Beiträge von Ishareh

    Jamil vermochte es eindeutig, Ishareh mit wenigen Worten in Wut zu versetzen. Die Geschichte mit dem dritten Sohn des Sultans war keineswegs eine rühmliche oder angenehme Episode im Leben der Halb-Djirin gewesen und so erinnerte Ishareh sich nur so ungerne daran. Und noch weitaus weniger gerne daran, daß Jamil es so hautnah miterlebt hatte. Und so funkelten ihre Augen nun wütend, während sie in einer ablehnenden Geste die Arme vor der Brust verschränkte.


    "Wie schön, daß Du mich auf diesen schmerzlichen Punkt meines Lebens so überaus mitleidslos hinweisen musst, mein lieber Jamil. Allerdigs habe ich ihn verlassen. Oder sollte ich Dich an Prinzessin Amila erinnern, der Du ewige Liebe geschworen hast - zumindest bis zu jenem Tag, an dem Du sie ihrer Flaschen beraubt hast? Wo wir wieder bei der Tatsache wären, daß Du ein unverbesserlicher Langfinger bist."


    Es bestand kein Zweifel daran, daß Ishareh kurz vor einem ihrer berüchtigten Wutausbrüche stand, der unter anderem davon ausgelöst wurde, daß sie gegenüber des kleinen Wesens nicht wenige Gewissensbisse verspürte.

    "So, verstehst Du das? Soviel gesunde Selbsteinschätzung hätte ich Dir ja niemals zugetraut."


    Isharehs Tonfall war spitz und sie musterte Jamil mit einer unübersehbaren Skepsis, bevor sie schließlich weiterredete.


    "Und eigentlich tue ich das noch immer nicht. Aber was auch immer Du im Schilde führen magst - ich bin darauf bestens vorbereitet."


    Letzere Worte wurden von einem strahlenden Lächeln begleitet, das sich jedoch in ein Stirnrunzeln wandelte, als ihr Blick auf die einsam und unglücklich wirkende Feenelfe fiel. Mit einem beinahe anklagenden Blick schaute sie zu Jamil hinüber und wies dann auf ihren Tisch.


    "Nun sieh Dir das an - ist das die berühmte Gastfreundschaft der Djirin? Das arme, kleine Wesen sieht so unglaublich traurig aus, daß es mir beinahe das Herz zerbricht."


    Mit einer theatralischen Geste legte sich ihre zarte Hand auf die linke Seite ihrer üppig geformten Brust. Tatsächlich bedauerte sie es, daß das Wesen so verloren wirkte und daß sie daran nicht ganz unschuldig gewesen war.

    "Ja, einen Wettkampf."


    Ishareh lächelte die Feenelfe bestätigend an, doch das Lächeln wandelte sich in eine nachdenkliche Miene, als Jamil sie darum bat, mit ihm das Gasthaus zu verlassen. Was im Namen des Flaschenhalses mochte der Djirin nun wieder im Schilde führen? Unwillkürlich war eine ihrer feinen, rötlichen Brauen mißtrauisch empor gewandert und auf ihrer Stirn hatten sich einige feine Linien gebildet. Nun, was auch immer es sein mochte - er sollte sich nicht einbilden, daß sie ein einfaches Opfer war. So zog sich also schnell ein bezauberndes Lächeln über ihre Lippen und sie nickte zustimmend.


    "Aber natürlich, Jamil. Wir haben einiges zu besprechen, nicht wahr? Über meine Flasche und Deine Flucht... und so einiges mehr, das niemals geklärt worden ist."

    "Es ist in der Tat kalt. Sehr kalt..."


    Wie in einem Reflex zog die Halb-Djirin ihren Schal ein weniger enger um dei Schultern und seufzte ergeben. Dann fixierten ihre dunklen Augen Jamil und eine ihrer Brauen hob sich in einem spöttischen Ausdruck empor.


    "Eine sehr interessante Interpretation der Geschichte..."


    Sie beließ es jedoch dabei und kommentierte die Ausführungen des Djirin nicht mehr weiter.


