Beiträge von Shizar

    Ein helles Lachen klang aus Shizars Mund. Ein Ton, der an eine helle Glocke erinnerte und der beinahe überschäumend wirkte, wenn man ihre gewöhnliche Emotionslosigkeit in Betracht zog. Bei einem anderen Wesen hätte man es wohl als zurückhaltend empfunden.


    „Lythia Nevastol? Sie soll Euer Köder sein? Ich bitte Euch, Zandhros. Fällt Euch kein Name ein, der interessanter wäre als ausgerechnet dieses junge Ding? Sie mag einen falschen Namen benutzen und sich selbst für raffiniert halten, aber jeder weiß doch, wie sehr sie sich jedem Schattenmagier an den Hals wirft, der auch nur über einen Funken Macht verfügt. Oh, sie wäre willig, da bin ich sicher. In jeglicher Hinsicht.“


    Shizars Erheiterung mündete in ein leises, amüsiertes Kichern und ihre Augen funkelten vergnügt und ließen die Anspannung schwinden. In der Tat, Zandhros mochte sich für unglaublich allwissend halten, doch Shizar war Ihrerseits keineswegs uninformiert. Lythia Nevastol war eine junge Menschenfrau. Machtgierig und versessen auf Geheimnisse, die ihre Kräfte bei Weitem überstiegen. In Nir’alenar nannte man sie nicht umsonst „die schwarze Nymphe“ – kein sehr schmeichelhafter Name, wenn man es recht bedachte. Und überaus passend. Sie war hübsch und saugte den Männern, die sich mit ihr umgaben, die Geheimnisse aus, ließ sie dann fallen, um sich dem nächsten, viel versprechenderen Kandidaten zuzuwenden.


    Sie schüttelte den Kopf und wechselte mit erhobener Braue einen Blick mit Dandara, bevor sie sich wieder ihrem Gegenüber zuwandte.


    „Nein, Zandhros. Wenn Ihr mich ködern wollt, dann versucht es nicht mit solch billigen Tricks. Damit beleidigt Ihr meine Intelligenz und steht selbst nicht unbedingt gut da. Ihr müsst schon mehr aufbieten, wenn Ihr mich einfangen wollt. Neid und Eifersucht sind keine lukrativen Mittel, mit denen man mich zu locken vermag. Ebenso wenig wie poetische Worte über die Macht des Schattens.“


    Als sie diesmal sprach, fiel die Erheiterung von ihr ab und Shizars Miene wurde ernst und kühl. Ihre Stimme klang gar ein wenig herrisch, eine Spur ihrer Macht vibrierte darin und warnte Zandhros davor, sie zu unterschätzen oder gar noch einmal auf eine solche Weise zu beleidigen.
    Ja, man konnte mir Shizar stets ins Geschäft kommen, aber sie mochte es nicht, wenn man sie mit Luft einzufangen gedachte. Sie war zu sehr Geschäftsfrau für fantasievolle Versprechungen – sie bevorzugte harte Fakten.

    Shizar zwang sich zur Ruhe. Ein tiefer Atemzug, dann ein zweiter. Sie spürte, wie sich die heißen Wogen der Wut wieder zu glätten begannen und sich die Maske der Emotionslosigkeit an Ort und Stelle bewegte. Verdammter Mistkerl. Ihr kleiner emotionaler Ausrutscher schien im nicht aufgefallen zu sein. Vielleicht hatte er ihn auch auf seine Offenbarung eines übermächtigen Wesens geschoben. Immerhin war Zandhros ein Mann und ein solcher war selten ein Musterbeispiel für Feinfühligkeit. Wahrscheinlich würde er es auf ein besonders schreckhaftes Wesen schieben. Nun denn, das sollte ihr recht sein. Eine solche Einschätzung konnte unter diesen Umständen von Nutzen sein.


    Shizar spürte, wie sich auch Dandara wieder ein wenig entspannte. Weitaus weniger zurückhaltend als Shizar ließ sie ein lautes Gähnen hören und rutschte dann näher an ihren Hals heran, um sich gemütlich anzulehnen.


