Am Mondenteich

  • Fanir zuckte bei den Worten des Yassalars zusammen, sie fand es seltsam, dass er sie direkt ansprach. Ihr Blick war auf das dunkle Wasser unter ihren Füßen gerichtet, die Glühwürmchen um sie herum spiegelten sich darin, kleine, gelb leuchtende Punkte, die auf den seichten Wellen tanzten. Sie versuchte sich eine Antwort zurechtzulegen, was sollte sie denn sagen? Da antwortete die Nymphe schon für sie.
    Bei ihren Worten rümpfte Fanir die Nase, denn sie waren durchaus wahr, keine Frage, aber eine kleine Untertreibung. Auch vor Nymphen hatte ihre Mutter sie immer gewarnt, sie 'machen nichts als Ärger!', pflegte sie zu sagen und die ein oder andere Nymphe, die sie auf ihren Reisen getroffen hatte, hatte sie nurnoch darin bestätigt. Meist interessierten sie sich nicht für sie und liefen arroganten Schrittes weiter, gut, diese Nymphe hatte darin eine Ausnahme gebildet, doch wie weit würde diese Anomalie gehen?
    Fanir entfuhr ein kleines schnauben, als die Nymphe fertig war. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie dem Yassalar immer noch schmeicheln wollte, denn auch wenn ihre Worte nicht dazu passten, sie sagten, sie wären gefährlich und was war anziehender als Gefahr?
    Da sie wenig Lust hatte, über ihre eigenen Vorurteile zu reden, begnügte sie sich damit, die der Nypmhe auszuschmücken. "Es gibt praktisch niemanden, der Nymphen nicht meiden würde. Keiner kommt ihnen freiwillig in die Quere, sie gelten als sehr gefährlich." Sie suchte Zeciass Blick, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.

  • Die Augen des Yassa'Dhars verengten sich.
    Das war es also, was seinen Instinkt schon mehrfach alarmiert hatte. Zeciass war sich sicher, dass der alte Tsa'Orl kein Wort über Nymphen verloren hatte, denn solch ein Wissen wäre ihm gewiss nicht entfallen. Die Momente, in denen sein Verhalten ihm selbst merkwürdig vorgekommen war, ergaben nun einen Sinn, sodass es Fanirs eindringlichen Blickes nicht bedurft hätte, um ihn vom Ernst ihrer Warnung zu überzeugen.
    Mit verändertem Interesse betrachtete Zeciass die Nymphe, deren traurige Augen dem Spiel der Glühwürmchen folgten. Der Anblick war anziehend auf seine Weise, doch seine kühlen Berechnungen zeigten sich unbeeindruckt. Entweder war diese Nymphe sehr dumm, ein solch offenes Geständnis vor ihm abzulegen, oder besonders verschlagen, es von sich aus zu tun, bevor Fanir sie der Täuschung bezichtigen konnte.
    Zeciass verlagerte sein Körpergewicht auf ein Bein und hakte die Daumen seitlich hinter seinen Gürtel. Was von beidem es war, galt es noch herauszufinden...
    Bevor er weiter über die Nymphe nachdachte, sprang sein Blick zu der Rothaarigen, deren wahre Absichten ihm noch immer ein Rätsel waren. "Du sagst, gegen jeden gibt es Vorurteile. Also, Fanir?" Der scharfe Klang, den er in die Betonung legte, ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er sich nicht mit Ausreden zufrieden geben würde. Sein Blick konzentrierte sich auf ihre Mimik und Gestik. Frauen mochten gute Lügnerinnen sein, doch er wusste, worauf er zu achten hatte und auch der Nymphe mochte daran gelegen sein, sich für die warnenden Worte zu revanchieren.

  • Den aufkeimenden Ärger über die besonderen Ausschmückungen Fanirs bezüglich ihres Volkes schluckte Amelie tapfer hinunter. Statt dessen wandelte sich ihr Ausdruck in ein freundliches Lächeln. "Sind Vorurteile nicht etwas ganz Wunderbares? Sie machen es einem um so vieles leichter, sich in sein eigenes kleines ramponiertes Schneckenhaus zurück zu ziehen nicht wahr Fanir?" Ihre Worte klangen wie ein belangloser Plausch unter alten Bekannten.


    "Doch nun da Zeciass und ich die Vorurteile gegenüber unserer Völker bereits dargelegt haben, ist es nun an Euch. Raus mit der Sprache ... Wir hören". Erwartungsvoll betrachtete sie die Rothaarige, während sie sich gemütlich an den dicken Baumstamm zurück lehnte, um Fanirs Geschichte - oder vielmehr den Vorurteilen gegenüber ihres Volkes - zu lauschen.

