Beiträge von Sarandir Eisenklinge

    Sarandir erlaubte es sich, dass sich das Schmunzeln offen auf seinen Lippen abzeichnete. "Ihr seid eine Frau nach meinem Herzen, Amelie. Ich wusste, wir würden uns gut verstehen."


    Er stellte seinen Weinkelch auf einem nahen Tischchen ab und bot der Nymphe seinen Arm an. Für einen Außenstehenden mochte es wirken, als ob er nichts anderes tat, als den Erwartungen gerecht zu werden, die man an ihn stellte. Allerdings war es keine Lüge – der Adelige konnte tatsächlich frische Luft vertragen.


    Von Zeit zu Zeit reizte es ihn, mit seinem Ruf zu kokettieren. Er erlaubte es ihm, zu tun und zu lassen, was er wollte, denn schließlich hatte er wenig zu verlieren. Dennoch ... gelegentlich hätte er es bevorzugt, weniger im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Und an diesem Abend war er in einer nachdenklichen Stimmung, die er jedoch gut zu verbergen wusste.

    "Aber nein, Amelie, Ihr werdet feststellen, dass ich selten jemandem zu schmeicheln versuche. Es ist nichts als die Wahrheit."


    Er hob sein Glas und nahm einen Schluck, während seine Augen flüchtig über die Versammlung in seinem Salon schweiften. Er seufzte vernehmlich.


    "Vielleicht möchtet Ihr die Gärten des Anwesens besichtigen, meine Liebe? Mir scheint, als ob die Luft in meinem Salon ein wenig verbraucht ist."


    Sein Blick machte deutlich, dass er keineswegs wirklich die Luft meinte, die von Duftessenzen geschwängert war. Das Getuschel hatte neue Höhen erreicht – und der Klatsch würde noch weitaus mehr Nahrung erhalten, wenn er mit einer schönen Fremden entschwand und seine Gäste sich selbst überließ. Der Gedanke brachte ihn innerlich zum Schmunzeln. Der Raum würde förmlich vibrieren. Das tat er immer, wenn sich ihm eine Frau näherte. Sein Ruf eilte ihm stets voraus.

    »Schicksal ... eine interessante Einschätzung. Verratet Ihr mir Euren Namen, meine schicksalshafte Fügung? Es wäre ein Verbrechen, wenn ich Euch in Gedanken stets nur meine glutäugige Rose zu nennen vermag.«


    Der Adelige lächelte und reichte der Nymphe dann einen Kelch, der mit blutrotem Wein gefüllt war.


    »Er erinnert mich an Eure Lippen, meine Liebe. Ich dachte, nur dieser Tropfen könnte Euch gerecht werden.«


    Es war keine Frage, Sarandir Eisenklinge verstand sich auf den Umgang mit schönen Frauen. Die Aufmerksamkeit des halben Saales ruhte auf dem Geschehen, doch er störte sich kaum daran. Zumindest war es ihm nicht anzumerken. Seine eigene Aufmerksamkeit blieb auf die Nymphe gerichtet, als seien sie die einzigen Wesen, die sich in diesem Raum befanden.
    Sie war nicht auf den Mund gefallen. Das gefiel dem Adeligen. Zu oft war er von Frauen umgeben, die zwar attraktiv waren, jedoch kaum jemals wirkliches Interesse in ihm zu wecken vermochten.

    Eine Braue des Adeligen wanderte amüsiert in die Höhe. Er nahm die Tuscheleien wahr – zweifelsohne würde dieser Tanz ausreichen, um am morgigen Tage die halbe Stadt zu beschäftigen – doch seine Reaktion darauf war überaus gleichmütig. Als die Nymphe in seinen Armen landete, erreichte das Flüstern neue Höhen. Einmal mehr wirbelte er sie herum, dann verneigte er sich in einer fließenden Bewegung gekonnt und hielt ihr die Hand entgegen.


