Die Pfandstube "Acai"

  • Tilla's zufriedene Entspanntheit übertrug sich auf die Atmosphäre im Raum und damit auch auf den jungen Mann, auch wenn Tamrin bei ihren Worten zunächst in Unverständnis die Augen etwas aufriss. Ein Rattenfänger ? Hatte er nicht etwas angeboten in seiner Hand ? Und war die Missgeburt dann etwas, was er gefangen hatte ? schoss es innert Sekunden durch seinen Kopf und unwillkürlich musste er amüsiert auflachen. "Ach Du lieber Himmel ! Sie wird explodieren." gluckste er schadenfroh, legte aber sogleich angesichts der eigenen Erfahrung mit der Dame die Stirn in mitleidige Falten. "Hoffentlich lässt sie es nicht an dem armen Rattenfänger aus." Nach der Erklärung wandt die Pfandleiherin sich Tamrin's ursprünglichen Anliegen zu. Er nickte bedächtig. "Der Platz ist besser als ich zu hoffen gewagt habe.", bekannte er ernst und musterte die Pfandleiherin noch einmal eindringlich.
    Dann schüttelte er sacht den Kopf. "Ich habe mich anders entschieden. Wenn Ihr es wünscht, können wir einen Vertrag machen - aber ich für meinen Teil will an Eure Aufrichtigkeit glauben." Ein freundliches Lächeln umspielte Tamrin's Mund dabei. "Ihr müsst mir nur noch sagen, an welchen Tagen ich mich bei Euch melden soll. Oder welche Bezahlung Ihr verlangt."
    Die vorherigen Worte der Pfandleiherin hatten Tamrin aber zusätzlich an den eigenen prallen Münzbeutel erinnert, den er von der Lady Imarkar erhalten hatte und er löste ihn vom Gürtel, um ihn vor Tilla auf den Tisch zu legen. "Glaubt Ihr, sie gab mir deshalb so viel Gold ? Weil sie mich kaufen wollte ?", fragte er ein wenig verwirrt. "Was wollte sie denn eigentlich kaufen ?"

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    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Zeitlinie Tamrin


    Tilla zögerte. Sie würden jemanden, der Botendienste oder ähnliche Kleinigkeiten ausführte schon gebrauchen können. Wie oft sie Tamrins Dienst in Anspruch nehmen würde, darüber hatte sie sich allerdings noch keine Gedanken gemacht.
    "Nun, kommt jeden Malviar zu mir und sollte ich eure Hilfe über dem hinaus benötigen, werde ich euch bezahlen."


    Als das Wort bezahlen fiel, legte Tamrin den Beutel auf den Tisch und erzählte ihr von Lady Imarkar.
    Erstaunt blickte die Pfandleiherin auf das Beutelchen voll Gold und hob die Augenbrauen.


    "Es scheint mir eindeutig zu sein, dass sie euch kaufen wollte. Oder vielmehr euer Schweigen. Offensichtlich ist es Lady Imarkar nicht ganz recht, wenn die falschen Personen erfahren, dass Diebe in ihrem Schloß ein und ausgehen."
    Sie hob die Hand ans Kinn und hatte nur eine einzige Frage formulierte sich in ihren Gedanken. Wer mochten diese falschen Personen sein?


    Zeitlinie Klivv


    Der heutige Tag war beiweitem nicht so aufregend gewesen, wie der gestrige. Tilla und Vidd hatten sich weiter der Inventur gewidmet, Bassam hatte irgendetwas getan, von dem Tilla gar nicht wissen wollte, was es war.
    Beide Angestellten hatte sie heute sehr früh nach Hause geschickt und so saß sie alleine in der Pfandstube. Auch sie hatte nicht vor allzu lange zu bleiben, genoß jedoch gleichermaßen die Stille und den Anblick der aufziehenden Dunkelheit draußen.


    Die Frau mit der Porzellanhaut hatte einen Stickrahmen auf ihrem Schoß. Die Geschichten, die die vielen fremden Gegenstände in der Pfandleihe erzählten, inspirierten Tilla oft zu gewagten und phantastischen Mustern und sie ertappte sich gerade wie sie mit goldenem Faden eine kleine Maus auf den dunkelgrünen Stoff stickte, als Klivv zu Tür hereinsah.
    Auch wenn er geklopft hatte, so erschreckte die Dunkelhaarige sich doch sosehr, dass sie sich stach - und reflexartig, um den Stoff nicht mit Blut vollzutropfen, den Finger in den Mund schob.


