Dunkle Seelen

  • An manchen Tagen wurde es auch in Nir'alenar nicht richtig hell. Diese Tage liebte Brennan. Er hatte nichts gegen den hellen Schein der Kuppel, doch war er der Dunkelheit nunmal mehr zugetan und genoss die Tage im Zwielicht.
    Und dann gab es solche Tage, in denen er das Zwielicht selber suchte. Entweder in dem er in den Palast der Nacht ging, irgendeine schäbige Taverne aufsuchte oder aber sich noch tiefer verkroch.


    In die Katakomben von NIr'alenar. Und heute war so ein Tag.


    Viele "normale Bürger" wären sicherlich erstaunt, wie belebt es hier unten manchmal vor sich ging. Windige Gestalten, Restaurateure, Menschen die den Nervenkitzel an der letzten Ruhestätte irgendeiner Berühmtheit suchten.
    Brennan hatte sich die Katakomben jedoch für eine ganz eigene Tätigkeit ausgesucht. Er trainierte hier seine Vögel. Nirgends sonst konnte er ihnen so gut beibringen, dass dunkle, enge Kammern keine Gefahr für die freiheitsliebenden Wesen darstellte. Nirgends sonst konnte er sie mit der Dunkelheit so gut in Kontakt bringen.


    Allerdings war er schon Monate nicht mehr hier unten gewesen. So dauerte einen Augenblick bis der Händler aus Shay'vinayar sich zurecht fand und den Gang erspähte, den er einst für die Flugstunden seiner Zöglinge auserkoren hatte. Eng, verwinkelt, düster und nur selten fand jemand hier her und störte ihn bei seinem Tagwerk.
    Zufrieden stellte der Dunkeläugige die zwei Käfige mit den Vögeln ab und öffnete die Türen. Leise und beruhigend sprach er auf die Tiere ein, bevor er ihnen befahl herauszufliegen. Die Tiere waren noch jung und es würde ein langer Tag werden.
    Langsam flog der Erste heraus und verschwand gleich hinter einer Abzweigung, während die beiden anderen nur unschlüssig auf den Boden sprangen.

  • "Verflucht, Dandara! Musst du mir vor dem Gesicht herumschwirren?", zischte Shizar ungehalten, während sie mit einer heftigen Bewegung den Elementgeist beiseiteschob, der gelangweilt vor ihrer Nase schwebte.


    "Gib es auf, Shizar. Die Karte ist eine Fälschung. Er hat dich hereingelegt." Dandara gähnte herzhaft und machte es sich dann mit einem Augenrollen auf einem losen Stein gemütlich. Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf und bemühte sich nicht, ihren Unwillen zu verbergen.


    Shizar antwortete nicht, sondern fuhr damit fort, die Wände nach Spalten oder verborgenen Schaltern abzutasten. Schon seit Stunden befanden sie sich in den Katakomben von Nir'alenar. Es war ein abgelegener Gang, den selten eine lebendige Seele betrat. Dandara murmelte etwas Unverständliches, während sie die Halbelfe dabei beobachtete, wie ihre Finger in Spalten und Löcher glitten, zupften, drückten und zerrten, ohne etwas auszurichten.


    Tatsächlich verlor auch Shizar langsam den Mut. Sie hatte die Karte bei einem windigen Händler erstanden, der auf dem Nachtmarkt seltene magische Gegenstände anbot. Darunter ein Medaillon, das ihr Interesse geweckt hatte. Es sollte aus dem Besitz von Deonor Aristan stammen, einem Schattenmagier, der sich mit seinen magischen Schätzen hatte bestatten lassen. Deonors Grab hatte Generationen eifriger Schatzjäger dazu animiert, in den Katakomben ihr Glück auf die Probe zu stellen, allerdings erfolglos. Auch Shizar konnte nicht widerstehen, wenn sein Name fiel. Nicht zuletzt, weil dieser in Verbindung zu dem legendären Buch der Schatten stand.