    "Mir ist weder an unglaublicher Macht noch an Wohltätigkeit gelegen, Zandhros. Was bringt Euch nur auf den Gedanken, daß ich darauf brenne, mich Gefahren und Unbill auszusetzen, um mich irgendeinem gewaltigen Schattenwesen zu stellen, daß bislang nur in einer seltsamen Prophezeihung oder gar allein in Eurer lebhaften Vorstellungskraft existiert?"


    Sie lehnte sich zurück, scheinbar entspannt und desinteressiert, die Hände ruhig auf dem Tisch gefaltet. Ein leises, resigniertes Seufzen kam über ihre Lippen.


    "Nein, Zandhros, Ihr müsst mich vollkommen falsch einschätzen."

    Es gelang Shizar nicht mehr, ihre Miene zu kontrollieren und doch war es nicht Zandhros' Prophezeiung, die sie in Angst und Schrecken versetzte. Ihre Augen weiteten sich, huschten zu Dandara und ihr Atem stockte. Auch der Schattenfee gelang es nicht, die Kontrolle über ihre entgleisenden Gesichtszüge zu wahren und so starrten die winzigen Augen auf den Schattenmagier, der noch nicht einmal im Entferntesten ahnen konnte, welche seiner Enthüllungen diese Reaktionen ausgelöst hatte.


    "Woher wisst ..."


    Shizar brach ab, atmete tief ein, um ihr aufgewühltes Inneres zu beruhigen. Es interessierte sich nicht, was mit dem Gefüge der Magie geschah, nicht jetzt. Wie viele Prophezeiungen hatte sie in ihrem Leben gelesen, gehört, gesehen? Es waren zuviele, um sie noch zählen zu können. Doch sie war eindeutig daran interessiert, daß ihr Leben nicht aus den Fugen geriet und daß keiner davon erfuhr, worum es sich bei dem Zeichen auf ihrer Schulter handelte. Sie hatte dieses Geheimnis seit ihrer Kindheit bewahrt und sie legte keinen Wert darauf, daß die Welt jetzt davon Kenntnis erlangte.
    Mühsam gelang es ihr, den Kampf um ihre Fassung zu gewinnen und ihre Gefühle hinter einer emotionslosen Maske zu verstecken. Eine kleine Flamme der Wut flackerte in ihren Augen, Wut darüber, daß es ihm gelungen war, ihr eine Reaktion zu entlocken, die sie zu verbergen trachtete. Er war geschickt, das musste sie ihm lassen. Zu geschickt für ihren Geschmack.


    "Woher wollt Ihr wissen, ob mich die Göttin der Nacht gezeichnet hat, Zandhros? Ich glaube nicht, daß ich ein solches Geheimnis offenbaren würde und ich glaube kaum, daß Shirashai Euch eine Vision gesandt hat, also versucht gar nicht erst, mir einen solchen Unsinn einzureden."

    Shizar sandte der Bedienung einen schiefen Blick aus ihren rauchfarbenen Augen, die darüber hinaus jedoch nichts über ihre Gedanken verrieten. Die kurze Gesprächspause, während diese die Speisen servierte, verhalfen ihr dazu, ihre Gedanken ein wenig zu ordnen und für einen ungestörten Augenblick über das Gesagte nachzusinnen.
    Selbstverständlich hatte sie bemerkt, wie Zandhros Augen sich für einen kurzen Moment verändert hatten. Er war also vom Schatten berührt. Eine ausgesprochen interessante Entdeckung, die anzeigte, wie tief der Magier wohl seine Nase in die tieferen Geheimnisse der Schattenmagie gesteckt hatte. Solcherlei geschah, wenn man gar zu tief in die Magie des Schattens eintauchte. Eine Art Zeichen, einem Brandmal nicht unähnlich. Und nicht allzu verschieden von dem Mal, das Shizar selbst auf ihrer Schulter verbarg.


