Das Spiel der Geister

  • Khoor zügelte seinen Braunen in ruhigen Schritt. Ein langer Weg lag seit Essyr hinter ihnen und auch wenn es nicht mehr weit sein konnte, bis zu dieser geheimnisvollen versunkenen Stadt der Geister - der brave Gefährte musste ihm womöglich noch lange dienen und deshalb würde er mit seinen Kräften haushalten. Knapp vier Wochen bewegte er sich nun auf der Oberfläche Beleriars. Feindselig war seine Einstellung ihr gegenüber bei seinem Aufbruch gewesen, aber in Essyr war zum Allerersten Mal der verwirrende, völlig ausgeschlossene Gedanke aus der Tiefe seines Geistes empor gestiegen, dass sie womöglich nicht nur schlecht und verabscheuungswürdig war. Essyr war vielleicht kein schöner Anblick gewesen - gefährliche finsere Ecken und Gestalten gab es zu Hauf - doch es hatte auch aufgeschlossene Freigeistigkeit gegeben. Und der Jahrmarkt war der erste Ort auf seiner Reise gewesen, wo Khoor es gewagt hatte, unter den Augen anderer Leute die Kapuze herab zu ziehen und sogar das um seine Augenpartie und Nasenrücken gebundene Tuch zu entfernen, die ansonsten sein Gesicht bedeckten und seine Volkszugehörigkeit verschleierten. EIN Ort unter Hunderten, erinnerte er sich zornig. Das war NICHTS ! und schroff wischte er diesen irrsinnigen Gedanken erneut beiseite.


    Am Wegesrand erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Fast hätte er die vom Wald völlig überwucherte und verwitterte Steinplatte übersehen, die sich dort drüben fast unsichtbar ihrer Umgebung angepasst hatte. Oder von ihr verschluckt worden war ? Er verhielt den mächtigen Hengst und sah genauer hin. War das Moos ? Oder doch Schriftzeichen. Khoor stieg vom Pferd, lockerte Sattelgurt und Zaumzeug und klopfte dem Tier kräftig vor die Brust.
    "Pause" teilte er ihm mit. Ob hier oder nach einer weiteren Meile spielte ohnehin keine Rolle. Der Braune schüttelte sich und schritt gemächlich hinüber zur anderen Seite des Weges, um sich dort etwas abseits von ihm etwas Fressbares zu suchen.


    Khoor ging hinüber zu der Steinplatte und ging davor in die Knie. Sie war in der Tat leicht zu übersehen, sogar wenn man so nah davor kniete, wie Khoor es gerade tat - so aber nahm er ein Messer und begann, sie vorsichtig von Ranken und Moos zu befreien. Er hatte sich nicht getäuscht. Dunkle Schriftzeichen traten unter der dicken Schicht aus Gewächsen ans Tageslicht - dämmriges, düsteres Tageslicht, denn die Äste und Blätter der hohen Bäume bildeten ein fast undurchdringliches grünes Dach über diesem Wald und der Abend zog bereits herauf. Schriftzeichen, das war eindeutig. Einige Lücken wiesen sie auf - vielleicht fortgewischt vom Regen, der Zeit oder aufgelöst durch die Wurzeln der Moosflechten. Aber auch die verbliebenen sagten dem Drak'khir nichts. Eine Sprache, die er noch nie in seinem Leben geschrieben gesehen hatte.


    Nachdenklich erhob sich Khoor wieder und trat zurück auf den Weg - Augen und Gedanken verweilten noch bei der unbekannten Schrift. Was mochte die Tafel dem Reisenden einst gesagt haben wollen ?

  • Allmählich neigte sich der Tag dem Ende zu, und auch die Energie der schönen Schimmelstute, auf deren Rücken Kyleja sass, schwand allmählich dahin. Besonders das hohe Tempo nagte stark an der Kondition des Pferdes.Zum Glück konnte man bereits das Ende des Waldes zwischen den Bäumen hindurch schimmern sehen.
    Der Wald lichtete sich schon seit einiger Zeit immer mehr.
    „Komm meine Schöne, Endspurt“, feuerte die junge Nymphe ihre treue Freundin ein letztes Mal zur Höchstleistung an. In treuer Ergebenheit beschleunigte die Stute ihr Tempo und fegte aus dem Wald hinaus.


    Die Augen der schwarzhaarigen Reiterin ruhten dabei gedankenverloren auf dem weissen Fell, welches bereits leicht verschwitzt glänzte. Sie genoss es unterwegs zu sein und neue Dinge zu sehen. Hoffentlich würde Miriador die eine oder andere Überraschung bereithalten. Vielleicht würde sie ja sogar einen Blick auf die alte Pracht längst vergangener Zeiten erhaschen können.


    So in ihre Gedanken vertieft, bemerkte die Nypmhe nicht, dass sich vor ihr auf dem Weg jemand befand.
    Erst als Luna urplötzlich eine Vollbremsung machte, und die Beor so beinahe aus dem Sattel gerutscht wäre, fiel ihr Blick auf den Weg.
    Ein Mann stand dort, unmittelbar vor ihrer Stute, beinahe berührte sein Körper den des Pferdes.- Die Schimmelstute hatte so heftig gebremst, dass sich ihre Hufe ein Stück weit in den weichen Boden gegraben hatten. - Er war riesig, bestimmt 2 Meter gross, also um einiges grösser als Kyleja selbst. Er sah zudem nicht sehr erfreut aus. Es blieb nur zu hoffen, dass er nicht allzu feindselig auf sie reagieren würde.


    „Es tut mir schrecklich Leid, ich hoffe euch ist nichts passiert. Ich habe leider nicht auf den Weg geachtet“. Mit langsamen Bewegungen, um nicht den Eindruck zu vermitteln sie wolle ihn angreifen, schwang sich die junge Nymphe aus dem Sattel und kam elegant neben ihrer Stute zu stehen. Nun musste sie den Kopf beinahe in den Nacken legen, um ihr Gegenüber ansehen zu können.
    Abwartend taxierte sie den Mann, dessen Gesicht beinahe komplett von Stoff verdeckt wurde.

  • Auch nach zwei ... drei ... Schritten rückwärts hatten sich Khoor's Augen und auch seine Gedanken immer noch an der uralten Steinplatte und ihren unbekannten Schriftzeichen fest gesaugt. Ein leises, ganz leises rhythmisches Klopfen in seinem Verstand störte seine Überlegungen und ärgerlich fuhr er mit der Hand durch die Luft, um es zu vertreiben. Nur aus den Augenwinkel sah er den weißen Umriß fast unmittelbar neben sich. Du wirst leichtsinnig! fuhr er sich wutentbrannt an und fuhr zu dem Umriß herum, das Schwert aus der Scheide am Rücken gerissen in der Hand.


    Mit weit aufgerissenen Augen scheute dicht vor ihm ein weißes Pferd so heftig, dass es sich beinah dabei auf sein Hinterteil setzte. So dicht, dass das aufgeregte Schnauben Falten auf seinem Umhang warf. Reflexartig griff Khoor mit der freien Hand in die Zügel und starrte wütend am Pferdehals vorbei auf den Reiter. Eine Reiterin, die soeben versuchte, ihrer Wohnungsnot wieder Herr zu werden und sich wieder im Sattel einzufinden. Ein sehr junges, etwas blasses Gesicht blickte ihn an, umrahmt von tiefschwarzem Haar, dem man es ansah, dass es heute wohl schon länger in hohem Tempo vom Gegenwind umspielt worden war. Khoors Blick wanderten zurück zum Pferd. Groß war es auch nicht gerade. Und dazu fast ebenso zierlich, wie seine Reiterin.


    Finster legte sich Khoor's Stirn in Falten - auch wenn es hinter Kapuze und unter dem Tuch, welches seine obere Gesichtshälfte verbarg, nicht zu sehen war. Seine zornig aufeinander gepressten Lippen waren in jedem Fall zu sehen und beinahe hätte er dieses alberne Blinzeln vergessen, welches die Oberflächenbewohner immer so masslos irritierte, wenn er es nicht tat und sie minutenlang ohne fixierte. Gereizt ließ er die Zügel los. Zumindest schien sie diese Unverschämtheit zu bedauern, denn sie entschuldigte sich durchaus höflich bei ihm, wie er zur Kenntnis nahm. Behutsam aber trotzdem geschmeidig stieg die junge Frau von dem Pferd herunter. Am Boden wirkte sie noch kleiner und zerbrechlicher. Ein junges Mädchen mit einem Spielzeugpferd....


    Schnaubend steckte Khoor das Schwert zurück in die Scheide und erwiederte streng den Blick hinunter in diese großen dunkelblauen Augen. "Das ist offensichtlich, dass Ihr nicht auf den Weg geachtet habt, Farsicié.", antwortete er mühsam beherrscht. "Aber es ist niemand zu Schaden gekommen, deshalb wollen wir es vergessen." Kurz huschten seine Augen zum Weg hinter ihr - aber von Verfolgern, die ihre Eile gerechtfertigt hätten, war weder etwas zu sehen noch etwas zu hören. Dennoch musste sie es eilig haben, denn das Fell des Schimmels war so lockig und verschwitzt, wie die Haare der Kleinen vom Wind zerzaust waren.


