Der Nachtmarkt (alt)

  • "Verflucht!"


    Zornig stampfte Maida mit dem Fuß. Der Syreniae machte sich einfach auf und davon - mit IHREM Geld. 30 Dukaten, ein halber Monatsverdienst. Das Geld sausen zu lassen kam schlicht nicht in Frage! Da der Rabe keinen Treffpunkt für eine Geldübergabe außerhalb des Nachtmarktes genannt hatte, musste sie ihm wohl oder übel folgen. Was, zum Henker, hatte sie mit seinen Geschäften zu schaffen? Oder seinen Selbstmordabsichten. Nichts, nichts und wieder nichts! Sollte er sich gefälligst allein umbringen lassen.


    Maida tanzte unschlüssig auf der Stelle und ballte die Fäuste, bis sich ihre Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen bohrten. "Verflucht! Minaril möge dir die Flügel ausreißen und zu Traumstaub verarbeiten."


    Der Trubel vor dem Eingang erregte ihre Aufmerksamkeit. "Na wunderbar. Ganz großartig." Maida verdrehte die Augen.


    Nun gut. Sie war eine Cath'shyrr. Flink, gewandt und schlau. Sie hatte sich schon aus ganz anderen Situationen gerettet. Und sollte es doch schief gehen, blieben ihr noch ein paar Lebenszyklen. Sie wollte ihr Geld, und wenn sie es dem leblosen Körper des Raben entreißen musste. Sie konnte Pottler immer noch weismachen, SIE hätte ihm den Syreniae geliefert. Frei Haus. Auf weitere gute Geschäfte.


    Mit raschen Schritten schloss Maida zu Bran Boréas auf.


    "Mir scheint, Euer Besuch kommt alles andere als überraschend", raunte sie dem Raben zu, indem sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm so nahe wie möglich rückte. Niemand sollte sie belauschen. Seine unmittelbare Nähre jagte ihr einen Schauer durch den Leib. Zum Glück war die Zwergin immer noch mit der Wache beschäftigt.


    "Also gut, ich werde Eure Augen und Ohren in Eurem Rücken sein. Doch für den Fall, dass ich damit Euren Arsch rette, schuldet Ihr mir was."

  • Der erste Streifen hatte akzeptable Konsistenz erreicht und Daerid widmete sich dem Zweiten, während er einen Schritt zurück getreten war, Pottler mit ausdruckslosen Augen zusah und nicht die geringsten Anstalten machte, ihm zu helfen.
    Er hörte Sprungbarts Beteuerung, nichts mit der gerüchteweise beabsichtigten und dann offenbar fehlgeschlagenen Beseitigung dieses Syreniae zu tun zu haben. Vielleicht war es die Wahrheit, vielleicht auch nicht. Heute Abend wäre sie es wohl besser.
    Daerids Blick lag weiterhin unverwand und regungslos auf dem Satyr - aber seine Gedanken kreisten um die letzte Nacht. Um dieses bizarre Bild. Nebel. Dicker Nebel, einer schmierigen Suppe gleich, die nur hin und wieder einige Spitzen in der Oberfläche offenbarte. Vielleicht Kuppeln, Dachspitzen - vielleicht aber auch nur dicke Blasen, die sich empor reckten, um noch mehr Nebel nach oben zu spucken und wie eine aufplatzende Eiterblase dem unerbittlichen Druck unter dem Nebel nachzugeben. Und dann war die Oberfläche aufgebrochen. Strahlendes, gleissendes Licht stand hoch über dem Morast, in dem sich ein dicker Krater gebildet hattet. Unendlich weit entfernt schien es zu sein. Dicke, klumpige Fetzen des zähen Nebels spratzten umher und umrahmten eine Spirale aus feinstem silbernem Rauch, die sich in wildem Wirbeln und Kreiseln dem Licht entgegen bewegte. Flügel patschten aus der Nebelsuppe heraus, ein paar Federn erst nur, verzweifelt schlagend, denn immer wieder saugte sich der widerwärtige Matsch an ihnen fest - noch ein Schlag... und noch einer, die die dünne Rauchsäule immer wirbelnder dem Licht entgegen trieben und irgendwann in diesem infernalischen Kampf gegen das Element löste sich das Flügelpaar mit einem satten Schmatzen von der Oberfläche des Nebelsumpfes und folgte dem Rauch in das gleissende Licht.......


    Daerid Canvele hatte sich schon lange an Minaril's schlechten Scherz gewöhnt. Die Dinge waren, wie sie nun einmal waren - und hin und wieder waren solche Visionen ganz aufschlußreich und sagten etwas über seine Zielobjekte oder auch Auftraggeber aus. Diese hier hatte Daerid als wertlos abgetan - weil sie mit der dummen, leichtfertigen kleinen Hure vom frühen Abend schlicht keinen einzigen Berührungspunkt gehabt hatte. Aber jetzt ......


    Der Assassine hatte Gefühle studiert wie kaum ein Zweiter. Er hatte keine - dafür fand er sich mit diesen Traumbilder ab. Es gab schlechtere Abkommen. Gefühle waren mächtig - wenn man sie verstand und sie für sich und seine Zwecke einsetzen und manipulieren konnte. Eine simple rationale Analsye von Gefühl und Verhalten und wenn Daerid überhaupt jemals in seinem Leben doch ein Gefühl sein eigen nennen sollte - da war er sich absolut sicher - dann würde es Belustigung sein. Belustigung darüber, wie albern der Gedanke der Fühlenden war, dass ihre persönlichen Gefühle sie zu etwas ganz Besonderem machten und sie von anderen Fühlenden unterschieden. Dabei war es immer derselbe Einheitsbrei, wenn man es streng logisch analysierte.
    'Es ist die Sehnsucht, die Dich treibt, Geflügelter.', dachte er stumm - aber mit Gewißheit. Ein machtvoller Antrieb, zweifellos.

    Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder vollständig auf Sprungbart, der ihm einen Brocken grauen .... Nebels ..... Pamps vor die Nase hielt und diesen dann mit dem Sockel einer Marmorbüste bearbeitete. Blutrot glühte die zerstossene Masse auf, um innert Sekunden wieder nur noch farblose graue Asche zu sein. Pottlers Gebaren zeigte eindeutig, dass das Zeug ihn faszinierte und dass er seine Verschwendung bereute - dass er höchstwahrscheinlich die Wahrheit über diese Substanz gesprochen hatte. Daerid hätte beinah tatsächlich eine Augenbraue gehoben, als Sprungbart ihm einen Brocken seines ihm so wertvollen Stoffes entgegenhielt. Allerdings hätte er sich eher die Zunge abgebissen als Pottler auch nur mit einem Wort an seinen Gedanken über Rauschgift oder Gefühle teilhaben zu lassen und so suchte er das malträtierte Tuch abermals aus seinem Umhang, ließ sich den Brocken hineinlegen und verstaute ihn sorgfältig eingewickelt wieder in seinem Umhang. Typisch Fühlende - ständig im permanenten Irrtum gefangen, dass es bedauernswert sei, keine Gefühle zu haben.