    "Ah, Klivv." Antworte sie halb nuschelnd. "Isch hotte nischt erwortet, eusch so bold wiederzusehen.."

  • Die furchtbare Frau schickt mich“, meinte Klivv entschuldigend und brachte beim Eintreten Schwefelgeruch, der den Kanalgestank recht wirksam ersetzte, mit herein. “Hat mir einen Kübel Pferdescheiße mitgeben, gegen Diebe sagt sie. Muss verrückt sein, habe ihn draußen stehen gelassen.“

    Dann deutete der kleine Mann auf den Finger seiner Auftragsgeberin. “Nicht in den Mund, sauberes Tuch ist besser. Hab da was.“ Geschäftig kramte er ein sorgfältig in Wachstuch eingeschlagenes Bündel hervor. “Kann’s verbinden, wenn Ihr wollt“, bot er an und schlug das kleine Paket auf. Neben säuberlich zugeschnittenen Stoffstücken enthielt es mehrere Fläschchen und kleine Dosen. Dass sich Tilla nur verletzt hatte, weil sie über ihn erschrocken war, schien dem Rattenfänger vollkommen entgangen zu sein. “Der Auftrag der Herrin“, Klivv spuckte dieses Wort regelrecht aus, “kann warten.“

  • "Einverstanden!" nickte Tamrin ausgesprochen zufrieden zu dem Vorschlag der Pfandleiherin. Malviar klang ihm sehr nach einem bestimmten Wochentag (welcher genau würde er noch heraus finden müssen) - und das war mehr als gerechtfertigt in seinen Augen. Zwar hatte er nicht vor, darüber hinaus Geld von Tilla Acai zu nehmen - er glaubte, dass er mit einem Rat oder Tipp hier und da von der fest mit beiden Beinen im Leben stehenden Frau weitaus besser entlohnt sein würde - doch das konnten sie beide im Einzelfall miteinander klären. Für heute Nacht war er mit ihrem Übereinkommen mehr als glücklich. Und wenn er die Ereignisse Revue passieren ließ - hier und da würde es sich vielleicht um ähnlich aufregend-kuriose Angelegenheiten handeln, wie heute.


    Erstaunt hingen Tamrin's Blicke auf dem Beutel mit den 10 Goldmünzen nachdem Tilla geendet hatte. Sein Schweigen hatte erkauft werden sollen - ein bisschen spät, wenn er an Tári dachte, obwohl er ihr vertraute, dass sie nicht darüber sprechen würde. Dennoch schüttelte Tamrin verständnislos den Kopf. "Ihr glaubt, diese Schlossherrin möchte nicht, dass bekannt wird, dass der Graf mit einer attraktiven Diebin ....... ähhhhhh ......." Tamrin errötete ein wenig und seine Stimme wurde merklich leiser. Er erinnerte sich wieder an den Gedanken, dass die launische Dame womöglich die Ehefrau des Grafen war. "... bekannt ist ?" kam es dann beinah flüsternd hinterher bevor es wieder auf unverfänglicheres Terrain ging - zumindest aus Tamrin's Sicht. "Und dass sie selbst solche Diebstähle dann ausbügelt ?"
    Wenn es hinter diesem Gebaren einen Sinn geben sollte - Tamrin erschloss er sich jedenfalls nicht.

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    2 Mal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • Zeitlinie Klivv


    Klivvs Bemühen, ihren gestochenen Finger zu verarzten, entlockten der Pfandleiherin ein warmes Lächeln. In seiner Schrulligkeit hatte der kleine Mann schon fast etwas "Schützenwertes".
    Und auch wenn man es unter der oft kalten, förmlichen und gut inszenierten Oberfläche der Dunkelhaarigen nicht vermutete, so hatte Tilla einen ausgeprägten Mutterinstinkt.
    Wenn jemand in Not war, konnte er auf ihre Hilfe setzen.


    Doch momentan war weder Klivv, noch Tillas Finger in Not.
    Sie schüttelte Kopf und Finger und entgegnete Klivv gegenüber:
    "Lasst, so schlimm ist es nicht. Erzählt mir lieber von der furchtbaren Frau. Was hat sie euch mitgegeben?" Tilla konnte es kaum glauben. Diese selbsternannte "Schlossherrin" schien Haare auf den Zähnen zu haben. Beim nächsten Aufeinandertreffen - so fürchtete Tilla - würde sie wohl kein Bürschchen von der Straße schicken können.