    Auf der Karte war nicht allein der direkte Weg zu seinem Grabmal verzeichnet, nein, dies wäre zu einfach gewesen. Deonor hatte sein Grab mit allein Mitteln schützen lassen, die ihm zur Verfügung standen. Er war bereits zu seinen Lebzeiten ein gieriger, kleiner Bastard. Auch im Tode gab er diese Haltung nicht auf. Deonor Aristan teilte mit nichts und niemandem. Die Karte zeigte eine Möglichkeit, auf einem Schlupfweg in die Grabkammer einzudringen und die Fallen zu umgehen. Eine Möglichkeit, die der Händler genutzt hatte, um an das Medaillon zu gelangen.


    Shizar richtete sich auf und pustete frustriert eine schwarze Strähne aus ihrem bleichen Antlitz, betrachtete sich die Wände genauer. Es musste einen Weg geben. Es musste einfach.

  • "Ihr Tagträumer" grummelte Brennan leise vor sich her, als die zwei verbliebenen Vögel anfingen wie wilde Hühner auf dem Boden zu scharren.
    "Ihr sollt fliegen und nicht hier hocken!"


    Abermals sprach er auf Taer’ilor das Wort zum Losfliegen der Tiere, doch wieder geschah nichts. Die nächsten Worte die aus Brennan Targos Mund kamen, waren kaum in der Sprache der Vogeldressur, sondern ganz ordinäre Shay'vinayarsche Schimpfworte.
    Laut Klatschend bewegte sich der Dunkeläugige auf die zwei trägen Tiere zu und stampfte zusätzlich mit dem Fuß auf. Und tatsächlich, beide Tiere breiteten die Flügel aus und flohen vor ihrem Herrn, der noch ein paar Meter hinter ihnen herlief, bevor er umkehrte.


    Brennan holte eine Portion Vogelfutter aus einem ledernen Beutel und streute sie in die Käfige. Noch ein, zwei Minuten und es wäre an der Zeit, dass die Tiere den Weg in ihre Käfige üben.


    Der mutigste der drei Vögel, ein ausgesprochen hübsches Tier mit einer Färbung des Federkleides die von Taubenblau bis Purpur reichte, saß auf einem Wandvorsprung und besah sich eine Schwarzhaarige Elfe, die ein wenig frustriert drein sah.
    Seine beiden Artgenossen hingegen blieben nicht derart friedlich. Mit hektischem Flügelschlag und seltsamen, teils von Furcht geprägten Flugmanövern fegten sie durch die dunklen Gänge.

  • Shizar fuhr zusammen, als ein klatschendes Geräusch ertönte und sie aus ihren Gedanken riss. Gerade eben hatte sie die Finger in eine weitere Ritze geschoben, um darin nach dem beschriebenen Mechanismus zu tasten und alles, was sie nicht brauchte, war Gesellschaft. Mit einem leisen Fluch hob sie den Kopf, um den Gang entlangzusehen, als in unglaublichem Tempo etwas Kleines, Undefinierbares an ihrem Kopf vorübersauste.


    "Was bei Shirashais nacktem ...?!", der Satz endete in einem erstickten Aufschrei, als ein weiteres der kleinen Geschöpfe heranraste und sich in den langen Flechten ihres schwarzen Haares verfing. Aus dem Schrei wurde ein ungestümer Fluch, als es dicht neben ihrer Wange flatterte und schlug, kratzte und protestierend piepte.


    Shizar zögerte nicht lange. Ihre Finger glitten aus der Spalte und schlossen sich um das verängstigte Geschöpf, das sich als verirrter Vogel erwies. Dandara saß noch immer an der gleichen Stelle, allerdings hatte sich ihre Haltung deutlich verändert. Der Schattengeist lachte aus voller Kehle, so laut, dass man glauben konnte, ein wesentlich größeres Wesen vor sich zu haben.


    Die Magierin starrte den Geist böse an, ohne damit auch nur das geringste zu bewirken, dann befreite sie das Tier verärgert aus seinem schwarzseidenen Gefängnis. Mit einem erleichterten Laut flatterte es den Gang hinab.