  • Fanirs Herz setze aus, wollten sie wirklich etwas über sie hören? Eigentlich waren die meisten Leute nicht gerade von ihr begeistert, wenn sie denn in den Genuss kamen, dass sie ihnen anvertraute, was sie war. Denn sie hatte das unbeschreibare Glück, nicht wie eine Dai'vaar auszusehen. Und, wie sie öfter bemerkte, auch nicht wie eine zu fühlen. Dennoch gab es etwas in ihrem Wesen, dass sich nicht mit dem der Menschen vereinbaren lies. Sie passte dort nicht hinein, etwas was sie zweifellos mit ihrem Volk gemeinsam hatte.
    Sie stich sich mit der rechten Hand ihre roten Haare hinter die Ohren, überlegte es sich kurz anders und hob die einzelne Strähne etwas an. "Habt Ihr es noch nicht erkannt?", fragte sie mit einem traurigen Lächeln, weil sie sich nun doch offenbaren musste.
    "Ich bin eine Dai'vaar". Die Reaktion der Nymphe wartete sie gar nicht erst ab, sondern sah zu der dunklen Gesalt, die ebenso wie sie im Wasser stand. "Auch wenn ich keine wirklich typische Dai'vaar bin." Es war komisch über sich selbst zu sprechen. "Wir, ", sie stockte, "Wenn es denn ein wirkliches 'wir' gibt, werden von vielen misstrauisch beäugt. Die Geburt eines Dai'vaars kann eine ziemliche Schande in die Familie bringen. Viele Männer denken, ihre Frauen seien ihnen untreu geworden." Wieder machte sie eine kleine Pause und sah hinaus in den See. Sie fand die 'Schwarze Haut' wirklich schön, auch wenn sie nun leider an ihre Mutter denken musste. Die sie einfach verstoßen hatte, und mit einer Narbe zurückgelassen hatte.
    Bevor sie es merkte, hatte sie sich an ihr rechtes Auge gefasst. Sie senkte den Blick. "Niemand weiß so genau, woher Dai'vaar kommen, das macht sie wohl sehr unheimlich. Zudem sind viele mit der Magie des Feuers begabt, was dem gemeinen Volk ja noch unheimlicher ist."
    Sie fragte sich, ob es noch etwas gab und bevor ihr Schweigen sich zu lange gezogen hätte fügte sie hinzu: "Es gibt keinen wirklichen Zusammenhang zwischen den Dai'vaar. Wir haben kein Zuhause, keine Familie." Sie spürte, wie sie die Traurigkeit übermannte und sie schloss die Augen, bevor sie noch einige Tränen vor diesen beiden Fremden verlor. Denn auch wenn sie keine typische Dai'vaar war, diese Blöße musste sie sich nicht geben.

  • Die Bezeichnung des ramponierten Schneckenhauses säte finstere Erheiterung in Zeciass' Gedanken. Sie war treffend und verletzend zugleich auf Fanir gerichtet, ohne dass sich ein Hauch von Häme in der weichen Stimme der Nymphe abzeichnete. Erstaunlich, dass eine Trockene zu solch kalkulierter Grausamkeit imstande war.
    Fanirs unschlüssiges Spielen mit ihrem Haar fand seine Beachtung und auch ihr trauriges Lächeln verrieten ihren Unmut über das Bekenntnis, das man ihr abverlangte. Als sie ihr Volk beichtete, war es sein Blick, den sie suchte... sein Urteil, das sie erwartete. Die Macht, die sie ihm damit zugestand, durchströmte ihn reizvoll. Stockend sprach sie weiter, erzählte von der Zerrissenheit ihrer Art, der Schande ihrer Abstammung und der Missgunst ihrer Väter.
    Dass sich ihr Blick dabei von ihm löste und in Richtung See wanderte, ließ aufsteigende Erinnerungen vermuten, was ihre Geste, mit der sie nach ihrer Narbe tastete, sehr aufschlussreich untermalte.