    Sie machte sich wenig Sorgen darüber, daß er allzu viel über ihre Person in Erfahrung gebracht hatte. Shizar war gründlich im Verwischen ihrer Spuren und so konnte er wenig mehr wissen, als daß sie gerne den Mysterien der Schattenmagie nachjagte und dafür einiges zu riskieren bereit war.
    Doch wenn Shirashai ins Spiel kam, war die Halbelfe keineswegs mehr so risikobereit, wie man meinen sollte. Natürlich war das Buch der Schattengesänge angeblich von der Göttin selbst verfasst. Doch Shizar glaubte nicht ganz an diese verbreitete Meinung der Gelehrten, die sie als anmaßend und töricht empfand.
    Doch Zandhros wäre mit Sicherheit nur allzu schnell dazu bereit, an solcherlei zu glauben. Immerhin war er ein Anhänger der Göttin und dies trug nicht unbedingt zur Klarheit der Sinne und treffsicheren Urteilsfindung bei.


    Nachdem die Bedienung den Tisch verlassen hatte, richtete sie ihren Blick wieder fest auf ihr Gegenüber und zog eine feine, schwarze Braue beinahe spöttisch empor.


    "Nun? Sicherlich brennt ihr doch darauf, mir mehr über eure Entdeckungen zu erzählen, Zandhros? Ihr wirkt nicht wie jemand, der sich mit Bescheidenheit schmückt."

    Die gnadenlose Ehrlichkeit ihres Gegenübers schockierte Shizar für einen kurzen Augenblick, auch wenn sich dieses Gefühl nicht auf ihren Zügen widerspiegelte. Womöglich lag es daran, daß es sich bei ihm um einen Menschen handelte. Menschen hatten eine direktere Art als Elfen, ihre Gefühle auszurücken. Andererseits... es war in keiner Gesellschaft an der Tagesordnung, daß man etwaiges erotisches Interesse derart offen ankündigte. Speziell, wenn man seinen Gesprächspartner erst zweimal gesehen hatte.
    Es war nicht so, daß es Shizar wirklich störte, allerdings war es ihr auf unangenehme Art und Weise schleierhaft, wie sich sich Zandhros entziehen sollte. Keine ihrer Taktiken erschien ihr erfolgsversprechend und ganz gleich was sie tat, es würde sich ausgesprochen kompliziert gestalten, ihn lebendig wieder los zu werden.
    Ein versonnenes Lächeln spielte über ihre Lippen, als sie für einen Moment wehmütig daran dachte, wie einfach sich ihr Leben gestalten würde, wenn es so einfach möglich wäre, Zandhros das Lebenslicht auszupusten. Allerdings war dies nicht unbedingt ihre Art, mit Problemen umzugehen.
    Für den Schattenmagier hatte ihr Lächeln jedoch eher den Anschein, als müsse sie über seine Worte nachsinnen. Eine wahrhaftige Ironie, daß er seinen letzten Satz damit beendet hatte, daß sie ihn hintergehen könnte...


    Schließlich beendete Shizar ihre innere Einkehr und schenkte Zandhros einen Blick aus ihren nahezu schwarzen Augen, der von einem verführerischen Augenaufschlag untermalt wurde. Was auch immer diese Bekanntschaft ihr einbringen würde und sollte es gut oder schlecht sein - sie konnte ihr zumindest in den nächsten Stunden kaum aus dem Weg gehen. Allerdings sollte sie von Shirashai persönlich verflucht sein, wenn sie so dumm war, sich wirklich mit ihm einzulassen und ihre Finger an ein Buch zu legen, das mit der Göttin der Nacht in direkter Verbindung stand. Nein, so einfach würde sie es Shirashai nicht machen. Niemals.


    "Wer ich bin? Sagt ihr es mir, Zandhros, denn ich bin mir sicher, daß ihr nicht so dumm wart, mich aufzusuchen, ohne zuvor Erkundigungen eingezogen zu haben. Wer bin ich also und was werde ich tun? Sicher könnt ihr diese Frage besser beantworten als ich selbst, denn sonst hättet ihr mich nicht hierher beordert."


    Sie gestattete sich ein Lächeln, denn sie war sich sehr sicher, daß sie mit dieser Annahme nicht fehl ging. Ein Schattenmagier war nur selten unvorsichtig, wenn es um die Auswahl seiner Partner ging. Und es gab sicherlich keinen Anhänger des Schattens auf ganz Niel'Anor, der es nicht hasste, nicht über alles bestens im Bilde zu sein.