    „Sollten wir uns tatsächlich so ähnlich sein? Welch interessanter Zufall, der uns heute Abend zusammengeführt hat. Vielleicht möchtet Ihr Euch bei einem Kelch Wein ein wenig erfrischen, meine Liebe?“


    Seine Miene blieb undurchdringlich, die Gedanken, die ihn bewegen mochten, unergründlich. Keine Frage, Sarandir Eisenklinge war ein Meister darin, sein Innerstes hinter einer Fassade zu verbergen, die keinen Hinweis auf das zulassen wollte, was in ihm vor sich ging.

    "Es gäbe sicherlich so einige in diesen Räumlichkeiten, die Euch das Gegenteil erzählen würden, meine Liebe. Mein Ruf eilt mir meist voraus, ob ich es nun möchte oder nicht."


    Ein schiefes Lächeln verzog die Lippen des Adeligen und eine gewisse Ironie schwang in seinen Worten mit und färbte sie deutlich. Die grünen Augen beobachteten unterdessen den Tanz der Nymphe und Sarandir ließ es zu, daß sie seine Aufmerksamkeit fesselte.
    Ihre gehauchte Frage ließ ihn auflachen. Mittlerweile mussten die meisten Anwesenden auf das Geschehen aufmerksam geworden sein und man vernahm hier und da Gemurmel über das sehr offensive Verhalten der schwarzhaarigen Frau. Nicht selten war ein gezischtes "schamlose Nymphenbrut" zu vernehmen.
    Der Graf hingegen schien sich diesen Ansichten aktuell nicht anschließen zu wollen, denn er seine Hand packte geschickte das Handgelenk der Tänzerin und wirbelte sie in anschließend in einer fließenden Bewegung herum.


    "Ich müsste jedoch ein größerer Schuft sein, als man mir allgemein attestiert, wenn ich ein solches Angebot ausschlagen würde."


    Er zog eine dunkle Braue empor, abwartend, wie sie wohl darauf reagieren mochte, sich wohl bewusst, daß man ihn nur allzu genau beobachtete und seine Handlungen zweifelsohne im Anschluss direkt bewerten würde.

    Alimea Imarkars Naturell war kaum schreckhaft zu nennen. Nach einem kurzem Augenblick lachte sie über den Vorfall und schüttelte den Kopf, rief dem Vogelhändler gar zu, daß es seine Vögel wohl nach einer besseren Bezahlung verlangte, was von den Umstehenden mit einem Lachen quittiert wurde.


    Eine kleine Falte erschien zwischen Sarandirs Brauen, als ihn dieser ansprach. Ein wenig unwillig wandte er sich Alimea zu und richtete einige leise Worte an sie. Offensichtlich bat er sie, ihn für einen Augenblick zu entschuldigen. Ein Nicken, gefolgt von einem Lächeln und die blonde Gräfin wandte sich ab, um anderweitig nach Zerstreuung zu suchen.


    Der Graf blickte ihr bedauernd nach. Alimea Imarkar gehörte zu den wenigen echten Freunden, die er besaß und er schätzte ihre Gesellschaft und ihren Rat. Natürlich war dieser Freundschaft eine kleine Liebelei vorausgegangen, die jedoch schnell ein Ende gefunden hatte. Sie waren nicht füreinander geschaffen. Wohl war sie ein faszinierendes Geschöpf, schön, schlagfertig und wehrhaft. Im Grunde die Art Frau, die ihn anzog und die sich eindeutig von den anderen Damen des Adels unterschied. Aber trotzdem hatte es nicht genügt. Alimea war freiheitsliebend und ließ sich nicht einfangen. Beide hatten schnell festgestellt, daß Freundschaft die bessere Art der Beziehung für sie war.


    Er seufzte unmerklich. Zu gerne hätte er die Gelegenheit genutzt, um Alimeas Meinung in einer delikaten Angelegenheit zu erfahren. Allerdings war er der Gastgeber dieses Abends und so war es eindeutig unangemessen, sich seinen Pflichten zu entziehen.


