Das Gasthaus Zum Korallenriff (alt)

  • Das Gasthaus Zum Korallenriff ist ein schlicht wirkendes, aber gut gepflegtes Fachwerkgebäude, das am Eingang des Händlerviertels zu finden ist. Schon vor dem Untergang war es für sein gutes Bier bekannt, von dem es heißt, dass es das Beste in der ganzen Stadt sein soll, und somit gab es selten eine Zeit, in der das Gasthaus über mangelnde Besucher zu klagen hatte.
    Über die Jahrhunderte sind viele Abenteurer im Korallenriff eingekehrt und haben ihre Spuren hinterlassen. Abenteuerliche Geschichten haben hinter den weiß getünchten Mauern ihren Anfang genommen und Berühmtheiten haben dem Gasthaus ihren Glanz verliehen. Hier und da erinnert ein Andenken an diese Besuche. Dort haben Krallen tiefe Kratzer im Holz eines Tisches hinterlassen, die davon erzählen, wie der große Magier Sarandos inmitten des Korallenriffs von einer Dämonin zum Kampf herausgefordert worden ist. Ein Stückchen weiter hängt das prachtvolle Schwert des Galadion Sternenhüter an der Wand, eines Elfen, der bei den Kämpfen gegen Deron Arieth das Leben lassen musste. Die Laute von Sivandea Desinor lehnt in einer mit Magie gesicherten Ecke und erinnert an die schöne Zaubersängerin, die einst die Gäste mit ihren Liedern über legendäre Helden und Heldinnen verzückt hat, bevor sie selbst zu einer solchen geworden ist.
    Es gibt vieles zu sehen und unzählige Details erinnern an die Vergangenheit der Stadt, an der das Korallenriff stets einen großen Anteil gehabt hat. Geheime Treffen, dramatische Geschichten, Pläne zu den Aufständen gegen den Priester des Narion - vieles hat in den Mauern des Gasthauses seinen Anfang genommen und nur zu gerne wird davon erzählt, wenn das gemütliche Feuer im Kamin des Korallenriffs flackert und sich die ersten Gäste auf den vom langjährigen Gebrauch polierten Holzbänken niedergelassen haben.
    Fenir Alertin, selbst ein ehemaliger Abenteurer, ist der beleibte, gemütliche Mann, der das Korallenriff vor 25 Jahren übernommen hat und seitdem dafür Sorge trägt, daß es seinen Gästen an nichts fehlt. Nicht selten stellt er sich selbst in die Küche und verwöhnt hungrige Besucher mit seinen deftigen, schlichten aber wohlschmeckenden Gerichten. Zu diesen Gelegenheiten findet sich seine Frau, Delora, an seiner Stelle im Gastraum ein, wo ihr ansteckendes Lachen oftmals selbst den hartnäckigsten Lärm übertönt, wenn sie nicht sogar selbst ein fröhliches Liedchen anstimmt.
    Von Zeit zu Zeit treffen einige bekannte Persönlichkeiten und sogar Mitglieder des Rates in Verkleidung an der gemütlichen Eichenholztheke ein, um sich unter das Volk zu mischen und aus nächster Nähe zu erfahren, was die Bewohner der Stadt bewegt.
    Das Gasthaus verfügt über 20 saubere und ordentlich eingerichtete Zimmer und hat anständige Preise. Hier ist jeder gerne gesehen, gleichgültig welchem Stand er angehört, solange er keinen Ärger in die gute Stube trägt.
    Fenir ist dafür berühmt, dass er neben seinem gewöhnlichen Repertoire gerne Spezialitäten aus fremden Ländern auf den Tisch zaubert. Dabei ist allerdings nicht bekannt, woher er diese bezieht und so ist dies ein Thema, das über die Jahre vielfältig ausgeschmückt worden ist.

  • Fortsetzung von "Die Türme der Magie"


    Der Weg in das Gasthaus war kurz gewesen und sie hatten ihn weitestgehend schweigend genommen. Es waren ihr zwar schon einige Fragen durch den Kopf geschossen, aber zum einen wollte sie nicht zu neugierig und interessiert wirken. Zum anderen genoss sie stets die Stille der Nacht und hatte diese ungern stören wollen. Im Gasthaus würden sie darüber hinaus ausreichend Zeit haben zu reden und mehr voneinander zu erfahren.


    Bereits als Kyreia nun die Tür zum Gasthaus öffnete, schlug ihr die Hitze entgegen. Wie können sich andere bei so einer Wärme wohlfühlen?, schoss es ihr durch den Kopf, den sie daraufhin aus Unverständnis schüttelte. Dennoch mochte sie das Gasthaus, seine Gemütlichkeit und die vielen Erinnerungen an längst Vergangenes. Insbesondere das von ihresgleichen geschmiedete Schwert des Galadion Sternenhüter, welches an der Wand hing und an die Heldentaten seines Besitzers erinnerte, beeindruckte sie stets aufs Neue. Zudem wusste sie nun ihr eigenes Schwert ganz in ihrer Nähe. Dies gab ihr Kraft, da zu ihrem Missfallen doch sehr viele Gäste den Weg in das Gasthaus gefunden hatten.


    Mit jener Eleganz, die nur Elfen zu eigen war, schritt die Priesterin auf einen freien Tisch zu, der in unmittelbarer Nähe zu dem Elfenschwert stand und ihr einen guten Blick darauf gewährte. Erst als sie saß, blickte sie zu ihrem Begleiter. Da er noch stand, wirkte er noch größer, stattlicher als zuvor. Yassalar waren tatsächlich beeindruckend, musste sich die Elfe eingestehen. Erneut hatte sie das Gefühl, er sei das genaue Gegenteil von ihr. Zumindest rein äußerlich traf dies offensichtlich zu, doch inwiefern innerlich? Sie würde es gewiss erfahren.


