An der Voliére

  • Neugierig und auch ein wenig beeindruckt vom Gehorsam der beiden Vögel, folgte Miashai Brennan zu der großen Voliére in einem abgeschiedenen Teil seines Gartens. Zwar hatte die Nymphe schon einiges über die besonderen Fähigkeiten jener Vögel zu Ohren bekommen, doch für gewöhnlich hielten ihre Herren diese stets so gut unter Verschluss, daß man diese Geschichten ebenso gut als einfache Gerüchte einstufen konnte. Allerdings mit eigenen Augen zu sehen, wie die Tiere auf einen einfachen Befehl reagierten, konnte kaum damit verglichen werden.


    "Sagt mir... wie lange dauert es, bis das Training eines solchen Vogels abgeschlossen wird. Versteht mich bitte nicht falsch, ich möchte nicht ungeduldig erscheinen, doch ich weiß nur wenig von dem realen Ablauf dieser Dinge."


    Das Lächeln der Nymphe wirkte beinahe entschuldigend - zwar war sie nicht unbedingt scheu und zurückhaltend, doch sie mochte es nicht unhöflich zu erscheinen.

  • Brennan setzte die beiden Vögel auf einen Zweig in der Voliere.


    "Nun," antwortete er. "Das ist von Vogel zu Vogel unterschiedlich. Schattenschlag und Sahira sind zwei sehr gelehrige Vögel. Schattenschlag habe ich jetzt seit fast einem Jahr, Sahira ist er 3 Monate alt. Normalerweise ist ein guter Vogel nach 6 Monaten vollends ausgebildet. Es sei denn, man will ihnen ein wenig mehr beibringen.."


    Zärtlich berührte der Vogelhändler das grünbraune Gefieder des Vogels.
    "Ich fange erst 6 Wochen nach der Geburt mit dem Training an. Darum kann Sahira derzeit auch noch nicht viel mehr, als auf ihren Namen hören. Aber sie schnappt sehr viel auf.. Sahira, padawe!"
    Wieder ein Befehl in einer fremden Sprache - doch Sahira machte nichts.


    Der Vogelhändler lachte und verbeugte sich vor Miashai. "Es ist schön, dass ihr mein Gast seid." Indem er sich wieder aufrichtete, sprach er einen weiteren leisen Befehlt und Sahira hüpfte auf Brennans Hand. Der Vogelhändler hielt Miashai die Hand mit dem Vogel entgegen und der fing gleich an zu plappern. "Es ist schön, dass ihr klein Last seid."


    Erneut lachte Brennan. "Ja, wir stehen noch am Anfang... aber sie lernt gut." Brennan fasste in seine Jackentasche und zog ein kleinere Leckerei für die Vogeldame heraus.


    "Schattenschlag?" Tatsächlich war kein weiterer Befehl für den gelehrigen Vogel nötig. Er flog auf Miashais Schulter und begann ein Lied zu trällern. "Sehr brav." Nun bekam auch Schattenschlag seine verdiente Belohnung.

  • Miashai lachte entzückt auf, als der kleine Vogel die Worte des Vogelhändlers auf diese besondere Art und Weise wiederholte und streckte dann vorsichtig die Hand nach ihm aus, um das weiche Gefieder zaghaft zu berühren. Erstaunt bemerkte sie, daß der Vogel nicht vor ihr zurückschreckte, sondern recht zutraulich an Ort und Stelle verharrte. Schließlich richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Vogelhändler, wobei sich ein leichter Erdbeerduft in dem Garten auszubreiten begann.


    "Bisher war es mir nicht bewusst, daß man den Vögeln auch die Sprache beibringen kann. Sagt, sind sie denn nur in der Lage zu wiederholen was man ihnen sagt oder könnten sie auch eigene Sätze formulieren? Ist es das, was ihr mit ein wenig mehr beibringen meint?"


    Die Nymphe bemühte sich redlich darum, sich die Aufregung nicht anmerken zu lassen, doch es gelang ihr nur unzureichend. Ihre Wangen waren gerötet und in den ozeanblauen Augen lag ein seltsamerSchimmer, der sich nur schwer ergründen ließ.


    "Ich habe gehört, daß es Vögel gibt, die sich ihre Halter selbst aussuchen... und dies sollen die innigsten Verbindungen sein, die es zu diesen Tieren gibt... entspricht dies der Wahrheit oder ist es nur ein weiteres Gerücht?"

  • Brennan nickte und nun strich auch er Sahira sanft über das Gefieder.
    "Tatsächlich gibt es Vögel, die sich ihren Halter selber aussuchen. Aber das passiert sehr selten und ja - meistens sind sie die treuesten Gefährten."


    Der Händler drehte den Kopf und schien sich umzusehen, aber offensichtlich fand er nicht das, was er suchte. Er zuckte mit den Schultern.
    "Mich hat nur einmal ein Vogel gefunden. Meine Kalli. Ich habe keine Ahnung, wo sie sich gerade rumtreibt, aber wenn ihr irgendwo einen großen Rabenvogel seht, dann ist sie das mit Sicherheit."
    Er schmunzelte und fuhr sich mit der freien Hand über das Kinn.


    "Allerdings konnte ich Kalli nicht mehr beibringen, als ihr Dickkopf zugelassen hat, von daher ist sie wohl kein so gutes Beispiel." Brennan zwinkerte Miashai zu und griff dann nach ihrer Hand. Vorsichtig drehte er die Handfläche nach oben und setzte Sahira hinein.