    Gut so - um so schneller war er sie los und konnte sich wieder dieser Steinplatte widmen. Seine Gereiztheit legte sich ein klein wenig. "Da Ihr offenbar in großer Eile unterwegs seid, will ich Euch nicht unnötig aufhalten." fuhr er also fort. "Aber haltet bei diesem Tempo besser die Augen auf sonst könntet ihr beim nächsten Loch oder Stein im Weg weniger Glück haben." setzte er mürrisch hinzu und trat einen Schritt zur Seite, um der jungen Frau den Weg frei zu geben. Nur ein weiterer unhaltbarer Zustand unter Tausenden auf dieser "Oberfläche", wenn junge Frauen - fast noch Mädchen - ganz allein durch die Wildnis fegten und andere Leute in Grund und Boden ritten, dachte er verächtlich.


    Mit neugierig gespitzten Ohren trat sein mächtiger dunkelbrauner Hengst aus den Büschen am Wegesrand hervor und reckte die Nase mit der breiten Blesse in Richtung des fremden Pferdes. Offenbar war er diesen beiden Neuankommlingen gegenüber freundlicher gestimmt. Khoor bedachte ihn dafür mit einem mörderischen Blick.

  • Sanft griff sie in die Zügel ihrer Stute und zog diese einige Schritte zurück, weg von diesem halben Hünen mit dem Schwert im Anschlag. Zaghaft lächelte sie den fremden Mann an.
    Der eher griesgrämige Tonfall von eben diesem wischte der Schwarzhaarigen das Lächeln für einen kurzen Moment aus dem Gesicht. Rechtzeitig bevor sie ihm eine patzige Antwort geben konnte, besann sie sich auf ihre guten Manieren. Noch dazu war er ihr körperlich mehr als überlegen und wer wusste schon ob er nicht noch gereizter und vielleicht sogar aggressiv reagieren würde, sollte sie ihm nun auch noch dumm kommen.
    „Vielen Dank aber ich bin eigentlich nicht wirklich in Eile, es wäre mir nur lieb mich und mein Pferd vor Einbruch der Dunkelheit in Miriador zu wissen“, neigte sie den Kopf und lächelte freundlich zu ihm hinauf. Innerlich schalt sie sich für ihre merkwürdige Redseligkeit. Warum erzählte sie ihm wohin sie unterwegs war?
    Neugierig musterten ihre dunkelblauen Augen den Mann. Er schien hier nicht heimisch zu sein, allein seine Aufmachung wirkte fremd und deplatziert. Suchte er vielleicht etwas?
    Bei seinen belehrenden Worten zog sie ihre Stirn in Falten. Wie sie es hasste belehrt zu werden, sie war erwachsen!
    „Ich denke ich kenne die Gefahren eines rauen Weges mindestens genauso gut wie ihr“, murrte sie deshalb und presste die Lippen aufeinander.

    Als das grosse braune Pferd aus den Büschen trat und neugierig seinen Hals in Lunas Richtung reckte, musste die junge Nymphe jedoch bereits wieder schmunzeln. Denn auch ihre weisse Stute schien dem anderen Pferd keinesfalls abgeneigt zu sein, eher im Gegenteil. Mit einem wohlwollenden Schnauben trat sie näher an den Brauen mit der hübschen Blesse heran.
    Belustigt beobachtete Kyleja das Begrüssungsschauspiel der beiden Pferde.
    Doch schliesslich fiel ihr Blick wieder auf den Fremden und sie betrachtete diesen überlegend.

    Er war bestimmt nicht von hier, sein Gebaren und auch sein Aussehen wirkten fremd und waren der Nymphe gänzlich unbekannt. Obgleich sie bereits vieles über andere Völker gelesen hatte und auch das ein oder andere bereits mit ihren eigenen Augen gesehen hatte, kam ihr dieser Mann und sein Volk nicht im Geringsten bekannt vor.
    Mutig fasste sie sich ein Herz und sprach den Krieger erneut an.
    „Ich würde euch gerne meine Hilfe anbieten, als Entschädigung für mein Versehen. Ich kenne diese Gegend hier sehr gut und kann euch sicher behilflich sein, solltet ihr etwas suchen“, bot sie an und trat wieder einen Schritt näher an den Verhüllten heran. Ab und an warf sie einen Blick zu den beiden Pferden. Sie hoffte nur, dass es sich bei seinem Pferd nicht um einen ungestümen Hengst handelte. Ein Fohlen war das Letzte, was sie auf ihrer Reise gebrauchen konnte, so schön dieses Wunder der Natur auch war.

  • "Auch ohne Eile will ich Euch nicht unnötig aufhalten.", gab Khoor mit leicht verengten Augen zurück. Auch wenn er sich keinerlei Überraschung anmerken ließ - was wollte dieses halbe Kind nachts allein in einer angeblich verlassenen Stadt ? Vielleicht wurde sie erwartet ...... von ....... ihren Eltern ....... oder so. "Ihr werdet sicherlich schon erwartet." Aus angestrengter Höflichkeit verkniff er sich das Wort "ungeduldig" in seinem Satz. Die junge zarte Frau, ebenso wie ihr Pferd, richteten ihre Aufmerksamkeit jedoch gerade auf seinen Hengst.


    Khoor's Gereiztheit - noch kaum besänftigt - loderte wieder empor. Der Hengst war stehen geblieben, als habe er den tödlichen Blick gespürt. Aber das kleine weiße Pferd hatte den Artgenossen natürlich auch längst bemerkt und ging mit schnaubender Begrüßung ein paar Schritte auf das schwere Streitroß zu. Der Drak'khir registrierte, dass es eine Stute war und sein Zorn stieg ins Unermessliche. Oberflächenpack! Weder Personen noch Tiere hier hatten auch nur halbwegs akzeptable Umgangsformen. Khoor's Fäuste ballten sich, dass das Knacken der Fingerknöchel zu hören war als der schwarzbraune Hengst den Hals fallen ließ, um in typischer Perdemanier mit seitlich nebeneinander befindlichen Nasen Kontakt zu der Schimmelstute aufzunehmen.
    "Dardâsch!" grollte es laut aus der Tiefe von Khoor's Brustkorb hervor.
    Er hätte in diesem Augenblick nicht sagen können, was ihn wütender machte: Der Hengst mit seiner unangemessenen Vertraulichkeit oder die junge Frau, die einen erwachsenen Krieger einfach mitten im Gespräch links liegen ließ, um zwei Pferde anzulächeln.


    Ohne das geringste Zögern trat der Hengst an, kam zu ihm herüber und blieb vor ihm stehen. Aufmerksam betrachtete er seinen Herrn und die Versicherung kompromißlosen Gehorsams, den Khoor in seinen Augen sehen konnte, schaffte es tatsächlich, den tobenden Zorn in seinem Inneren nieder zu ringen. Steif öffnete der Drak'khir die Fäuste und bewegte die verkrampften Finger. Noch einmal holte er tief Luft bevor er sich der Schwarzhaarigen erneut zuwandte, deren Worte ihm nicht entgangen waren.


    Mit starren Blick fixierte er die kleine zerbrechliche ............... sogar in Gedanken fiel es ihm schwer, sein Gegenüber bereits als Frau zu bezeichnen. Viel zarter und mädchenhafter konnte eine Oberflächlerin eigentlich gar nicht aussehen. Dazu diese riesigen Augen, mit denen sie ihn ansah. Allerdings - neben ihrer vollkommen inakzeptablen Unhöflichkeit - ängstlich wirkte sie nicht. Sie kam sogar einen Schritt näher. Bei dem Wort "Hilfe" hielt Khoor mühsam ein empörtes Schnauben zurück - als dann jedoch unmittelbar darauf das Wort "Entschädigung" fiel, pressten sich seine Lippen aufeinander. Kein Blinzeln unterbrach seinen Blickkontakt in ihre Augen. Dennoch - das war um einiges zu geringfügig, um auch nur den kühnen Gedanken an einen Hauch von Ehre in einem Oberflächler zuzulassen.


    "Dort am Rand des Wegs steht eine verwitterte Steintafel mit alten Schriftzeichen darauf. Sagt mir, was sie bedeuten und ich sehe Eure Schuld als getilgt an." sprach er dennoch zu ihr. Er, Khoínoor Charad dek l'Bryre, würde sich nicht nachsagen lassen, er habe unehrenhaft das Angebot der Schuldtilgung ausgeschlagen. Er bemerkte den Blick der jungen Frau zu den Pferden. Die Schimmelstute war ebenfalls wieder zu der Gruppe getreten. "Seid unbesorgt." brummte Khoor etwas ungehalten darüber, dass so etwas überhaupt erwähnt werden musste. Oberfläche !
    "Eurem Pferd wird nichts geschehen."