    Noch immer vermied Kyreia es ihre Gefühle zu zeigen, doch sie schaute ihm mit festem Blick in seine dunklen, unergründlichen Augen, während sie wartete, bis er sich ebenfalls gesetzt hatte. Des Weiteren hoffte sie, dass der Gastwirt bald käme und sie ihren Durst würde stillen können. Ihr Mund fühlte sich unangenehm trocken an. Zeciass geht es bestimmt auch nicht besser, überlegte sie und beobachtete ihn nun genauer. Würde er es sich anmerken lassen?

  • Der Hall der Dunkelheit blieb hinter ihm zurück, rasch zur Sehnsucht werdend. Durch den Einlass in die Schänke tretend, wallten verkratzte Stimmen und verbrauchte Luft in einer widerwärtigen Welle auf ihn ein. Ekel ließ ihn die Nase kraus ziehen, während seine Schritte ihn tiefer in die Eingeweide des Gebäudes hinein führten.
    Der erhoffte Lohn ging ihm voraus, die Hüften sacht unter dem dunklen Kleid schaukelnd.


    Menschenvolk. Gedrängt an Tischen, umringt von zusammenhangloser Dekoration. Ein allumfassendes Gelaber und Gelächter, das die simplen Gemüter vollauf zu beschäftigen schien. Der Blick des Jägers erfasste nur wenige Fluchtwege, die kunstvoll gefertigte Waffe an der Wand und das verräterische Glänzen von Schuppen am gegenüberliegenden Bartresen.
    Der Mira'Tanar dort wurde der Anwesenheit des Feindes im selben Moment gewahr, während sich die Priesterin einem Sitzplatz in der Nähe des Schwertes näherte.
    Sekundenlang verblasste die wuselnde Umgebung und Zeciass Muskeln erwärmten sich in Erwartung der unweigerlichen Konfrontation, die auch den Körper des Meereselfen sichtlich in Spannung versetzte.
    Nicht weit entfernt hob das eigentliche Ziel seiner Anwesenheit den Blick. Wartend. Unbeeindruckt vom Treiben ganz auf ihn konzentriert.
    Den Mira'Tanar zu ignorieren, war ein kalkulierbares Risiko. Seine Prioritäten hatten Vorrang.


    Noch schnitt seine kühle Schuppenhaut unbeeindruckt durch die schwere, warme Luft. Kyreia im Blick, nahm er auf der Bank unterhalb des Schwertes Platz und breitete die Arme auf der glatten Holzlehne aus. Die eilenden Dienerinnen, die gestikulierenden Gäste, der misstrauische Mira'Tanar wurden ab diesem Moment zum Kulissenspiel, aufgeführt von bedeutungslosen Laien - nur mehr Zierde seiner ganz persönlichen Bühne.
    Kyreia, die seitlich des Tisches vor ihm saß, hatte ihn in nahezu andächtiger Stille zum Gasthaus begleitet. Das warme Licht des Schankraums schmeichelte ihren zarten Zügen, verlieh der verschlossenen Miene eine rätselhafte Sanftmut.
    Doch allein die Tatsache, dass sie noch immer an seiner Seite war, strafte ihre reglose Miene Lügen.

    Der Yassalar neigte den Kopf ein wenig zur Seite. "Ihr passt nicht in diese Stadt, Kyreia", führte er mit sanfter, volltönender Stimme seinen ersten Zug.

  • Kyreia beobachtete still, wie Zeciass sich niederließ und die Arme auf der Rückenlehne der Bank ausbreitete. Seine Bewegungen und seine Haltung zeugten von Gelassenheit und Selbstbewusstsein und die Nordelfe empfand Bewunderung für den Yassalar. Es war seine innere Stärke, welche ihn trotz der hier herrschenden Hitze und der vielen Besucher der Gaststätte gelassen wirken ließ, die Kyreia beeindruckte. Wie sie selbst konnte er sich offenbar beherrschen, versteckte seine Gefühle jedoch nicht hinter jener kühlen Fassade, die sie stets aufrechterhielt, sondern überspielte sie mit anderen.


    Wäre er so in der Lage sie zu täuschen? Würde er ihr auch andere Gefühle wie Freundlichkeit vorspielen können, nur um ein verborgenes Ziel zu erreichen? Doch womöglich fühlte er sich hier nicht unwohl, sodass sie die falschen Rückschlüsse gezogen hatte. Womöglich war er tatsächlich gelassen und störte sich nicht an der Umgebung hier. Kyreia hatte schon immer dazu geneigt, zu viel nachzudenken. Sie beschloss erneut, diesen Abend einfach zu genießen. Hier unter den Augen so vieler, würde Zeciass nicht wagen, ihr zu nahe zu kommen. Dieser Gedanke beruhigte sie.


    Als Zeciass sie ansprach, wandte sie ihm seine volle Aufmerksamkeit zu. Ihr. Passt. Nicht. In. Diese. Stadt. Unwillkürlich ergriff Kyreia den Anhänger Liarils, der um ihren Hals hing. Eine Geste, die ihm zeigte, dass ihr dieses Thema unangenehm war. Sie hatte ihm schon zu Beginn ihres Kennenlernens erklärt, dass sie reiste, um Bedürftigen zu helfen und ihr Wissen sowie ihre Fähigkeiten aufzubauen. Doch dies war nicht die ganze Wahrheit gewesen. Und dieser andere Teil war der Grund warum sie nicht in diese Stadt, nicht zu ihren Bewohnern passte. Weil ich keine von ihnen bin, dachte Kyreia. Weil ich eine Aufgabe zu erfüllen habe und nicht meinem Vergnügen nachgehen kann, wie die meisten hier. Die Nordelfe war stolz darauf ihrem König und auch Liaril dienen zu können und doch lastete die Bürde, beides miteinander vereinen zu müssen, schwer auf ihren Schultern. Manchmal wünschte sie sich unbeschwerter durch ihr Leben gehen zu können.