    Langsam lösten sich Zeciass' Daumen aus der Verschränkung hinter seinem Gürtel und seine schwarzen Augen fixierten ihre gesamte Gestalt. Sie war Treibgut. Vollkommen einsam, angeschlagen und verloren. Sinnlos, die Lider zu senken, wo er die Schwäche längst in ihnen hatte aufwallen sehen. Seine schwarzen Lippen öffneten als der andere Hunger seinen Verstand förmlich niederriss und plötzlich waren es nicht mehr die Glühwürmchen, die in seiner Wahrnehmung tanzten, sondern die Schatten zwischen ihnen, die ineinander flossen und inmitten der Lichtpunkte wirbelten. "Das muss schwer für dich sein, Fanir", fanden warme Worte der Weg aus der kalten Leere in seiner Brust. Der erste Schritt, den er in ihre Richtung setzte, schnitt fast lautlos durch das seichte Wasser.

  • Traurigkeit spiegelte sich in Amelies Augen wider. Fanir hatte keine Familie? Kein Zuhause? Wie furchtbar musste das doch für sein. Amelie selbst wusste nur zu gut wie es sich anfühlte, nicht wirklich zu wissen, wo man hin gehörte. Wahrscheinlich hatten die Dai'Vaar und sie selbst mehr gemeinsam als sie anfangs glaubte.


    Glauben ... Dieses Worte setzte sich in den Gedanken der Nymphe fest und nun erhob sie sich, um wieder Aug in Auge dem Yassalar und vor allem der Dai'Vaar gegenüber zu stehen. Ein warmes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie ebenfalls auf Fanir zutrat und leise zu sprechen begann. "Ich kann nur all zu gut verstehen, wie Ihr Euch fühlt denn auch ich weiß nie so recht, wo genau ich zu Hause bin", gestand sie. "Nun ja ... Ich wusste es eine lange Zeit nicht ..."

  • Fanir bemerkte, dass sowohl der Yassalar, als auch die nymphe sich ihr genähert hatten und unwirkürlich machte sie einen Schritt zurück. Warum waren sie plötzlich so nett? Gerne würde sie glauben, dass sie es wirklich ernst meinten, dass diesmal wirklich jemand für sie da war und sich für ihr Schicksal interessierte, aber so naiv war sie dann doch nicht.
    Gut, dann hatten sie etwas nettes gesagt, und sie nickte um ihnen das zuzugestehen, gemein war sie schließlich nicht. Aber was sollte sie denn antworten? Danke? Gerngeschehen? oder noch besser: Sie einfach anschreien, sie sollten sich zur Hölle scheren und wieder auf dem Fest verschwinden?
    "Einfach ist es sicher nicht gewesen, aber wessen Leben ist jemals einfach? Wobei es für mich bestimmt leichter gewesen ist als für Euch, schließlich sehe ich nicht wie eine typische Dai'vaar aus." Wieder trat sie einen Schritt von den beiden zurück. Sie sollten ihr ja nicht zu nahe kommen.

  • Eiskalte Wut strömte durch Zeciass' Glieder und brandete machtvoll gegen seine Selbstbeherrschung. Diese vorlaute Nymphe drohte ihm seine Beute zu verscheuchen! Sofort verengten sich seine Augen und musterten die Frau zu seiner Linken. Wieso? Welchem Zweck diente ihr Mitgefühl? Fanirs Zurückweichen und ihre abwehrenden Worte ließen ihn blitzartig neu kalkulieren.


    Der andere Hunger hatte nun die Kontrolle über seine Begierden und ohne Rücksicht auf sein anderweitiges Interesse an der Nymphe, richtete er sich nun gegen sie. Durchdringend fasste er Amelie in seinen tiefschwarzen Blick und seine Stimme zerteilte die Stille wie eine frisch geschärfte Klinge. "Was faselt Ihr da? Dass ich nicht lache! Geht und bannt Euch einen reichen Idioten! Lasst Euch ein Haus kaufen, aber bei Zillail, hört auf zu jammern!"


    Ganz von selbst legte sich seine Hand auf den breiten Ledergurt an seinem Oberschenkel, wobei sich sein gesamter Körper bedrohlich anspannte. Leiser, doch nicht minder hasserfüllt, setzte er nach: "Es hat Euch gut gepasst, dass ich nichts von Eurer Magie wusste, nicht wahr? Was genau Ihr mit mir vorhattet, will ich gar nicht wissen, aber dass es nicht dazu kam..." Bei diesen Worten blickte Zeciass von Amelie fort und sah stattdessen Fanir tief in die Augen, wobei jede Härte von seinen Zügen und aus seiner Stimme wich. "... habe ich nur dir zu verdanken."