  • Bemüht, sich von dem kritischen Blick des Kriegers nicht einschüchtern zu lassen, erhielt die junge Nymphe ihr Lächeln aufrecht. Langsam schüttelte sie bei seinen Worten den Kopf.
    „Nein, niemand erwartet mich – ich reise allein“, sprach sie und wandte dabei ihren Blick in die Ferne, dorthin wo sich Miriador befand. Es war ein befremdliches Gefühl zu wissen, dass sie nicht nach Hause zurückkehren würde und das für eine lange Zeit. Für einige Sekunden schlicht sich Wehmut in ihre Züge, bevor sie ihre Schultern wieder spannte und sich dem Mann neben ihr zuwandte.


    Sehr wohl bemerkt die Schwarzhaarige das deutliche Missfallen über die Annäherung der beiden Pferde. Gerade wollte sie dazu ansetzen die Schimmelstute zurückzurufen, als das tiefe Grollen des Kriegers erklang. Die Wut in seinen Worten, welche der Nymphe vollkommen fremd waren, liess Kyleja erschrocken zusammen zucken. Das Lächeln gefror auf ihren Lippen. Dennoch wich sie nicht vor ihm zurück, etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass er ihr nicht feindlich gesinnt war. Es lag vielleicht einfach daran, dass er hier fremd war.


    Und so bemühte sie sich um einen neutralen Blick, obgleich er sie doch ein wenig verschreckt hatte, als er sich ihr wieder zuwandte. Er blinzelte kein einziges Mal, doch Kyleja kümmerte sich nicht weiter darum, vielleicht war dies eine Eigenart seines Volkes.
    Seinen Worten mit den Augen folgend, betrachtete sie die Steintafel von der er sprach. Sie war verwittert und schien alt zu sein. Und doch konnte man einige Schriftzeichen darauf erkennen. Beinahe hätte die Nymphe gelacht, das hier war zwar wahrlich die alte Sprache, aber da sie sich seit früher Kindheit dafür interessierte war es nicht wirklich schwer diese zu entziffern, beinahe lachhaft dies als einzige Entschädigung zu verlangen.
    Aber nun wusste sie ganz sicher, dass er hier fremd sein musste. Langsam trat sie einen Schritt auf die Tafel zu. Ihre nackten Füsse brachten das Gras leise zum Rascheln.
    Am Rande registrierte sie seine Worte über Luna. Er schien ihre Sorge weder zu teilen noch zu verstehen, aber sie konnte einfach keine zusätzlichen Risiken gebrauchen.


    Mit der rechten Hand raffte sie den Stoff ihres Umhanges, das Kleid war kurz genug um sich auf den Boden zu hocken, während sie in die Knie ging. Ihre Linke stütze das geringe Gewicht der jungen Frau.
    Bevor sie nun jedoch mit der Übersetzung der Tafel begann, drehte sie sich noch einmal zu dem Fremden um. Ganz konnte sie das belustigte Funkeln in ihren Augen nicht verbergen.
    „Angesichts der Tatsache, dass ich diese Tafel ohne grosse Anstrengungen lesen kann, erachte ich diese kleine Gefälligkeit als zu gering meine Schuld euch gegenüber aufzuwiegen. Besonders wenn man bedenkt, was hätte geschehen können, hättet ihr nicht so schnell reagiert“, in ihrer Stimme fand sich nichts von der heimlichen Belustigung wieder.
    Während sie auf eine Reaktion des Kriegers wartete, liess sie unbemerkt die Intensität ihres Duftes steigen. Er schien ein sehr hitziges Gemüt zu haben, der Duft einer Nymphe wirkte meist besänftigend auf solche Charaktertypen.
    Sanft und erfrischend wehte der leicht blumige Duft hinüber zu dem Hünen während sich der Himmel allmählich begann in einem hellen orangerot zu färben.

  • Sie blickte nach der Steintafel.
    Einer ihre Sätze hatte den Drak'khir für einen Augenblick unmerklich innehalten lassen. 'Sie reiste allein ?' Beinah wäre ihm die Frage herausgerutscht, ob Ihre Familie sich nicht schämen würde, sie so allein umherlaufen zu lassen als wenn sie kein Zuhause hätte. Aber er hatte sich soeben noch bremsen können. Dies war nicht seine Heimat. Und Zustände, die in seiner Heimat undenkbar waren - hier waren so einige von ihnen Realität, wie er in der kurzen Zeit seiner Reise bereits hatte feststellen müssen. Gerechter Zorn konnte hier durchaus die Qualität einer Beleidigung haben. Und er verschwendete Zeit, wenn er unbedacht und ohne echten Anlass Oberflächler beleidigte und sie damit gegen sich aufbrachte. Kurz flackerte sein Blick abermals zu ihr hinüber. Keine Schuhe, stellte er fest. Und die Kleidung war ebenfalls reichlich dünn. War sie etwa eines dieser armen bedauernswerten Geschöpfe, die keine Familie hatten und in Gosse und Rinnstein ihr jämmerliches Leben zusammen bettelten ? Der Anblick hatte den Drak'khir dermassen erschüttert, dass er für einen Moment ernsthaft in Versuchung geraten war, diese traurigen Geschöpfe mit seinem Schwert von ihrem Schicksal zu erlösen. Kein Leben war gnädiger als dieses Leben. Er hatte es nicht getan - aber immer noch kroch eine eiskalte Gänsehaut der Abscheu seinen Rücken empor, wenn er sich daran erinnerte. Wie nur konnte man Kinder seiner eigenen Rasse so leiden und verkommen lassen ? Sein Blick fiel auf die Schimmelstute. Nein. Kein Pferd für einen Krieger - aber nach Oberflächenmaßstäben wohl doch zu wertvoll, um das Mädchen hier als eines dieser Waisenkinder einzustufen.
    Und welche Rolle spielte es überhaupt, ob sie allein unterwegs war oder nicht ?, fragte er sich gereizt. Solange sie es in absehbarer Zeit wieder sein würde.


    Khoor wartete bis die schlanke junge Frau zu der Tafel hinüber ging und sich davor hockte, um sie genauer zu betrachten. Erst dann löste er die Verschnürung eines kleinen Lederfachs an seiner Satteltasche und griff hinein. Keine Sekunde musterte er den Gegenstand, um sich sicher zu sein, dass er zumindest mit dieser Steintafel und den darauf vorhandenen Zeichen nichts zu tun hatte und schob ihn wieder in die Lederfalte zurück. Sorgfältig begann er, die Verschlußriemchen wieder zu verknoten. Die Stimme der jungen Frau erreichte erneut seine Ohren und ihre Worte liessen ihn die restlichen Knoten zornig fest zurren. Nicht auf die junge Frau war er wütend - aber es kam dem Drak'khir vor wie ein höhnischer Gruß aus der Vergangenheit, dass ihm praktisch aus dem Nichts jemand fast über den Haufen ritt, der diese ihm unbekannten Zeichen lesen konnte - und ihn das schlicht keinen Milimeter weiter brachte, weil es die falschen Zeichen waren.


    Erbost fuhr er zu ihr herum.
    "Was steht darauf ?", fragte er mit strenger Stimme. Und erstarrte. Etwas war ..... merkwürdig. Irgendetwas breitete sich auf diesem Weg aus und .....
    Khoor runzelte die Stirn. Es roch... Ganz langsam öffnete der Drak'khir den Mund und ließ den eigenartigen Hauch, mit dem die Luft mit einem Male erfüllt zu sein schien, die empfindliche Zunge entlang ziehen. Es roch nach etwas, was er nicht zuordnen konnte. Und nach ... Obst ? Khoor's Augen huschten die Büsche am Weg enlang. Waren er und die Kleine hier etwa nicht länger nur zu zweit. Der Hengst stand immer noch wie eine Statue und zeigte keinerlei Anzeichen einer Annäherung. Aber woher kam dieser Geruch ? Merkwürdigerweise fühlte er keine Unruhe in sich. Und auch seine Wut war ...... gedämpfter.


    Ruckartig wandte er den Kopf wieder der Frau zu und rang mit sich, ob er ihr von diesen seltsamen Vorgängen etwas mitteilen sollte oder nicht. Sie kannte die Schriftzeichen. Vielleicht hatte sie auch dazu eine Idee. Vielleicht eine seltene Pflanze. Oder ein Tier.
    "Spürt Ihr das auch ?" bezwang er sich schließlich.
    Ihre sonstigen Worte ignorierte er zunächst vollständig.

  • Als der Krieger so ruckartig zur ihr herumfuhr musste sich Kyleja stark zusammen reissen um nicht zurückzuzucken. Der strenge Tonfall machte ihr dieses Unterfangen nicht gerade leichter, aber mit der mahnenden Stimme ihrer Mutter, welche sagte sie solle immer nett zu Leuten sein die ihrer Hilfe bedurften, im Ohr erhielt sie das freundliche Lächeln aufrecht.
    „Ich werde es euch sofort sagen“, erwiderte sie freundlich.
    Die Augen der Nymphe wanderten wieder zurück zu der Tafel, es schien es wäre der Krieger hinter ihr nun in seine eigenen Gedanken vertieft.
    Mit den Fingerspitzen fuhr sie über die Schriftzeichen während sie sich versuche an das Alphabet dieser alten Sprache zu erinnern. Schon seit längerer Zeit hatte sie nichts mehr in dieser Sprache gelesen. Innerlich seufzend musste sie feststellen, dass einige Buchstaben bereits ziemlich verwittert und eher zu erahnen als zu erkennen waren.
    Konzentriert setzte sie in ihrem Kopf die Buchstaben zusammen die ihr leicht fielen und wandte sich dann jenen zu, welche schlechter zu erkennen waren.