    Ihren Gedanken nachgehend, wandte Kyreia den Blick von Zeciass ab und ließ ihn auf dem Elfenschwert ruhen. Den Griff um ihren Anhänger lockerte sie nicht, doch schließlich antwortete sie: „Da habt Ihr wohl recht. Doch das spielt keine Rolle. Ich lebe, um zu dienen, wo immer mich mein Weg auch hinführen mag.“ Die Elfe hob den Blick und schaute Zeciass wieder in die Augen. "Ihr passt ebenso wenig in diese Stadt wie ich. Doch seid Ihr freiwillig hier. Ihr könntet einfach wieder hinabtauchen in Eure Heimat." In Kyreias Stimme schwang leichte Sehnsucht mit. "Warum verweilt Ihr hier? Wonach sucht Ihr?"

  • Zeciass zauberte einen gequälten Ausdruck auf sein ebenmäßiges Gesicht. Er schüttelte langsam den Kopf. "Meine Heimat ist mir versperrt."


    In einer fließenden Bewegung schwangen seine Arme von der Rückenlehne, während er sich nach vorn lehnte und die Hände auf dem Tisch ineinander faltete. Die schwarzen Augen konzentrierten sich auf einen Punkt in weiter Ferne. "Meinen Stand, die Gunst Zi'laills, meine Zukunft... all das opferte meine Tat der Strömung."


    Für einen Moment senkten sich seine Lider. Als er die Augen wieder öffnete, waren sie auf die Priesterin zu seiner Seite gerichtet. "Das Meer zu verlassen, hat meinen Tod nur hinausgezögert", stellte er mit ruhiger Stimme fest.
    "Ihr habt also Recht. Auch ich gehöre nicht in diese Stadt... und wenn es nach Zi'llail ginge, gehörte ich nicht einmal mehr in diese Welt", schnaubte er mit einem bitteren Lächeln. "Aber ich habe nicht vor, kampflos aufzugeben. Ich werde die Macht der Elemente meistern, Verbündete gewinnen und vielleicht erringe ich sogar..."


    Sein Blick glitt ihren Hals hinab zu dem eng umfassten Anhänger und wieder empor zu ihren Augen, um dort etwas länger zu verweilen.
    "... die Gunst einer neuen Göttin."

  • Kyreia schalt sich selbst ob ihrer Dummheit. Natürlich. Sklaven zu befreien blieb unter Yassalar gewiss nicht ungestraft. Und auch wenn sie selbst diese Tat als gerecht betrachtete, so nahm sie an, dass Yassalar die Gerechtigkeit vielmehr in einer Bestrafung dieser sahen. Wie sollte Zeciass also einfach in seine Heimat zurückkehren?


    Das schlechte Gefühl verstärkte sich noch, als Zeciass weitersprach. Von Tod und Kampf. Kyreia verspürte plötzlich einen merkwürdigen Schmerz in ihrem Bauch. Eine Mischung aus Mitleid, aber auch Zorn begann in ihr zu wachsen. Gerechtigkeit erforderte manches Mal das Schwert, doch die Priesterin versuchte dies meist zu vermeiden. Dass eine solch gute Tat so etwas nach sich zog, gefiel ihr keineswegs. Es erinnerte sie daran, dass sie selbst viel zu oft nicht aus Gerechtigkeit handelte, sondern aus Liebe zu ihrem König. Für Zeciass wünschte sie sich dies nicht.


    Dennoch war sie ihrem Gegenüber dankbar für dessen Offenheit. Sie sah ihn weiterhin fest an, zeigte wie immer wenig Gefühlsregung. Doch in diesem Augenblick konnte Zeciass nicht entgehen, dass ihre Augen leicht schimmerten. Sie blinzelte, um die Tränen zurück zu halten, bevor sie ihre Hand von ihrem Anhänger löste und mit den Fingerspitzen leicht seine gefalteten Hände berührte.

    „Wenn Ihr dies tatsächlich ernst meint, steht Euch gewiss nichts im Weg, außer Zeit und Geduld. Aber…“, nun legte sie ihre Hand gänzlich auf die seine. „… dann solltet Ihr Euch vielleicht von dem Plan zu kämpfen lösen. Könntet Ihr Euch vielleicht vorstellen, Euch an einem anderen Ort niederzulassen? Fern von Eurer Heimat und den Kämpfen dort? Und von Zi’llail?“

  • Sein innerer Jäger entspannte sich zufrieden, als ihre Hand zaghaft die Berührung suchte. Mitgefühl. Eine gefährliche Gefühlsregung, die jungen Yassalar so früh wie möglich ausgetrieben wurde... nicht jedoch seiner liebreizenden Priesterin. Seine Intuition hatte es ihm schon am Fluss zugeflüstert und ihn die Rolle des tragischen Helden ergreifen lassen... ärgerlicherweise hatte er sich von ihrem kühlen Auftreten beirren lassen und sich in vertrautem Gewässer geglaubt.
    Aber nun war er dabei, diesen Fehler zu korrigieren...