    "Oh, seht, Lysia - wir haben eine Art Wettkampf daraus gemacht, denn es wäre doch durchaus furchtbar langweilig, die Flaschen einfach zu bezahlen. Überdies... kein Djirin dieser Welt wird seine Flaschen freiwillig aufgeben. Noch nicht einmal für seine große Liebe oder wenn sein Leben daran hinge."


    Auch diese Geschichte entsprach nicht ganz den Tatsachen - aber wie sollte man auch erklären, daß Djirin einfach nur extreme Langfinger waren, denen es durch ihr nicht vorhandenes Geburtsrecht nach Flaschen gelüstete?

    "Wenn ein unverschämter Lügner diese Flaschen einfach stiehlt, wolltest Du sagen, mein Lieber, nicht wahr? Man sagt ja, daß alle Djirin flinke Zungen haben - aber Deine ist wohl schneller als der Wind, wenn es darum geht eine Ausrede zu finden."


    Isharehs Augen blitzten für einen Augenblick auf, doch es war schwer zu erkennen, ob sich Verärgerung darin gespiegelt hatte, oder lediglich Amüsement. Dann wandte sie sich jedoch der Feenelfe zu und ein Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie sich nach Art der Djirin grüßend vor ihr verneigte.


    "Es freut mich, eure Bekanntschaft zu machen, Lysia. Allerdings solltet ihr darauf achten, in wessen Gesellschaft ihr euch bewegt und eure Flaschen immer gut schützen, wenn Jamil in der Nähe ist. Glaubt mir, sie gehen sonst allzu schnell verloren..."


    Mit einer empor gezogenen Braue musterte sie den Djirin auf auffallende Art und Weise, bevor sie sich wieder zu Lysia umwandte.

    "Die Männer des Sultans wären sicher nicht so schnell in meine Gemächer eingedrungen, wenn Du ein wenig leiser gewesen wärest, aber wie so oft hast Du ja nicht auf mich hören wollen."


    Eben noch war die Miene der Halb-Djirin streng und unnachgiebig gewesen, als sie sich nun unvermittelt in ein breites Lächeln verwandelte, das wohl durch die Erinnerung an jene Nacht ausgelöst worden war.


    "Allerdings haben Dich die Säbel wohl nicht davon angehalten, meine Flasche zu stehlen... die sich zuvor sicherlich schon in Deiner Tasche befand, nicht wahr? Aber sei's drum... man sagte sich ohnehin, daß die Flasche verflucht sei und ihrem Besitzer stets kein Glück brächte."


    Ishareh versuchte, das Heimweh, das die Worte des Djirin in ihr auslösen wollten zurück zu halten und blendete das Bild der Wüste vor ihren Augen aus, das dort so ungebeten erschienen war. Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt die Tänzerin auf einen Stuhl an Jamils Tisch und lehnte sich zurück, nur um den Mann zu fixieren. Dabei streiften ihre Augen auch das seltsame Wesen, das einer Fee recht ähnlich sah, jedoch viel zu groß geraten war.


    "Und wer ist Deine Freundin, Jamil? Findst Du es nicht unhöflich, sie nicht vorzustellen? Das Leben in dieser Kälte muss Dir wohl auf die Manieren geschlagen sein..."

    "Was soll mich schon in dieses Loch verschlagen haben? Ich habe Dich gesucht. Schließlich ist es nicht einzusehen, daß Du meine Lieblingsflasche in Deine Gewalt bringst und dann ungestraft damit davonkommst. Du kennst das Gesetz der Djirin - eine gestohlene Flasche muss zurückgegeben werden, wenn der Dieb gestellt wird."


    Während sie sprach, hatte Ishareh beide Hände auf dem Tisch aufgestützt und sah Jamil mit einem vorwurfsvollen Blick aus den dunkel schimmernden Augen an, die noch immer Funken sprühten. Es störte sie nicht, daß er dabei einen Blick in ihr Dekolleté erhaschen konnte - er hatte nun wirklich so viel von ihrer Haut gesehen, daß Prüderie kaum angebracht war.


    "Und Du weißt, daß mein Zorn schlimme Folgen mit sich bringen kann, nicht wahr? Also tu nicht so, als ob Du nicht weißt wovon ich rede."