    "Es könnte gut für Dich sein, wenn er nicht auch aus Rache den Weg zu Dir gesucht hat.", knüpfte der Assassine kommentarlos an Sprungbarts Antwort hinsichtlich der Beeitigung des Syreniae an. "Warum tust Du eigentlich nicht das Naheliegenste, William ? Und gibst dem Syreniae falsche Informationen, machst dann ein paar Tage Urlaub und überläßt es der Schlange, ihren Fehlschlag von damals endlich zu korrigieren ?", fragte Daerid emotionslos, wandte sich geschmeidig um und betrachtete seine Rückwand des Raumes genauer. Eine Stelle war etwas zu auffällig nicht zugestellt und der Valisar wählte seinen Standpunkt etwa in Türbreite davon entfernt. An die Wand gelehnt starrte er Pottler an.
    "Und wenn Du flüchten musst, Pottler - nie in einen Raum mit nur einem Ausgang."

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

    Einmal editiert, zuletzt von Daerid Canvele ()

  • "Ich hoffe, das wird nicht nötig sein", lächelte Ascan trocken und warf der Cath'Shyrr einen undeutbaren Seitenblick zu. "Ich kann es mir nicht erlauben, in der Schuld von gleich zwei gefährlich verführerischen Frauen zu stehen."
    Seine Augen richteten sich wieder auf den Eingang. "Und ja... mit dem Verdacht seid Ihr nicht allein."


    Abweisend verschränkte die gut bewaffnete Feuerzwergin die Arme, kaum dass sie nah genug heran getreten waren, um sich verständigen zu können. Ascan bemerkte den verfärbten Stich in ihrer Iris, noch bevor ihm die grauen Spuren auf ihrem Handrücken auffielen. "Wie kamman euch denn helfen, hm?" blaffte die kleine, breite Gestalt, die ihren Kopf in den Nacken legen musste, um dem Syreniae und seiner Begleitung abwechselnd ins Gesicht zu funkeln.


    "Ich bin hier, um mit Sprungbart zu sprechen." Schon trat der Syreniae an der Zwergin vorbei. Sein rechter Arm hatte sich vorsorglich hinter die Hüfte der Cath'Shyrr gelegt, bereit, sie weiterzubewegen, sollte sie sich aufhalten lassen. Seine steinerne Miene ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er nicht vorhatte, sich mit unbedeutendem Personal auseinander zu setzen.


    "Holla!" schnappte die stehen gelassene Zwergin und fuhr mit zornig aufgerissenen Augen herum, um ihnen zu folgen. "Sprungbart ist nicht zu sprechen! Nicht ohne mein Wort!" rief sie ihnen mit überschnappender Stimme hinterher.


    Der Syreniae hörte ihre Empörung nur auf halbem Ohr. Was sich ihnen in der Halle für ein Anblick offenbarte, brachte selbst seinen Schritt ins Stocken. Ohne es zu bemerken, legte sich sein Arm nun fest um die Taille der Katze. Die blanke, makabere Wucht hemmungsloser Liederlichkeit überforderte seine Gedanken lange genug, sodass die Feuerzwergin sich ihnen schnaufend in den Weg stellen konnte. Entschlossen breitete sie die kurzen, muskelbepackten Arme aus. "Kein Schritt weiter!"


    Die Bilder, Gerüche, Geräusche und die allgegenwärtige Präsenz von Asche überstürzten einander. Ascan musste sich zwingen, seinen Blick loszureißen und sich auf einen festen Punkt zu konzentrieren. So musterte er die kleine, vorlaute Gestalt vor sich wie ein widerwärtiges Insekt. Das war es also, was Sels ausgesuchter Kontaktmann aus dem Handel mit Blutasche gemacht hatte? Ein Moloch der degenerierten Ausschweifung!?


    Verdächtig oft huschten die Augen der Zwergin zu seinen Schwingen. "Ich kümmere mich drum!" grollte sie mit hörbar mühsam gezügeltem Hass. "Und wehe, ihr macht Ärger, dann hau ich euch die langen Stelzen weg und begrab euch im Ausschiss der Spuckhuster da hinten! Also wartet gefälligst hier!" Hastig sah sie über die Schulter und schien nach etwas Ausschau zu halten.

  • Gerade wollte er dem Valisar erläutern, wie außer Frage es stand, sein geliebtes Etablissement auch nur für einen Tag sich selbst zu überlassen, als es hektisch an der Tür klopfte. "Herein!" brüllte Pottler und zwirbelte an seinem Schnurrbart. Zum zweiten Mal an diesem Abend trat ihm Bogart, dieses Mal leicht humpelnd, unter die Augen. Außer Atem fing der Wachmann an zu berichten: "Lady Karosh sagt, ich soll melden, dass ein verdächtiger Besucher mit schwarzen Flügeln aufgetaucht ist."


    Pottlers Hand hörte auf, seinen Bart zu zwirbeln. Ein kaum merkliches Zucken nistete sich in seinem rechten Auge ein. "Gut. Gut ist das! Guter Mann, Bogart!" dröhnte er noch lauter als gewöhnlich. "Beeil dich und sag Lady Karosh, sie soll meinen werten Gast zu uns hinein führen. So höflich es geht. Wir sind ja hier alle wohlerzogen und gesittet!" Obwohl er sich Mühe gab, wollte ihm sein Lachen nicht so inbrünstig gelingen wie man es von ihm gewohnt war.
    Selbst Bogart zögerte kurz, guckte zum Assassinen und machte daraufhin auf dem Absatz kehrt, um den Auftrag auszuführen. Wieder schloss sich die Tür.


    Pottler rieb sich in die klammen Hände und begann hinter dem Schreibtisch auf und ab zu gehen. "Wir sind in der absolut besseren Position, Canvele. Der Rabe ahnt absolut nicht, dass wir ihn schon erwarten und dieser Raum ist absolut zu klein für seine Flügel. Im Grunde müssen wir uns absolut keine Sorgen machen. Außerdem hast du absolut Recht. Es ist absolut nicht gesagt, dass er nur hier ist, um mich... Ja, ich bin mir absolut sicher, dass sich alles klären lässt, solange wir einen absolut kühlen Kopf bewahren."


    Immer wieder sprang der Blick des Satyr so nervös zur Tür, als erwarte er, dass diese jeden Augenblick aus den Angeln geschleudert werden könnte.