    Seine feine Schuppenhaut kribbelte, wo ihre Finger sich auf seine Hände gelegt hatten. Er bemerkte und ignorierte es.
    "Ich sitze neben einer Priesterin der Liaril", lächelte er matt. "Es gibt wahrscheinlich keinen Ort auf dieser Welt, der weiter von Zi'llail entfernt ist als dieser."


    Zeciass wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Augenblick trat eine gestresst wirkende Dienerin an den Tisch. Eine Hand unter ein schweres Tablett voller Gläser gestützt, mit der anderen ihre verrutschte Schürze richtend, erkundigte sie sich nach den Wünschen der Herrschaften. Zeciass quittierte die Störung mit einem stechenden Blick, der die Bedienstete erschrocken dazu brachte, ihre Haltung und Tonlage zu korrigieren. Einmal kurz sprangen ihre Augen an ihm hinab, erfassten wie zufällig die schwarz glänzende Statur des fremdländischen Gastes.


    "Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung. Was darf ich Ihnen bringen, werte Dame und werter Herr?" lächelte sie nun in formvollendeter Manier. "Unsere beliebten Schwarzen Muscheln werden heute in einem besonders edlen Weißwein aus Vintar serviert. Falls Ihnen der Sinn danach steht, nur etwas Besonderes zu trinken, hätten wir ein exotisches Getränk namens Caife anzubieten. Es stammt aus den geheimnisvollen Ländern des Meeres und wurde vorhin erst frisch angeliefert. Es soll sehr..." Ihr Blick huschte fast verstohlen zu den sich berührenden Händen des attraktiven Paares. "... anregend schmecken, so sagt man."


    Abwartend, was es werden würde, beobachtete sie die Gesichter der beiden Gäste.

  • Kyreia nickte ernst: „Da habt Ihr wohl Recht. Was...“ Sie wollte gerade noch etwas ergänzen, als jemand an ihren Tisch trat und sie abrupt verstummen ließ. Als die Nordelfe den Blick der Fremden und den Ton in ihrer Stimme bemerkte, löste sie die Berührung und verschränkte ihre eigenen Hände ineinander. Ihr war auch der zornige Blick Zeciass‘ nicht entgangen, doch sie vermutete, dass es ihn lediglich störte, dass sie in einem solchen Moment unterbrochen wurden. Ihr selbst war dies ebenfalls unangenehm.


    Und doch bemerkte sie, dass sie durchaus Hunger verspürte. Muscheln kannte sie nicht, hatte jedoch schon von diesen leckeren Köstlichkeiten aus dem Meer gehört. Darüber hinaus erschien es ihr freundlich etwas aus Zeciass‘ Heimat zu probieren. Also antwortete sie: „Die Muscheln bitte. Und dazu einen süßen Saft.“ Sie wählte bewusst nicht das Getränk, das die Frau ihnen vorgeschlagen hatte. Sie wollte dem Yassalar keine falschen Zeichen zeigen.


    Abwartend blickte sie ihren Begleiter an, damit auch er bestellen konnte. Sie wollte ihr Gespräch zu gerne fortsetzen – ohne den bohrenden Blick der Bediensteten.

  • Zeciass' Kiefermuskulatur spannte sich unvermittelt an, als die Dienerin ihnen das Getränk empfahl. Caife. Was erdreistete sie sich! Ihm das dreckige Gesöff der niederen Brut Ya'Tanais anzubieten!
    Es kostete ihn einen Moment der Konzentration, seinen aufgepeitschten Ingrimm zurück unter die Oberfläche zu drängen. Gleichzeitig schnitt sein Blick durch den Raum, witterten seine Sinne nach dem Feind, der durch die Erwähnung des Getränks in sein Bewusstsein zurückgekehrt war. Ohne Frage würde ihm der ungeschickte Mira'Tanar sofort auffallen, sollte er sich auch nur einen Schritt zu weit nähern, doch seine Gereiztheit würde erst weichen, wenn die Bleichschuppe wieder unter seinen Augen erstarrte.
    Kyreia nannte ihren Wunsch und er registrierte, dass sie nicht den Caife wählte. Derweil wurden die Stimmen im Lokal unerwartet leiser und eine zarte Abfolge von Tönen läutete den Auftritt einiger Musiker ein. Die Instrumente, die gespielt wurden, waren Zeciass fremd, die stillere Umgebung wusste er jedoch zu schätzen. Nicht zum ersten Mal fiel ihm auf, dass die Töne sehr viel früher verebbten als unter Wasser. Er vernahm kaum, was am anderen Ende des Raumes geschah... als würde jede Schwingung von einem unsichtbaren Strudel fortgezerrt, ehe sie seine von Zi'laill geschärften Sinne erreichte. So sehr er sich auch konzentrierte, es ließ sich nicht ändern. Er musste sich umso mehr auf seine Beobachtungsgabe verlassen.


    "Die Muscheln. Eine doppelte Portion und einen großen Krug Wasser", trug er der Dienerin befehlsgewohnt auf. Sein Nacken prickelte unheilvoll, obgleich er mit dem Rücken zur Wand saß. Der Mira'Tanar war nirgends zu sehen. "Außerdem ein Zimmer für die Nacht."
    Die Dienerin setzte zu einer Antwort an, überlegte es sich aber scheinbar anders, nickte nur und setzte mit einem letzten, schwer zu deutenden Blick zu der Elfe ihren Weg fort.


    Seine Gesichtszüge erschienen härter, während er seine rechte Hand vom Tisch zog und sie scheinbar lässig auf der Stelle seines Oberschenkelgurts verharren ließ, in dem sein Jagdmesser verborgen war.
    "Ihr wurdet unterbrochen", wandte er sich mit dunklerer Stimme an Kyreia. "Was wolltet Ihr sagen?"