  • "Ja ..." Amelie nickte ob Fanirs Worten. "Da mögt ihr Recht haben. Mein Herkunft erkennen die meisten sofort". Ihre melancholischen Blicke verfolgten die leichten Wellen des Mondenteiches, welche leise plätschernd ihren Weg zum Ufer anstrebten. Dabei bemerkte sie Fanirs Beine, die sich bemühen, immer mehr Abstand zu ihr und dem Yassalar zu gewinnen. Irritiert blickte sie auf. "Was ist mit Euch?"


    Doch ausgerechnet die scharfe Stimme des Schwarzhäutigen zerrte ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Mit zusammen gekniffenen Augen funkelte sie den Yassalar an. Was sollte das? Diese Frage spiegelte sich in Amelies dunklen Augen wider, während sie zum Reden ansetzte. "Was gefällt Euch nicht? Habt Ihr etwa Angst vor mir?" Sie mühte sich, bei dieser Frage eine gehörige Portion Häme in ihre Stimme zu mischen. Als würde sie sich tatsächlich mit einem reichen Idioten in einem Haus wohl fühlen. Was wusste dieser Yassalar denn schon? Nichts! Und vielleicht war das auch gar nicht so schlecht. Er glaubte also tatsächlich, dass sie eine Magierin war? Nun gut ... Sie würde ihn in dem Glauben lassen, so lange sie dies vermochte. Schaden konnte es jedenfalls nichts.

  • Alle Härchen auf Fanirs Armen waren aufgerichtet, während der Yassalar sprach. Sie war so froh, dass sie nicht in der Haut der Nymphe steckte, denn sie zuckte schon zusammen, weil sie nur daneben stand. Unwillkürlich machte sie noch einen Schritt zurück.
    Diese Situation war so seltsam, jetzt schrien sich die beiden an, in Fanirs Ohren klang es jedenfalls so. Sie warf einen kurzen Blick auf das Fest, warum hatte sie nur diesen See sehen wollen? Dann wäre sie jetzt nicht hier. Gut, sie wäre von vielen unbekannten Menschen umgeben, aber die würden nicht so übereinander herfallen, wie der Yassalar und die Nymphe. Wenn sie noch einen Schritt zurück machte, würde sie, von außen gesehen jedenfalls, nicht mehr zu der Gruppe gehören. Sie tat diesen Schritt.
    Doch dann sprach der Yassalar sie an und sie machte den Fehler ihm in die Augen zu schauen. Ihr Blick blieb an seinen Augen kleben. Ihre Gänsehaut, ihr Zurückweichen, was war das alles schon? Der Streit, egal. Doch sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Nein, auch Yassalar waren gefährlich, versuchte sie sich immer wieder zu sagen. Mit geschlossenen Augen erklang ihre Stimme ganz leise: "Keineswegs, Ihr hättet das alleine auch herausgefunden...irgendwann."

  • Seine Augen unverwandt auf Fanir gerichtet, strömte die Reaktion Amelies unbeachtet an ihm vorbei. Sowohl ihre Fragen als auch ihr verletzter Stolz waren nicht länger von Belang für den Yassa'Dhar. Die kleine Nymphe wusste ja nicht, dass sie sich glücklich schätzen konnte. In dieser Nacht würde es nicht ihr Lebenslicht sein, das im Sog seines Hungers erlosch.
    Zeciass bemerkte, dass Fanirs Rückzug durch seinen beschwörenden Dank ins Stocken geriet und bevor sich ihre Lider senken konnten, erkannte er mit dunkler Befriedigung, dass sie gebannt in seinem Blick versank. Der dünne Widerstand in ihren Worten rief ein lautloses Lachen in seinem Inneren wach. Ein schwankender Vorhang aus Seegras, den er nur mit einer flüchtigen Geste zur Seite wischen konnte. Ihre Vernunft mochte sie noch vor ihm warnen, aber das genügte nicht, um ihm zu widerstehen.


    Der Nymphe einen warnenden Seitenblick zuwerfend, setzte Zeciass seine Schritte Fanir nach. Sie war bereits so weit zurückgewichen, dass ihr Rücken fast die Blätter berührte und nur mit einer weiteren Bewegung würde sie diese grüne Grenze vollends überschreiten. „Irgendwann... das mag sein“, gestand er und verlieh seiner Stimme den dunklen Charme, der sie für Frauen so verfänglich machte. „Irgendwann wäre ich zu Sinnen gekommen, aber bis dahin hätte ich so viel verloren...“