    "Macht euch keine Gedanken um dieses Biest, wenn sie eure Dienste nicht zu schätzen weiß. Den Dukaten könnt ihr behalten und die Ratten auf Schloss Imarkar lasst ihr einfach da, wo sie hingehören."


    Zeitlinie Tamrin


    "So scheint es." Tillas Augen wurden zu zwei Schlitzen und sie dachte angestrengt nach. Es wäre ein Fest, herauszufinden, warum dieser Diebstahl verheimlicht werden sollte. Nur um die Ehre des Hauses zu retten?
    Was immer Lady Imarkar mit der Heimlichtuerei beabsichtigte, sie hatte genau das Gegenteil erreicht. Jetzt war erst recht Tillas Neugierde geweckt und das Wort "Diskretion" wurde in einen hinteren Winkel ihrer Gedanken verschoben.


    "Ich wage zu behaupten, dass wir noch herausfinden werden, was es mit dem Diebstahl und der adretten Begleitung des Herrn von Müsig auf sich hat. Wenn Lady Imarkar derartige Bemühungen anstellt, pfeifen es bald die Spatzen von den Dächern."


    Tilla streckte sich und unterdrückte ein Gähnen.
    "Aber es ist spät, Tamrin und mir fallen die Augen bald zu. Habt ihr noch etwas, dass ihr besprechen wollt? Und habt ihr eine Unterkunft für die Nacht? Ich kann euch auch gerne ein Nachtlager zur Verfügung stellen..."

  • Klivv, der in einer Umgebung hauste in der sich auch kleine Wunden nur allzu leicht entzündeten, schien nicht wirklich überzeugt. Dennoch ließ er Tilla ihrem Willen und packte sein Verbandszeug so schnell weg, wie er es hervorgeholt hatte. “Drei Pferdeäpfel ‚gegen Diebe‘, steckte ein Dukat drinnen“, wiederholte er etwas ausführlicher und verzog angewidert das Gesicht, während er das sorgfältig gefaltete Bündel nochmal überprüfte und in seiner Manteltasche verstaute. “Entschuldigt, dass ich nachgesehen hab“, fügte der Rattenfänger etwas kleinlaut hinzu. “Dachte Ihr wollt vielleicht nicht selbst… Hab das Geldstück ausgetauscht.“ Obwohl er ihn inzwischen sorgefältig gewaschen hatte, würde er diesen speziellen Golddukat lieber jemanden andrehen, den er nicht leiden konnte. Solche Leute gab es schließlich mehr als genug. “Kann auch die Pferdescheiße im Kanal entsorgen. Steht draußen.“

    Was die Ratten der Gräfin betraf, konnte er leider nicht beipflichten. Trotz des Hausverbots war sie so gemein gewesen, ihn nicht aus seiner lästigen Pflicht zu entlassen. “Oh, sie wird ihre Ratten bekommen“, meinte er deshalb mit einem boshaften kleinen Lächeln. “Ich denke eine Lieferung bin ich ihr schuldig – zu einem Gulden das Dutzend.“ Und eine eventuelle kostenlose Lieferung war da noch gar nicht inbegriffen.

  • Tamrin ergriff den Münzbeutel und sprang hastig auf die Füße bei Tilla's Worten, er hatte ganz vergessen, wie spät es bereits war.
    Unglücklicherweise knallte er dabei mit dem Knie gegen ein Tischbein, was sämtliches Geschirr darauf bedrohlich wanken und scheppern ließ, gnädiger Weise blieb aber zumindest alles an seinem Ort. Zerschelltes Porzellan und noch mehr Pfützen auf dem Boden hätten Tamrin gerade noch gefehlt, nachdem der späte Besuch hier so gut verlaufen war. "Verzeihung!" Mit hochroten Wangen und etwas zerknirscht suchte er Tilla's Blick. "Ich wollte nur sicher gehen, ob das Geld wirklich für mich gedacht war und ich es tatsächlich behalten kann. Sollte ich über diese eigenartige Geschichte noch etwas in Erfahrung bringen, werde ich Euch berichten.", versicherte er und schenkte der Pfandleiherin ein dankbares Lächeln. "Das ist ein sehr großzügiges Angebot von Euch - aber nein, ich suchte tatsächlich nur einen Platz für das Schwert. Eine Bleibe habe ich, nur ist sie etwas ungeeignet, um dort wertvolle Dinge aufzubewahren.", bekannte er mit leisem Schmunzeln. "Wir sehen uns am nächsten Malviar, falls es noch etwas zu besprechen gibt, ist es dann immer noch früh genug. Die Tür vorn ist noch offen, nicht wahr ? Dann finde ich allein hinaus. Habt eine Gute Nacht, Lady Acai !" Tamrin deutete eine Verneigung an - zunächst vor der Pfandleiherin, dann vor dem hünenhaften Djirin. "Gute Nacht, Bassam!"