  • Der Weg zog sich, da Saniya ein recht langsames Tempo eingeschlagen hatte. Doch endlich waren sie angekommen. Das Licht des Kaminfeuers flackerte durch die Fenster und Saniya zögerte nicht, einzutreten. Drinnen war es wie immer, wenn Saniya das Gasthaus besuchte, recht voll doch es gelang ihr, einen freien Tisch zu ergattern, an dem sie Platz nahm und ihren Begleiter anlächelte. "Wo kommt Ihr eigentlich her?", erkundigte sie sich, während sie eines der Schankmädchen heran winkte.

  • Hatte sie sich doch geirrt? Kyreia zweifelte einmal mehr, denn ihr entging der Blick Zeciass‘ keineswegs. Sie hatte die kurze Veränderung in ihm bemerkt, deren Ursprung sie nicht kannte. Doch nun sah sie, was seine Erregung wohl ausgelöst haben mochte. Ein Mira’Tanar.


    Ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch sogleich auf die Musiker gelenkt. Kyreia genoss die eingekehrte Stille, die zarten Töne, die sie in ihren Bann zogen. Am Morgen noch hätte sie nie erwartet, dass dieser Abend so verlaufen würde. Wie in einem Traum gefangen, dachte sie und griff aus Gewohnheit erneut ihren Anhänger. Nie hätte sie angenommen, jemals mit einem Yassalar an einem Tisch zu sitzen. Im Grunde wusste sie nicht, was sie tat. Aber wie häufig hatte sie heute bereits darüber nachgedacht? Und war jedes Mal zu dem Schluss gekommen, dass sie den Abend genoss. Und ebenso fürchtete. Immer wieder dieselben Fragen. Warum konnte ihr Verstand nicht schweigen? Ihr Herz wusste bereits, dass sie nicht gehen würde. Gesellschaft und anregende Gespräche fehlten ihr mehr, als sie sich eingestehen wollte.


    Um sich zu beruhigen, ließ die Nordelfe den Blick durch den Raum schweifen, während Zeciass ebenfalls seine Bestellung aufgab. Sie erblickte nichts Interessantes. Gewiss, ein paar interessante Geschöpfe waren anwesend. In ebendiesem Augenblick war sogar eine Cath’shyrr eingetreten. Doch niemand hier war so faszinierend wie Zeciass. Also wandte sie sich wieder ihm zu.


    Täuschte sie sich oder hatte er nun einen anderen Gesichtsausdruck? Sie verwarf diesen Gedanken und auch die Frage, die sie zuvor stellen wollte. Stattdessen schlug sie ein anderes Thema an, das ihr auf der Seele brannte: „Mir scheint, ihr wolltet euch ändern. Das sagen Eure Taten und Eure Worte. Und Ihr verbringt den Abend mit einer Priesterin der Liaril.“ Kyreia ließ zu, dass ein leichtes Lächeln Ihre Lippen umspielte, bevor sie ernst hinzufügte: „Und doch sagt Ihr, Ihr wollt kämpfen, um Euer Leben zurückzuerhalten. Seid Ihr tatsächlich weiterhin so verbunden mit den Ansichten Eures Volkes?“ Kyreia sammelte Mut und stellte die Frage, die sie stellen musste: „Wie steht Ihr zu anderen Völkern,… wie den Mira’tanar oder dem meinen?“
    Ihre kühlen Augen fixierten ihr dunkles Gegenüber und mit pochendem Herzen wartete sie seine Reaktion ab.

  • Diese Frage...

    Seine Kiemen zogen sich aus Reflex zusammen, was ihm unter Wasser einen atemlosen Moment eingehandelt hätte. Hier an Land jedoch atmete Zeciass ungerührt weiter, während er seinen Blick zwang, sich weiterhin auf den Kyreias zu fokussieren. Sie musste seine Anspannung gespürt haben... doch warum formulierte sie ihre Frage auf diese Weise? Warum die Mira'Tanar erwähnen? Es sei denn... sie hatte die Bleichschuppe entdeckt. Eben jene, nach der er vergeblich Ausschau hielt. Zeciass glaubte nicht an einen Zufall.


    Der Mira'Tanar wollte ihm auflauern!


    Wie eine kalte Klinge stieß der Hass in seine Gedanken. Er war nicht bis in diese Stadt gekommen, nur um sich vom letzten Abschaum massakrieren zu lassen. Er war dazu bestimmt, Anerkennung zu erringen - nicht selbst zum Opfer zu fallen! Aber das musste ja nicht sein...
    Seine arglose Priesterin hatte ihm einen Vorteil geschenkt. Ein Wissen, das den Mira'Tanar das Leben kosten würde.


    Das Bild der Bleichschuppe, die sterbend zu seinen Füßen zuckte, zog seine Gedanken in einen tiefroten, unwiderstehlichen Bann. Zu lange schon hatte er keinen Feind mehr bluten sehen...


    Doch sein Körper bewegte sich nicht. Er erhob sich nicht, sondern ließ den Blutdurst in all seiner makaberen Macht über sich zusammenschlagen. Seine Sinne verloren sich für Sekunden, doch er verharrte, während der Sog ihn umspülte, schwächer wurde und schließlich ganz verebbte.
    Mit benommener Überraschung stellte er fest, dass er noch immer in diese fragenden, morgenklaren Augen blickte. Wie viel war ihm anzusehen gewesen? Wie lange hatte der Blutrausch ihn berührt?