    "Wirklich, Dandara. Es hätte dich zu viel Mühe gekostet, mir zur Hand zu gehen, nicht wahr?" Shizar musterte den Geist mit einer emporgezogenen Braue, erntete jedoch nur ein gelassenes Schulterzucken.


    "Wieso sollte ich? Du bist allein zurechtgekommen, oder nicht?"


    "Weil du langsam fett wirst und dir Bewegung nicht schaden kann." Shizar ignorierte Dandaras wütenden Blick, wohl wissend, dass es wenig gab, was den eitlen Feengeist härter traf. Wo zum Abgrund war der Vogel hergekommen und wer hatte geklatscht? Forschend spähte sie den Gang hinab. "Mach dich wenigstens jetzt nützlich und sieh nach, ob wir Gesellschaft bekommen."
    Sie verstaute die Karte in ihrer Robe, während sich Dandara murrend in Bewegung setzte.

  • Auch Brennan setzte sich in Bewegung.
    Irgendetwas hatte er gehört und er konnte nicht einordnen, was es gewesen war.
    Hatte sich eines der Tiere verletzt? Oder war hier unten noch irgendjemand?


    Brennan nahm eine Lichtmuschel und schritt den Gang hinab. Nicht wirklich schleichend, aber doch darauf bedacht, so wenig Geräusche wie irgendwie möglich zu machen.
    Die Tiere rief er nicht zurück - sie würden ihren Weg in die Käfige schon finden und wenn nicht, waren sie wohl kaum einer längeren Ausbildung wert.


    "Was erwartest du Brennan Targo? Einen Geist?" Fuhr es ihm durch die Gedanken und er musste den Kopf schütteln bei der Vorstellung wie lächerlich es wirken mußte, dass ein Diener der Schattengöttin in den Katakomben umherschleicht um ein unbekanntes Geräusch aufzustöbern.
    So riss Brennan sich zusammen, richtete sein Lederwams und ging mit großen Schritten weiter voran, nur um den Bruchteil eines Augenblicks später auf etwas zu stoßen, mit dem er nicht gerechnet hatte. Eine Schattenfee. Das Erstaunen war Brennan ins Gesicht geschrieben.

  • Dandaras Miene war finster, während sie den Gang entlang flog. Zuweilen zehrte Shizars Besessenheit von Geheimnissen und dem Buch der Schatten an ihren Nerven. Es war nicht so, dass sie brenzlige Situationen generell mied, aber gelegentlich war ihr ein warmes Plätzchen in einer Taverne deutlich angenehmer. Und heute hätte sie nur zu gerne auf die zugigen, feuchten Katakomben verzichtet. Dandara mochte Luxus. Sie teilte Shizars Vorliebe für Staub und Spinnweben nicht. Es war ein ständiger Anlass für Streitigkeiten.


    In Gedanken versunken bemerkte sie den dunkel gekleideten Mann nicht sofort, der auf sie zu kam. Als er sich aus den Schatten schälte, stutzte sie jedoch und hielt mitten im Flug inne. Sie musterte ihn schweigend, dann hellte sich ihr Gesicht deutlich auf. Wenn es eines gab, das Dandaras Stimmung auf der Stelle zu heben vermochte, so war es die Gesellschaft eines attraktiven Mannes. Und dieser Mann war durchaus nach ihrem Geschmack. Dass er deutlich größer war ... nun, es störte sie nicht. Es gab Dinge, über die man hinwegsehen musste, wenn man Seinesgleichen verschmähte.


    Ein bezauberndes Lächeln erblühte auf den Lippen der vergleichsweise winzigen Schattenkreatur und sie flog näher heran. Ein Blick aus wimpernverhangenen Augen traf ihr Gegenüber und sie strich sich geziert eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. "Sieh an", hauchte sie mit rauchiger Stimme. "Ich hatte keine Gesellschaft erwartet."