    Um seine Begehrte nicht doch noch zu verscheuchen, kam er nicht zu dicht vor ihr zum Stehen. Sein dunkler Blick forschte nach dem Glanz ihrer grünen Augen, um ihr Denken erneut zu fesseln, während sein Hunger sich gierig in seiner Brust wälzte und nach ihrer kostbaren Essenz verlangte. „Fanir...“ sprach er leise ihren Namen und öffnete dabei seine Handfläche, damit sie seine Hand ergreifen konnte. „Erlaube mir, mich zu revanchieren.“

  • Stumm beobachtete sie Fanirs Rückzug und den Yassalar, der wirkte wie ein Raubtier auf Beutefang. Auch sein warnender Blick war der Nymphe nicht entgangen. Doch er schien sich nun voll und ganz seiner neuen Beute zu widmen. Nun gut. Amelie machte sich bei ihm ohnehin keine Hoffnungen mehr. Zumindest aus dieser Sicht konnte er ihr egal sein und eigentlich hätte sie still und heimlich verschwinden können, ohne dass er dies bemerkt hätte.


    Doch Amelie blieb. Mittlerweile hinter dem Yassalar stehend beobachtete sie Fanir genau. Noch ein Schritt und sie würde das Blätterdach verlassen, was nur nach außen hin schützend wirkte und nun in dieser Situation seine durchaus bedrohliche Seite zeigte.


    Sie hörte seine Stimme und den Charme, den er hinein legte und erinnerte sich an den Tanz. Hatte er nicht in ähnlichem Ton mit ihr geredet? Und war sie nicht auf diese unerklärliche Weise nach dem Tanz völlig entkräftet gewesen? Das hatte Amelie schon den ganzen Abend irritiert. Noch nie hatte ihr ein Tanz dermaßen die Kräfte geraubt, egal, wie lang er auch gewesen sein mochte. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht und die Nymphe wurde das Gefühl nicht los, dass sie Fanir helfen musste. Amelie wurde unruhig. Was konnte sie nur tun? Shirashai steht mir bei, betete sie tief in ihrem Inneren, während sie rasch vortrat, um sich neben Fanir zu postieren. Eigentlich dumm, denn im Rücken des Yassalar hätte sie ihm gewiss gefährlicher werden können.


    Doch vielleicht auch nicht. Denn wer wusste schon, was seine Macht sonst mit Fanir anstellen würde? Der Geruch saurer Zitrone schwängerte die dunkle Nachtluft, während sie an Fanir gewand sprach. "Hört ihm nicht zu. Er ist nichts weiter als ein Mann, der Euch früher oder später verletzen wird. Egal, welchem Volk sie angehören, sind doch die Vertreter des männlichen Geschlechts alle gleich", brachte sie ihre hasserfüllten Worte hervor. "Lasst Euch nicht in seine Falle locken", flüsterte sie für den Yassalar kaum hörbar in Fanirs Ohr.

  • Sie sah wieder auf. Der Yassalar war wieder an sie herangetreten. Was versprach er sich bitte davon? Doch sie sah ihm wieder in die Augen und vergaß ihre Zweifel. Welche Zweifel überhaupt? Worüber? Ihre Gedanken waren nur noch ein dunkles etwas was in ihrem Kopf hin und herschwappte. Wie der See, der zwar immer wieder Wellen an das Ufer trieb, den aber nichts aus dem Rythmus bringen konnte. Es blieb alles immer gleich. Welle für Welle für Welle.
    Es sei denn, ein Sturm zog auf.
    Die Nymphe trat neben sie und mit dem Geruch nach Zitronen schien langsam Fanirs Verstand zurückzukommen. Sie bemerkte, wie sie eine Hand schon ausgestreckt hatte, bereit, sie in seine zu legen. Seine Worte hatte sie nicht mitbekommen, so gebannt war sie von seinem Blick gewesen. Doch langsam kam es zurück.
    Der Geruch nach Zitronen lies sie die Nase rümpfen. Woher kam der Geruch nur?
    "Männerwelt?", wiederholte sie, gedanklich zu schwach um einen vollständigen Satz herauszubekommen. Mit Männern kannte sie sich nicht aus. Auch nicht mit Frauen. Oder mit Leuten allgemein. Eine Spezies, die für sie ein Rätsel war. Langsam aber stetig floss die Bedeutung der Worte in ihr Bewusstsein und sie wurde rot. Wollte die Nymphe wirklich darauf hinaus? Ihr Kopf schoss von ihr schnell zu dem Yassalar, der ihr plötzlich sehr bedrohlich vorkam.
    Ihr Mund öffnete sich, um irgendeine Art von Antwort zu geben. Aber es kam nichts heraus. Was sollte es auch? Sollte sie die Nymphe unterstützen? Oder den Yassalar? Wenn sie die Szene überdachte, sah es nicht gut für den Yassalar aus, aber die Nymphe hatte vorher auch ein falsches Spiel mit ihm gespielt, also...
    Wo war sie da nur reingeraten!
    "Ich...Ich denke... ich gehe wieder auf das Fest", sagte sie. Ihre Stimme kam ihr zu wankelig vor, nicht fest genug für ihren Entschluss. Sie sah die beiden kurz an und neigte kurz den Kopf. Dann drehte sie sich schnell um und zwang sich durch das Blätterdach, was ihr vorher so schützend vorgekommen war.

