In der Schule

  • Ayala lächelte und entblößte ihre spitzen Eckzähne. "Nur neun Leben, sagt Ihr? Na, dann wäre es doch eine Schande, sie nicht zu nutzen." Arvanor war näher an der Wahrheit, als er vielleicht wusste - aber die neuen Leben eines Cath'Shyrr waren ein gut gehütetes Geheimnis dieses Volkes, und so verlor sie kein Wort weiter darüber. "Gut, in fünf Tagen werdet Ihr mich wiedersehen, Arvanor. Nurd'Dhao!", verabschiedete sie sich in der Sprache ihres eigenen Volkes.


    Damit verließ sie das Gebäude und das Geländer der Fechtschule. Die folgenden fünf Tage verbrachte sie nicht zu Hause - nun, wenn sie etwas hier überhaupt ihr Zuhause nennen konnte. Sie hoffte nur, Sarandir Eisenklinge würde keinen Anstoß an ihrer Abwesenheit nehmen, aber dies hier war eben wichtiger als der Jagd nach einer Diebin. So zog sie sich in die Wildnis zurück und suchte sich im Wald eine geschütze Lichtung. Eine kleine Hütte war rasch errichtet - immerhin lebte ihr Clan auch in den tiefen Wäldern ihrer Heimat, so dass sie wusste, worauf es ankam. Sie verbrachte die nächsten 5 Tage tatsächlich zu einem großen Teil mit Schlafen, was Katzen ja gar nicht schwerfiel. Den Rest der Zeit widmete sie jenen Meditationsübungen, die ihr Vater sie gelehrt hatte. Diese wirkten wie langsam ausgeführte Attacken oder Paraden; die Bewegungen waren fließend und geschmeidig und erforderten, obwohl sie so mühelos wirkten, hohes Können und eiserne Konzentration. Sie sollten den Geist auf einen bevorstehenden Kampf vorbereiten. Deswegen erschienen ihr diese Übungen passend. Über ihren Wunsch, Klingentänzerin zu werden, musste sie jedoch nicht großartig nachdenken. Musste man wirklich für eine Berufung logische Gründe zu deren Rechtfertigung finden? Es gab Dinge, die erschlossen sich dem Verstand einfach nicht, und so war es damit. Es hatte jedenfalls nichts damit zu tun, dass sie hier neue Kampftechniken lernen konnte, mit denmen sie ihre Gegner noch effektiver besiegen würde. Klingentänzerin zu werden bedeutete schlicht und ergreifend das zu sein, wozu sie geboren war. Das noch vor anderen zu rechtfertigen, oder vor sich selbst, erschien ihr überflüssig.


    Nach fünf Tagen erschien Ayala wie verabredet um Mitternacht wieder in der fechtschule, ausgeruht und so gut es eben ging, wenn man nicht wirklich wusste, was einen erwartet, vorbereitet.

  • Als Ayala das Grundstück der Fechtschule von Arvanor betrat, wehte ihr ein eisiger Wind entgegen.Merkwürdig war nur dass die Bäume sich nicht bei diesem starken Wind mitbewegten. Schon aus weiter Entfernung, immerhin mußte sie bis zum Eingang des Hauptgebäudes circa 50 Meter gehen, konnte sie vor dem Eingang zwei Männer stehen sehen. Dank ihrer Katzenaugen erkannte Ayala, dass es sich um Elfen handelte, Elfen in Rüstung, mit Speeren in der rechen Hand und in einer Wachstellung stehend. Ayala wußte auch, dass die beiden Männer des Elfenvolkes sie längst bemerkt hatten. Aber etwas war merkwürdig an ihnen. Und dann erkannte sie den Grund beim Näherkommen. Ihre Körper waren durchscheinend. Geister der Elfen.
    Die zwei Geisterelfen beäugten sie. Der linke Mann machte mit seiner freien Hand eine einladende Geste zur Eingangstür, die sich im gleichen Moment lautlos öffnete. Dahinter war Dunkelheit...