    ------> Ein Zimmer im Seeviertel .....

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

    Einmal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • Zeitlinie Tamrin


    Ein wenig erstaunt nahm Tilla den plötzlichen Aufbruch Tamrins wahr. Sie hatte ihn nicht herauswerfen wolle, war aber dennoch froh, wenn sie mit seinem Fortgang die warme Müdigkeit, die sie schon zu überwältigen drohte, vollends willkommen heißen konnte.


    "Habt auch eine gute Nacht, Tamrin." Antworte die Händlerin und begleitete den jungen Mann zu Tür.
    Kaum betrat er die Nacht, löste Tilla die Haarnadeln aus ihrer Frisur und das dunkle Haar fiel ihr in großen Locken über die Schultern. Ihr Blick fiel auf die Schuhe, die mit dem Rattenalkohol in Berührung gekommen waren. Sie würde sie morgen säubern lassen. Oder verschenken. Oder verbrennen. Jetzt rief nur noch ihr Bett.


    Zeitlinie Klivv
    Tilla hob eine Augenbraue und ihre Lippen spitzten sich zu einem wissenden Lächeln.
    "Werter Klivv, dass klingt als hättet ihr einen Plan." Diese Herrin Imarkar war offensichtlich das Prachtstück einer adeligen Schnepfe.
    Mit Sicherheit konnte ein Rattenfänger der Alten kein Benehmen beibringen, aber alleine der Gedanke daran, dass die Schlossherrin sich künftig mit mehr toten und lebendigen Ratten rumschlagen musste, als zuvor, gab Tilla eine tiefe Genugtuung.


    "Ja, bitte entsorgt die Fäkalien, ich wäre euch sehr dankbar. Und behaltet den Dukaten. Euren Silberreif habe ich bereits heute morgen gut verkauft."
    Das mochte zwar stimmen - aber der Hauptgrund, dass Tilla den Dukaten nicht haben wollte, weil sie Klivvs Aussage nicht wirklich traute. Und auch wenn man nie wusste, wo Geld zuvor gewesen war - einen Dukaten, der in einem Pferdeapfel gesteckt hatte, wollte sie nun wirklich nicht anpacken.

  • “Für’s Erste schicke ich ihr mal einen Boten mit einem Sack voll Ratten vorbei. Sie lebend zu fangen ist zwar immer gewaltig Arbeit, aber sie soll eben entsprechend bezahlen“, erklärte Klivv sein Vorhaben. “Danach bin ich meinen Verpflichtungen wohl ausreichend nachgekommen und werde meine Tätigkeiten in den Katakomben des Adelsviertels stark einschränken.“ Sie in näherer Umgebung zum Schloss sogar acht Monde ganz auszusetzen, klang beispielsweise nicht schlecht. “Sollte sie dann zufällig Probleme mit Ratten bekommen…“ Das Schulterzucken des kleinen Mannes sollte wohl signalisieren, dass er in diesem Fall der Letzte wäre, auf dessen Hilfe die Gräfin setzen konnte.

    Mit einem weiteren Schulterzucken ließ er Augenblicke danach das Goldstück wieder in seinen Taschen verschwinden. Tilla war schließlich Geschäftsfrau und würde schon wissen, was sie da tat. “War gut der Reif, nicht? Hab noch was Interessanteres für Euch – vielleicht.“ Bei Wertgegenständen konnte man sich schließlich nie ganz sicher sein. Bei der daumengroßen Götterstatue aus Elfenbein, die er kurz darauf aus einem seiner Beutel hervorzauberte, war er allerdings ganz zuversichtlich. “Ein Frohblatt“, erklärte er obwohl die Pfandleiherin die tanzende Frauengestalt wohl mindestens ebenso gut beurteilen konnte, wie er. Es handelte sich dabei um eins seiner besseren Stücke, die er normal sicher verwahrt auf einem seiner Regalbretter herumliegen ließ.