    "Ihr habt Recht. Es wäre schändlich, einer schönen Frau keine Beachtung zu schenken."


    Mit diesen Worten wandte er sich zu der Tänzerin um, die alle Register zog, um seine Aufmerksamkeit zu bannen. Natürlich. Sein Ruf eilte ihm stets voraus und es war gewiss, was man von ihm erwartete. Sarandir lächelte und zog spielerisch an dem Tuch, mit dem sie ihn einfangen wollte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht.
    Es war eine Nymphe. Forschend kniff er die grünen Augen zusammen und eine wilde Hoffnung durchflutete ihn. Doch nein. Sie war es nicht.

    Etwas in Sarandirs Gesicht veränderte sich. Es war der Ausdruck seiner Augen, in die mit dem ersten Angriff der Frau eine Härte trat, die sein ganzes Gesicht veränderte. Sarandir Eisenklinge war kein Narr, auch wenn so mancher sich gerne dieser Vorstellung hingab. Er hatte viele Duelle überlebt und dies war nicht allein seinem Glück zuzuschreiben, sondern seinem Können mit der Klinge. Er hatte sich mit vielen gemessen und nicht alle davon hatten überlebt. Und es stand in sein Gesicht geschrieben.


    Sarandir liebte es nicht zu töten. Er legte noch nicht einmal Wert darauf, seinen Gegner zu verletzten. Doch noch weniger Wert legte er darauf, selbst verletzt zu werden und so wich er den Klingen aus, sich der Tatsache bewusst, daß diese Frau nicht mehr darauf aus war, zu spielen. Sie wollte gewinnen, nicht allein überleben. Der Gedanke brachte ein schiefes Lächeln auf sein Gesicht, als er ihrem Hieb auswich.


    Seine Klinge schlug nach Tara, konterte ihren Angriff, ritzte jedoch nur den Stoff ihrer Bluse und hinterließ einen Schnitt in dem Gewebe. Er war unentschlossen, ob er zum Spielen aufgelegt war. Er wollte sie nicht verletzten, doch sie sollte nicht glauben, daß er sich schlagen ließ.

    "Aber nein, ich würde es niemals wagen, eure Ohren mit einer solchen Geschichte zu belästigen, meine Liebe. Ich bin zu wenig sentimental, um das Zeichen einer alten Liebe an meiner Hand zu tragen. Solche Regungen überlasse ich den Poeten, die sich in ihrer Wehmut versinken lassen."


    Sarandir lächelte. Rätselhaft. Dann neigte er ergeben den Kopf in einer Geste der Resignation und als er wieder aufblickte, hatte sich sein Ausdruck verändert. Ein Blitzen stand in seinen Augen, das Lächeln lag schief und herausfordernd auf seinen vollen Lippen. Noch vor einer Sekunde hätte er schwören können, daß sie sich umstimmen lassen würde. Doch nun, da sie eher Willens schien, tatsächlich ihre Kräfte zu messen, würde er es ihr nicht mehr verweigern.


    "Und es gibt nichts, womit ich euch umzustimmen vermag? Ein wahrer Jammer... aber es soll sein, wie ihr es wünscht."


    Er verneigte sich halb und zog seinen Degen, eine Waffe, die wahrhaftig von einer besonderen Fertigung sprach. Dann trat er einige Schritte zurück und löste die Schnürung seines Hemdes, um sich mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen.


    "Nun, dann lasst uns beginnen und sehen, wer der Bessere ist und die Schmuckstücke für sich zu erobern vermag. Wenn ihr gewinnt, gebietet es meine Ehre, daß ihr alles erhaltet, das euer Herz begehrt."