    Autor: Ascan

  • Maida war schon einmal hier gewesen. Daher war sie gewappnet, was sie im Inneren der Halle erwartete. Sie ließ zu, dass der Rabe ihre Taille fest umschloss und sie neben sich her schob. Derart geführt bot sich der Cath'shyrr die Möglichkeit, mit ihren ausgeprägten Sinnen zu erfassen, was um sie herum vorging. Gab es auffällige Typen, welche die beiden Fremden eindringlich anstatt nur neugierig anstarrten? War jemand bewaffnet? Schob sich jemand in ihren Rücken? Was wurde gesprochen? Noch stach ihr nichts Verdächtiges ins Auge.


    Sie wartete den Moment ab, bis die Zwergin sich abwandte. Die Stimme floss gedämpft über ihre Lippen, während sie sich bemühte, diese so wenig wie möglich zu bewegen.


    "Sieht ein wenig anders aus als Ihr es in Erinnerung habt, hm? Pottler ist bekannt für seine exzessiven Feste und sein Talent, sich mit allem zu umgeben, was die Sinne in Rausch und den Körper in Stimmung versetzt. Er selbst nennt sich 'Mann von Welt'. Ich glaube, er wurde von der grauen Schlange ausgesucht, weil er schon zu Eurer Zeit im Geschäft war, allerdings mit Giften und einfachen Rauschmitteln."


    Die Cath'shyrr deutete mit dem Kinn in jenen Bereich des Raumes, der im Zwielicht lag. "Der Wächter ist dort hinten durch eine Tür verschwunden. Ihr werdet wohl gerade angemeldet. Könnt Ihr Euch denken, wie Pottler von Eurer Ankunft erfahren hat? Da er Euch erwartet hat, Rabe, ist er auch vorbereitet. Seid Ihr sicher, dass Ihr mir nicht doch mein Geld lieber gleich geben wollt?"


    Hörte er ihr überhaupt zu? Maida reckte des Hals. Bestimmt gab es hier private Zimmer mit Fenster oder Treppen nach oben oder unten. Wenn sie sich eines Fluchtwegs versichern wollte, wäre dies der passende Zeitpunkt.

  • Der Valisar war mit seinem Standort soweit einverstanden. Wenn der Ankömmling ihm die Sicht auf Sprungbart verstellen wollte, würde er ihm vollständig den Rücken zukehren müssen. Das war soweit akzeptabel. Er hatte es sich kaum bequem gemacht und seine letzten Vorbereitungen getroffen als es an der Tür klopfte und der Wächter, mit dem er selbst bereits nähere Bekanntschaft geschlossen hatte, zur Tür herein humpelte.
    "Allein ? Bewaffnet ?", schnarrten die Fragen des Assassinen auf dessen Meldung in den Raum hinein. "Nur der Syreniae, Pottler.", befahl Daerid in einem Ton, der eindeutig besagte, dass dieser Punkt für ihn nicht zur Diskussion stand. "Und wenn er allein gekommen ist, dann haltet draussen gefälligst Eure Augen offen, wer das Etablissment danach noch betreten will. Oder sich in der Halle verdächtig "klar" herumdrückt."


    Sprungbart wurde nervös. Das war nicht gut für ihn, aber jeder Hinweis darauf würde es vermutlich nur schlimmer machen. Der Wachmann warf Daerid einen Blick zu und zog mit Pottlers Anweisungen von dannen. Und der Assassine war schon zum zweiten Mal an diesem Abend versucht, sich einem Abgang anzuschliessen. Bei soviel Dilletantismus war an die Schaffung einer günstigen Ausgangslage nicht zu denken. "Dein Spiel, Pottler.", zuckte Daerid angesichts solcher Unzulänglichkeiten im Gleichklang zu der sich hinter dem Wachmann schließenden Tür mit den Schultern. Stumm und kalt verfolgte er Sprungbarts Monolog. "Hast Du einen Gott, William ? Zeit, ein Gebet zu sprechen. Vielleicht hält der heute Nacht die Hand über Dich, wo Du so leichtfertig alle Vorteile aus der Deinigen her gibst." sprach er trocken. Es war dem Valisar unbegreiflich, dass jemand sich so irrational verhalten konnte. Aber Sprungbarts unsteter Blick zur Tür verriet den Grund. 'Und mir Gefühle als etwas besonders Erstrebenswertes andrehen wollen.', dachte der Valisar mitleidslos und war ernsthaft versucht, hinter den Geschäftskontakt William Pottler so oder so einen Haken zu machen.

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

  • "Ein Mann von Welt, so?" Ascans Stimme klang denkbar unbeeindruckt.
    Ihr Hinweis zur grauen Schlange ließ ihn ihr Gesicht kurz betrachten und anschließend in die entsprechende Richtung blicken, in die die Wache verschwunden war. "Ich weiß es nicht. Die Stadt hat zu viele Augen und ich war...", anstatt weiter zu sprechen, löste er seinen Griff langsam von ihrer Hüfte. Ein stählerner Glanz war in seine Augen gezogen und auch seine Stimme klang mit Mal verändert; härter und erschreckend bedrohlich. "Seid unbesorgt. Wer sich mit mir einlässt, spielt nach meinen Regeln... Pottler erwartet den Raben? Er bekommt ihn!"


    Schon wollte sich sein Körper in Bewegung setzen, als er sich der Katze noch einmal zuneigte. Sein Lächeln versprach nichts Gutes. "Jetzt solltet Ihr Euch die Ohren zuhalten, Katze!" Bereits in dem Moment, als er seinen Schritt vorwärts setzte, starb die Regung auf seinen Zügen. Ascans unerwartete Bewegung brachte die abgelenkte Zwergin überrascht aus dem Gleichgewicht. Zur Seite hüpfend bewahrte sie sich vor einem peinlichen Sturz. Hastig langte ihre Hand nach der Peitsche, da erschien der kürzlich verschwundene Wachmann an ihrer Seite.


    Ascan dachte gar nicht daran, sich vor irgend jemanden zitieren zu lassen. Seine Stiefel und die respekteinflößende Wirkung seiner Erscheinung schufen ihm einen schnurgeraden Pfad durch die scheu zurückweichenden Leiber und den achtlos verteilten Unrat.
    Im Vorbeigehen krallte sich seine Hand unter eine Tischkante und bevor die traurigen Gestalten, die um den Tisch versammelt saßen, erfassten, wie ihnen geschah, hatte der Syreniae die Platte nach oben gerissen. Aufgewirbelte Asche staubte auf der abgewandten Seite empor und ließ die Abhängigen perplex husten. Krachend schlug der ganze Tisch um.


    Der Feuerzwergin quollen die Augen fast aus den Höhlen. Hätte Bogart ihr nicht eben gemeldet, dass Pottler sie zur unbedingten Höflichkeit verdonnert hatte, wäre spätestens das ihr Zeichen zum Angriff gewesen. So schob sie ihren zornbebenden Unterkiefer nach vorn und verdammte den Satyr für seinen kranken Faible. Fieberhaft suchten ihre eingetrübten Gedanken nach einer Erklärung, warum der Geflügelte den Weg zum Zentrum der Halle eingeschlagen hatte, anstatt zum Hinterzimmer... obwohl Pottlers Pult und Sessel offensichtlich leer waren.