  • "Ähm.. und ich.. hatte hier unten ebenfalls niemanden erwartet." Etwas irritiert blickte Brennan sich um. War dieses kleine Wesen Ursprung des seltsamen Geräusches gewesen? Höchst wahrscheinlich..


    Brennan besah sich das kleine Geschöpf.
    Er hatte nicht häufig Kontakt mit Feen und tatsächlich irritierten sie ihn aufgrund ihrer Größe irgendwie. Zudem war dort, wo sich eine Fee rumtrieb auch in den meisten Fällen ein Magier nicht weit entfernt.


    Schlußendlich übte er sich darin, die Verwunderung aus seinem Gesicht zu verdrängen und beschloss das Beste aus dieser Begegnung zu machen. Er lächelte und deutete der Fee eine dezente Verbeugung gegenüber an.
    "Doch ist es mir eine Freude, euch in dieser dunklen Ecke kennenzulernen. Targo ist mein Name und.." er deutete in die Richtung, aus der Dandara gekommen war. "Ihr habt nicht zufällig meine Vögel vorbeifliegen sehen?"

  • Shizar wartete. Die Zeit verstrich, doch Dandara kehrte nicht zurück. Verfluchtes, eigensinniges Feenbiest! Warum war ausgerechnet sie mit dieser Kreatur gestraft? Die Magierin verdrehte die Augen in Richtung des Gewölbes, das sich über ihrem Kopf erstreckte. Wie sie Dandara kannte, hatte sie sich auf den Weg nach Hause gemacht, um Shizar für den Aufenthalt in den Katakomben zu strafen. Pflichtbewusstsein gehörte keineswegs zu Dandaras ausgeprägten Stärken, wenn es keine konkrete Gefahr gab, der es zu trotzen galt. Sie fluchte leise und machte sich auf den Weg, um nachzusehen, ob ihre Annahme den Tatsachen entsprach.


    Erstaunlicherweise musste sie nicht lange suchen. Sie fand die Fee nicht weit entfernt ... im Gespräch mit einem Mann. Natürlich! Außer einem Kaminfeuer gab es wenig sonst, was die Schattenfee so sehr zu entzücken vermochte. "Vögel ...", hörte sie Dandara gerade in einem dunklen, nachdenklichen Tonfall sagen.


    Shizar trat aus den Schatten, die Karte in den Händen. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war unwillig. Er galt Dandara, obgleich es kaum zu bestimmen war. "Wenn Ihr damit die kleine Kreatur meint, die ich aus meinem Haar pflücken müsste, so findet Ihr sie gleich diesen Gang hinab." Ihre Stimme war kühl, emotionslos, ganz im Gegensatz zu Dandaras Reaktion.


    Die Schattenfee fuhr ruckartig zu ihr herum und ihre Augen blitzten ärgerlich. "Shizar ... Du störst.", zischte sie leise.

  • Brennan hob die Augen von der kleinen Kreatur und blickte gleich in die nebelfarbenen Augen Shizars. Einen kurzen Augenblick war er sprachlos. Er hatte nicht erwartet hier unten überhaupt jemanden zu begegnen, schon gar keiner Schattenfee - und erst recht keiner Frau mit solchen Augen.


    "Targo,.. Brennan Targo." Stellte er sich erneut vor und deutete abermals eine kurze Verbeugung an. Diesmal senkte er den Blick jedoch nicht zu Boden, sondern wandte ihn keine Sekunde von Shizars Antlitz ab.
    "Wenn diese Biester euch gestört haben.." Er deutete dezent auf Shizars Haar.
    ".. möchte ich mich bei euch und.." Sein Blick glitt kurz zu der kleinen Fee, deren Gesichtsausdruck irgendwo zwischen wütend und genervt lag. Zumindest soweit er es einordnen konnte. Wie oft sah man schon einer Schattenfee ins Gesicht?
    ".. eurer Fee entschuldigen. Meine Tiere sind noch jung, gerade in der Ausbildung." Im selben Augenblick flog einer der Vögel an der Personengruppe vorbei, in Richtung Käfige. Brennan war erleichtert.