    "Ich habe in der Tat so manches zu bieten... doch ich überlasse es euch, herauszufinden, was dies sein mag. Und ich weiß nicht, was ihr von mir gehört haben mögt, doch ich kann euch versichern, daß ich vor keiner Gefahr davon laufe, selbst wenn sie mich das Leben kosten könnte."


    Sarandir lächelte auf eine Weise, die vielerlei Deutungen zuließ. Als sich die Rothaarige Frau von ihm zurückzog, klärten sich jedoch auch gleichzeitig seine eigenen Gedanken. Er strich über sein Haar, eine Geste, der er sich selbst kaum bewusst war und zog dann einen schweren, goldenen Ring von seinem Finger, in den ein wertvoll aussehender, blutroter Rubin eingefasst war. Er hielt ihn in Augenhöhe vor Taras Gesicht und das schwache Licht der fernen Muschellampen ließ den Stein aufglühen. Keine Frage, dieser Ring würde einiges an Seesternen einbringen, wenn man ihn verkaufte.


    "Ich befürchte, daß ihr in meinen Taschen nicht viel vorfinden werdet, meine Liebe, zumindest dann, wenn es euch allein an Profit gelegen ist. Doch vielleicht trifft dieses Schmuckstück euren Geschmack. Es..."


    Er zögerte, bevor er den Satz beendete und ein Schatten von Melancholie tanzte über die unergründlich dunklen Augen.


    "... hat seine Bedeutung für mich verloren."

    Sarandir stutzte für einen Augenblick, als das Bild einer anderen Frau durch seine Erinnerung schwebte. Das Gesicht einer Frau, die ihm einen ähnlichen Handel vorgeschlagen hatte und die ihm dann entkommen war. Entschlossen wischte er den Gedanken beiseite, konzentrierte sich allein auf sein Gegenüber. Dies war nicht die schwarze Rose und dies war sicher nicht sein Arbeitszimmer. Und es konnte ihn nur allzu leicht den Kopf kosten, wenn er sich von den Geistern der Vergangenheit ablenken ließ, denn er war sich sicher, daß ihre diese Frau an Gefährlichkeit nicht unterlegen war, eher noch weniger Skrupel an den Tag legte, wenn es darum ging, ihr Ziele zu erreichen.
    Als er ihren warmen Körper näherkommen spürte, verschwand auch der letzte Gedanke an seine Begegnung mit der schwarzen Rose aus seinem Geist.


    "Ihr geht also davon aus, daß meine Taschen gut gefüllt sind, denn andernfalls bin ich der Einzige, der aus diesem Handel mit einem Vorteil hervor gehen wird. Seid ihr denn bereit, dieses Risiko einzugehen?"


    Ein Lächeln tanzte über Sarandirs volle Lippen und er machte keinerlei Anstalten, sich aus seiner Gefangenschaft zu befreien.

    "Oder...? Habt ihr ein besseres Angebot, das ihr mir unterbreiten könntet?"


    Die Lippen des Adeligen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln und seine Augen blitzen für einen kurzen Augenblick in der Dunkelheit der Gasse auf. Ihm war bewusst, daß das Spiel mit dieser Katze Gefahr für Leib und Leben in sich barg und doch spielte er es mit.
    Seine Hände bewegten sich ebenfalls, fingen Taras suchende Hand inmitten ihrer Suche ab und hielten sie dabei auf. Eine Braue wanderte empor, sein Kopf legte sich schief, als er den Blick ihrer Augen auffing und festhielt. Die andere Hand legte sich um ihre Taille, zogen den Körper der Frau näher und hielten sie gefangen, während er auf ihre Antwort wartete.