  • Es kostete Tilla schon Beherrschung, bei jedem von Klivvs Worten nicht die Mundwinkel in die Höhe zucken zu lassen. Da hatte Lady Imarkar sich aber einiges an Unfrieden angelacht. Auch wenn sie die Frau bisher nicht kannte, die Vorstellung, dass ein Herr von Müsig künftig häufiger diesen Plagegeistern ausweichen musste, war amüsant. Nicht besonders nett, aber amüsant.


    "Ein Frohblatt, zeigt mal her.." Eigentlich war Tilla nicht besonders erpicht darauf, noch mehr von Klivvs "Kleinoden" zu erwerben. Aber sie hatte ihm die ganze Geschichte rund um Schloss Imarkar ja irgendwie eingebrockt und es konnte ja nicht schaden, sich die kleine Götterstatue anzusehen.


    "Hübsch gearbeitet." Antwortete sie knapp, während ihre Hände die Statue hin und her bewegten. "Reines Material, keine Einkerbungen, keine Risse. Klare Konturen und Details." Ein Wunder, dass das kleine Ding in der Kanalisation keinen Schaden genommen hatte..
    "Ein Liebhaberstück. Vielleicht.." Sie hob die Statue gegen das Licht, fuhr dann mit dem Zeigefinger über die zarten Gesichtszüge. "3 Golddukaten?"
    Die ansonsten glatte Stirn runzelte sich leicht. "Die könntet ihr bei einem Händler bekommen. Ich bin aber kein Händler und es kann sein, dass ich diese Statue lange Regal stehen habe oder selbst bei einem Händler veräußern muss. Deshalb würde ich euch 2 Golddukaten geben."
    Sprach sie mit fester Stimme und setzte das kleine Persönchen wieder vor Klivv ab.

  • Die Pfandleiherin tat ihm den Gefallen die Figur anzusehen – denn dass Begeisterung anders roch, wusste sogar Klivv. An der kleinen Statue hatte Tilla dann jedoch nichts auszusetzen und machte ihm sogar ein Angebot. Der Rattenfänger dachte gar nicht lange darüber nach, sondern nickte einfach. Über den Hinweis, dass man andernorts mehr dafür bekommen könnte, war er positiv überrascht. Doch in seinem Fall konnte er nicht zustimmen: Die Geschäftsleute, die er sonst noch kannte, hätten ihm wohl höchstens einen Dukat dafür angeboten.

    “Will zu keinem Händler und habt ja noch ein Goldstück bei mir gut“, bemerkte er und klopfte auf die Tasche, in der die Münze, die er von der Gräfin überbringen sollte – beziehungsweise eine Münze gleichen Werts – verschwunden war. “Das war’s dann wohl“, fügte er noch an, als der Verkauf abgeschlossen war. Es würde wohl eine ganze Weile dauern, ehe sich wieder ein guter Grund fand in der Pfandstube hereinzuschneien und Klivv war niemand, der einfach so bei irgendwem vorbei sah.

  • "Das war's dann wohl." antwortete Tilla und händigte Klivv die Dukaten aus.
    Sie verabschiedete sich höflich von dem Rattenfänger - schließlich wusste man nie, wann man einen Rattenfänger brauchte - und öffnete ihm sogar die Tür.


    Wenn man bedachte, wie ungünstig das erste Zusammentreffen Tillas mit Klivv gewesen war und wie gerne sie den eh schon winzigen Mann noch einen Kopf kürzer gemacht hatte, konnte man sich nur über das zarte Lächeln auf Tillas Gesicht wundern. Irgendwie hatte der Rattenfänger ja doch eine nette, beinah schützenswerte Art an sich gehabt. Nur mit seinem Plunder musste er nicht mehr bei Tilla aufkreuzen.


    "Gehabt euch wohl." Gab sie ihm noch mit auf den Weg und schloss dann die Tür hinter dem Mann mit den markanten Gesichtszügen.

  • Behäbig schlenderte Said durch die Straßen der Stadt, die so lange ein scheinbar unerreichbares Ziel für ihn gewesen war, und stützte sich dabei schwer auf seinen Gehstock: Eine Tatsache, die ihm ein bitteres Lächeln entlockte. Er kam sich alt vor und wusste, dass ihn sein Handgelenk noch für die ungewohnte Belastung strafen würde. Aber realistisch betrachtet war er alt und die Reise unter die Kuppel war sowohl magisch wie auch körperlich betrachtet kein Kinderspiel gewesen – von seiner finanziellen Erschöpfung einmal ganz zu schweigen. Zu lange war er auf der Jagd nach einem Gerücht durch die Hafenstädte des Sternenmeeres gezogen und hatte dabei ein bescheidenes Vermögen durchgebracht. Stünde er heute nicht hier, hätte er sich einen Toren gescholten.