    "Bei Kharads Axt! Was hat Euer wahnsinniger Freund vor?" zischte sie die Cath'Shyrr erbost an.


    Der Wachmann machte sich bereit, die Beine in die Hand zu nehmen, um wieder zum Hinterzimmer zurück zu stürzen. Anspannung war in der Halle aufgekommen und selbst aus den hinteren Ecken, versteckt hinter aufgehängten Decken, reckten sich neugierige Köpfe, um einen Blick auf den Auslöser der Unruhe zu ergattern. In dieser Sekunde spannte Ascan seine Flügel. Die beachtliche Spannweite füllte die Halle wie ein schwarzes Mahnmal, ehe der Syreniae sich vom einem Weg versperrenden Kistenstapel abstieß und mit einem dunkel rauschenden Flügelschlag auf dem erhöhten Pult aufsetzte.


    Von überall zu sehen, richtete er sich hoch auf dem Podest auf und fast konnte man meinen, seine Schwingen wüchsen dadurch auf eine noch eindrucksvollere Größe. In einer fließenden Bewegung griff Ascans Hand unter seinen Umhang und nur einen Augenblick später donnerte der Schuss aus seinem goldenen Revolver in die Hallendecke. Das Glas eines Deckenfensters splitterte und rieselte wie feiner Kristall hinter seiner dunklen Erscheinung hinab.


    Die Stille, die daraufhin in der Luft hing, hätte man mit einem Säbel schneiden können. Ausnahmslos alle Augen waren auf den Raben gerichtet, der die Aufmerksamkeit nur allzu gut für sich zu nutzen wusste. "RAUS!" hallte sein Machtwort in die atemlose Stille. "Der Letzte, den ich hier gleich noch sehe, kassiert eine Kugel in seinen hohlen Suchtschädel! BEWEGT EUCH!"


    Ascan bezweifelte, dass es seine Zauberstimme überhaupt erfordert hätte, denn kaum waren die Worte gesprochen, explodierte blanke Panik unter Pottlers Gästen. Wie Kakerlaken, die vom Licht überrascht wurden, hasteten die Gestalten auf den Ausgang zu. Man schrie, stieß, rempelte und schubste und wer nicht schnell genug laufen konnte, wurde beiseite gestoßen oder über den Haufen getrampelt. Niemand wollte der Letzte sein, den das Todesurteil des Geflügelten traf.


    Mit Besorgnis forschten Ascans Augen nach seiner katzenhaften Begleiterin, während er seinen Revolver allmählich sinken ließ. Er hoffte für sie, dass sie seine Warnung beherzigt hatte...

  • Bogart sollte das Hinterzimmer nicht mehr erreichen. Was dafür umso deutlicher in dem verschlossenen Raum ankam, war der markerschütternde Knall, mit dem der Schuss durch die Halle fuhr.


    Pottlers Augenbrauen sprangen seine Stirn empor. "Was zur...?" Dann schien ihm blitzartig klar zu werden, dass es mit dem Raben zu tun haben musste. Sein geliebtes Etablissement! Er würde es zerstören!


    "Oh nein! So nicht, Freundchen!" entrüstete sich der Satyr lautstark und nichts von seiner Nervosität war geblieben, als er stampfenden Hufes auf die Tür zu hielt. Niemand - auch kein Rabe - machte ihm sein Geschäft kaputt! Er hatte einen guten Ruf zu verlieren! Das war jetzt SEIN Handel!


    Bevor irgendetwas ihn stoppen konnte, riss er die Tür wutschnaubend auf - und erstarrte. Wie sein ganz persönlicher Dämon thronte der schwarzgeflügelte Syreniae, dem plötzlich alle Beschreibungen gerecht wurden, auf seinem Podest... seinem heiligen Pult... und alles und jeder schien sich auf kopfloser Flucht vor ihm zu befinden.


    Pottlers Hand verharrte am Türgriff. "Canvele..."



    Autor: Ascan

  • Die Veränderung ging so abrupt vonstatten, dass sich Maidas Nackenhärchen steil aufrichteten. Aus dem Respekt einflößenden Syreniae wurde ein wutschnaubendes Ungetüm. Das Grau seiner Augen durchbohrte sie wie Stahl nacktes Fleisch, und obwohl sie wusste, dass sein Zorn nicht gegen sie gerichtet war, raste blankes Entsetzen durch ihren Körper. Ihre Muskeln verkrampften sich. Einem Wirbelsturm gleich setzte sich der Geflügelte in Szene, ein Orkan von brachialer Gewalt, von der Zerstörungskraft ungehemmter Raserei. Maida duckte sich, versuchte verzweifelt nach einer ruhigen Ecke, als die Zwergin in ihr Gesichtsfeld sprang.


    "Oh nein, nein, er ist nicht mein Freund. Er schuldet mir eine Menge Geld..."


    Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als der Rabe im selben Moment die Schwingen ausbreitete und sich auf ein erhöhtes Pult katapultierte.


    Nicht schlecht, schoss es Maida durch den Kopf. Sie war beeindruckt. Von seinem Auftritt UND von seiner eindrucksvollen Gestalt. Der Kerl gefällt mir. Zwar ein wenig ungeschlacht und mit einer zu starken Neigung zur Theatralik...

    Der Griff unter den Umhang erinnerte sie blitzartig an Brans Warnung. Schleunigst kauerte sich die Cath'shyrr auf den Boden, steckte sich je einen Finger in die Ohrmuscheln und presste die Handflächen darüber. Der Schuss war trotz allem ohrenbetäubend in dem hohen Raum. Das Echo hallte gleich mehrfach wider. Es klingelte in ihrem Hinterkopf, dass sie meinte das Trommelfell wäre geplatzt. Der Schmerz war grausam. Maidas Gehör war von allen Sinnen am stärksten ausgeprägt. Vielleicht war es dieser Knall, der sie vor den Folgen bewahrte. Für einen Moment vernahm sie bloß dumpfes Gemurmel, der Mundbewegung nach zu urteilen brüllte der Rabe, doch die Cath'shyrr verstand weder die Worte, noch vernahm sie Stimme oder Tonfall. Setzte Bran Boréas eine seiner Fähigkeiten ein? Mit einem Frösteln dachte Maida an das, was man sich über die manipulativen Kräfte der Syreniae erzählte.


    Als das Gedränge einsetzte, die Anwesenden in Panik schoben und rempelten, riss Maida die Arme vom Kopf und tat einen kraftvollen Sprung in die Höhe, aus dem Gewühl hinaus auf den umgestürzten Tisch zu. Geschmeidig flankte sie über sie hochkant gestellte Holzfläche und ging dahinter in Deckung. Glas knirschte unter ihren Stiefeln. Aus dem Augenwinkel hatte sie vor dem Hinterzimmer eine Bewegung bemerkt.


