Glanzes ansehen, wenn er selbst an der Spitze stehen konnte ?
Der Sturz der grauen Schlange würde den Nachtmarkt in seinen Grundfesten erschüttern - so viel war sicher.
Und Pottler ? Würde Aufträge über Aufträge haben......
Die schlanke Frau orientierte sich etwas nach hinten und Daerid schenkte ihr sofort mehr Aufmerksamkeit. Sie spielte mit einem Dolch herum. Konkurrenz für ihn selbst war sie jedenfalls nicht - aber vielleicht würde auch sie von einer solchen Bodenwelle im Gefüge des Nachtmarkts profitieren können.... was auch immer sie war.
Die Hand des Valisar verharrte im allerletzten Moment vor der Seite seiner Kapuze als er erkannte, dass die Frau sich nicht wirklich auf Willian zubewegte sondern ihr Schritt in dessen Richtung nur ihren Worten mehr Gewicht verleihen sollte.
"Er meint, dass ein Dolch im Nacken jedes Gift vollkommen überflüssig macht, Weib.", sirrte die Stimme des Assassinen pfeilgleich als Antwort wie Warnung auf ihre spöttische Frage an den Satyr durch die Halle, als die Frau ihre Worte kurz unterbrach, um einen Blick mit dem Syreniae zu wechseln.
Dennoch fuhr die Schönheit in ihrer Rede fort und Daerid fragte sich abermals unwillkürlich, welcher Profession sie wohl angehören mochte und was sie hier tat. Wollte sie Pottler für dumm verkaufen ? Oder glaubte sie selber ernsthaft daran, die graue Schlange würde sich mit den Tatortrequisiten eines Kindergeburtstags als Beweis für das Ableben des Syreniae zufrieden geben ?
Daerid's Gedanken kehrten zurück zu dem Bühnenstück - die drei Darsteller vor Augen, den edlen Syreniae, die atemberaubende Schöne und den häßlichen überzeichneten Satyr - in jeder Hinsicht so viel passender als jeder Dramatiker in der alten Oper es hätte ersinnen können.
"Was sagst Du zu Willian's Vorschlag, Syreniae ? Ist der Mut groß genug, um aus der Konfrontation eine Zweckgemeinschaft zu bilden ? Alle könnten profitieren - und niemand müsste tatsächlich hier liegen bleiben.", warf der Valisar reichlich nüchtern und undramatisch seine Überlegungen zum Auftakt des Schauspiels in die Halle hinein.