  • Er hatte das Netz praktisch schon zugezogen, da scheuchte ihm die Nymphe abermals den Schwarm auf. Fanir entschlüpfte den sorgsam geknüpften Maschen und stammelte nur noch von ihrer Rückkehr auf das Fest. An ihrem Ausdruck, mit dem sie ihn nun musterte, erkannte er, dass er verloren hatte. Erlaubte sich diese Nymphe etwa einen Scherz mit ihm? Jetzt zweifelte der Yassa'Dhar nicht mehr nur an Amelies logischen Absichten, sondern gleich ganz an ihrem natürlichen Selbstschutz. Kaum dass die scheue Dai'Vaar sich umdrehte und die Flucht durch die blickdichte Blättergrenze antrat, spannte sich ein strahlendes Lächeln über Zeciass' Lippen. Auf jemanden, der die Kultur der Yassalar nicht kannte, mochte es verblüffend freundlich wirken, doch das war es nicht. Es war echt... und bestand aus purer Wut.


    Sein Arm schnellte so plötzlich vor, dass der Nymphe nicht einmal die Zeit zu einem weiteren Wort blieb. Eisern schloss sich sein Griff um ihren schlanken Hals und seine Kraft hob zugleich die Hacken der zierlichen Niederen vom Boden. Sie wollte also um jeden Preis mit ihm allein sein? Die Muskeln in seinen Wangen zitterten vor Anspannung, denn diese starke Regung in seinem Gesicht waren sie nicht gewohnt. Der schönen Schwarzhaarigen am ausgestreckten Arm die Luft abwürgend, spürte Zeciass ihren Pulsschlag so deutlich zwischen seinen Fingern, als zucke ein schlanker Fisch unter ihrer Haut. Beim Blick in ihre dunklen Augen bebte der andere Hunger in seiner Brust. Er brauchte heute Nacht ein Opfer und vielleicht sollte er ihr gratulieren... denn sie hatte sich wirklich die größte Mühe damit gegeben, es doch noch selbst zu werden.


    "Du bist genauso hübsch wie du dumm bist", schliff seine Stimme über seine gebleckten Zähne. "Zu schade, dass du jetzt nur noch zum Sterben taugst." Noch während er sprach, zog der Yassa'Dhar sie bereits zu sich. Zeitgleich streckte sich sein Hunger in ihre Seele vor und forschte gierig nach der inneren Kraft, die er bereits auf der Tanzfläche gewittert hatte. Mit zutiefst finsterer Genugtuung, sah er dabei das wache Bewusstsein aus Amelies bildschönen Augen weichen. Es war ein Jammer, seufzte sein Instinkt, der gern etwas anderes mit ihr angefangen hätte, doch gegen den Hunger war diese Stimme kaum mehr als ein verirrtes Säuseln in der Strömung.

  • Es war eine vernünftige Entscheidung, zum Fest zurück zu kehren. Da musste Amelie der Rothaarigen zustimmen. Und kaum hatte Fanir den letzten Schritt durch die Blätter hinaus gewagt, wollte auch Amelie ihr folgen. Nur ein einziger Schritt ...


    Doch so weit sollte es nicht kommen. Noch ehe sie sich versah, schloss sich unerbittlich seine starke Hand um ihren Hals und drückte zu. Seine strahlenden Zähne grinsten ihr gefährlich entgegen. "F.... Fanir", versuchte sie, die Fremde Frau zu rufen doch kaum ein Ton drang über ihre Lippen. Das Einzige, was noch zu hören war, war seine Stimme. Doch diese drang nur noch halb an Amelies Ohren denn ihr Bewusstsein schwand immer mehr. Sie wusste nicht recht, was ihr mehr Kraft raubte. War es das Gefühl zu ersticken oder doch eher diese dunkle Leere, die sich unaufhaltsam in ihrem Körper ausbreitete?