    "Kann ich mich für dieses Verhalten irgendwie entschuldigen? Kann ich euch hier unten helfen?" Der Dunkeläugige versuchte einen Blick auf Shizars Karte zu werfen.

  • "Shizar", erwiderte Shizar die Vorstellung des Vogelhändlers, ohne ihren Familiennamen zu nennen. Einmal mehr schlich sich das ungeliebte Zischen in ihre Stimme, das sie ihrer Abstammung zu verdanken hatte und sie verfluchte es innerlich. Dandara schenkte sie kaum Beachtung. Sie hob eine Braue und starrte dem Schattengeist für einen Augenblick in die Augen, bis dieser sich abwandte und sichtlich verstimmt die kleinen Ärmchen vor der Brust verschränkte.


    Hilfe, Liaril bewahre ... nein, es wäre überaus hinderlich, bei ihrer Suche Gesellschaft zu bekommen. Insbesondere, wenn sie den Mann nicht kannte. Shizar musterte ihr Gegenüber. Etwas Finsteres haftete ihm an, obgleich sie nicht zu bestimmen vermochte, woher dieser Eindruck rührte. Beiläufig faltete die Schattenmagierin die Karte zusammen und ließ sie im Ärmel ihrer Robe verschwinden. "Ich war auf der Suche nach der Grabstätte eines ... entfernten Verwandten. Er war nicht sehr bekannt." Shizar lächelte kühl, nachdem sie die Lüge über die Lippen gebracht hatte. "Wahrscheinlich muss ich mich eher für Dandara entschuldigen. Sie neigt dazu, in männlicher Gesellschft anhänglich zu werden."


    Der Schattengeist murmelte etwas Unverständliches und funkelte Shizar wütend an. Ohne Zweifel würde es später zu einer Auseinandersetzung kommen, für den Moment war ihr dies jedoch gleichgültig. Sie war verärgert. Sehr verärgert. Dandara ließ kaum eine Gelegenheit aus, ihre Suche zu sabotieren.


    "Sagt ... wie kommt es, dass Ihr Eure Vögel in den Katakomben ausfliegen lasst? Es scheint mir bessere Orte dafür zu geben." Shizar ließ ihren Blick auffällig über das Gewölbe gleiten und zog fragend die Brauen empor. Es war merkwürdig. Und merkwürdige Dinge neigten dazu, ihr Misstrauen zu wecken.

  • In dem kurzen Moment, dem er Shizar über die Schulter gesehen hatte, hatte Brennan rein gar nichts auf der Karte erkennen können.
    Auf der Suche nach der Grabstätte eines entfernten Verwandten... Zweifelnd sah Brennan Shizar an. Sie wirkte glaubwürdig, ihre Kleidung einer Grabessuche entsprechend. Und doch war da etwas an der Dunkelhaarigen, was eindeutig dafür sprach, dass dies kein "Verwandtenbesuch" werden sollte. Brennan wußte nur nicht was.


    "Erfreut euch kennen zu lernen, Shizar" Entgegnete der Vogelhändler.
    "Eine berechtigte Frage die ihr stellt. Die meisten würden wohl jemanden der Vögeln in Höhlen das Fliegen lernt für mehr oder weniger verrückt halten. Und doch liegt meine Begründung geradewegs auf der Hand." Er schmunzelte und stütze sich an der nächstgelegenen Wand ab.
    "Es sind Vögel aus Shay'vinayar. Sie sollen lernen, sich im Dunklen Zurechtzufinden."
    Brennans Stimme war in seiner Erklärung ruhig, beinah sanft geworden.
    "Ihr glaubt gar nicht, wie viele Personen sich wünschen, dass ihre Tiere auch nachts Nachrichten durch Nir'alenar versenden können."
    Unverholen und mit spitzbübischen Lächeln sah Brennan Shizar an. Er hatte mit vielem in den Katakomben gerechnet. Aber eine Frau mit so hübschen Gesichtszügen hier zu treffen - seine Göttin schien es gut mit ihm zu meinen.