    Ein leiches Zucken in Shizars Braue war die einzige Reaktion, die man auf eine emotionale Anteilnahme an dem Thema zurückzuführen vermochte. Während Zandhros so überaus ausgiebig über die Verehrung der Königin der Nacht referiert hatte, wie Shirashai sich so gerne selbst bezeichnete, war sie in der Lage gewesen, wieder zu ihrer inneren Ruhe zurück zu finden.
    Ein überstürzter Aufbruch würde lediglich Aufsehen erregen und ihn neugierig machen und das wollte Shizar nun wirklich vermeiden. Was sie sicherlich nicht gebrauchen konnte, war das Interesse eines ergebenen Anhängers der Göttin. Das Brennen auf ihrer linken Schulter erinnerte sie nur allzu deutlich daran. Doch wie sollte sie Zandhros entkommen? Ihre Augen wanderten hilfesuchend zu Dandara, doch sie erntete nur ein Schulterzucken. Es gab keinen schnellen Weg der Flucht. Dummerweise hatte Shirashai die Angewohntheit, ihre Anhänger im Auge zu behalten, speziell wenn sie männlich und attraktiv waren. Und dies wiederum machte es wahrscheinlich, daß ihre Aufmerksamkeit auch auf Shizar treffen konnte.


    Alles in allem sah sie die Magie des Schattens keineswegs als an Shirashai gebunden an. Zandhros vertrat die naive Sicht der Dinge, die man von einem Anhänger seiner Glaubensrichtung stets erwarten konnte. Blind und von romantischen Vorstellungen über die Kunst der Magie geprägt, die keineswegs den Tatsachen entsprach.


    Doch diese verächtliche Meinung brachte ihr verführerisches Lächeln selbstverständlich nicht zum Ausdruck. Es war nicht schwer, die Veränderung in seinem Tonfall zu interpretieren. Im Inneren des Schattenmagiers war ein anderes Interesse erwacht, das über die Zusammenarbeit hinausging... und dieses Interesse war unter den gegebenen Umständen beinahe ebenso gefährlich. Aber was sollte sie tun? Ein plötzliches Umschwenken ihres Verhaltens kam nicht in Frage - Männer liebten es, wenn Frauen unerreichbar waren. Das machte sie anhänglich und vernebelte ihren Verstand.


    "Ihr habt recht, was soll es? Es steht jedem frei, sich seinen Glauben frei zu erwählen. Lasst uns über angenehmere Dinge reden. Wie habt ihr euch den Verlauf dieses Abends weiterhin vorgestellt?"


    Nein, unnahbar wirkte Shizar nicht, während ihre langen Finger mit einer Strähne ihres schwarzen Haares spielten...

    Shizar hatte Mühe, bei diesen Worten nicht die Fassung zu verlieren. Unwillkürlich zuckte ihre Hand in Richtung ihrer linken Schulter, als sich das darauf befindliche Zeichen mit einem unangenehmen Brennen bemerkbar zu machen schien und gleich darauf bereute sie diesen ungewollten Impuls. Dandara hingegen, gelang es wesentlich besser, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten und so schenkte sie Shizar lediglich einen schiefen Blick, der alles bedeuten konnte - und dessen Bedeutung die Schattenmagierin nur zu gut verstand.
    So verlockend ein solches Buch und seine verborgenen Geheimnisse auch sein mochte - alles, was in einer direkten Linie damit verbunden werden konnte, daß Shirashai persönlich ihre Finger im Spiel hatte, rief in Shizar eine gewisse Vorsicht wach, die nun dazu führte, daß all ihre Sinne geschärft waren und sie Zandhros aufmerksam musterte.
    Wahrscheinlich würde er ihr Verhalten für unterdrückte Aufregung halten, die bei der Aussicht auf ein solches Werk selbstverständlich nur allzu nachvollziehbar war.


    "Es ruft also nach mir... das ist in der Tat überaus interessant."


    Sie schwieg für einen längeren Augenblick, so als müsse sie über Zandhros Worte nachsinnen. Dann lächelte sie erneut und ihre Stimme hatte den Beiklang süßen Honigs, der geschmeidig über ihre Worte rann und ihnen alle Schärfe nahm. Eine ihrer Brauen war leicht empor gezogen, doch die Ursache dieser Geste war in ihrem ansonsten recht neutralen Ausdruck kaum zu erkennen.