    Gerade als sie sich sicher war, die Botschaft der Tafel verstanden zu haben erklang erneut die tiefe Stimme des Hünen hinter ihr.
    Kaum waren seine Worte verklungen, begannen die Gedanken im Kopf der Nymphe zu rasen. Es war klar, dass er damit auf die von ihr gewirkten Kräfte anspielte. Aber er schien es nicht zu erkennen…
    Er war fremd hier und schien auch niemals etwas von Nymphen und ihren Kräften gehört zu haben. Oder aber er brachte dies nicht mit ihr in Verbindung.
    „Nun…“, begann sie zögerlich und suchte fieberhaft nach einem guten Grund für dieses „Gefühl“. Ihm, einem völlig fremden, ihre Kräfte und Fähigkeiten auf die Nase zu binden erschien ihr falsch. Wer wusste schon, ob er dieses Wissen nicht sofort gegen sie verwenden würde, wenn er erfahren hatte was auf der Tafel stand.
    Nein, sie musste ihm eine gute Erklärung dafür liefern und gleichzeitig so tun, als wäre sie selber davon ebenfalls betroffen.
    „Ja, auch ich spüre es“, bestätigte sie seine Worte und erhob sich, um wieder näher an ihn heran zu treten. Sanft klopfte sie etwas Gras von ihrem Umhang bevor sie weitersprach.
    „Man erzählt sich, dass des Nachts ein Nachhall dessen zu spüren ist, was sich einst in Miriador, der goldenen Stadt, nicht weit von uns, zutrug.“ Sie hob die Hand und deutete wage in die Richtung, in der sich Miriador befand.
    „Auch die Inschrift der Tafel, weist uns auf diese Stadt hin, lautet sie doch: Welch‘ goldener Glanz lag über der Stadt die ihr auf diesem Weg zu finden erwarten könnt. Doch sehet euch vor, den armen Seelen jener zu begegnen, denen Königin Ynara ein ewig goldenes Antlitz schenkte“, zitierte die junge Frau jenes, was sie der Tafel entnommen hatte.
    Vermutlich war dies eine letzte Warnung all derer gewesen, die Miriador damals rechtzeitig hatten verlassen können. Auch Kyleja hatte viele Geschichten gehört und war nicht umsonst in Richtung dieser Stadt aufgebrochen. Gerne wollte sie mit eigenen Augen sehen ob die Erzählungen wahr, oder am Ende doch nur Ammenmärchen waren.
    Ihr Blick wanderte zurück zu dem Krieger neben ihr, gespannt ob er ebenfalls schon von der goldenen Stadt gehört hatte.

  • Erneut hatte Khoor die Rückansicht der jungen Frau vor sich. Er würde sich hier an sehr viele ihm unverständliche Umstände zu gewöhnen haben, das hatte er längst festgestellt. Dass die Einlösung eines Schuldversprechens nicht die allererste heilige Pflicht des Versprechenden war, war etwas, woran er sich ganz besonders stieß. Was war das für eine Welt, in der ein Versprechen schon wertlos war sobald es die Lippen des Sprechenden verlassen hatte ? Lästig wie ein Staubkorn auf dem blankgeputzten Waffenrock, dass man mit einer lässigen Handbewegung fort wischte .... vergessen sobald es zu Boden gefallen war. Es schien der Kleinen noch nicht einmal unangenehm zu sein, dass er sie an ihr Versprechen hatte erinnern müssen und an das, was ihre Pflicht war. Nun - zumindest bemühte sie sich nun. Und in Khoor wuchs die Erkenntnis, dass dieser Vorfall ihn wesentlich weniger erzürnte als es eigentlich hätte der Fall sein müssen.
    Das war der Moment als er sich der Veränderung bewußt wurde.


    Seine Frage beantwortete sie mit dem Rücken zu ihm, was Khoor unverzüglich erneut die Augen verengen ließ. Warum sah sie ihn nicht an bei ihrer Antwort ? Wie es sich gehörte ?
    Das Mädchen rappelte sich auf und trat wieder zu ihm herüber. Sie gestand, es auch wahrzunehmen und erklärte, es sei ein Nachhall der Ereignisse in der Vergangenheit der versunkenen Stadt, die des Nachts zu spüren sei. Khoor runzelte die Stirn und sah sich um. Des Nachts ? Es war gerade einmal der Abend herauf gezogen. "Wird es stärker im Laufe der Nacht ?", fragte er misstrauisch nach. Er würde achtgeben müssen, den Mund nicht zu öffnen, wenn der Geruch noch intensiver werden sollte. Jetzt endlich lieferte sie ihm auch die Übersetzung der Schriftzeichen. Khoor nickte langsam.


    Eine Warnung.
    Das klang plausibel - gewarnt worden war er ebenfalls bereits. Vor dieser Stadt, vor skrupellosen Goldsuchern, vor wilden Tieren - und vor Geistern. Wobei Khoor letzterem eher skeptisch gegenüber stand. Auch in seiner Welt gedachte man seiner Vorfahren und es gab einige Drak'khir, die behaupteten, mit den Seelen der Verstorben in Kontakt treten zu können oder sogar welche gesehen zu haben. Aber so wirklich glauben .......
    Es spielte keine Rolle. Wenn es keine Geister gab, war er umsonst hier - aber sein Weg hätte ihn ohnehin hier entlang geführt. Aber wenn doch ........... waren sie alt. Und vielleicht kannten sie die Zeichen auf dem Amulett. Es war eine ungewisse Möglichkeit, aber besser als nichts.
    "Ich verstehe..." sagte er langsam. Sein Kopf folgte ruckartig der Hand der jungen Frau und sein Blick folgte dem Weg. "Man sagte mir, in der Stadt gäbe es allerlei Gefahren. Und man müsse sich vorsehen. Man warnte mich auch vor den Geistern der Toten, die von ihrer eigenen Herrscherin ins Unglück gestürzt wurden und den Lebenden nicht freundlich gesinnt seien."
    Von Machtbesessenheit und Habgier, dachte er voller Verachtung - fügte es aber nicht hinzu. DAS war es, wonach in dieser Welt hier gestrebt wurde, obwohl sie die Folgen jeden neuen Tag über sich - wo eigentlich der Himmel sein sollte - noch sehen konnte.


    Er sah die junge Frau erneut an. "Wisst Ihr genaueres darüber ? Oder ward Ihr schon einmal in den Ruinen selbst ? Mir wurde geraten, sie zunächst lieber am Tage aufzusuchen."

  • Misstrauen sprach aus seiner Stimme als er sich nach dem Nachhall erkundigte. Die Stirn der Nymphe legte sich für einen kurzen Moment in Falten bevor sie sich dem Krieger komplett zuwandte. Sollte sie ihre Aussage vielleicht zurückziehen und ihm doch noch reinen Wein einschenken?
    Die Worte sprudelten aus ihren Mund, noch bevor der Gedanke zu Ende gedacht war.
    „Ich habe mich bisher des Nachts immer nur in dieser Distanz zur Stadt bewegt, ob es stärker wird wenn man näher kommt vermag ich euch nicht zu sagen, wobei ich davon nicht ausgehe“, erklärte die Schwarzhaarige und musterte forschend das Gesicht des Fremden, zumindest das, was nicht von Stoff bedeckt war. Zum ersten Mal betrachtete sie ihr Gegenüber genauer und musste feststellen, dass er der Berufung eines Kriegers wahrlich alle Ehre zu machen schien, was sein Äusseres betraf.

    Interessiert verfolgte sie seine Worte. Jetzt wo er länger sprach fiel ihr ein leichter Akzent auf, welchen sie jedoch nicht zuordnen konnte.
    Wo auch immer er herkam, er schien dennoch schon einmal etwas von der goldenen Geisterstadt gehört zu haben, wenn auch nicht alles.
    Sein Blick, welcher die junge Nymphe traf, zeugte von ehrlichem Interesse.