    Und dennoch wollte sich Amelie nicht kampflos ergeben. Während ihr nach und nach die Sinne schwanden, erschien das Antlitz Shirashais vor ihrem Inneren Auge und Amelie spürte, wie sich die Kraft wieder in ihren Weg in ihr Innerstes suchte. Nicht viel. Doch es würde reichen. Schwach hob die Nymphe eine Handfläche in Richtung des Yassalar und nur wenige Augenblicke später bahnte sich ein gleißend heller Lichtstrahl seinen Weg in Richtung der dunklen Fratze. Das heilige Licht ... Shirashai würde ihr dies hoffentlich verzeihen denn eigentlich war das Licht nicht die erste Wahl eines Shirashaipriesters doch hier in der Dunkelheit war es das einzig Sinnvolle, was ihr eingefallen ist.


    Ob das Licht seine Wirkung erreicht hatte, vermochte Amelie nicht mehr nachzuvollziehen denn kurz darauf, verlor sie endgültig das Bewusstsein und sackte in seinen Armen zusammen.

  • Zeciass' Griff lockerte sich gerade, um Amelie nicht zu früh zu töten, da schob sich unerwartet ihre Hand in sein Sichtfeld. Gleißende Helligkeit flammte auf und verschlang seinen Blick. Die Umgebung wurde schlagartig in weißen Schmerz gestürzt. Mit Blindheit geschlagen, riss Zeciass den Kopf zur Seite. Statt Amelie jedoch fallen zu lassen, umschloss er sie reflexartig noch umso fester. Vergeblich gegen den Effekt des Zaubers anblinzelnd, zwang sich der Yassa'Dhar zur Ruhe. Keine weitere Bewegung ging von der Frau in seinem Arm aus und kein Schmerz fuhr durch seine Glieder. Obwohl ihm der Schreck in die Knochen gefahren war, schien ihre Magie ihn nicht verwundet zu haben und dieses Wissen ließ seinen Hunger mit dunkler Freude erneut in sie vordringen.


    Warm und zerbrechlich sank Amelies betäubte Gestalt an seine schwarze Brust. Nun auch ihres letzten Widerstandes beraubt, war sie nicht mehr als ein hübsches Gefäß, das ihm die Essenz darbot, die er begehrte. Den Blick senkend, spürte Zeciass ihre erstaunlich süße Energie in sich sickern. Erst nur langsam, wuchs der Sog seiner Macht doch stetig an. Unaufhaltsam floss Amelies leuchtende Lebenskraft vor seinem inneren Auge in seine eigene Dunkelheit.
    Auf diese Weise ganz auf die Nymphe konzentriert, achtete Zeciass nicht mehr auf die Geräusche des Sees oder der Blätter, das milde Summen der Insekten oder die Kühle des Wassers an seinen Beinen; nur noch auf ihren Atem und das befriedigende Gefühl, mit dem sie ihm mehr und mehr von ihrer kostbaren Energie preisgab.

  • Keine Diskussion, keine Fragen - Tári's kurzentschlossenes Handeln kam unerwartet für Tamrin und für ein, zwei Schritte ließ er sich hinterher ziehen. Dann jedoch grinste er und schloss mit ein paar schnelleren Schritten zu ihr auf. Nah am Seeufer ging es entlang. "Ich meine, es wäre von dort gekommen." Tamrin deutete auf die großen Umrisse einiger Bäume, die ganz nah am Ufer standen, und im Dunkeln gar nicht so leicht zu erkennen waren. Erst beim Näherkommen sah man die Zweige, die bis in das Wasser herabhingen als hätten sie lauschige kleine Dächer aus Blätterwerk um die mächtigen Stämme herum erschaffen wollen. Zu sehen war allerdings niemand. Und auch zu hören gab es nichts. "Siehst Du etwas ?", fragte er Tári. "Hallo ?" rief er dann laut. "Ist hier jemand ? Wir sahen ein Licht...." also - nach Fest sah das hier mal so gar nicht aus. Aber was war es dann gewesen ? Neugierig wartete Tamrin, ob jemand antwortete oder sich sonst etwas regte und dass seine Augen sich noch besser an die Dunkelheit gewöhnten.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • <-- Der Park - Festival am Mondteich