    Sarandir schenkte der Frau an seiner Seite einen nachdenklichen Blick, wandte sich jedoch gleich wieder von ihr ab, um die Gegend im Auge zu behalten. Das Gefühl, daß irgendetwas an dieser Situation nicht stimmte, verstärkte sich noch um ein Vielfaches, als er Taras eigenes Unwohlsein bemerkte. Er war jedoch nicht so verblendet und von seinem Ruf überzeugt, daß er es allein darauf zurückgeführt hätte, daß sie sich davor fürchtete, mit ihm in den Wettstreit zu treten. Ihr Verhalten stand in einem merkwürdigen Widerspruch zu der zuvor so sorglosen Haltung und sein Name, viel zu laut ausgesprochen, hallte noch immer in seinem Ohr nach.


    "Für gewöhnlich bedienen sich die Frauen in meiner Gegenwart anderer Waffen, meine Liebe. Sie greifen nur selten zu einer Klinge, um es mit mir aufzunehmen."


    Der Satz war leichthin ausgesprochen und enthielt wenig Anzeichen für die steigende Sorge des Adeligen. Tara konnte nicht erkennen, daß seine Brauen zusammengezogen waren, während sein Blick durch die dunkle Gasse wanderte.


    "Und ich muss euch gestehen, daß es keneswegs zu meinen liebsten Beschäftigungen gehört, in der Nacht durch dunkle Gassen zu schleichen."

    "Es gibt Manieren und es gibt Dummheit. Und in bestimmten Situationen ziehe ich es vor, meine Manieren zu vergessen, um nicht der Dummheit zum Opfer zu fallen. Dazu gehört es, wenn eine liebreizende Dame wie ihr es darauf abgesehen hat, mir ihre Talente zu beweisen."


    Sarandir schmunzelte leicht und folgte der Rothaarigen dann in die Gasse hinein. Sie wirkte sorglos. Ein wenig zu sorglos für Sarandirs Geschmack, was einen nachdenklichen Ausdruck auf sein Gesicht brachte und dafür sorgte, daß er sich vorsichtiger und wachsamer bewegte, als noch vor wenigen Momenten.
    Irgendetwas stimmte an dieser Situation nicht und der Adelige war sich beinahe sicher, daß die Frau noch einen Trumpf im Ärmel hatte, der weit über ihr enges Korsett hinaus ging. Doch was konnte das sein?
    Die Gasse führte unbeirrbar auf den Hinterhof zu, von dem sie gesprochen hatte und Sarandirs Blicke wanderten von Seite zu Seite, während ein ungutes und doch unbestimmbares Gefühl von ihm Besitz ergriff.

    Sie konnte nicht sehen, daß ein Lächeln Sarandirs Lippen überzog, während sie ihre recht offensichtlichen Überprüfungen tätigte. Die Rothaarige hatte offenbar für alles vorgesorgt und wollte nichts dem Zufall hinterlassen. Zwar ahnte er nicht, daß sich eine Pistole in ihrem Stiefel befand, doch daß sich dort eine Waffe verbarg, war nicht schwer zu erraten. Ja, Sarandir Eisenklinge war wachsam, wohl ahnend, daß die Situation nicht ungefährlich war.
    Frauen kämpften anders als Männer - sie scherten sich kaum um einen Ehrenkodex und scheuten nicht davor zurück, ihre geringere Körperkraft mit anderen Mitteln auszugleichen. Dies war ihm wohl bewusst, hielt ihn jedoch nicht davon ab, dieser Frau zu folgen.
    Als sie sich nun zu ihm umdrehte, trat das Lächeln offen auf sein Gesicht. Die Gasse war dunkel, überzog seine Züge mit Schatten, die den Rest seines Ausdruckes schwer zu deuten machten.


    "Ich wurde gelehrt, einer Dame stets den Vortritt zu lassen und auch wenn ich die Regeln gerne übertrete, so lasst mir wenigstens den Anschein einer guten Erziehung."


    Und ich verspüre nicht den Wunsch, eure Klinge zwischen meinen Schulterblättern zu finden, sobald ich euch den Rücken zukehre, geheimnisvolle Fremde..."