    "Und eure Worte sprechen dafür, daß ihr unserer Herrin der Nacht eine große Verehrung entgegen bringt, nicht wahr?"


    Nun, im Grunde war diese Frage überflüssig, denn die Antwort lag beinahe klar auf der Hand. Viele Schattenmagier verehrten Shirashai. Shizar war aufgrund ihrer persönlichen Erlebnisse eine gewisse Ausnahme und anstelle der Überlegung, wie sie Zandhros wohl dazu bringen konnte, ihr das Buch zu offenbaren, stand nun eher die Flucht vor ihm im Vordergrund ihrer Gedanken.

    "Nun, damit wären die Grundlagen wohl geklärt. Ich selbst bevorzuge das Wort Absicherung... aber ihr werdet sicherlich nicht wirklich Vertrauen von mir erwartet haben."


    Auf Shizars Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab, das wohl durchaus als verführerisch bezeichnet werden konnte - zumindest dann, wenn ihr Gegenüber zur Verführung nicht auch noch eine gewisse Wärme erwartete, die darin vollständig abhanden gekommen war.


    "Doch vielleicht wollt ihr mir zunächst erläutern, aus welchem Grund ihr mich in dieses Gasthaus gelockt habt... der Klang des Wortes "profitabel" verharrt noch immer hartnäckig in meinem Ohr und ich frage mich, was wohl an euch besonders profitabel für mich sein könnte. Schließlich habe ich meinen Standpunkt gegenüber eures Angebotes bereits zum Ausdruck gebracht... ihr werdet euren Zirkel nicht etwa noch einmal überdacht haben?"


    Das Lächeln wich auch jetzt nicht von Shizars Lippen, wirkte jedoch keineswegs sonderlich belustigt - es gab ihren Worten stattdessen einen seltsamen Beiklang, der nur schwer zu deuten war.

    Bei dem Wort "profitabel" zuckte es für einen Augenblick in Shizars Mundwinkel, doch darüber hinaus zeigte sie kaum eine erkennbare Regung, musterte nur sichtlich interessiert die Vorspeise, bevor sie sich wieder zu dem Schattenmagier umwandte. Ein Lächeln zierte ihre blassen Lippen. Dieses wirkte jedoch eher bedrohlich als einnehmend, ähnlich einer Schlange, die kurz davor stand, zu einem Biss anzusetzen.


    "Nun, ich möchte nicht überaus mißtrauisch wirken, doch ihr sollt wissen, daß Dandara jegliche Vorkehrung zu meiner Sicherheit treffen wird, falls ihr versuchen solltet mich auf irgendeine Weise mit Gift gefügig zu machen. Doch da ihr ein solch ehrenwerter Magier der dunklen Künste seid, würde euch so etwas natürlich niemals in den Sinn kommen, ich weiß. Nun denn, auf euer Wohl, liebster Zandhros.".


    Nach diesem ironischen Ausklang ihrer kleinen Rede, griff sie nach dem kristallenen Kelch, in dem der rote Wein beinahe wie Blut zu wirken schien und setzte diesen an die Lippen, um daran zu nippen und ihn dann wieder auf dem Tisch abzustellen. Dandara behielt das Geschehen derweil im Auge und hatte es aufgegeben, Shizar zu reizen. Alles in allem war es stets unklug, die Verbindung zweier Lebewesen, die ständig miteinander lebten zu unterschätzen. Dies war schon einigen, die das Verhältnis von Shizar und Dandara falsch eingeordnet hatten, äußerst schlecht bekommen.

    Shizars Haltung veränderte sich in dem Moment, in dem sie Zandhros Anwesenheit tatsächlich gewahr wurde - er hatte einen Platz gesucht, der ein wenig abgelegen war - passend für einen Magier der Schatten, der das Licht scheute. Mit einigen gemessenen, eleganten Schritten war sie nun bei ihm angelangt und ein Lächeln, das wohl bei einer anderen Frau warm und freundlich gewirkt hätte, zog über ihre Lippen. Natürlich konnte man bei Shizar schlecht von wirklicher Wärme sprechen - so blieb es also eher bei der Andeutung einer gewissen Höflichkeit.