    "Er kommt," formten ihre Lippen lautlos, als sich ihr Blick mit dem des Raben traf. Ein Dolch lag Augenblicke später in ihrer Hand. Eine der aufgehängten Decken in einer finsteren Ecke würde ihr als Deckung dienen. Mit einem Kopfnicken gab sie dem Geflügelten zu verstehen, dass sie sich ihm gegenüber auf einen Beobachtungsposten zurückzog. Noch war nicht sicher, ob Willian Sprungbart Pottler alleine erscheinen würde.

  • Er hatte es kaum zuende gedacht als ein Knall aus der Halle ertönte. "Bewaffnet!", beantwortete der Assassine seine eigene Frage mit spröder Stimme. Mit einem Fehlverhalten dieses armseligen Personals rechnete er erst gar nicht mehr. Dem Satyr hingegen schien der Schuss neuen Mut eingeflößt zu haben. Der Valisar schloss für eine Sekunde die Augen als die Hufe in klapperndem Zorn zur Tür eilten und sie aufgerissen wurde. Weiter reichten Mut und Zorn allerdings nicht. Pottler verharrte in der Tür und starrte auf die Szenerie als habe er soeben die nächste Kugel in den Leib bekommen und diese ihn so sicher und vollständig gestoppt wie eine unsichtbare Wand.
    Was auch immer Pottler in der Halle sah - es verschlug ihm jedenfalls auch die Sprache.


    Träge löste Daerid sich von der Wand und machte zwei Schritte auf Sprungbart zu. "Reicht Dir Dein Stoff nicht mehr, Willian ?", fragte er in fast freundlichem Tonfall. "Oder warum tust Du alles dafür, möglichst nahe am Tod entlang zu wandeln ?" Im toten Winkel der Tür blieb er stehen. "Was siehst Du ?", fragte er vollkommen ruhig.

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    Nicolas Chamfort

  • Seine angespannte Haltung löste sich etwas, als er seine Begleitung bei dem umgerissenen Tisch entdeckte. Sie hatte auf ihn gehört und wirkte unversehrt.
    Ihre dunklen Augen hoben sich und blickten für einen Moment direkt in seine. Der Anblick war verblüffend. Es war dem Syreniae unmöglich, nicht fasziniert zu sein, ob des ominösen Leuchtens, das sie dabei ausstrahlten.
    Er hatte davon gehört, dass die Kinder Minarils mit diesem Funkeln im Blick die Träume von Schlafenden beobachten konnten. Mit Mal erschien ihm das nicht unwahrscheinlich. Vielleicht würde er sie danach fragen... Ascan blinzelte. Doch nicht jetzt.


    Sie zog sich hinter eine der aufgespannten Decken zurück und er blickte ruckartig über die Schulter zu dem dunkleren Bereich, auf den sie bereits zuvor gewiesen hatte. Die Bewegung verlieh ihm erschreckende Ähnlichkeit mit einem Raubvogel, der einen Hasenbau in den Fokus genommen hatte. Und der Hase war gar nicht weit...


    "Willian Sprungbart Pottler, nehme ich an...", erhob sich seine klare Stimme und schwang durch den nun leeren Raum, der den markanten Ton wie ein Klangkörper zu verstärken schien. Es war ideal und der Syreniae fühlte sich ganz in seinem Element. "Wollt Ihr nicht hervorkommen? Ein Mann von Welt begrüßt einen Gast doch nicht stumm aus dem Schatten..."


    Tatsächlich stand der Satyr als dunkler Umriss gegen das Licht des Raumes hinter ihm. Es blieb verborgen, was in seinem Gesicht vorgehen mochte. Ascan bezweifelte jedoch, dass es Freude war, die ihm entgegen starrte.
    Überraschung womöglich, dass er diesen Drogenpfuhl leergefegt hatte. Vielleicht auch Wut, dass er dabei seinen Thron in Beschlag genommen hatte. Ganz sicher jedoch Furcht. Nackte Angst, dass er sein Geschäft an ihn verlieren würde. Ascans Augen wichen keinen Deut von dem Händler ab, doch noch immer blieb dieser unbewegt.


    Eine steile Furche grub sich in die Stirn des Geflügelten. "Lasst mich nicht warten, Pottler! Kriecht aus Eurem Rattenloch und tretet mir unter die Augen! Noch habt Ihr keinen Feind in mir!" Zum Beweis hob Ascan seine Pistole, sicherte die Waffe und legte sie mit einem dumpfen Laut auf das Pult zu seinen Füßen. Langsam richtete er sich wieder auf und ließ seine folgenden Worte drohend durch die Halle rollen. "Noch, Pottler... also legt es besser nicht darauf an, dass ich meine Meinung ändere!"

  • Hätte Pottler es nicht besser gewusst, er hätte schwören können, dass die Fragen des Valisar spöttisch klangen. Erst, als er den gefürchteten Assassinen neben die Tür treten sah und dessen ruhige Frage erklang, gelang es ihm, seinen Blick von dem Syreniae zu lösen, tief durchzuatmen und den Rest der Halle genauer zu betrachten. Es gab nicht mehr viel zu sehen und gerade das ließ ihn die leichtfüßige Gestalt wahrnehmen, die sich um Heimlichkeit bemüht in den Sichtschutz einer der hängenden Decken begab.


    "Die Halle ist komplett leer und der Rabe steht auf meinem Pult. Großer Kerl, schwarzer Umhang mit Kapuze. Pistole in der rechten Hand, weit geöffnete Flügel. Er sieht nicht so aus, als bekäme man ihn dort runter... und er ist nicht allein", raunte der Satyr aus dem Mundwinkel. "So nen dürres Ding hat sich gerade versteckt. Hinter der dritten Decke von links dem Raben gegenüber. Sieht mir stark nach nem Hinterhalt aus. Verdammt. Erinnert mich verflucht an das, was wir vorhatten."


    Urplötzlich fuhr der Kopf des Syreniae herum und prompt bereute Pottler, so viel gesoffen zu haben, denn der Schreck fuhr ihm direkt in die Blase. "Scheiße, er guckt her."


    Was folgte, bescherte ihm eine eisige Gänsehaut von der Scheitelspitze bis in die Hufknöchel. Wo die graue Schlange wisperte, so schneidend und schön zugleich, dass es einem in den Fingerspitzen kribbelte, brodelte pure, kompromisslose Kraft aus der Stimme des Raben. Als Musikkenner wusste Pottler, was eine Stimme einzigartig machte und bei den schwingenden Glocken Nealas: Kein einziges Gerücht über die Fähigkeiten dieses Syreniae erschien ihm nun wie Übertreibung.