    Die letzten Worte waren eher ein leises Zischen gewesen, das eine gewisse Drohung beinhaltete. Ishareh richtete sich zu ihrer stolzen Größe auf und verschränkte die Arme vor der Brust, wobei sie Jamil nicht aus den Augen ließ. Oh, es lag ihr nicht mehr viel an der Flasche und sie meinte ihre Worte beileibe nicht ernst - allerdings war sie durchaus nicht darüber erhaben, Jamil einen ordentlichen Schrecken für seine Schandtat einzujagen und genau das war es, was sie nun im Schilde führte. Welcher Djirin gab schon gerne eine rechtmäßig gestohlene Flasche wieder an ihren Besitzer zurück?


    Als Hassan so unvermittelt sichtbar wurde, tat Laleya es ihm nach. Eine begrüßende Verneigung in Richtung der Windfee folgte sogleich, denn hatte Laleya nicht einst am Hofe des Sultans ihren Dienst getan? Ja, man konnte sagen, daß die Feuerfee über ausgesprochen fein ausgebildete Manieren verfügte.

    Tatsächlich, Ishareh war keineswegs die einzige Djirin unter den Wellen. Sein Ruf eilte ihm voraus, ebenso wie der Ruf des Etablissements, das er eröffnet hatte und wenn Ishareh für eines Talent hatte, dann dafür, dem wahren Kern in jeglichem Klatsch auf die Spur zu kommen. Und dort saß er, offenbar in das Gespräch mit einem seltsamen Wesen vertieft, dessen Art die Halb-Djirin noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Ishareh erlaubte sich ein feines Lächeln, das ihre Züge erhellte, während ihr Zeigefinger nachdenklich und leicht wie eine Feder gegen ihre Unterlippe klopfte. Oh, er hatte sie noch nicht bemerkt - und Ishareh war sich sicher, daß ihre Anwesenheit ihm einen gehörigen Schrecken einjagen würde... schließlich hatte er ihr etwas entwendet, damals über den Wellen. Eine ihrer liebsten Flaschen - ein schönes Stück, nach dem sie lange gesucht hatte. Oh, sie nahm es ihm nicht übel - Ishareh hätte durchaus das Gleiche getan, aber das musste er nicht wissen.
    Für einen Augenblick lauschte sie der Musik und blickte sich im Zauberbrunnen um - seltsame Gestalten existierten an diesem Ort, Gestalten, wie sie sich in ihrer Heimat noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Aber daran durfte sie jetzt nicht denken, nein.


    "Siehst Du ihn, Laleya? Dort drüben sitzt er so harmlos, als könnte er kein Wässerchen trüben..."


    Wässerchen... allein das Wort ließ der Frau aus dem Süden einen Schauer über den Rücken laufen. Als gäbe es hier nicht genug davon. Die Feuerfee, die an ihrer Seite schwebte, aber unsichtbar blieb, kicherte leise.


    "In der Tat und ich wette, daß er an diesem Ort nicht mit Dir rechnen würde..."


    Ishareh nickte kaum merklich und das Lächeln vertiefte sich, wurde aber sogleich durch eine strenge Miene ersetzt. Mit wenigen Schritten war sie an der Seite des Djirin, die Hände in die Seiten gestemmt, die Onyxaugen funkelnd, bevor sie schließlich die Stimme erhob. Nicht zu laut, aber laut genug, um den Djirin und seine kleine Freundin aufzuschrecken.


    "Hier bist Du also, Du unnützer Schuft! Unter das Meer hast Du Dich verkrochen, um vor meinem Zorn zu fliehen! Aber ich habe Dich gefunden, oh ja! Nicht einmal hier kannst Du mir entkommen!"


    Ein Djirin, ja, das war Jamil. Ein Bild von einem Djirin, was in seiner Heimat seinerzeit zu einer kurzen Affäre geführt hatte, die mit seinem Verschwinden und dem Verschwinden ihrer Flasche endete. Seine Anwesenheit, die Anwesenheit eines Djirin, jagte einen kurzen Stich durch Isharehs Herz. Es war wie ein Stück Heimat, hier in der Ferne.