    Die Worte wurden nicht ausgesprochen und lagen dennoch in der Luft, als ob sie die Lippen des Adeligen tatsächlich verlassen hätten. Doch seine Miene verzog sich nicht, verriet kaum etwas über seine Gefühle. Es war offensichtlich, daß er nicht selten ähnliche Situationen durchlebt hatte und die Gegend verursachte ihm kein Unwohlsein. Sarandir Eisenklinge war offenbar in den dunkleren Gefilden Nir'alenars ebenso zuhause, wie in den Villen des Adels und dies ließ merkwürdige Rückschlüsse auf seinen Lebensstil zu.

    Sarandir hatte sich gemütlich auf seinem Stuhl zurückgelehnt, während er die Entscheidung der Piratin erwartete. Seine Augen funkelten in dem dämmerigen Licht des Gasthauses, das ihnen einen merkwürdig undeutbaren Ausdruck verlieh. Nun, da sie offenbar wusste, was sie wollte, erhob er sich ebenfalls, während er mit einer achtlosen Geste einige Seesterne auf den Tisch warf, die nur allzu deutlich machte, daß der Adelige es nicht gewohnt war, sich über Gold den Kopf zu zerbrechen. Es war mehr als genug, um sowohl für die Rothaarige, als auch für ihn selbst zu zahlen.


    "Nun, das Angebot erscheint mir nur fair, in Anbetracht dessen, daß ihr mir einiges voraus habt, meine Liebe und meine Aufmerksamkeit mit Sicherheit darunter leiden wird."


    Bei diesen Worten ließ Sarandir die Augen in einer vielsagenden Weise über dir Rundungen der Frau gleiten und ein charmantes Lächeln überlagerte den undurchdringlichen Ausdruck, den er zuvor noch zur Schau getragen hatte. Jede seiner Bewegungen strahlte eine gewisse Selbstsicherheit aus, die vieles über das Wesen des Adeligen auszusagen vermochte, wenn man zwischen den Zeilen las. Ein Mann wie er, fand nur selten eine Herausforderung, die es sich anzunehmen lohnte - in jeglicher Hinsicht.


    "Also überlasse ich euch die Führung - ich kann es kaum erwarten."


    Die Andeutung einer Verneigung folgte diesen Worten, ebenso wie eine schwungvolle Geste, die Tara dazu einlud, voran zu gehen. Eine Hand ruhte wie selbstverständlich auf dem Degen mit dem kunstvoll verzierten Griff, der an seiner Seite sichtbar geworden war, keine Drohung, eher eine Haltung, die er stets einnahm, ohne daß er sich dieser wirklich bewusst war.

    "Ich zweifle daran, daß ihr allzu viel Spaß empfinden würdet, wenn ich euch dazu zwingen würde, das Bett mit mir zu teilen. Und darüber hinaus empfinde ich keine Freude daran, einer Frau meine Stärke zu beweisen, indem ich sie zu Dingen zwinge, die sie nicht aus freien Stücken tun möchte. Obgleich es mir schwerfällt, der Versuchung zu widerstehen, mit euren Krallen Bekanntschaft zu schließen."


    Ein leichtes Lächeln zog über die Lippen des Adeligen und spiegelte sich in seinen Augen. Er sprach die Wahrheit - er war einer Frau, die die Reize dieser Rothaarigen besaß niemals abgeneigt, doch es minderte seine Freude daran deutlich, wenn sie ihr Tun nur als zu erfüllenden Auftrag ansah. Vielleicht verletzte es sogar seine Eitelkeit, zu denken, daß er nur ein reiner Auftrag war, den es zu überwinden galt.


    "Ich gehe also davon aus, daß es für euch sicherlich reizvoller wäre, mir die Geschwindigkeit eurer Klingen zu präsentieren... und in der Tat habt ihr mich neugierig darauf gemacht. Wie würde euch ein kleines Geschäft gefallen... ich überbiete die Summe, die euch euer Auftraggeber zahlt, wenn ihr mich mit euren Klingen zu schlagen vermögt. Wäre dies nach eurem Geschmack?"