    „Nun einen Teil der Geschichten scheint ihr selbst bereits gehört zu haben…“, stellte die junge Frau fest und lehnte sich vertrauensvoll gegen die Schulter der weissen Schimmelstute, welche soeben neben sie getreten war. Mit ruhiger Stimme begann Kyleja jene Geschichten weiter zu geben, welche sie selbst gehört und gelesen hatte.
    „Miriador war einst eine sehr schöne Stadt, deren Bewohner in Luxus schwelgten und die damals so etwas für die Bewohner Beleriars war wie Nir’alenar es heute ist. Mit der Zeit verkamen die Bewohner dieser wundervollen Stadt zu Neidern und kaltblütigen Gierschlündern. Doch die Königin Ynara gab der Sucht nach Macht und Reichtum und der Selbstsucht in Miriador einen neuen Namen. Sie liess sich reich beschenken und ernannte sich schliesslich selbst zur Göttin Miriadors. Die wahren Götter Beleriars straften dies mit einem Fluch: alles was Ynara ansah sollte zu Gold werden. Sich nicht im Klaren über die wahre Bedeutung hinter diesem Fluch verwandelte die Königin in ihrem Wahnsinn alles und jeden der ihren Weg kreuzte in pures Gold. Bis sie schliesslich in den Spiegel blickte und so selbst zu Gold erstarrte, den Schrei der Erkenntnis für immer auf ihren Lippen.“
    Die Schwarzhaarige machte eine kurze Atempause, auch um ihren Blick in Richtung der ehemals schönen Stadt zu lenken.
    „Miriador verfiel im Laufe der Jahre und nun erinnert nur noch die goldene Königin selbst als Mahnmal an das, was einst geschah. Man erzählt sich, dass nachts die Geister derjenigen in der Stadt erscheinen, die einst zu Gold verwandet wurden, und jedem lebendigen Wesen dessen Leben neiden. Eine Tatsache die keinen der Goldsucher daran hindert sein Glück in dieser Stadt zu versuchen.“
    Die dunkelblauen Augen der Nymphe fanden ihren Weg zurück von der Stelle, an der sie die Ruinen der Stadt wusste, zu dem Mann neben ihr. Wollte er die Stadt ebenfalls besuchen?
    „Nun am Tage ist es gewiss sicherer, jedoch ist die Stadt am Tag nichts weiter als eine Ruine vergangener Zeiten. Wenn ihr euch für die Geschichte dahinter interessiert oder gar für die Geister, solltet ihr in der Nacht euer Glück versuchen“ riet sie und stemmte abwartend eine Hand in die Seite.

  • Wirklich befriedigend war ihre Antwort zu diesem absonderlichen Nachhall nicht gerade. Egal wie tief Khoor auch in seinem Wissen schürfte - so es zugegebenermassen im Hinblick auf Geister auch alles andere als ergiebig war - er konnte sich an keinerlei Zusammenhang zwischen Geistern und irgendwelchen Gerüchen erinnern. Und dann noch fruchtig..... Bei Geistern kamen ihm entschieden eher Dinge wie Tod und Verwesung in den Sinn. Höchst merkwürdig, das Ganze.
    Kurz dachte er an seine Verwirrung darüber, dass sein Zorn sich merklich gelegt hatte - andererseits gewöhnte er sich möglicherweise inzwischen schneller an die schlechten Manieren der Oberflächler. Und dieses Mädchen war noch jung, das konnte ebenfalls dazu beigetragen haben. Dennoch schüttelte der Drak'khir in leichter Mißbilligung den Kopf. "Wie könnt Ihr einfach davon ausgehen, wenn Ihr des Nachts noch niemals in der Stadt gewesen seid ?"


    Die Geschichte, die sie ihm erzählte, stimmte allerdings mit den anderen Geschichten überein, die er gehört hatte bislang. Dennoch hörte er sich noch ein weiteres Mal die Geschichte des törichten Frauenzimmers an, die alle ums Leben gebracht hatte mit ihrer Disziplinlosigkeit. "Diese Geschichte hat man mir auch erzählt." bestätigte Khoor als sie geendet hatte. "Man sagte mir auch, dass es hier Goldgräber und Abenteurer geben solle, die die Stadt trotz aller Gefahren in und auswendig kennen sollen. Und dass sie sich als Führer anwerben lassen, wenn man ihnen genug bezahlt. Tagsüber soll es ungefährlicher sein, die Stadt zu erkunden. Ratsam sei es, die Stellen, die man des Nachts aufzusuchen gedenke, zuerst am Tage auf versteckte Fallen und dergleichen zu untersuchen." Khoor musterte die junge Frau, wie sie ihn ansah - herausfordernd einen Arm in ihre Seite gestützt. "Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass man mich mit diesen Vorsichtsmaßnahmen schlecht beraten hätte und habe vor, ihnen Folge zu leisten. Sofern ich ein solches Lager von Goldgräbern ausfindig machen kann, natürlich nur." erklärte Khoor sich - mittlerweile tatsächlich einigermassen ruhig geworden. "Und diese Steintafel dort - sie warnt erneut vor der Stadt. Ich weiß nicht, was Euch in sie hinein zieht und warum Ihr es eilig habt - aber mein Weg muss in jeden Fall auch wieder aus ihr hinaus führen. Deshalb mag Euer Rat für Euch richtig sein, farsicié. Aber ich bin bereits an meinem anvisierten Ziel für heute angekommen."


    Als er zuende gesprochen hatte, nickte er der jungen Frau zu und begab sich zu seinem Hengst, um die Riemen des Zaumzeugs wieder zu schließen und den Sattelgurt fest zu zurren. Abermals musterte er das Blättermeer um sich herum - es war nicht mehr zu leugnen, die Nacht war bereits im Begriff herein zu brechen. Es wurde Zeit, einen geeigneten Platz für ein Nachtlager zu suchen. Eleganter als man hätte erwarten können, angesichts seiner Statur, schwang er sich auf das mächtige Pferd hinauf.

  • Dieser Mann stellte definitiv die falschen Fragen. Ihre innere Ungeduld niederzwingend, rang sich die Nymphe ein besänftigendes Lächeln ab.
    „Nun, ich habe bisher von niemandem, der nachts in der Stadt war, etwas anderes gehört“ erklärte sie und zuckte leicht eine Schulter.

    „Ja, diese Geschichten erzählt man hier allerorts.“ Die Schwarzhaarige nickte zu den Worten des Fremden. Er wollte einen Goldgräber als Führer anwerben?
    „Nun, natürlich kann man einen solchen Goldgräber als Führer anwerben, vorausgesetzt man besitzt genug Gold das man ihm, verzeiht den Ausdruck, in den Rachen schleudern kann“, meinte sie in leicht aufgebrachtem Tonfall und ein missbilligendes Schnauben entfuhr der jungen Frau.
    „Seht, diese Leute wollen nur möglichst viel Gewinn aus eurer Ortsfremdheit schlagen“, fuhr sie wieder etwas ruhiger fort, nachdem sie sich zur Vernunft gerufen hatte.

    Bei seinen weiteren Worten fuhr ein Schauer über den Rücken der Nymphe. Sollte er tatsächlich auf ein solches Lager stossen, und das war keinesfalls unwahrscheinlich, würden diese Goldgräber ihm gewiss sagen, dass es keinerlei Nachhall in der Stadt gab, weder bei Nacht noch sonst irgendwann. Sie musste ihm diese Idee dringend ausreden. Nur wie?
    Eine Weile schwieg sie still, aber als der Krieger sich auf sein Pferd schwang, kam Leben in den Körper der Schwarzhaarigen. Mit einer fliessenden Bewegung schwang sie sich ebenfalls in den Sattel.
    „Einen Moment!“, rief sie den Mann zurück bevor er fortreiten konnte. Sanft dirigierte sie Luna neben den Braunen, jedoch mit etwas Sicherheitsabstand, immerhin hatte der Krieger vorher nicht gerade erfreut reagiert als die beiden Pferde sich einander angenähert hatten.
    „Ich habe es nicht allzu eilig, und der Rat den man euch erteilt hat klingt durchaus befolgenswert. Wenn ihr möchtet, würde ich mich als Führerin anbieten, ich kenne die Gegend hier sehr gut und habe bereits einiges über Miriador und auch andere Städte gehört und gelesen, auch einige Karten sind mir im Gedächtnis geblieben, sowie die Schriftzeichen die ihr auf der Tafel ebenfalls gesehen habt – davon wird es in Miriador sicher noch mehr geben. Des Weiteren glaube ich, dass ich Fähigkeiten besitze, die euch in Miriador durchaus zugutekommen könnten“ Sie machte eine kurze Pause um Atem zu schöpfen.
    „Ich könnte euch jedoch auch zu einem der Goldgräberlager führen von dem ich weiss, dass sich dort sicher ein Führer finden wird, wenn es euch so lieber ist“, bot sie weiter an. Abwartend hielt sie Luna neben dem Braunen und blickte den Mann aufmerksam an.

  • Khoor kam gar nicht dazu, seinen Hengst zum Antreten aufzufordern, so schnell hatte die Fremde ihr Pferd an seine Seite gebracht. Regungslos wie eine Statue verharrten er und sein Pferd während er auf die junge Frau hinunter starrte, ihre Worte anhörte und sich bemühte, in passenden Abständen zu blinzeln. Diese Oberflächler taten es ständig und es war einigermassen mühselig, es ihnen gleichtun zu müssen, um sie nicht zu verwirren. Darüber hinaus verriet nicht die geringste Bewegung etwas von den Gedanken, die in seinem Kopf kreisten.


    Sie sagte, sie kannte viele Leute, die bereits in der Stadt gewesen seien und das erregte Khoor's Interesse. Die Goldgräber schien sie allesamt für eine geldgierige Bande zu halten, so wie sie kurz zuvor noch von ihnen gesprochen hatte.