    An seinen geringen Mitteln änderte allerdings auch seine Ankunft in der Stadt unter den Wellen wenig. Die letzten Nächte hatte ihn der kläglich schlaffe Anblick seiner Börse davon abgehalten sich ein Zimmer zu nehmen, um sich mal wieder eine vollständig durchschlafene Nacht zu gönnen, und auch der Besuch der weltbekannten Oper Nir’alenars, von dem er schon in jungen Jahren geträumt hatte, würde wohl vorläufig ein Traum bleiben müssen.

    Noch vollkommen in Gedanken versunken, musste er, ein Al-Malek sich dabei ertappen, dass er vor einem Pfandleihhaus stehengeblieben war und den Blick kaum von dem Schriftzug über dem Eingang abwenden konnte. Nun, ein verstoßenes Mitglied der Familie, korrigierte er sich. Außerdem war er kein Mann, der notwendige Entscheidungen lange hinauszögerte. Mit einem festen Klopfen, das wenig von dem vorangegangenen inneren Kampf verriet, und ebenso festen Schritten, während derer er seinen Stab ganz wie modischen Zierrat aussehen ließ, trat er ein. “Den Göttern zum Gruße. Mein Name ist Said Moeris“, stellte er sich in Beleriani, an dem er lange geschliffen hatte, der Dame, die er im Inneren antraf, vor.

    Zauberei ist die Soße, die Dummköpfe über ihre Fehler gießen, um damit den Geschmack ihrer Unfähigkeit zu überdecken.


    George R. R. Martin

  • "Sag mal, Vidd, hast du irgendetwas davon vernommen, dass sich die Familie Donnerfaust übernommen hat? Adorn Donnerfaust hat noch immer nicht sein Schwert ausgelöst."
    Schallte es durch die Pfandstube Acai. Tilla hing über einem ihrer Bücher und sah nach, bei welchen Gegenständen die Pfandfristen abgelaufen waren. Bei vielen Adeligen war es nicht unüblich, dass sie ihren Pfand nicht wiederholten. Entweder, weil sie gerade keine Mittel zum Auslösen hatten, oder weil sie es bereits vergessen hatte.
    Bei der Familie Donnerfaust sah das in der Regel anders aus. Pfand wurde höchstens aufgenommen um möglichst schnell liquide zu sein. Reichtum hatten sie genügend gescheffelt.
    "Nichts gehört." Antwortete Vidd, der am Hinterzimmer an einer Erfindung tüftelte. Langsam schob der Gnom die Brille, die ihm von der Nase zu rutschen drohte, wieder an seinen Platz.
    "Aber es geht das Gerücht um, dass sie gerade eine Waffe entwickeln, die seines Gleichen sucht. Vielleicht hat er einfach vergessen, dass er noch so etwas banales wie ein Schwert besitzt." Der Gnom kicherte und begab sich wieder an die Arbeit.
    Tilla tat das ganze nur mit einem Schulterzucken ab, notierte irgendetwas in ihr Buch und widmete sich dem nächsten Eintrag.
    Zumindest hatte sie es vorgehabt, denn in diesem Moment klingelte das Ladenglöckchen und ein älterer, großer Djirinn betrat den Raum.
    Tilla sah auf, strich sich den weiten Glockenrock glatt und lächelte den Fremden an.
    "Auf das Ihr mir gegrüßt seid, werter Said Moeris. Wie kann ich euch helfen?"
    Runtergekommen sah ihr Gegenüber nicht aus, stellte Tilla fest. Aber streng genommen taten das die wenigsten ihrer Kunden.

  • “Ich hätte mir gewünscht einer solch kultivierten Frau wie Euch
    unter anderen Umständen zu begegnen, aber heute bin ich leider aus dem
    offensichtlichen Grund hier“, erwiderte Said mit einem bedauernden
    Lächeln. Ob die Pfandleiherin in die Oper ging? Nein alter Mann, es war
    besser nicht von der Oper zu träumen, wenn man sich schon veranlasst sah
    das Geld für ein Zimmer zu sparen. Die Garderobe, die er am Leib trug,
    war derzeit sprichwörtlich sein gesamtes Kapital. “Ich brauche jemanden, der mir über einen vorübergehenden finanziellen Engpass hilf.“


    Daran, dass dieser unleidige Zustand nur von kurzer Dauer sein würde,
    hatte der Djirin tatsächlich keinen Zweifel. Er war in seinem langen
    Leben ebenso oft arm wie vermögend gewesen, doch nie hatten diese Phasen
    lange angehalten. Die Rolle des Bettlers lag ihm einfach nicht und das
    Schicksal schien mit dieser Ansicht genauso übereinzustimmen wie der
    Schauspieltrupp, den er einst eine Weile begleitet hatte.