    Tatsächlich traten nun die unverkennbaren Anzeichen der Erziehung einer Adeligen zutage, als Shizar Zandhros die Hand, die von einem zarten, schwarzen Spitzenhandschuh verhüllt wurde, entgegen streckte.


    "Zandhros... ich bin entzückt euch an diesem Abend und in dieser passenden Umgebung wieder zu sehen."


    Der Satz klang ironisch - der Zauberbrunnen war wohl kaum der Ort, den eine Kreatur des Schattens aufsuchen würde, wenn sie auf Zerstreuung aus war. Alles in allem war die Umgebung unverkennbar elfisch inspiriert und hatte weder Düsternis, noch ewas bedrohliches aufzuweisen.
    Dandara machte es sich unterdessen auf Shizars linker Schulter bequem und betrachtete die Szenerie zwar weiter aufmerksam, nun jedoch auch mit einer gewissen Spur von Wachsamkeit, die jedoch keinem außer der Magierin auffiel. Das Zandhros Fee weiblich war, gefiel Dandara nicht - daran bestand kein Zweifel und es amüsierte Shizar über die Maßen.

    Pünktlich bis auf die Sekunde betrat Shizar den Zauberbrunnen am Abend ihrer Verabredung mit dem Schattenmagier. Ihre Miene war verschlossen, bar jeder Emotion und damit das genaue Gegenteil von Dandara, die sich aufmerksam und begehrlich in dem Gasthaus umzusehen begann. Es war durchaus nicht neu, doch an diesem Abend, an dem Shizar eine enorme innere Anspannung hinter der emotionslosen Maske verbarg, ärgerte sie sich über die auffällige Fröhlichkeit der Fee, die sich nach einem passenden Opfer umsah. Beinahe wirkte es, als ob Dandara es darauf anlegen wollte, Shizar zu reizen - was keineswegs unmöglich war.


    So versuchte die Schattenmagierin also, die Fee zu ignorieren so gut es ging und sah sich stattdessen in dem gut gefüllten Gasthaus um. Es war bereits recht spät am Abend - ein passender Zeitpunkt für ein Treffen zweier Kreaturen des Schattens - und das Prickeln in Shizars Nacken wies sie überdeutlich darauf hin, daß Zandhros sich bereits irgendwo unter den Gästen befinden musste. Noch einmal straffte sich Shizars Gestalt und für einen kurzen Augenblick tauchte eine überraschende Entschlossenheit auf ihren feinen Zügen auf.


    Das Spiel würde beginnen.

    "Auch für mich ist es Zeit zu gehen. Ich wünsche eine angenehme Nachtruhe."


    War da die Andeutung eines ironischen Lächelns auf Shizars Gesicht gewesen? Wie auch immer, in der Dunkelheit des Marktplatzes war es schwer zu sagen und es konnte ebenso gut eine Täuschung gewesen sein. Sie neigte den Kopf, um sich schließlich umzudrehen und in Richtung des Adelsviertels davon zu gehen. Shizar hatte sich selten so sehr nach der Ruhe ihrer Villa gesehnt, wie nach diesem Abend, der für ihren Geschmack allzu viel und vor allem zu engen Kontakte mit Fremden bereit gehalten hatte.
    Im Davongehen konnte man deutlich vernehmen, daß die Schattenfee auf ihrer Schulter leise kicherte und das Wort an die Magierin richtete, die ihre Worte schließlich ausgesprochen ungehalten kommentierte. Doch worüber sie wohl sprechen mochten, war nicht mehr zu verstehen.