    Khoor wurde nicht recht schlau aus ihr. Sie raste den Weg entlang als wäre eine Bestie hinter ihr her, ritt ihn beinahe nieder - und jetzt hatte sie es plötzlich überhaupt gar nicht mehr eilig. Warum bot sie sich einem völlig Fremden als Führer an ? Was kümmerte es sie, ob er sein Geld an einen anderen Führer verschwendete ? Oder ob dieser ihn betrog ? Stattdessen bot sie sich selbst als Führerin an, obwohl er ihr gerade gestanden hatte, dass es ihn sehr wohl in die Stadt hineinzog - in der sie selbst allerdings noch niemals gewesen war angeblich. Tiefes Misstrauen stieg in dem Drak'khir empor. Was wollte diese junge Frau von ihm ? Sie wirkte so ungefährlich und unschuldig wie ein bunter Schmetterling auf einer Blumenwiese ..... aber vielleicht war genau das der Trick ? Ihn von den Goldgräberlagern weglocken hin zu einem Platz, wo ihre Kumpanen lauerten, um erfolgreiche Goldgräber oder sonstige Reisende um ihr Hab und Gut zu erleichtern. Vielleicht Schlimmeres........ und diese ganze Sache mit dem Überreiten war nur ein Trick gewesen, um irgendwie mit ihm ins Gespräch zu kommen.


    Khoor überlegte, was zu tun war. Immerhin - die Tafel hatte sie entziffert. Dieser Teil schien zu stimmen - auch wenn er ihn nicht überprüfen konnte. Fähigkeiten ........ ? Herablassend glitten seine Augen von Kopf bis Fuß über ihre Gestalt. Ob die in einem Kampf etwas taugten ? Das bezweifelte er. Höchstens, wenn sie eines dieser mysteriösen Geschöpfe war, die sich der Geisterwelt widmeten. Dann vielleicht ........ oder als kleiner Lockvogel eben.
    Und im Augenblich war die Frage drängender, wie er sich vor einem möglichen Hinterhalt schützen konnte.


    "Dann kennt Ihr in der Nähe einen Ort mit Wasser, der sich als Nachtlager eignet ?", fragte er ohne jeden weiteren Kommentar zur ihrer Rede. "Führt mich hin. Unterwegs will ich Eure Vorstellungen hinsichtlich Eures Führerlohns hören. Und von den zahllosen Leuten, die Ihr kennt, die schon in der Stadt gewesen sein sollen."
    Er hatte sich entschieden. Wenn hier tatsächlich ein Hinterhalt lauerte, war es besser, sie im Auge - und vor allem in Schlagdistanz zu behalten - und genauestens zu beobachten. Sicherer jedenfalls als sie fort zu schicken und überhaupt keinen Anhaltspunkt - und keine Geisel - dafür zu haben, wann ein Angriff erfolgen könnte.
    Auffordernd nickte er der schwarzhaarigen jungen Dame zu damit sie die Führung übernähme.

  • Lange blieb es still während der Fremde zu überlegen schien. Seine Blicke, mit denen er sie bedachte waren voller Misstrauen. Ein wenig konnte die Nymphe ihn verstehen. Erst ritt sie ihn über den Haufen, dann verhielt sie sich ungemein freundlich und jetzt bot sie ihm auch noch urplötzlich ihre Hilfe an – einem völlig fremden Mann.
    Trotzdem missfiel ihr der Blick der sie streifte als sie von ihren nützlichen Fähigkeiten sprach. Sollte sie ihn vielleicht ein wenig heraus fordern?

    Als er endlich wieder sprach kam es der jungen Nymphe vor als hätte sich seine Haltung ihr gegenüber ein wenig verändert. War er eben noch eher verärgert über den Unfall gewesen, so wirkte er nun über die Massen misstrauisch und achtsam auf sie.
    Gleichgültig zuckte sie die Schultern, es konnte ihr doch einerlei sein was er über sie dachte, sie tat hier nur ihrer guten Erziehung genüge. Dennoch war sie neugierig woher er kam und was er wohl in Miriador suchte, wenn er lieber bei Tag dorthin wollte.
    Nun jedoch galt es ihm zu beweisen dass sie durchaus nicht von Unnutzen für ihn war. Auch wenn ihr der Gedanke die Nacht mit ihm zu verbringen eher weniger gefiel. Sei es drum…
    „Sicher kenne ich einen solchen Ort, nur ein kleines Stück von uns entfernt am Waldrand gibt es eine kleine Quelle mit klarem Wasser“, meinte sie und liess Luna in schnellem Trab antreten. Der grosse Braune würde bei diesem Tempo mehr als locker mithalten können.
    „Nun was den Führerlohn angeht, da ich eh in die gleich Richtung gedenke zu reisen wie ihr, ist es eigentlich keine Führung sondern eine Zweckgemeinschaft. Ausserdem habe ich keineswegs vor euch um euer Gold zu bringen, geschweige denn brauche ich diese Art von Bereicherung. Um euch nicht in die Verlegenheit zu bringen in meiner Schuld zu stehen, biete ich euch eine Art Handel an. Ich teile mein Wissen über Miriador und alles was mit dieser Gegend zu tun hat mit euch und ihr bezahlt mich im Gegenzug ebenfalls mit Wissen.“ Sie machte eine Pause um sich zu ihm umzudrehen.
    „Ihr seid nicht von hier und davon können weder die Mengen Stoff in die ihr euch Hüllt, noch das zwanghafte, unrhythmische Blinzeln ablenken. Bezahlt mich mit dem Wissen darüber wer und was ihr seid und woher ihr kommt und ich sehe meinen Führerdienst als bezahlt an.“


    Während ihrer Worte hatten sie die Quelle bereits erreicht, der Weg war wirklich nicht weit gewesen. Für einen Moment fragte die Nymphe sich, warum sie nicht selber auf die Idee gekommen war die Nacht an dieser Quelle zu verbringen.
    Schwungvoll liess sie sich aus dem Sattel gleiten.
    „Zu den Leuten die ich kenne, die die Stadt von innen gesehen haben…“ begann sie ihre weiteren Erklärungen während sie Luna den Sattel und die Taschen abnahm.
    „Ich bin hier in der Gegend aufgewachsen, da ist es beinahe unvermeidlich dem ein oder anderen Wanderer, Schatzsucher oder Forscher zu begegnen, der im Begriff ist die Stadt aufzusuchen oder gerade aus ihr heraus kommt“ Sie machte eine kurze Pause und wandte sich dem Krieger zu.
    „Ausserdem habe ich auch die ein oder andere Stunde an einem solchen Goldgräberlager verbracht wie ihr gedachtet aufzusuchen“. Sie erinnerte sich zurück an die Zeiten in denen sie entgegen des Verbotes ihrer Mutter zu den Goldgräbern aufgebrochen war. Allzu oft hatte sie von ihrer Kraft Gebrauch gemacht damit diese ihr Geschichten über Miriador und ihre Funde zu erzählen.
    „Manche von ihnen sind sehr redselig, aber diejenigen die wirklich etwas wissen oder gar etwas gefunden haben schweigen meist still darüber. Aber jemandem wie mir ist es auch möglich den stillen Zeitgenossen unter ihnen das ein oder andere zu entlocken“, meinte die Nymphe und schmunzelte geheimnisvoll.

  • Es schien der jungen Frau nicht recht zu passen, dass er sie so regungslos und schweigend betrachtet hatte. Vielleicht wirkte es auch ein wenig unheimlich auf sie, weil man von seinen Gesichtszügen bestenfalls die Augen und die Mundpartie sehen konnte. Trotz ihres Schulterzuckens gab sie an, einen geeigneten Platz zum Lagern zu kennen und setzte ihren Schimmel in Bewegung. Khoor ließ den Hengst am langen Zügel hinterher traben, für das letzte Stück Weg kam es nun nicht mehr darauf an, dass er eigentlich kein Tier dafür war, lange Strecken in hohem Tempo zurück zu legen.
    Der Drak'khir setzte ihn auf halbe Höhe hinter die Schimmelstute, da seine Begleiterin über das Entgelt zu sprechen begann. Schweigend und aufmerksam höre er ihre Worte an und seine Mundwinkel zuckten vor unterdrücktem Zorn.
    Was glaubte sie, wer er war ? Eine Kuriosität, die ihr zu ihrem Vergnügen Rede und Antwort zu stehen hatte, weil sie zufällig urplötzlich den gleichen Weg hatte wie er ? Es brodelte gewaltig in dem Drak'khir ob dieser unverschämten Worte und er zwang sich mit allergrößter Willensanstrengung dazu, nicht zu antworten, bis sie an den Lagerplatz angelangt sein würden.
    Beinahe war er versucht, die Theorie eines Hinterhalts fallen zu lassen. Wenn sie ihn in Sicherheit hatte wiegen wollen, hätte sie ihm kaum eine Beleidigung nach der anderen an den Kopf geworfen.
    Andererseits - den Oberflächler konnte man nicht über den Weg trauen. Möglicherweise liessen sie von jungen Mädchen dergestalt mit sich reden für die Gunst ihrer Gesellschaft. Dumm genug dazu waren sie allemal. Khoor ließ die Gedanken ruhen, denn die junge Frau hielt ihr Pferd an.