    Ein Schritt vor diese Tür und er würde Geschichte sein. Sein Geschäft - verloren. Seine göttliche Mission - gescheitert.


    Fast schon ergab er sich in die Vorstellung, als geliebter Märtyrer vor die gütigen Augen seiner Göttin zu treten, da tat der Syreniae etwas, das Pottler abrupt aus seinem Selbstmitleid riss. Er bestritt seine mörderische Absicht und legte seine Waffe fort. "Canvele, er hat seine Pistole abgelegt." Verzweifelte Hoffnung keimte im Herzen des Satyr auf und plötzlich nahm ein neuer Plan hinter seiner Stirn Gestalt an. Ohne sich zu rühren, flüsterte er: "Ich werde ihn so lange wie möglich beschäftigen. Du nutzt die Chance, um ungesehen in die Halle zu kommen. Schalte dazu am besten den versteckten Spitzel aus. Bezahlung ist Ehrensache. Dreifacher Tarif meinetwegen. Hauptsache, du stehst am Ende so, dass du dem geflügelten Elend in den Rücken fallen kannst, sobald er auf die Idee kommt, diesen fragwürdigen Frieden zu brechen. Was sagst du?"


    Mit bis zum Zerreißen gespannten Sinne erwartete er die Antwort des Assassinen.



    Autor: Ascan

  • Hinter der Decke verborgen spitzte die Cath'shyrr die Ohren. Das Klingeln ihres Trommelfells ebbte allmählich ab. Deutlich hörte sie die Stimme des Raben.


    Sie war bis zum Zerreißen gespannt worum es bei der ganzen Angelegenheit ging. Was hatten Pottler und der Rabe miteinander zu schaffen? Vielleicht erfuhr sie sogar mehr über die graue Schlange. Neue Verdienstmöglichkeiten taten sich auf. Solcher Art Informationen waren gewinnbringend auf dem Nachtmarkt zu verkaufen: Gegen Gefälligkeiten. Dies war mehr wert als jeder Golddukat.


    Maida riskierte einen Blick. Vorsichtig, um die Decke nicht in Schwingung zu versetzen, schob sie den Kopf im dunkelsten Winkel aus der Deckung. Der Satyr stand wie festgemeißelt, selbst als der Rabe die Pistole fallen ließ. Kein Wort drang über Pottlers Lippen, dennoch meinte die Cath eine leichte Bewegung der Lippen zu erhaschen. Maida runzelte die Stirn. Stand da etwa jemand verborgen neben der Tür?

  • Konzentriert las Daerid die Antwort von Sprungbarts Lippen, und stellte fest, dass es trotz dessen merklicher Anspannung recht gut funktionierte. Disziplin zum ständigen Training lohnte sich, wie er immer wieder feststellte.


    Nur ein Begleiter kam dem Valisar zwar etwas merkwürdig vor - aber man musste sich mit dem arrangieren, was vorgegeben wurde. Der Geflügelte entledigte sich der Schusswaffe - interessant. Pottler's Plan, der aus dem Mund des Satyr's floß, interessierte den Assassinen keine Sekunde lang und er verkniff sich die Frage, wer ihn wohl bezahlen würde, wenn er den Komplizen tötete und Pottler die Nacht dennoch nicht überlebte. "Du sollst seine Worte wiederholen.", mahnte er leise. "Schon vergessen, Willian ?" Ein dünnes, wohleinstudiertes Lächeln wurde von den Lippen geformt und erreichte gespenstischerweise nicht eine einzige andere Region dieses blassen Gesichts, welches aber ohnehin im Schatten der weitfallenden Kapuze lag.


    "Solange er die gewünschte Information nicht von Dir hat, bist Du sicher, Sprungbart.
    Vergiß das besser nicht ! Was hat er also gesagt ?"

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

  • Ascan verschränkte die Arme und wartete. Einen Blick zum Versteck der Cath'Shyrr vermied er, denn im Gegensatz zu ihm würde der Satyr jede seiner Bewegungen sehr genau erkennen können.


    "Sicher! Willian Sprungbart Pottler, das ist mein Name!" ergriff der Satyr endlich das Wort. Im Gegensatz zu seinem Mundwerk blieben seine Hufe jedoch unbewegt. "Da sag mir nochmal einer, die Toten wären nicht auf dem Laufenden!" Sein Lachen trug nicht dazu bei, Ascans Miene aufzuhellen. Es war laut, aufdringlich und grauenvoll überzogen - und hätte kaum besser zu dieser verlotterten Absteige passen können.
    Der dunkle Umriss hob die Hand und zwirbelte an seinem Bart. "Doch, Moment. Totgesagt träfe es wohl eher, nicht wahr, Rabe? Was verschafft mir die Ehre deines... pompositösen Erscheinens?" Das Wort war nicht nur falsch, sondern denkbar fehl am Platz. Es wirkte, als habe es der Satyr im Adelsviertel aufgeschnappt und seitdem auf eine Gelegenheit gewartet hatte, es wieder loszuwerden... oder wollte der Kerl ihn allen Ernstes verhöhnen?


    "Spar dir das Schmierentheater, Sprungbart! Ich habe eine Frage, das ist alles", entgegnete Ascan, dem das Verhalten des Satyr mit jeder Sekunde suspekter wurde. Etwas ging nicht mit rechten Dingen zu.


    "Eine Frage? Aber nichts leichter als das! Für ein Schwätzchen hab ich doch immer Zeit. Man redet über alte Zeiten, tauscht Erfahrungen aus, lacht über gut verflossene Feinde", gab der Satyr mit erfreutem Bariton zum Besten und stemmte die Hände in die Hüften. "Zu gern hätte ich dir was aufs Haus kommen lassen, aber leider..." Sprungbarts Kopf drehte sich, als würde er durch den Raum blicken. "... hast du all die süßen Bardamen verscheucht, Rabe. Es hätte so ein lustiger Abend werden können!"




    Immer wieder nutzte Sprungbart die Pausen zwischen seinen Sätzen, um dem Assassinen die Worte des Raben zu wiederholen. Er hatte von ihm noch keine Antwort auf seinen Plan bekommen.


    Kaum waren die letzten Worte gesprochen, flüsterte er: "Und was jetzt, oh großer Schlitz-mich-tot? Ich glaube nicht, dass er sich von mir auf einen Schnaps hier ins Zimmer einladen lässt."

  • Maida zog sich wieder hinter die Decke zurück und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Pottler dachte offenbar nicht daran, seine Position aufzugeben. Sofern er es doch tat, würde sie seine Hufschritte hören. Bis dahin bestand kaum Gefahr, dass sich ein Leibwächter oder Geschäftspartner aus dem Büro schlich. Von der Eingangstür würde niemand kommen und wenn doch, würde sie das Öffnen der Tür hören. Die Scharniere der Türangel quietschten leise, das war ihr schon beim Eintreten aufgefallen. Also konnte sie sich vorerst zurück lehnen und brauchte bloß die Ohren zu spitzen.