    Dennoch stand ihm nun der unangenehme Teil bevor. Es galt zu
    entscheiden, was er verpfänden sollte und da Kleidung erfahrungsgemäß
    wenig einbrachte bleiben genau drei Gegenstände, von denen er eigentlich
    keinen missen wollte. Das etwas merkwürdig geformte Instrument, das er
    in Wachstuch gehüllt mit sich trug, war ein einzigartiges Relikt seiner
    Heimat. Es auch nur vorübergehend aus der Hand zu geben, kam nicht in
    Frage. Auf den Gehstock konnte er, so unsicher wie er im Moment auf den
    Beinen war, gar nicht verzichten. Bleiben noch die Augengläser aus
    geschliffenem Beryll, ohne die er kaum mehr lesen konnte.


    “Wieviel kann ich dafür bekommen und wann muss ich sie wieder auslösen?“,
    fragte er um ein Lächeln bemüht. Der Versuch damit den melancholischen
    Ausdruck aus den schwarzen Augen zu vertreiben, war im Moment jedoch
    noch vergeblicher als sonst."

    Zauberei ist die Soße, die Dummköpfe über ihre Fehler gießen, um damit den Geschmack ihrer Unfähigkeit zu überdecken.


    George R. R. Martin

  • "Ein finanzieller Engpass.." antwortete Tilla mit einem höflichen Lächeln. ".. dann freut es mich euch mitzuteilen, dass ihr dafür hier an der richtigen Stelle seid. Zeigt her, was ihr habt."


    Die hochgebundenen, dunklen Locken der Pfandfrau wippten, als sie einen Schritt auf Said machte.
    Sie nahm dem Djirinn die Augengläser aus der Hand und betrachtete den Gegenstand aufmerksam. Ihre Miene verdunkelte sich leicht.
    "Normalerweise nehme ich Prothesen jeglicher Art nur ungerne an. Ich hoffe sehr für euch, euer Angebot bedeutet, dass ihr die Gläser nicht häufig benötigt - und nicht, dass ihr die Münzen unglaublich nötig habt. Denn viel mehr als 1 Golddukaten kann ich euch auch für die beste Handwerkskunst an Augengläsern nicht zahlen."


    Sie hob die Brille hoch in Richtung der Lichtquelle und besah sich die Breite und den Schliff der Gläser. Je notwendiger der Mann vor ihr das Hilfsmittel benötigte, umso schlechter waren die Chancen, dass sie ihr Geld wieder bekam. Denn wie sollte man an Geld kommen, wenn man nicht richtig sah? Und an wen sollten sie ein Augenglas veräußern?"


    "Vielleicht einen Golddukaten und 3 Silberlinge. 10% Zinsen für 2 Wochen, 20% Zinsen wenn ihr das Augenglas länger einlagert. Nach 8 Wochen geht es in meinem Besitz über, sofern wir keinen anderen Zeitpunkt ausmachen."
    Mit undeutbarer Geschäftsmiene legte Tilla das Augenglas auf ihren Tresen und blickte Said an.

  • Saids Lächeln gefror ein wenig ein, als die Pfandleiherin ihm eine Summe nannte. Er hatte diese Augengläser vor kaum hundert Jahren von einem hervorragenden Kristallschleifer anfertigen lassen. Sie hatten ein Vermögen gekostet, doch damals war das gerade einmal kein Problem gewesen. „So schnell zerplatzen Träume. Gerade vor einem Moment habe ich mehr an angenehme Gesellschaft als an schnöden Mammon gedacht. Doch es sieht nicht so aus, als hätte ich Euch besonders viel zu bieten.“ Der Djirin schien diesen Umstand tatsächlich zu bedauern und stützte sich etwas schwerer auf seinen Gehstock. Sofort wurde er von einem stechenden Schmerz im Handgelenk dafür abgestraft.