    Der Platz war gut - eine saubere Quelle, lichte grasbewachsene Flächen für die Pferde und dennoch genug Büsche, Sträucher und Bäume, die Deckung boten. Hier würde man sogar ein kleines Feuer entfachen können. Khoor ließ seinen Hengt den Schimmel umrunden und verhielt ihn als die Pferde Stirn zu Stirn voreinander standen. Der Braune erstarrte augenblicklich wieder zum Reiterstandbild und der Drak'khir funkelte die Frau an. "Frau!", grollte es unter der Kapuze hervor. "Mit einem habt Ihr Recht: Ich bin fremd in diesem Land. Und in meinem Land fragt man niemanden nach seiner Herkunft oder seinen Absichten aus. Aus Höflichkeit." Khoors Stimme schwoll an wie Donner bei den letzten beiden Worten. "In wessen Schuld ich stehe, entscheide ich - Khoínoor Charad dek l'Bryre - immer noch ganz allein. Ich habe das Angebot Eures Wissens und Eurer Fähigkeiten geehrt, in dem ich Euch selbst den Lohn dafür bestimmen ließ. Alles, was es dafür von mir zu wissen gibt, wißt Ihr bereits. Wenn Euch Gold nicht genügt, trennen unsere Wege sich Morgen."


    Khoor wendete den Hengst zu der Quelle hin und ritt ein gutes Stück unterhalb ihres Anfangs ins Wasser hinein bevor er vom Pferd stieg. Sorgfältig spülte er den langen Behang an den Beinen und Hufen des Hengstes aus, der in der Zwischenzeit seinen Durst löschte. Dabei sondierte er mit all seinen Sinnen die Umgebung des Platzes - aber er konnte keinerlei fremde Präsenzen ausmachen. Und auch der Hengst zeigte keinerlei Auffälligkeiten an. Erst danach löste er Sattel und Zaumzeug und überließ das mächtige Tier sich selbst. Das Lederzeug platzierte er an einem geeigneten Schlafplatz. Auch die junge Frau war inzwischen abgestiegen und fuhr mit ihren Worten fort. Khoor hielt in seiner Tätigkeit inne und sah sie an. Das war etwas, woran er sich bei den Obernflächlern schon beinah gewöhnt hatte. Nie waren sie mit ihren Gedanken ganz bei dem, was sie taten sondern redeten ohne Unterlass bei jeder wichtigen und unwichtigen Tätigkeit. Er hasste es, wie verächtlich sie sich häufig gegenüber den an sie gerichteten Worten verhielten. Die junge Frau erzählte, dass sie hier aufgewachsen sei und deshalb sowohl die Geschichten über die Stadt wie auch die hier anzutreffenden Personen der Art nach recht gut kannte. Vielleicht hatte sie begriffen, dass es auch ein Gebot der Höflichkeit war, zuerst selbst das zu geben, was man selber erstrebte. "In meiner Heimat, Farsicié, ist das schwerste Verbrechen, einen anderen zu töten oder ihn zu hintergehen. Seid versichert, dass es nichts über meine Absichten aussagt, wenn ich mich verhülle." Vielleicht begriff die schöne junge Frau, dass es zugleich als Versicherung wie als Warnung an sie gerichtet war.


    Ihre letzten Worte gaben dem Drak'khir zu denken und er runzelte unter seiner Tuchmaske die Stirn. "Ich habe nicht vor, irgendjemandem die Geheimnisse seiner Fundorte und Schätze zu entlocken. Es verlangt mich nicht nach den goldenen Reichtümern dieser Stadt.", knurrte er etwas unwillig vor sich hin. "Ist das die nützliche Fähigkeit, die Ihr mir angepriesen hattet ? Verschwiegene Personen zum Reden zu bringen ?"

  • Mit geweiteten Augen starrte die Nymphe den fremden Mann an. Was war das nur für ein Wesen und was für einen wutschnaubenden Charakter besass es, dass es solche harten Worte hervor brachte.
    Unter der noch gefassten Oberfläche der Nymphe brodelte es. Nur zu gerne hätte sie diesen törichten Fremdling ihre Fähigkeiten, die er so mass- und taktlos unterschätzte, spüren lassen, so dass er sabbernd vor ihr im feuchten Gras dieser Lichtung gekrochen wäre um ihre Gunst zu erlangen. Doch sie konnte sich gerade noch beherrschen. Dieser Mann, mit diesen merkwürdigen Augen war absolut nicht der Typ von einem Mann den sie sich mithilfe ihrer Macht oder ihres Fluches, wie man es betrachtete, zu holen pflegte. Noch dazu tat sie so etwas für gewöhnlich nicht aus Wut.
    Aber wie er es wagte mit ihr zu reden… Kyleja presste die Lippen aufeinander um sich zu beherrschen.
    Ein leises Grollen löste sich aus ihrer Kehle und sie wollte gerade einen grossen Schritt auf diesen Klotz zutreten, als es neben ihr im Unterholz raschelte.


    Auch die Pferde wurden zusehends unruhig. Luna blähte die Nüstern und begann unruhig auf der Stelle zu tänzeln. Auch der Braune schlug beunruhigt mit dem Schweif und drehte unablässig die Lauscher in sämtliche Richtungen.
    Noch bevor die Nymphe sich zu ihrer Stute wenden konnte um diese zu beruhigen, brach unmittelbar neben ihr ein riesiger Wolf, wie es sie im Wald des Öfteren anzutreffen gab, durch das Geäst. Nur wenige Schritte weiter brach ein weiterer aus dem Unterholz und trat grollend, mit hochgezogenen Lefzen auf die Lichtung.
    Rund um die Nymphe und den Krieger brachen noch weitere Wölfe aus dem Unterholz und binnen weniger Augenblicke, waren sie von einem gesamten Rudel umzingeln.
    „Verdammt“, zischte die Schwarzhaarige und überschlug in ihrem Kopf die Möglichkeit mit Luna zu flüchten und einen Kampf zu vermeiden, was ebenso unmöglich war wie auf einem der Bäume eine gute Schussposition mit dem Bogen zu erklettern. Dazu würde sie an mindestens einem der Wölfe vorbei müssen.
    Resigniert, und dennoch gewillt sich selbst und Luna um jeden Preis zu beschützen, zückte sie nun statt dem Bogen die beiden silbernen Dolche. Langsam, hastige Bewegungen vermeidend brachte sie sich in Kampfposition. Ein kurzer Seitenblick aus dunkelblauen Augen traf den Krieger.
    „Ich denke ihr werdet meine Fähigkeiten schneller zu Gesicht bekommen als mir lieb ist…“ merkte sie an und fixierte dann den Wolf, der ihr am nächsten Stand. Bis zum äussersten angespannt, bereit anzugreifen oder auszuweichen.

  • Für einen winzigen Moment lang, den Bruchteil einer Sekunde nur, hatte Khoor tatsächlich den Eindruck, die zarte Fremde sei kurz davor, auf ihn loszugehen. Was für ein abenteuerlicher Eindruck - nicht nur angesichts der körperlichen Verhältnisse. War es dermaßen erschütternd für sie, dass er - gemessen an den Oberflächlern - so vollständig anders dachte und handelte ?
    Dem Drak'khir blieb jedoch keine Zeit, darüber nach zu denken, ob ihrer beider fremdartige Erwartungshaltungen womöglich der Grund dafür waren, dass das Gespräch so eine unerfreuliche Entwicklung genommen hatte, denn von jetzt auf gleich änderte sich alles. Azar stieß ein leises warnendes Schnauben aus, kam näher und witterte dabei mit hektischem Ohrenspiel über die gesamte Fläche des Lagerplatzes. Khoor tat es ihm gleich und augenblicklich nahm er die raubtierhaften Ausdünstungen in unmittelbarer Nähe war.
    Noch bevor Khoor den Riemen des Sattelzeugs vollständig gelöst hatte, der seinen Streitkolben am Platz hielt, brachen schon mehrere, wahrhaft riesige Wölfe aus den Büschen und Hecken aller Seiten ihres Platzes hervor. Sie waren umzingelt !
    Khoor griff die Waffe, richtete sich auf und deutete mit der Hand auf den Rücken der Schwarzhaarigen. "Bhânja!", fauchte er das mächtige Streitross an, das ohne Umschweife mit hart angelegten Ohren und drohend erhobener Hinterhand in den Rücken der jungen Frau tänzelte, keinen Zweifel darüber aufkommen lassend, dass es ein ernst zu nehmender Gegner war und sich zur Wehr zu setzen verstand.
    Khoor verschwendete keinen einzigen Blick darauf, ob der Hengst Folge leistete - etwas anderes war gar nicht vorstellbar. Seine zierliche Begleitung hatte bereits in jeder Hand einen Dolch und die Art und Weise, wie sie die Waffen hielt, machte auch beim flüchtigen Hinsehen auf den Drak'khir den Eindruck, als ob sie damit sehr wohl umzugehen verstand. "Sie sind sehr willkommen gerade!", beantwortete er ihre Bemerkung hastig, den massigen Körper bereits in erstaunlich schnelle Bewegung gesetzt. "Wir müssen sie zwischen uns bringen !" erklärte er ihr sein Vorhaben, sich nicht einkesseln lassen zu wollen und stürmte mit beidhändig gepacktem Streitkolben auf den Raum zwischen zwei Wölfen zu. Mit jeweils langen Ausfallschritten schwang er die mit Metalldornen besetzte, massige Spitze der Waffen gegen die Wölfe zu beiden Seiten. Der rechte schaffte es, dem Wüten des Drak'khirs mit einem tollkühnen Seitwärtshaken auszuweichen, aber den linken erwischte Khoor mit voller Wucht und das schmerzerfüllte Jaulen des Tieres erklang fast zeitgleich mit dem krachenden Geräusch seiner splitternden Rippen und seines aufplatzenden Fleisches während es durch die Luft flog und reglungslos liegen blieb, wo es hingeschleudert wurde. Solchermaßen durch den Kreis der Angreifer gebrochen, wandte Khoor sich unverzüglich um. Grimmig nickte er seiner Kampfgefährtin zu.
    "Ghuyb schôt ! Mrdn schân klyh dygr!" donnerte er die Wölfe an und stürzte sich unverzüglich auf den nächsten erreichbaren Gegner ....