    Mit sich schließenden Augen hob Zeciass die rechte Hand, die zuvor auf seiner Waffe gelegen hatte, zu seiner Stirn und verharrte so für einen Moment. "Ich kann Euch nicht belügen, Kyreia. Ich will es auch nicht", erklärte er schließlich langsam und mit hörbarer Überwindung. "Ich hasse sie! Ich hasse die Mira'Tanar und sie hassen uns nicht minder. Mein Volk weiß, was es heißt, für sein Überleben zu kämpfen - zu töten. Es ist das, was uns gelehrt wird; was Zi'llail von uns verlangt..."


    Mit gefletschten Reißzähnen, doch mit gequältem Blick ballte Zeciass die Faust vor seinem Gesicht und ließ sie mit Gewalt auf die Tischplatte donnern. Sein schwarzer Blick bohrte sich in den der Priesterin. "Aber ich weiß, dass es mehr geben muss! Mehr als diesen Hass in meinem Kopf, das Verlangen nach Macht in meinen Gedanken! Mehr als diese Blutgier, die sie uns predigen!"


    Plötzlich verlor seine Mimik die Verbissenheit und etwas Sanftes legte sich in seinen Blick. Fast wie von einer fließenden Welle bewegt, lehnte er sich weit zu der schönen Elfe vor. Seine Worte waren ein leises Raunen aus tiefster See. "Ich hasse dich nicht, Kyreia... Bitte...Verurteile mich nicht. Hilf mir und lehre mich, was Liaril dir bedeutet."

  • Furcht ergriff Besitz von ihr. Ihr Herz schlug unbarmherzig gegen ihre Brust. Sie versuchte nicht einmal mehr dies zu verbergen. Kyreia wusste, dass sie bei dem Versuch ohnehin kläglich scheitern würde. Also starrte sie Zeciass an, hörte wie er aussprach, was sie so sehr gefürchtet hatte - Ich hasse sie - , zuckte zusammen, als er seine Faust auf den Tisch donnern ließ.


    Währenddessen zog sie sich etwas zurück, nahm ihre Hände vom Tisch und verbarg sie ineinander verschlungen in ihrem Schoß. Doch trotz allem blieb sie sitzen. Sie wollte abwarten, was er ihr noch zu sagen hatte - nun, da er endlich die Wahrheit sprach. Und obwohl sie all ihre übrig gebliebene Beherrschung aufbringen musste, schaffte sie es, nicht vor ihm zurückzuweichen. Überrascht vernahm sie seine Worte, die um ihre Hilfe baten.


    Mit aufgerissenen Augen schaute Kyreia Zeciass an, all ihre Selbstbeherrschung war nun fort. Lange Augenblicke vergingen, in denen sie nicht wagte die Stille zu brechen. Sie war eine Nordelfe und darüber hinaus eine Priesterin der Liaril. Besonnen. Gerecht. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was nun von ihr erwartet wurde. Sie sollte ein gerechtes Urteil fällen. Und doch wurde dies erschwert durch ihre eigenen Emotionen. Kyreia war enttäuscht. Obwohl das Gefühl, das etwas nicht stimmte, sie den gesamten Abend begleitet hatte, fühlte sie sich verraten durch die Täuschung Zeciass‘.


    Aber hatte er sie tatsächlich getäuscht? Er hatte sie nicht angelogen… Oder? Kyreia versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Zeciass war ehrlich gewesen, als er ihr gestand die Mira’Tanar zu hassen. Also war er auch ehrlich gewesen, als er sie um Hilfe bat? Kyreia beschloss, auf ihre Gefühle zu hören und dem Yassalar eine Chance zu geben. Er hatte nichts Unrechtes getan und hatte eine zweite Chance verdient. Dies war ihr Urteil als Priesterin.


    Also löste sie ihre Hände voneinander und hob sie wieder, legte sie zunächst zaghaft, dann bestimmt auf seine Faust, die noch immer auf dem Tisch ruhte. Als sie ihm antwortete, schaute sie ihm fest in die Augen: „Ich verurteile dich nicht.“ Ein aufrichtiges Lächeln. „Und ich möchte dir helfen. Gerne möchte ich dir etwas von mir und Liaril erzählen. Aber dir muss bewusst sein, dass sich Liarils Lehren nicht an einem Abend erzählen oder gar verstehen lassen. Ich habe dafür ein ganzes Leben gebraucht.“ Kyreia zuckte leicht mit den Achseln und fügte dann hinzu: „Also was möchtest du zuerst wissen?“

  • Saniya genehmigte sich etwas zu essen und trank dazu einen schweren Rotwein, während sie sich mit ihrer Begleitung über belangloses Zeug unterhielt. Zwischendurch huschten ihre Blicke immer wieder durch den Schankraum, um die restlichen Gäste des Korallenriffs zu beobachten. Immer wieder bleib sie dabei an dem Yassalar hängen, der unweit von ihnen an einem anderen Tisch mit saß und sich mit einer Frau unterhielt. Ein ungutes Gefühl beschlich Saniya und sie nickte ihrer Begleitung freundlich zu. "Verzeiht. Es ist schon spät. Ich werde zusehen, dass ich nach Hause komme", verabschiedete sie sich von ihm, erhob sich und verließ das Gasthaus.

  • Ersehnter Triumph durchströmte ihn, als er ihren eisigen Panzer aus Beherrschung springen sah. Die nackte Angst, die in ihren Augen aufgeblitzt war, stand ihr fabelhaft zu Gesicht.
    In ihrem weit geöffneten Blick las er nun, was sie so mühsam vor ihm verborgen gehalten hatte. Sie fürchtete die lauernde Dunkelheit in seinem Herzen, doch sie war ihm auch bereits zu nahe gekommen...
    Die Stille, in der die Verwirrung sie beherrschte, war das schönste Geräusch im Saal. Regungslos genoss er die Spannung, den anregenden Kitzel der Jagd nach der Gunst, die sie ihm nur so spärlich gewährte.