    „Keine Sorge, ich brauche die Augengläser nur zum Lesen. Doch da es kaum so aussieht, als würden sie mein finanzielles Polster wirklich aufbessern sollte ich mir wohl schleunigst eine Anstellung suchen.“ Der alte Mann seufzte. „Ich habe genug Erfahrung für ein Dutzend Menschenleben und bin relativ belesen. Ich denke ich würde einen durchaus passablen Hauslehrer oder dergleichen abgeben. Ihr habt nicht zufällig eine Idee wo man die Dienste eines solchen benötigt?“

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    George R. R. Martin

  • Einen Augenblick sah Tilla den Djirinn irritiert an. Angenehme Gesellschaft? Hatte er sie gemeint? Wollte er ihr etwa Honig um den Mund schmieren um den Pfandbetrag in die Höhe zu treiben? Dummerweise war Tilla dafür selten empfänglich. Selten. Was nicht hieß, dass sie sich nicht manchmal doch bequatschen ließ. Wenn die Geschichte dahinter passte.


    "Im Adelsviertel könnt ihr vielleicht einen Posten als Hauslehrer finden. Doch bitte fragt mich nicht in welchem Haus." Die Dunkelhaarige schmunzelte. "Die Adeligen die zu mir kommen, können sich selten einen eigenen Hauslehrer leisten - und noch seltener scheinen sie zu wissen, welch großes Kapital Bildung sein kann. Aber .."


    Tilla stützte sich mit dem Unterarm auf ihrem Tresen ab und legte die Augengläser vor sich, so dass sie in Saids Reichweite waren.


    ".. wenn ihr ein solch belesener Mann seid und euch so gut geschliffene Gläser leisten konntet - wie seid ihr dann in diese finanzielle Lage geraten?"

  • „Dann sollte ich wohl besser fragen, welche Adeligen Ihr hier noch nie gesehen habt.“ Ein flüchtiges Lächeln begleitete Saids Worte. „Und was die Finanzen angeht habe ich den Büchern und dem Reisen wohl ein Jahrzehnt zu viel gewidmet. Vermutlich sollte ich Euch das nicht erzählen, weil es Euer Vertrauen in mich und meine Zuverlässigkeit nicht gerade stärken wird, aber dass ich zuletzt nennenswertes Einkommen verbuchen konnte ist wohl an die 50 Jahre her.“ Das Wedeln seiner Hand sollte wohl darauf hinweisen, dass er sich auf diese Zahl nicht genau festlegen wollte.


    “Damals war ich Berater eines Fürsten. Ich konnte gut davon leben, nur leider war es todlangweilig und nachdem mir das finanzielle Polster dick genug erschien…“ Wieder versuchte sich der Djirin an einem Lächeln, das die Melancholie nicht aus den alten Augen vertreiben konnte. „Man muss es wohl als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass es sich gerade jetzt als erschöpft erweist. Ich wollte diese Stadt schon so lange besuchen und hatte es schon fast aufgegeben…“

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    George R. R. Martin

  • Tilla schmunzelte. "Nir'alenar ist schon immer eine Reise wert gewesen. Ihr werdet die Stadt mögen."
    Die Gelockte sah auf eine der Pendeluhren, die an der Wand hingen. An der Oberfläche hätte man gesagt, dass die Sonne sich bald ihrem höchsten Stand nähern würde. Hier unten, unter der Kuppel gab es andere Redensarten, doch keine brachte es so poetisch auf den Punkt, dass die Hälfte des Tages bereits vorbei war.


    Von einem kurzen Blinzeln und mit einer fahrigen Handbewegung strich Tilla sich eine nicht existierende Strähne aus dem Gesicht.
    "Said, ihr scheint mir ein Mann der viel erlebt hat und außerdem knurrt mein Magen. Was haltet ihr davon, mir beim Mittagstisch ein wenig Gesellschaft zu leisten? Ich bezahle."
    Sie lächelte und hob ein Schild hinter dem Tresen hervor. Die Pfandleiherin wusste selbst nicht, was sie dazu trieb, den betagten Djirinn einzuladen. Vielleicht hatte sie einfach Lust auf eine halbwegs gute Geschichte. Oder ihr taten die Füße weh, weil sie heute zu den falschen Schuhen gegriffen hatte.
    Vielleicht gab es auch gar keinen rationellen Grund..


    Sie schob den Djirinn ein wenig in Richtung Tür und legte großes Schild ins Fenster. Ein einzelnes Wort stand in Großbuchstaben darauf.
    GESCHLOSSEN.

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