  • Aus den Augenwinkeln heraus verfolgte die Nymphe die Bewegungen des Mannes. Wie bereits erwartet schien er ein geübter Kämpfer zu sein.
    Als das grosse Schlachtross hinter sie trat, und somit auch Luna zum Grossteil vor den Wölfen abschirmte, wurde zumindest diese Sorge ein wenig kleiner. Die Worte des Kriegers stimmten die Schwarzhaarige für einen kurzen Moment wieder sanfter und ein entschlossenes Grinsen huschte über ihr Gesicht. Sie würde ihm schon von ihren Fähigkeiten überzeugen. Und wer weiss, vielleicht konnte man die bisherigen Missverständnisse ja noch ausräumen.


    Grimmig taxierte sie die Wölfe die ihr am nächsten waren. Um sie zwischen sich und den Krieger zu bringen musste sie zunächst an ihnen vorbei kommen. Auf der einen Seite wurde ihr der Weg jedoch durch einen Baum und auf der anderen von dornigem Gestrüpp versperrt.
    Blieb nur noch der Weg durch die Mitte, wobei die Tiere leicht versetzte standen, was sie in eine bessere Position brachte als die Beor.
    Entschlossen umfasste sie die Griffe ihrer Waffen fester. Ihr Körper war bis aufs Äusserste angespannt als sie auf den Wolf der ihr näher stand zu rannte.
    Mit einem gekonnten Hechtsprung setzte sie über den grauen Rücken des Tieres, welches versuchte sie zu schnappen, hinweg.
    Sie rollte sich ab und stiess mit einem ihrer Dolche nach dem Kopf des Wolfes. Sie traf ziemlich genau zwischen die Augen und ein weiteres Jaulen erfüllte die Luft.
    Hastig zog sie ihre Hand samt dem Dolch, von dessen Klinge Blut troff, zurück und richtete sich auf.Ihr Blick fand den ihres Kitkämpfers und sie erwiderte das Kopfnicken. Die seltsamen Worte die er dem Rudel entgegen schrie verstand sie nicht, überging dies für den Moment jedoch einfach.


    Nun befand sich immerhin der Grossteil des Rudels zwischen ihr und dem Krieger, was ihnen eine überlegene Kampfposition verschaffte. Trotzdem waren die Tiere in der Überzahl, was man keinesfalls unterschätzen durfte.
    Gerade als sie sich dem nächsten Tier zuwenden wollte, erhaschte sie eine Bewegung hinter dem Krieger. Ohne gross nachzudenken liess sie die Dolche fallen, griff den Bogen von ihrem Rücken und legte den Pfeil an. Sie feuerte den Pfeil genau in dem Moment ab, in welchem der Wolf zum Sprung ansetzte. Leblos fiel der Körper dem Mann, welcher sich den anderen Wölfen zugewandt hatte, vor die Füsse.

  • Etwa fünf Schritte linker Hand setzte seine Begleiterin gerade mit einem eleganten Sprung über einen der Angreifer hinweg und verletzte ihn mit dem Dolch zwischen den Augen. Khoor erledigte den Rest und zerschmetterte dem blutenden Tier mit dem Streitkolben den Schädel. Der Schwung trug ihn etwas zu weit von der beabsichtigen Position fort, was einer der Wölfe offenbar sogleich hatte ausnutzen wollen und mit geifernden, gefletschten Zähne hochschnellte und sich im Sprung auf Khoor's Kehle zu befand. Mitten in der Luft erschütterte jedoch etwas den Leib des Tieres, warf ihn aus der Bahn und tot landete er vor den Füßen des Drak'khir's, der zitternde Schaft eines Pfeils in dem leblosen Körper zeugte davon, was geschehen war. DIESE Fähigkeit der jungen Kämpferin war ebenfalls sehr willkommen. Khoor brach sein hastiges Abwehrmanöver augenblicklich ab und orientierte sich neu. Im Rücken der schwarzhaarigen Frau katapultierte die Aufprallwucht zweier tellergroßer Hufe soeben einen weiteren hinterrücks angreifenden Wolf gut anderthalb Meter in die Höhe und ließ diesen schwer auf den Boden krachen. Der zunächst recht koordinierte Angriff des Wolfsrudels wurde nun hektischer, nachdem ihre Formation durchbrochen war, aber auch noch verbissener. Khoor's Streitkolben brachte einen Wolf aus dem Tritt als er ihm den Lauf zerschmetterte aber gerade als der Drak'khir über ihm stand und ihm mit gezieltem Hieb das Rückgrat zerschlug, brachte ihn die Attacke eines weiteren Wolfs aus dem Gleichgewicht und ließ ihn zur Seite taumeln. Khoor ließ den Prügel fallen, aber der Angreifer machte den Fehler, die Zähne in die Außenseite seines Oberarms schlagen zu wollen. Die feste Drachenhaut verhinderte das, dennoch ging Khoor unter der Wucht des Aufpralls zu Boden und stieß ein zorniges Zischen aus, denn auch wenn das Tier ihn nicht verletzte - der Schmerz des von den Zähnen gequetschten Fleisches war mörderisch. Wütend tastete der Drak'khir nach dem Dolch an seinem Gürtel und hieb wutschnaubend immer wieder auf die Seite des Tieres ein, bis dieses im Todeskampf endlich von seinem Arm abließ und sterbend nach dem Dolch schnappte. Hastig rappelte Khoor sich auf, um zu sehen, wie der Kampf stand...

  • Zufrieden liess die Nymphe den Bogen sinken. Damit hatte sie ihm hoffentlich zur Genüge bewiesen, dass sie sehr wohl fähig war.
    Zugunsten der beiden Dolche befestigte sie den Bogen rasch wieder auf ihrem Rücken, neben dem Köcher mit den Pfeilen. Dann hob sie die beiden silbernen Klingen wieder auf. Mit diesen in der Hand fühlte sie sich doch wesentlich sicherer.
    Als das grosse Pferd des Kriegers hinter ihr heftig ausschlug und einen Wolf hinfort katapultierte, setzte Kyleja diesem mit wenigen Schritte nach und durchtrennte dem Tier die Kehle, solange es noch benommen am Boden lag.
    Das Zischen des Kriegers liess sie herumwirbeln. Er war zu Boden gegangen und rang mit einem der Wölfe. Sofort rannte die Schwarzhaarige los um das Tier von ihm herunter zu stossen. Doch noch während sie sich zwischen zwei anderen Wölfen hindurch manövrierte indem sie einem der beiden den Dolch in ihrer Rechten zwischen die Augen warf und im vorbeirennen wieder auflas, befreite sich der Hüne von dem grauen Tier.
    In einer, einer Pirouette ähnlichen, fliessenden Bewegung, wirbelte die Nymphe ein weiteres Mal herum und wich so dem Angriff des zweiten Wolfes aus. Als dieser auf sie springen wollte liess sie sich auf den Rücken fallen und stiess ihre beiden Dolche in dessen Leib als er auf ihr landen wollte. Schlaff sackte der Körper nach unten. Rasch rollte sie sich unter dem leblosen Wolf hinfort und erhob sich in eine angespannte, abwartende Position.
    Schwer atmend kam sie nur wenige Schritte neben dem Krieger zu stehen. In ihrem teils verschwitzen Haar hingen Blätter und Gras von ihrer Begegnung mit dem Waldboden zuvor. Ihr Blick suchte den des Kriegers für eine kurze Bestätigung seines Zustandes, immerhin hatte der Wolf ihn voll erwischt.


    Nun waren nur mehr 3 Tiere übrig, die sich vor den beiden zwangsläufigen Kampfgefährten aufbauten.
    Kyleja nahm ihre Dolche noch einmal fester in die Hände. Der nächste Angriff würde der letzte sein, das war sicher.

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