    Wunderbar - eine Aussage am nächsten Morgen. Nein, Shizar hätte sich wahrhaftig keinen schlimmeren Verlauf dieser Nacht vorstellen können. Wenn sie eines nicht wollte, dann war dies sicherlich, in irgendeiner Art und Weise Aufsehen zu erregen. Trotzdem nahm sie den Kommentar des Wachmannes schweigend und gelassen hin und quittierte die Reaktion des anderen lediglich mit einer empor gezogenen Braue. Es gab keinen Bedarf an weiteren Worten ihrerseits und so beließ sie es bei einem innerlichen Seufzen und verfluchte sich dafür, sich an diesem Abend überhaupt in Gesellschaft begeben zu haben.
    Erst der forschende Blick des Fremden, der sich Astragar nannte, riss Shizar aus ihrer Welle des ungewohnten Selbstmitleides und ließ sie in die Realität zurückkehren. Im Gegensatz zu der Reaktion des Wachmannes, sprach aus ihm keineswegs die Ehrfurcht vor dem Adelsstand und die Halbelfe bereute es nicht zum ersten Mal, daß sie die Kunst des Gedanken Lesens nicht beherrschte...

    Man konnte Shizar deutlich ansehen, wie sehr ihr die Situation mißfiel. Es war weniger eine Emotion, als eher die ganze Haltung der Halbelfe, die diesen Umstand mühelos verriet. Trotzdem war ihr Gesicht gleichmütig, die Stimme kalt, als sie dem Wachmann schließlich die erwartete Antwort gab und ihre Identität vor allen Anwesenden offenbarte.


    "Shizar aus dem Geschlecht der Lyadar. Ihr findet mich in der Villa meiner Familie im Adelsviertel."


    Die Worte waren ohne Zögern gesprochen und trotzdem verfluchte Shizar sich innerlich dafür, daß sie überhaupt dazu gezwungen gewesen war, sie auszusprechen. Noch mehr hasste sie es, daß sie überhaupt in eine solche Situation geraten war und daß Dandara sich keine Mühe gab, ihr Amüsement darüber zu verbergen. Zumindest war das uralte Adelsgeschlecht der Lyadar in Nir'alenar bekannt und für seinen Einfluß gefürchtet, was darauf schließen ließ, daß die Wache in ihrem Fall ausgesprochen vorsichtig agieren würde.

    Nachdenklich stand Shizar noch für eine Weile im Rahmen ihrer Tür und sah auf den Fleck, in dem der Magier verschwunden war. Tatsächlich war dieser Mann gefährlich. Trotz allem besaß er etwas, das Shizars Interesse über das gewöhnliche Maß hinaus geweckt hatte. In Gedanken versunken, tippte einer ihrer langen Finger an ihre Unterlippe, bevor sie sich schließlich herum drehte und im Inneren der Villa verschwand. Ja, sie würde mehr über Zandhros herausfinden, bevor sie ihn wiedersah...

    "Sicher. Es dürfte für euch keine Schwierigkeit sein, mich zu finden."


    Mit diesen Worten erhob sich die Schattenmagierin und signalisierte dem anderen Magier deutlich, daß es wohl nichts weiter zu sagen geben dürfte. Elegant und gemessenen Schrittes stolzierte sie voran, bis sie an der Tür ihrer Villa angelangt waren, dann wandte sie sich zu ihm um.


    "Falls ihr mit noch etwas mitteilen möchtet, dann sollte dies der passende Augenblick sein. Falls nicht, dann erwarte, möglichst bald den Zeitpunkt unseres Treffens von euch zu erfahren, damit ich mich entsprechend darauf vorbereiten kann."


    Shizar ließ offen, was sie mit dieser Aussage genau meinen mochte und ihre Miene gab darüber auch keinen weiteren Aufschluss.

    Shizar betrachtete sich die Szenerie scheinbar vollkommen unbeteiligt, während Dandara ein Gähnen unterdrückte. Gelassen ließ sie ihre Augen über die Halbnymphe und den Menschen gleiten, ohne sie jedoch allzu auffällig zu mustern. Doch war dies wirklich ein Mensch? Shizar war sich dessen nicht sicher, denn er strahlte etwas fremdartiges aus, das sie nicht einzuordnen vermochte. Natürlich konnte dies auch an dem fahlen Licht der Zaubermuscheln liegen, die die Straße erhellten. Nachdenklich kniffen sich ihre rauchfarbenen Augen für einen Augenblick zusammen, doch als sie zu keinem rechten Schluß kam, wandte sie den Blick wieder ab, rechtzeitig, um Sicil und den Wachen entgegen zu blicken.