    Mit geschlossenen Augen konzentrierte sich die Cath'shyrr auf Geräusche und Wortfetzen. Zeit schindendes Geplänkel, mehr nicht. Was hatte der Satyr für den Raben vorbereitet? Welche Falle wollte er ihm stellen? Momentan wirkte das Ganze völlig unkoordiniert. Oder war dies Absicht, um sie zu verwirren?

  • Die Ansage hatte geholfen. Sprungbart riß sich wenigstens jetzt am Riemen und wiederholte die Worte des Geflügelten. Was Daerid las, bestärkte ihn in der Annahme, dass der Syreniae zumindest nicht nur hier war, um Pottler den Hals um zu drehen. "Wenn er bei Verstand ist, lässt er sich auch sonst nirgends von Dir auf einen Schnaps einladen, Willian.", antwortete Daerid so trocken wie ernsthaft und trat bewusst hinter den Satyr. "Geh und sprich mit ihm. Beweg Dich in dem Raum zwischen Ausgang und Deinem Pult - möglichst so, dass der Komplize nicht unmittelbar in Deinem Rücken ist und Dich nicht zu fassen bekommt. Und sag dem Geflügelten, dass er tot ist, wenn er seine Fähigkeit einsetzt oder sein Komplize Dich angreift." Der Valisar brachte seine Lippen von hinten nah an das linke Ohr des Ziegenmannes. "Und im übrigen, Willian" flüsterte er mit seideweicher eisiger Stimme "ist es noch immer Dein Spiel."


    Ohne Vorwarnung packte er den Satyr von hinten an den Hüften und stieß in mit voller Wucht so in die Halle hinein, dass Sprungbart im Grunde nichts anderes übrig blieb, als den enormen Schwung mit ein paar schnellen Schritten in die vom Assassinen zuvor vorgegebene Richtung auszugleichen, wenn er keinen Sturz riskieren wollte. Der Valisar wartete nicht groß ab, was mit Pottler weiter geschah sondern huschte unmittelbar darauf mit einigen wenigen Sätzen nach rechts in den Rücken des Geflügelten. Dort blieb er stehen - wachsam und geschmeidig - und streckte die behandschuhten Hände leicht übertrieben von seinem Körper fort, um dem Geflügelten zu signalisieren, dass von ihm keinerlei Angriff zu befürchten war. Vorerst.
    Aufmerksam musterte er die Stelle, die Sprungbart als Standort des Komplizen angegeben hatte, aber im Moment war dort nichts zu sehen.

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

    4 Mal editiert, zuletzt von Daerid Canvele ()

  • Ein großer Umriss trat hinter dem Satyr ins Licht. Sofort verengten sich Ascans Augen. Argwöhnisch schweifte sich Blick noch einmal durch die Halle und streifte dabei flüchtig das Versteck der Cath'Shyrr, doch das Erscheinen der zweiten Person schien die einzige Überraschung zu sein.
    Als hätte er einen Tritt eingesteckt, stolperte Sprungbart ins Freie. Ein Eindruck von weißer Kleidung und einem Dreispitz, der zu Boden segelte, zu mehr reichte es nicht, denn Ascan fuhr bereits herum, um die dunkle Gestalt nicht aus den Augen zu verlieren, die sich sogleich in seinen Rücken begab. Dessen rasche, besänftigende Handbewegung nahm er abfällig zur Kenntnis. Teure Kleidung, flinke Bewegungen, ein verborgenes Gesicht... als genüge da bereits eine simple Geste, um die Gefahr zu verschleiern, die von diesem Kerl ausging.


    Das gutturale Lachen des Satyr kratzte an seinen aufmerksamen Sinnen. Mit der bitteren Einsicht, nur einen von beiden im Auge behalten zu können, wandte er sich wieder Pottler zu. Das Wissen um einen unberechenbaren möglichen Attentäter im Rücken machte diese Unterhaltung um keinen Deut angenehmer.
    Pottler hatte sich weiter bewegt und stand nun so gut wie entgegen gesetzt zu seinem Komplizen. "Das? Ach, das ist nur ein Freund, Rabe", tippte sich der Satyr grinsend an die Nase. "Ein Freund, der zufällig auch der beste Assassine ganz Nir'alenars ist - und der dafür sorgt, dass dein letztes Stündlein doch noch läutet, wenn du mit deinen Tricks anfängst. Oder..." Mit ziemlicher Präzision deutete der Satyr zum Versteck der Katze. "... ich mich anderweitig bedroht fühlen muss."


    Ascan wog die Chance ab, dass der Satyr keine leeren Drohungen machte. Sprungbart hatte mit ihm gerechnet, da war es zu erwarten, dass er zu besonderen Mitteln gegriffen hatte, um sich abzusichern. Aber der beste Assassine ganz Nir'alenars...?


    "Deine Furcht in allen Ehren, Pottler", entgegnete er mit der Ruhe eines Erwachsenen, der zu einem Kind sprach. "Sag mir, wo ich die graue Schlange finde, dann kannst du mit deinem Freund wieder ungestört ins Hinterzimmer verschwinden."
    Es flackerte kurz im Gesicht des Satyr, als dieser ein paar Schritte zur Seite machte. Es sah aus, als suche er den Blickkontakt zu seinem Komplizen. "Du willst, dass ich dir den Aufenthaltsort der grauen Schlange verrate?" wiederholte Sprungbart mit lauter Stimme.


    "Das oder du führst mich hin", bestätigte Ascan dunkel. Das Verhalten des Satyr wurde immer sonderbarer. Vielleicht hatte der Kerl seine Knollennase ein paar Mal zu oft und zu tief in seiner Asche vergraben.
    Ascan sah nach der Cath'Shyrr. Sie konnte ihm helfen, wenn sie ihm ein Zeichen gab, ob der Assassine sich näherte. Ob sie sich zeigen würde?

  • Hufgetrappel. Der Satyr hatte den Raum betreten. Jedoch klang es hastig, unrhythmisch, als würde Pottler stolpern statt gehen. Maida stieß sich von der Wand ab, streckte den Rücken durch und lauschte. Den Worten nach zu urteilen befand sich eine weitere Person im Raum, deren Schritte sie nicht gehört hatte. Jemand, der sich so leise bewegte wie eine Katze. Maidas Nackenhaare sträubten sich. Kein dumpfer Leibwächter also, sondern vermutlicher einer, der das Töten sein Handwerk nannte. Wo war sie da nur hinein geraten?