    Ihre Haltung änderte sich. Zum zweiten Mal an diesem Abend fanden ihre Hände fast schüchtern zu seinen, um sich dieses Mal völlig und rückhaltlos um seine Faust zu schließen. Ihre sanften Worte und ihr Lächeln flossen wie eine warme Strömung über seine angespannten Sinne.
    Zeciass schwor sich, die Bedienung eigenhändig auszuweiden, sollte sie ihm jetzt noch einmal den Schwarm aufscheuchen.


    Vertrauensvoll legte er seine freie Hand auf ihre Finger und begann die Faust unter ihnen langsam zu lösen. Nur wie in weiter Ferne flackerten die Texte in seinem Verstand auf, die er in Tsa'Orls Schriften studiert hatte - anstelle der hasserfüllten Litaneien und Flüche, mit denen ihre Priesterinnen die Zwillingsschwester Zi'llails immerzu belegt hatten. Der scharfe Kontrast brachte ihn aus dem Konzept, sodass er sich mit seinen Gedanken in sicheres Gewässer zurückzog. "Ich sollte dich warnen..." Ein freches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. "... ich werde ein schlechter Zuhörer sein, wenn das bedeutet, dass du noch mehr Abende mit mir verbringen musst. Vielleicht sollten wir..."


    "Bitteschön! Ein großer Krug Wasser und ein süßer Saft! Die Muscheln kommen sofort", verkündete die Kellnerin und stellte Krug und Becher schwungvoll auf dem Tisch ab. Sie grinste beim Anblick der sich erneut berührenden Hände und rauschte weiter.


    Zeciass schloss die Augen.

  • Ihr Herz schlug heftig gegen ihre Brust, als er seine Hand auf die ihre legte. Sie musste sich eingestehen, dass sie tatsächlich begann sich wohlzufühlen in der Gesellschaft ihres dunklen Begleiters… und wirkliches Vertrauen zu fassen. Er wollte ihre Lehren hören. Dies war ihr Beweis genug. Seine charmante – und zudem geheimnisvolle Art – taten ihr übriges dazu bei, dass die Priesterin sich zu Zeciass hingezogen fühlte. Also genoss sie die Berührung und zog ihre Hände nicht zurück.


    Bei seinen Worten musste sie leicht lächeln. Hätte sie die Kontrolle ihrer Gefühle nicht seit ihrer Geburt erlernt, wäre sie wahrscheinlich errötet. Nun war sie dankbar über die Selbstbeherrschung ihres Volkes. Dass ihr Herz noch schneller schlug, konnte sie jedoch nicht verhindern. Kyreia konnte nur hoffen, dass Zeciass es nicht bemerken würde. Die kurze Unterbrechung gab ihr Zeit, ihren Atem und auch ihr pochendes Herz etwas zu beruhigen.


    Sanft löste sie eine Hand aus dem Griff des Yassalars und nahm den Saft dankend an sich. Als die Kellnerin sie wieder verlassen hatte, überlegte Kyreia laut: „Für diesen Ort scheint es ungewöhnlich zu sein, dass ein Yassalar den Abend mit einer Elfe verbringt. Wir sollten ihnen beweisen, dass Vorurteile nicht immer der Wahrheit entsprechen müssen. Dafür verbringe ich gerne ein paar Abende mit dir.“ Sie nahm einen Schluck ihres Saftes und fügte hinzu: „Du wurdest unterbrochen. Was wolltest du sagen?“ Mit erneut pochendem Herzen wartete sie die Antwort ab.

  • Die nervtötende Einmischung schien nur seine eigene Stimmung zu sabotieren. Die warme Hand Kyreias ruhte weiterhin auf seiner eigenen und so öffnete Zeciass mit einem unhörbaren Atemzug die Augen... ohne einen bluttriefenden Mord zu begehen.


    Sie wollte also Zeit mit ihm verbringen, um einem Haufen unbedeutender Niemande zu beweisen, dass sie sich irrten?
    Die Spur eines Lächelns nistete sich in seinem Mundwinkel ein. Sicher... das war der Grund...


    Zeciass löste seine Hand und langte nach dem Wasserkrug, der einen ganzen Liter enthalten musste, so schwer war er zu heben. In langen Zügen stürzte er das willkommene Nass hinab, während ihre zuletzt gestellte Frage in der Luft hing. Die musste jedoch warten. Es kostete ihn Konzentration, keinen Schluck in seine Kiemen geraten zu lassen und gerade, als er den Krug absetzen wollte und sich seine Überlegungen bereits mit der Fortsetzung seines Satzes beschäftigten, missglückte ihm der letzte Schluck doch.
    Jedoch auf eine gänzlich unerwartete Weise.
    Stechend fuhr das Wasser in seine Luftröhre. Der prompte, harte Husten ließ seine schwarzen Schultern beben. Überrascht rissen seine schwarzen Augen auf. Der Krug kippte schlichtweg aus seiner Hand, als er sich zusammenkrümmte. Die Kiemen hinter seinen Ohren schnappten ebenso erschrocken wie nutzlos.


    Komplett mit der Koordination seiner Atemwegsreflexe überfordert, drohte ihm tatsächlich für einen Augenblick die Luft auszugehen. Die pure Lächerlichkeit dieser Einsicht zwang ihn dazu, seine Panik nieder zu ringen und einmal verbissen Luft zu holen. Noch immer schüttelten ihn weitere Hustenreize, doch nun gelang es ihm, dazwischen Atem zu schöpfen.