  • "Tatsächlich? In der Nacht? Wer würde wohl ein Interesse daran besitzen, in der Nacht Nachrichten zu versenden?" Shizars ironisches Lächeln ließ darauf schließen, dass sie die Frage keineswegs ernst meinte. Allein die Tatsache, dass sie sich mit einer alten, verschmutzten Karte in den Katakomben bewegte, ließ darauf schließen, dass ihr ein solches Ansinnen nicht fremd war. "Ihr solltet vorsichtig sein, sonst bringt man Euer Geschäft womöglich mit dunklen Machenschaften in Verbindung. Und wie schnell ist ein guter Ruf ruiniert?" Es war nahezu unmöglich zu erkennen, ob sie scherzte oder nicht. Das Glitzern in den kühlen Nebelaugen mochte ebenso gut dem schwachen Lichtschein in den Katakomben geschuldet sein.


    Die offene Musterung des Mannes ließ sie ungerührt und mit schief gelegtem Kopf über sich ergehen. Es erstaunte Shizar. Sie fand ein Interesse in seinem Blick, das sie sich nicht zu erklären vermochte und es weckte ihre Neugier. Dennoch ... ihr Argwohn nahm nicht ab, im Gegenteil. Es lag an seinen Augen. Obgleich er harmlos wirken mochte, fand sie etwas darin, das diesen Eindruck schwinden ließ. Männer mit solchen Augen waren niemals harmlos.


    Dandara stieß ein lautes Seufzen aus und flatterte demonstrativ mit den dunklen Flügelchen. Ihr "Ich warte zuhause auf dich" erklang gelangweilt. Allein Shizar vermochte es, den Ärger zu erkennen, der darin mitschwang. Sie antwortete nicht darauf.

  • "Ach, eine einfach Dienstleistung ruiniert noch lange nicht den Ruf eines angesehenen Geschäftes." Brennans Tonfall ähnelte für einen Moment lang dem kühlen Tonfall Shizars.
    "Im Gegenteil." Ein breites Grinsen huschte plötzlich über seine Lippen. "Bisher haben mir diese Extrawünsche selten geschadet."
    Eigentlich machten Sie sogar den Großteil seines Geschäftes in Nir'alenar aus. Während in Shay'vinayar die Vögel selbst durch ihren Gesang und ihr Gefieder ihren ganz eigenen Stellenwert hatten, war in Nir'alenar viel häufiger gefragt, was sie konnten. Und je mehr sie konnten, desto begehrtester waren sie. Hier in Nir'alenar war das Training der Vögel oft noch vielschichtiger als in der Stadt der Vögel. Und ob er hier viele Tiere verkauft hätte, die einfach nur hübsch singen konnten - die Frage wollte sich Brennan nicht einmal stellen.


    Die fastschwarzen Augen funkelten amüsiert, verloren ihren Glanz jedoch, als die Schattenfee sich verabschiedete. Ohne das Wort an sie zu richten sah der Dunkelhaarige Dandara hinterher.
    "Ich hoffe, ich habe eure Freundin nicht verschreckt."
    Brennan stieß sich wieder ein Stück von der Wand ab. "Das war nicht mein Ansinnen und wenn ich euch bei.. bei eurer Suche störe.." Brennans Blick fiel auf den Ärmel von Shizars Robe, in dem die Karte verstaut worden war. "So kann ich auch an einem anderen Tag wieder kommen. Wahrscheinlich haben meine Tiere nach der Begegnung sowieso keinen Drang mehr Neues zu lernen.."

  • In der Ferne erklang leiser Gesang. Ein Schatten huschte unvermittelt über Shizars Gesicht – ohne Zweifel, die Diener Moravons, die sich um die Katakomben kümmerten. Wahrscheinlich würden sie bald durch den Gang kommen, in dem sie nach dem Zugang zu Deonors Grab gesucht hatte. Nur mit Mühe verbiss sie sich den Fluch, der über ihre Lippen kommen wollte. An die Suche war in diesem Fall nicht mehr zu denken. Diese lästigen Gestalten würden Stunden damit zubringen, die Fackeln auszutauschen.