    ... ich mich anderweitig bedroht fühlen muss, hörte sie Sprungbarts Worte. Verdammt! Maida fluchte innerlich. Woher wusste Pottler, dass sich ein Begleiter des Raben ebenfalls hier befand? Nun war sie eindeutig im Nachteil. Sie wussten von ihr, sie jedoch konnte nur raten, wo sich die Gegenspieler befanden. Da war es besser sich zu zeigen und sich einen Überblick zu verschaffen, als blind hinter der Decke zu kauern.


    Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, damit Pottler sie auf die Spanne quer durch den Raum nicht erkannte, das Kinn gesenkt, zog Maida sachte den Vorhang beiseite und schob sich auf leisen Sohlen am Eingang vorbei zur rechten Seitenwand des Raumes. Innerlich fühlte sie sich keineswegs so selbstsicher, wie ihr Gesichtsausdruck vermitteln sollte. Je leiser sie sich bewegte, umso bedrohlicher wirkte sie, hoffte sie. Wie ein Profi, der sie jedoch ganz und gar nicht war. Spione töteten ihre Zielobjekte nicht. Sie verstanden sich darauf zu lauschen und zwischen den Zeilen zu lesen und zwischen den Sätzen zu hören. Harmlos und völlig ungefährlich für Leib und Leben, solange man sich nicht erwischen ließ. Im Gegensatz zu dem hier. Die Spannung hing förmlich greifbar in der Luft.


    Im Rücken des Raben bemerkte die Cath'shyrr einen dunkel gekleideten Kerl. Bedächtigen Schrittes spazierte sie ein wenig näher, um dem Raben Sicherheit im Rücken zu vermitteln. Ihre Augen huschten umher. Kein weiterer Fremder schien sich im Raum aufzuhalten. Ein eindringlicher Blick in seine Richtung sollte Bran Boréas signalisieren, dass sie auf den Leibwächter achten würde. Eine möglichst unauffällige Seitwärtsbewegung des Kopfes deutete ein Nein an. Noch hatte sich der Dunkle nicht bewegt.


    Was der Rabe vermutlich ahnte: Sie würde sich auf keinen Fall für ihn zwischen Rücken und ein Messer werfen. Da verzichtete sie lieber auf das restliche Geld. Und würde Pottler weismachen, sie hätte den Raben in diese Falle geführt.

  • Kopf und Körper des Geflügelten folgten seinen schnellen Bewegungen, das nahm Daerid am Rande wahr - aber erst an der anvisierten Position erwiederte er die Inaugenscheinnahme. Eine hochgewachsene imposante Erscheinung stand da auf Pottlers' Kanzel des Vergnügens, von welcher dieser sonst auf seine Jünger herab zu sehen pflegte, und überblickte die riesige Halle. Majestätisch, das tiefschwarze Flügelpaar an dem muskulösen Körper, der trotz der Kleidung zu erkennen war - einer Krone gleich der flüchtige Eindruck weißen Haars unter der tiefgezogenen Kapuze. Wohlwollend ruhten die Augen des Valisar auf dem ästhetischen Genuß, während der Syreniae sich abwandte - nicht gern, wie die letzte finstere Geste dem Valisar verriet.


    Dagegen Sprungbart ... Daerids Lippen verzogen sich in leichtem Unwillen als sein Blick zu der grotesken Erscheinung des Satyrs weiter glitt. Und wo blieb Pottler da stehen ? Zumindest bewegte er sich weiter auf die Höhe des Eingangs zu, weg von dem im Augenblich nicht auszumachenden Komplizen. Leider auch so, dass der Syreniae fast genau zwischen ihnen stand. Gleichmütig fischte der Assassine die Tuchknuddel mit einer Hand aus den tieferen Gängen seiner Ohren, kaum wahrnehmbar die schnellen Bewegungen, mit denen er sie soweit lockerte, dass er die lauter gesprochenen Worte verstehen konnte, die die große Distanz zwischen den beiden Hauptkontrahenten erforderten. Nur den Kopf musste er nun still halten, die Hand glitt an die ursprüngliche Position zurück. Ebenso gleichmütig vernahm er nun Sprungbarts Lobeshymne. Wenigstes dieses Mal vergaß er die wichtigen Dinge nicht.
    Stumm vernahm Daerid das Ansinnen des Geflügelten in zweifacher Ausführung. Sinnend betrachtete er das schwarze Flügelpaar vor sich. Und bezweifelte, dass sein Träger wirklich so naiv war, wie er sich gerade gab.


    Eine Bewegung des Vorhangs, dort, wo der vermeintlich Komplize stecken sollte, ließ den Valisar die Augen leicht verengen und die Augen auf die Stelle richten. Eine überaus schlanke und grazile Gestalt kam zum Vorschein, die Kapuze ihres dunklen Umhangs tief ins Gesicht gezogen bewegte sie sich mit einigem Abstand an Sprungbart vorbei. Starr und mitleidslos lagen Daerids Lippen aufeinander - sein Körper bereit, in Sekundenbruchteil zu reagieren - falls der Geflügelte nur Farce war und der wahre Gegner diese unscheinbare, geheimnisvolle Gestalt sein sollte, die gerade das Leben des Geflügelten hinter Sprungbarts' Rücken vorbei trug. Mit geschmeidigen, lautlosen Schritten. Sie opferte ihn nicht. Pottler blieb unbehelligt. Daerid wollte gerade eine Hand heben, um der Gestalt Einhalt in der weiteren Annäherung zu gebieten als sie von selbst stehen blieb. Sie sah auf und für einen Moment trafen sich ihre Augen mit den seinen - das aparte edle Gesicht der Frau stand dem Anblick des Syreniae im Zusammenspiel mit dem biegsamen beherrschten Körper in seiner Schönheit in nichts nach. Welch ansehliches Paar. Ihr Blick suchte den des Geflügelten - anscheinend in der Absicht lautloser Verständigung. Daerid's Blick hingegen musterte ohne Regung die Erscheinung des Satyrs. Schier unerträglich, der Anblick. Ob er genug Schneid besaß, den einzigen Weg zu gehen, der ihm noch offen stand ? Die Leiter empor ? Zumindest gäbe es dann genug Leute, die er vorsichtshalber aus dem Weg würde räumen müssen ..... das könnte gute Geschäfte mit sich bringen.


    Wie zerstossenes Geforenes hallte die leidenschaftslose Stimme des Valisar durch die Halle, sorgfältig garniert nur mit dem Hauch eines leisen spöttischen Untertons darin.
    "Glaubst Du selber, was Du das sagst, Geflügelter ? Dass Willian sich nach diesem Auftritt von Dir überhaupt jemals wieder ungestört irgendwohin zurück ziehen kann ? Ganz gleich, ob er Dir sagt, was Du begehrst oder nicht - ich glaube es nicht." Daerid's Augen waren zu den beiden Schönheiten zurück gekehrt und beobachteten unablässig jede noch so kleine ihrer Bewegungen.

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

    Einmal editiert, zuletzt von Daerid Canvele ()

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