    Zusammen ging es nah am Ufer des Sees entlang. Sie passierten die letzte Fackel und die Farben schwanden aus der Sicht von Tári. Alles war nun in Grautöne gehüllt. Tamrin deutete ihr die Stelle, an der er das Licht gesehen hatte und sie steuerten direkt darauf zu. Ein alter Baum mit extremer Neigung bildete eine Art Kokon aus seinen Ästen und Blättern. Ein Schutz, welcher so nicht zu durchblicken war. Irgendwie lag eine unheilvolle Stille in der Luft.
    Nicht einmal die Grillen hörte man zirpen ......
    Auf Tamrins Frage schüttelte sie den Kopf. Er richtete seine Fragen nun gegen die Dunkelheit, im Inneren des Blättervorhangs und die junge Frau begann zu wittern. Tief sog sie die Luft durch ihre Nasenflügel und schon ehe ihr Verstand verarbeitet hatte worum es sich handelte, stellten sich ihre Nackenhaare auf - Gefahr - und ein warnendes Knurren entstand in ihrer Kehle. Da war noch ein Geruch und dieser war ihr vertraut... Es war die Essenz einer Frau die sie kannte und jene ........war bereits am schwinden...... Sie war nicht so kräftig wie sie sonst war... "Amelie?" Tári stürzte an Tamrin vorbei auf den Blättervorhang zu. "Amelie? Wo seid Ihr?"

  • Endlich hatte die Nymphe die Mengen hinter sich gelassen, was schwieriger gewesen war als gedacht.
    Sie trat lauschend ans Ufer des Sees. Vorsichtig schritt sie vom Fackelschein in die Schatten der Nacht. Hatte sie da etwa gerade jemanden rufen hören? Offenbar hatte sie nicht als Einzige das Leuchten wahrgenommen. Sie konnte die Stimme aber nicht verstehen.


    So ging sie also weiter am Ufer entlang, immer in die Richtung blickend, in der sie den Baum vermutete. Dort wurden die dunklen Schatten immer tiefer und Kaera hoffte, dass sie nicht selbst in eine Falle tappte. Sie lauschte erneut, als sie plötzlich einen Namen hörte, der gerufen wurde.
    Hatte sie also richtig vermutet und jemand steckte in Schwierigkeiten. Die Nymphe raffte ihr Kleid und lief schneller.

    Nutze die Talente, die du hast,
    die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen. :stern:


    Henry van Dyke

  • Erst waren es nur unscharfe Umrisse, doch mit jedem Atemzug erstarkte der Sehsinn des Yassa'Dhars, sodass er den Anblick der wehrlosen Nymphe bald wieder ungetrübt auskosten konnte. Nach hundert Jahren des wiederkehrenden Hungers war er so geübt darin, die Willenskraft seiner Opfer zu unterdrücken, dass Zeciass sich kaum noch darauf besinnen musste. Dennoch löste sich seine Hand wie so viele Male zuvor vom Hals der Besinnungslosen, um ihr beim Schwinden zärtlich über die Wange zu streichen. Ob Amelies Seele diese Geste überhaupt spürte und dadurch nachgiebiger wurde, wusste er nicht zu beweisen, doch vertraute Gewohnheiten ließen sich nur schwer abschütteln.


    Zeciass genoss sein dunkles Erbe, das ebenso tödlich war wie die Klingen seines Volkes. In keinem Zustand könnte ihm ein anderes Geschöpf ergebener sein; seine Macht über Leben und Tod spürbarer als in diesen seligen Momenten, in denen er ihnen alles nahm, was sie waren. Umso finsterer hob sich sein Blick beim Erklingen der lauten Stimme, die durch die Blätter zu ihm hinein hallte. Sein quälender Hunger war gestillt, doch die Leere in seiner Brust wollte noch mehr – alles – vom süßen Lebenslicht der Nymphe.


    Halb bei Amelie und halb beim äußeren Geschehen lauerte Zeciass darauf, ob die Stimme ein weiteres Mal erklingen oder Schritte sich entfernen würden. Stattdessen erscholl eine alarmierte Frauenstimme und rief nach Amelie, was ihn rasch unter die Beine der Nymphe greifen ließ. Leicht wie eine Feder ruhte ihr Körper nun auf seinen Armen; ihre Schläfe an seinen Hals gebettet und kaum war Zeciass in dieser Haltung verharrt, riss bereits der Blättervorhang auseinander. Eine hellhaarige Frau erschien keine fünf Meter zu seiner Linken. Erschrocken wirbelten die Glühwürmchen durcheinander und warfen ein zuckendes Spiel aus Licht und Finsternis auf den Eindringling, den Yassa'Dhar und die Bewusstlose auf seinem Arm.


    Zeciass' Augen verengten sich flüchtig, dann öffneten sie sich in einem Ausdruck des Erkennens. Der scheue kleine Fisch vom Getränkestand!

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