    Sarandirs Augen blieben fest auf sein Gegenüber geheftet, während er auf ihre Reaktion wartete. Sein Ruf als Fechter war in der Stadt überaus bekannt und er ging davon aus, daß er auch ihr zu Ohren gekommen war. Würde sie es trotzdem wagen, gegen ihn anzutreten? Es war lange her, daß eine Frau genau das gewagt hatte... und diese Frau entzog sich ihm.

    Langsam erwachte ein neues Gefühl in Sarandir. Eines jener ungesunden Gefühle, die ihm zu Eigen waren und die ihn oft genug in Schwierigkeiten gebracht hatten. Neugier. Sarandir wurde in der Tat neugierig darauf, was sich wohl wirklich hinter der rothaarigen Frau mit den vielen Namen verbergen mochte. Ihre Geste konnte als Drohung aufgefasst werden, ob nun beabsichtigt oder nicht. Und genau das war es, was nun Sarandirs Interesse an ihr weckte. Entgegen seinem Ruf waren es nicht die adeligen Damen, die leicht zu haben waren, für die er eine Schwäche hatte. Nein, es war die Art von Frau, die es wagte, einem Mann wie ihm die Stirn zu bieten und die keine Angst vor ihm hatte.
    Eine seiner Augenbrauen war mit einem ironisch wirkenden Lächeln empor gezogen, als er die helle Linie an Taras Wange musterte und seine Aufmerksamkeit dann wieder auf sie selbst richtete. Der Blick seiner dunklen Augen traf die ihren, hielt sie gleichsam damit fest.


    "Und wie weit seid ihr für euren Auftrag zu gehen bereit?"


    Die Frage war direkt und schnörkellos. Aber entgegen seinem bisherigen Verhalten, schien er sich diesmal tatsächlich für ihre Antwort zu interessieren. Ohne ein Zeichen von Amusement.

    "Man hat euch tatsächlich im Dunkeln tappen lassen? Nun, dies zeugt nicht von den guten Manieren eurer Auftraggeber. Andererseits ist es auch selten ein Zeichen für eine gute Kinderstube, wenn man eine Frau bezahlen muss, um einen Mann abzulenken."


    Sarandir lächelte - scheinbar charmant und doch mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. Ob er Taras Geschichte wirklich glaubte, war nicht an seinem Gesicht abzulesen. Doch ganz gleich, ob er dies nun tat oder nicht - er schien auf ihr Spiel einzugehen und beabsichtigte allem Anschein nach, es zumindest für den Augenblick mitzuspielen.


    "Shiya, die Katze ist also euer wirklicher Name? Eine interessante Bezeichnung. Vielleicht möchtet ihr mir verraten, aus welchem Grund man euch so nennt? Seid ihr geschickt wie eine Katze? Habt ihr die neun Leben der Cath'Shyrr? Oder liegt es allein an euren grünen Augen?"


    Die Fragen waren leichthin vorgetragen, beinahe so, als handelte es sich dabei um kaum mehr, als um eine ungezwungene Konversation in einem Ballsaal.
    Der Adelige brauchte nicht lange zu überlegen, ob er der rothaarigen Frau diesmal sein Vertrauen schenkte. Sie war allem Anschein nach zwar keine gute Schauspielerin, doch sie hatte ihn bereits einmal belogen und eine Frau, die für solcherlei Dienste angeheuert wurde, war ohnehin nicht sonderlich vertrauenswürdig. Wenn es denn einen Auftraggeber gegeben hatte. Sarandir war nicht davon überzeugt. Sie wirkte nicht wie eine Hure und eine solche war gemeinhin die erste Anlaufstelle für die beschriebenen Leistungen - und auch am Besten dafür geeignet.
    Trotzdem unternahm er vorerst keinerlei Anstrengung, der "Katze" mehr über ihre Auftraggeber entlocken zu wollen, was überaus verwunderlich wirkte. Es schien ihn kaum zu interessieren oder zu beunruhigen.