  • Das Grundstück hatte sich verändert, seit Ayala zum letzten Mal hier gewesen war. Nicht, dass diese Änderung auf dem ersten Blick ersichtlich gewesen wäre, aber sie war dennoch spürbar. Ein Wind, der nur sie frösteln ließ, aber die Bäume nicht berührte. Geister längst verstorbener Elfenkrieger... ob ihre Reaktion darauf schon Teil der Prüfung war? Den Wind ignorierte sie jedenfalls so gut es ging. Es wäre auch ein wirklich trauriger Start in ihre Karriere als Klingentänzerin, wenn sie sich davon Bange machen ließe. Im Geiste ging sie die Lehrsätze ihres Vaters durch, die sie als Kind so oft wiederholt hatte. Tritt jeder Gefahr furchtlos, aber nicht leichtsinnig entgegen. Unterschätze den Gegner niemals. Überschätze dich selbst niemals. Bleibe unter allen Umständen beherrscht, denn wer sich hinreißen lässt, hat schon verloren. Bleibe unter allen Umständen im Einklang mit der Melodie, die deinen Schwerttanz führt. Sei du selbst, immer und in jeder Situation. Sei du selbst. Sei du selbst. Ayala atmete tief durch. Darauf kam es an. Vermutlich wurde nicht verlangt, dass sie schon eine perfekte, unerschrockene, in allen Lagen überlegene Kämpferin war. Nein. Es kam darauf an, dass sie sich selbst, ihren Idealen und Vorstellungen treu blieb auch im Angesicht von Gefahr und Tod.


    Ayala lächelte der geistererscheinung, die ihr den Weg wies, mit einem höflichen Neigen des Kopfes zu und schritt durch das Tor in die wartende Dunkelheit.

  • Als Ayala das Dunkel des Eingangs zur Schule betrat, schien es, als ob sie eine andere Welt betreten hatte. Fackeln glommen plötzlich auf und erhellten das Innere, welches irgendwie überhaupt nicht zu dem Bild der Schule passte, welches Katzenkriegerin im Gedächtnis hatte. Die Mauern wirkten so anders, Marmor. Ja es war Marmor. Der Flur hatte die Form eines runden Raumes angenommen. Rechts und links waren hohe, bogenartige Durchgänge, welche in andere Räume zu führen schienen. Mehrere Elfen, alle mit anmutig geschwungenen Klingen bewaffnet, redeten miteinander. Andere saßen einfach auf dem Boden und schienen ins Leere zu sehen. Dann mit einem Schlag war das Bild weg und Ayala stand in dem recht normal wirkenden Eingangsraum der Fechtschule von Arvanor.
    Sie war jedoch nicht alleine. Der junge Mann mit Namen Dalandir, den sie noch von ihrem ersten Training in Erinnerung gehabt hatte, stand vor ihr. Er trug ganz normale Kleidung, bestehend aus einer bequem geschnittenen dunklen Hose, einem ebenfalls dunklen Hemd, welches die beiden obersten Knöpfe lässig geöffnet hatte, dunkle, leichte Lederschuhe und in seiner linken Hand eine der geschwungenen Klingen aus der Illusion. Er nickte Ayala freundlich zu.


    "Willkommen zu Eurer Prüfung. Ich werde eure ersten Fragen beantworten, den Rest wird Arvanor übernehmen. Ich assistiere nur!"

  • Ayala beobachtete aufmerksam das Geschehen um sich her, doch Schrecken oder dergleichen jagte es ihr nicht mehr ein, und dass indiesem Hause mit Magie gearbeitet wurde, wusste sie ja schon. Möglicherweise wurde ihr hier ein kurzer Blick auf die Vergangenheit gewährt?


    Als das Bild verging und Dalandir sie begrüßte, hatte sie jedenfalls ihrealte Selbstsicherheit wiedergewonnen. Ebenso freundlich erwiderte sie Dalandirs Begrüßung. "Seid gegrüßt, und danke. Auch dass Ihr meine Fragen beantworten wollt, auch wenn ich dachte, dass eher ich welche beantworten müsste." Die Cath'Shyrr lachte ihr warmes, anziehendes Lachen. "Nun, aber dann habe ich tatsächlich eine Frage - was geschieht nun? Wie geht es weiter?"

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