    Was zurückblieb, war eine schmerzhafte Kerbe in seinem Stolz. Bitter blickte er die Priesterin an, auf jede verächtliche Reaktion gefasst.

  • Geduldig beobachtete die Priesterin, wie Zeciass das lang ersehnte Wasser hinunter stürzte. Er musste wahrhaftig ausgetrocknet sein, schoss es ihr durch den Kopf. Und gleichzeitig beschäftigte sie die Frage, wie es wohl wäre, ein Geschöpf des Meeres zu sein – ewig gebunden an das nasse Element.


    Sie kam nicht dazu, weiter darüber nachzusinnen, da ihr Gegenüber plötzlich Schwierigkeiten zu haben schien. Der plötzliche Husten riss sie unweigerlich aus ihren Gedanken und ließ sie zusammenfahren. Als Zeciass sich zudem zu krümmen begann und sogar den Krug fallen ließ, begann die Priesterin sich Sorgen zu machen. Was sollte sie tun? Was konnte sie tun? Sie hatte Erfahrung im Heilen, doch keinerlei Erfahrung mit Meeresgeschöpfen. Was nutzten ihre Kräuter und Tränke, wenn sie nicht wusste, was es zu heilen gab? Kyreia kam sich seltsam nutzlos und gleichermaßen hilflos vor.


    Noch während die Nordelfe darüber nachdachte, wie sie Zeciass helfen konnte, beruhigte er sich. Also zwang auch sie sich zur Entspannung, doch der Schrecken musste ihr deutlich anzusehen sein. Es war das Wissen, dass ihr Begleiter litt und sie nichts tun konnte, um zu helfen. Kyreia hoffte, das Zittern aus ihrer Stimme fernhalten zu können, als sie vorsichtig fragte: „Geht es dir gut? Kann ich etwas tun?“ Als ihr bewusst wurde, dass sie nichts tun konnte, schloss sie die Augen und fügte kopfschüttelnd hinzu: „Tut mir leid. Eigentlich weiß ich nicht, was ich tun könnte. Meeresgeschöpfe sind mir fremd.“


    Als sie die Augen wieder öffnete, nahm sie zum ersten Mal die Veränderung in seinem Blick wahr. War er wütend? Hatte er Schmerzen? Unruhig bewegte sie die Füße hin und her und trat schließlich auf etwas Hartes. Dankbar nahm sie die Ablenkung an und tastete nach dem unbekannten Gegenstand. Als sie ihn unter dem Tisch hervor holte, konnte auch Zeciass erkennen, dass es sich um einen silbernen Ring handelte. „Ich liebe dich“, las Kyreia den eingravierten Satz vor.

  • Er hatte bereits zahllose schnippische Antworten auf den Lippen, doch weder Verachtung noch Hohn sprachen aus ihren hellblauen Augen, die ihn... er wusste selbst nicht genau wie... musterten. Mitleid? Wagte sie es etwa, einen Yassalar zu bemitleiden?


    Ihre beiden Nachfragen klangen, als wären sie ernst gemeint, doch Zeciass schloss nicht aus, dass sie sich auch noch damit über ihn lustig machte. Elfenhumor womöglich. Fremdartig. Kompliziert. Im Stillen lachte sie in sich hinein. Sein Puls schnellte bereits in die Höhe und seine Pupillen ballten sich in der Schwärze unbemerkt zu schmalen Punkten, bis ihn ihre letzten Worte gründlich aus dem Konzept brachten. Es tat ihr leid?


    Die Einsicht, dass sie ihn keineswegs verspottete, war so verblüffend. Rasch durchsuchte er seine Erinnerung nach ähnlichen Reaktionen in all seinen Lebensjahren in Zesshin Doraz. Manch eine Yassalar, deren Herz er gestohlen hatte, hätte vielleicht stillschweigend über ein solche Peinlichkeit hinweg gesehen - oder die Kellnerin wüst beschuldigt, etwas ins Wasser getan zu haben - doch keine einzige, das wurde ihm mit jedem verstreichenden Atemzug bewusster, hätte sich jemals besorgt bei ihm für ihre Ohnmacht entschuldigt.


    Die Elfe neigte sich unvermittelt unter die Tischplatte. Zeit genug für Zeciass, sich hastig mit dem Unterarm das Wasser vom Mund zu wischen. Noch immer überschlugen sich die Überlegungen hinter seiner Stirn, was er aus der unbekannten Situation machen sollte. Würde ihn das in Zukunft öfter erwarten?
    Kaum erschien Kyreia daraufhin wieder, hielt sie etwas Silbernes in ihren Fingern.


    Die drei Worte, die sie sprach, kamen nicht weniger unerwartet, doch sie schien sie von dem Gegenstand abzulesen. "Was soll das sein?" wollte Zeciass wissen, während er den günstigen Themenwechsel nur zu bereitwillig aufgriff. Während seine Begleiterin ihren Fund betrachtete, war es eine Bewegung am Eingang, die ihn ablenkte. Der dreiste Mira'Tanar war dort verharrt und starrte ihn unverhohlen hasserfüllt an. Kaum wusste er um die Aufmerksamkeit seines Feindes, machte die Bleichschuppe auf dem Absatz kehrt und verließ das Gasthaus; nicht ohne mit einer unmissverständlichen Geste auf die eigene Waffe gedeutet zu haben.


    "Entschuldigt mich, Priesterin", sprach Zeciass mit eisiger Miene und erhob sich fließend. "Es wird gewiss nicht lang dauern." Ohne eine weitere Erklärung griff er sich das Netz mit seinen Habseligkeiten und verließ das Gasthaus.

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