    Sarandir lauschte der Geschichte mit gespieltem Interesse, während seine Gedanken sich eher darum drehten, wie weit er das Spiel wohl treiben sollte. Sein Gegenüber schien eindeutig bis zum bitteren Ende gehen zu wollen, denn ihre Stimme wurde langsam weinerlich und sicherlich würde es nicht mehr lange dauern, bis sie in Tränen ausbrach. Nun, wenn es jedoch eine Sache gab, die Sarandir verabscheute, dann waren es weinende Frauen - und er wollte nicht zusehen, wie sie sich so weit erniedrigte.


    So lehnte er sich also auf seinem Stuhl zurück und ein merkwürdiges Lächeln umspielte seinen Mund, während er die Arme verschränkte und den Kopf schief legte, um Tara anzusehen.


    "Liebste Karia, auch wenn es niemals in meiner Absicht gelegen hat, so bin ich doch sicher, daß ich einige Herzen gebrochen habe und so manche Dame mir nur zu gerne das Genick brechen würde, könnte sie meiner habhaft werden. Ich habe genügend Duelle wegen der holden Weiblichkeit ausgetragen und so manchen Korb ausgeteilt und eingesteckt."


    Er nippte an seinem Wein und stellte den Becher dann vor sich auf dem Tisch ab, bevor er sich schließlich über den Tisch nach vorne beugte und seine Hand auf Taras legte, die sich rauh unter seinen feinen Fingern anfühlte. Seine Brauen waren empor gezogen, sein Blick wirkte ernst, auch wenn ein amüsiertes Funkeln darin lag.


    "Und da ich nun so überaus ehrlich zu euch war, erzählt ihr mir vielleicht die Wahrheit über das, was ihr von mir möchtet? Ihr braucht nicht zu weinen - Tränen stehen euch nicht und würden euer hübsches Gesicht lediglich unschön anschwellen lassen und eure Augen röten, was zu schade wäre. Und so sehr ich euer kleines Schauspiel genieße, so gut kann ich auf diesen Anblick verzichten."

    Nein, dies war mit Bestimmheit keine Dame der Gesellschaft und die Rolle, die sie zu spielen gedachte, lag ihr nicht besonders gut. Es fiel Sarandir sehr schwer, das innerliche Grinsen nicht zum Vorschein treten zu lassen und seine Miene ernst und mitfühlend zu halten, als Tara den Wein mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit austrank. Nichts an ihrer Gestik ließ einen Zweifel daran, daß dies ein Schauspiel war - und er war nur zu neugierig, den Grund dafür zu erfahren.
    So nickte er also nur und bemühte sich, das Lachen aus seiner Stimme fern zu halten, als er schließlich zu einer Antwort ansetzte.


    "Wenn dies die Worte der Magd waren, dann müssen sie wohl der Wahrheit entsprechen. Sicherlich wird es nun Zeit für einen weiteren Becher des Weines, damit ihr mir die Einzelheiten dieses schändlichen Vorfalles näher erläutern könnt, meine Liebe?"


    Ohne auf ihre Antwort zu warten, bedeutete Sarandir der Barmaid, der Rothaarigen noch einen weiteren Becher zu bringen und wandte sich dann wieder zu ihr um, um seine Arme auf den Tisch zu stützen, als könne er es kaum erwarten, daß sie die Details ihrer tragischen Geschichte enthüllte.
    Flugs wurde der zweite Becher vor Tara abgestellt und Sarandir wies mit einer großzügig anmutenden Geste auf seinen Inhalt.


    "Trinkt, meine Liebe. Ihr wirkt sehr durstig und sicherlich wird es euch Überwindung kosten, von diesem schändlichen Schuft zu reden."