    "Oh, macht Euch keine Sorgen um Dandara. Sie hasst es, wenn sie dunklen und feuchten Orten ausgesetzt ist und sie nimmt es mir übel, wenn ich sie zu einem Besuch in den Katakomben zwinge." Ihr Schulterzucken tat die Laune des Schattengeistes als unwichtig ab. Tatsächlich war es nicht das erste Scharmützel dieser Art und es würde nicht das letzte bleiben. "Und sehr wahrscheinlich hätte sie es bevorzugt, mit Euch allein zu sein." Ein leichtes Zucken ihres Mundwinkels deutete an, dass sie sich über diese Tatsache amüsierte.


    "Nein, ich denke, ich werde nach oben zurückkehren. Onkel ... Deonor war keiner meiner liebsten Verwandten. Mein Besuch kann warten." Nein, er musste warten. Shizar seufzte innerlich. "Aber vielleicht möchtet Ihr mir beim Aufstieg von Euren dunklen Geschäften erzählen? Es würde mich schrecklich interessieren, für welche Machenschaften man ein Singvögelchen missbrauchen kann. Oder seid Ihr zum Schweigen verpflichtet?"


    Sie legte den Kopf schief und wieder glitzerte es in ihren Augen. Tatsächlich war sie neugierig. Dunkle Machenschaften und Geheimnisse interessierten sie stets und sie sperrte sich nicht gegen Klatsch. Zumindest dann, wenn er nützlich war.

  • "Klingt als wäre das nicht euer erster Besuch, bei.. einem Verwandten."
    Amüsiert blitzten Brennans Augen auf. Eine Frau, die sich häufiger an dunklen, feuchten Orten aufhielt? Eine Frau, die es trotz ihrer Schönheit nicht störte, sich die Finger dreckig zu machen?
    Brennans Herz schien lauter zu schlagen. Tatsächlich war er froh, dass die Schattenfee fort war. Er traute diesen magischen Wesen nicht. Wahrscheinlich hätte sie sofort seine erhöhte Herzfrequenz bemerkt und ihrer Meisterin berichtet.
    Oder es auf sich bezogen. Brennan lachte.


    "Oh, eure Freundin macht sich nichts aus Größe und Konventionen? Sympathisch."
    Erst jetzt hörte auch Brennan die Gesänge der Diener Moravons.
    Ungestört würden sie hier nicht mehr lange bleiben. Welch Ironie der Götter. Natürlich musste ihn jemand stören, wenn er an einem der unwirtlichsten Orte Nir'alenars eine Frau traf, die, die.. ja was eigentlich? Ihn faszinierte obwohl er sie nicht mal bei Tageslicht gesehen hatte? Deren Ausstrahlung ihn in einen Bann zog, obwohl sie gewiss keine Nymphe war?
    So unauffällig wie möglich versuchte Brennan den Geruch der Umgebung aufzunehmen. Dunkelheit, Nässe, Moder waren trotz Shizars Anwesenheit an diesem Ort vorherrschend. Nein, sie war keine Nymphe.


    "Gerne." Antwortete er letztendlich auf ihre Frage. "Auch wenn ich euch wahrscheinlich enttäuschen muss. Die meisten meiner Tiere verkaufe ich noch immer weil sie und ihr Gesang gefallen. Aber der ein oder andere wünscht sich eben ein paar zusätzliche Fähigkeiten seiner gefiederten Freunde. Vor etwas längerer Zeit hatte ich eine Anfrage von einem Adeligen, der wollte zum Beispiel unbedingt seine Schwester bespitzeln..."
    Brennan deutete Shizar an, dass sie vorgehen sollte. Wenig später konnte er auch schon seine Vogelkäfige wieder einsammeln. Alle Tiere hatten zurückgefunden und saßen friedlich auf ihren Stangen.

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