    Shizar wirkte eindeutig desinteressiert und musterte eingehend ihre Fingernägel, danach die Schattenfee, die mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck auf ihrer Schulter Platz genommen hatte. Die Ereignisse des Abends waren Dandara ganz offensichtlich auf den Magen geschlagen. Zumindest war dies der auf der Hand liegende Schluss, wenn sie einmal den Mund zu halten gewillt war.
    Ein leichtes Seufzen entwand sich ihren Lippen - die Dinge wurden mittlerweile eindeutig zu kompliziert. Mit leicht schief gelegtem Kopf wandte sie sich zu dem Nachtelfen um.


    "Es ist euer Leben, Sicil, und ihr könnt damit tun was ihr möchtet. Ihr könnt leben, sterben und euch Probleme verursachen. Allerdings glaube ich nicht, daß ihr allzu erpicht darauf seid, eurer Gefährtin Ärger zu bereiten. Sie wäre jedoch in diesem Moment eure Mitwisserin und könnte durchaus für den Mord an einer Wache belangt werden... vielleicht solltet ihr nicht nur an euch allein denken."


    Nun, dies war beinahe zuviel Rücksicht und Freundlichkeit für Shizars Verhältnisse. Die Worte waren zwar kühl vorgetragen, führten jedoch trotzdem zu einem erstaunten Blick Dandaras, der mehr als jedes Wort zu sagen schien, daß sie daran glaubte, daß die Magierin den Verstand verloren hatte.

    Shizar hatte die letzten Augenblicke schweigend verbracht. Die plötzliche Zuneigungsbekundung des Nachtelfen und der plötzliche Umschwung des Duftes der Nymphe verursachten ein unangenehmes Gefühl in ihrer Magengegend. Die Magierin hielt sich gemeinhin von allzu emotional veranlagten Wesen fern, um den Schwierigkeiten, die sie mit sich brachten aus dem Weg zu gehen. Nun, zumindest wenn diese Emotionen keinen Vorteil versprachen, was hier ganz offenbar nicht der Fall sein würde.
    Ohne sichtbare Regung blickte sie zu der schlafenden Wache und strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor ihre Aufmerksamkeit von der magischen Waffe angezogen wurde. Eine ihrer Brauen wanderte milde erstaunt empor.


    "Eine Waffe, auf der ein Feuerzauber liegt... ich wäre an eurer Stelle vorsichtig, wenn ihr sie gebraucht. Wie schnell könnte sich der nützliche Zauber als Fluch Narions entpuppen..."


    Shizars Worte klangen kühl, so wie es die Art der Halbelfe war, und sie verrieten keinerlei Gefühl. Schließlich wandte sie sich wieder zu der Wache und musterte sie eingehend.


    "Es ist durchaus nicht so, daß es mir Schmerz verursachen würde, wenn ihr ihn töten wolltet. Da ich euch jedoch keineswegs für einen kaltblütigen Mörder halte, der sich die Hände beschmutzen will, wäre es womöglich besser, ihr würdet ihn dem Rat vorführen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er dann einer gerechten Strafe entkommen würde."

    Shizar musterte Zandhros für einen Augenblick, so als müsse sie in der Tat darüber nachsinnen, ob er abstoßend sei, dann ließ sie ein ergebenes Seufzen vernehmen.


    "Nun, wenn ihr darauf besteht, dann werden wir uns im Zauberbrunnen wiedersehen. Aber ich möchte doch darauf bestehen, daß ihr allein erscheint..."


    Ihr Blick streifte die Fee des Magiers, dann wanderte er wieder zu ihm zurück und verharrte dort, während sie ihm direkt in die Augen blickte.


    "... oder fast allein."


    Äußerlich ruhig und gelassen, arbeiteten Shizars Gedanken schon fieberhaft, während sie darüber nachsann, auf welche Art und Weise sie ohne den lästigen Zirkel an das Buch herankommen konnte. Es gab verschiedene Optionen und diese mussten in Ruhe durchdacht werden. Ja, sie konnte zum Schein auf sein Angebot eingehen - oder ihn verführen. Allerdings war Shizar keineswegs darauf erpicht, einem Schattenmagier ihr Erbe und das Symbol auf ihrer Schulter darzuieten, was diese Möglichkeit schon beinahe wieder ausschloß...