    "Wer weiß, vielleicht würde sie sogar euch erwählen, aber Schattenschlag scheint auch ganz verzückt von euren Haaren zu sein." Nun lachte Brennan, denn der kleine Vogel, der noch immer auf Miashais Schulter saß, fing an mit seinem Schnabel in ihrem Haar zu wühlen und an einzelnen Strähnen zu ziehen.


    "Wenn er aufhören soll, sagt einfach bestimmt "Nein, Schattenschlag" zu ihm. Dann weiß er schon, dass er wieder Mist verzapft."
    Abermals grinste Brennan und setzte sich dann auf eine nahestehende Baumwurzel.


    "Es ist schon eine große Kunst, wenn Vögel nachplappern - und tatsächlich die Kunst, die die meisten meiner Kunden wünschen. Nichts ist unauffälliger als ein Vöglein zum spionieren. Aber manchen kann man auch antrainieren, dass sie eigene Worte von sich geben."

  • "Dann muss eure Kalli ein besonderer Vogel sein."


    Die Nymphe lachte entzückt, während Schattenschlag sich an ihrem Haar zu schaffen machte, hielt ihn jedoch nicht davon ab. So dauerte es einen Augenblick, in der sie sich mit den Vögeln beschäftigte, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Brennan richtete.


    "Ihr würdet also sagen, daß die Intelligenz dieser Vögel ausreicht, um tatsächlich zu reden? Ich muss gestehen, daß ich dies nie für möglich gehalten habe..."


    Miashais Interesse war geweckt - der Gedanke an einen sprechenden Vogelgefährten, der mehr vermochte als nur ein paar Worte nachzuahmen war in der Tat faszinierend. Sie kannte zwar einige größere Tierarten, die aufgrund von Magie zur Sprache fähig waren, sei es über die Gedanken oder über echte Worte, doch niemals hatte sie dieses Talent einem der bunten Vögelchen zugetraut, die sich in Shay'vinyar kennengelernt hatte.
    Mit einer Selbstverständlichkeit, die bei einer solch edel gekleideten Frau merkwürdig anmutete, trat sie näher zu Brennan heran und ließ sich zu seinen Füßen im Gras nieder, ohne großartig auf ihre Kleidung zu achten, die danach sicherlich den ein oder anderen Fleck aufweisen würde. Die behandschuhte Hand streichelte dabei sanft die kleine Sahira, die sich auf ihrer Handfläche niedergelassen hatte.

  • Brennan schmunzelte. "Nun, die Wenigsten wissen, dass dies möglich ist. Und gerade das ist mein Geschäft." Der Vogelhändler beobachtete mit einer gewissen Verzückung im Blick, wie Sahira es sich bei Miashai bequem gemacht hatte.


    "Wie gesagt, es gibt nichts, was unauffälliger ist als ein kleines Vöglein, das für seinen Herrn spioniert." Mit einem Schmunzeln auf den Lippen hob Brennan den Zeigefinger zu den Lippen. "Und ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr dieses "kleine Geheimnis" auch wie eins behandeln würdet."


    Seine Augen glitzerten vergnügt und Brennan beschloss, den beiden Vögeln noch ein paar zusätzliche Leckereien zu geben. Immerhin benahmen sie sich gerade ausgezeichnet und Brennan hatte das tiefe Gefühl, dass er mit der schönen Opernsängerin noch ein gutes Geschäft machen konnte.


    "Wenn ihr meine ehrliche Meinung wollt - nehmt Sahira. Sie ist noch formbarer als unser Freund Schattenschlag. Sie wird euch viel Freude bereiten - und mir wird es viel Freude bereiten, sie ganz nach euren Wünschen zu trainieren."

  • "Ihr könnt auf mich zählen - kein Wort über euer kleines Geheimnis wird meine Lippen verlassen. Denn sonst würde ich ja sogar meinen eigenen Vorteil verraten."


    Miashais Tonfall wirkte beinahe ein wenig verschwörerisch und ließ ihre saphirblauen Augen für einen kurzen Moment funkeln, löste sich jedoch dann in einem heiteren Lachen auf, das die Geheimnistuerei als Scherz entlarvte. Selbstverständlich würde sie niemals ein Wort über die Geheimnisse des Vogelhändlers verlieren, auch wenn sie den Vogel nicht zu Spionagezwecken einzusetzen gedacht - doch am Ende wusste man dies ja nie, bevor es soweit war.
    Als Brennan schließlich ihre Aufmerksam wieder auf Sahira lenkte, betrachtete sie Sahira noch ein weiteres Mal eingehend und schien für einen Augenblick in Gedanken versunken, bevor sie sich wieder zu ihm unwandte.


    "Ich vertraue euch - eure Erfahrung wird euch sicherlich nicht täuschen und ich glaube, daß Sahira die richtige Begleiterin für mich sein könnte... ja... ich wähle Sahira."


    Sie nickte, noch immer ein klein wenig abwesend und wie um sich selbst von ihren Worten zu überzeugen.

  • "Eine gute Wahl." Brennan lächelte die Sängerin an und begutachtete schmunzelnd den kleinen Vogel, der sich offenbar sehr wohl bei Miashai fühlte.


    Als Vogelhändler war Brennan es gewohnt, die Vögel wegzugeben, die er von klein aufgezogen hatte und die ihm so am Herzen lagen. Er versuchte immer, sie in gute Hände zu geben, aber man konnte nunmal nicht wissen, was hinter so manchem Kopf steckte. Doch bei Miashai hatte Brennan aus irgendeinem Grund ein sehr gutes Gefühl. Sahira, die auf ihn soviel zerbrechlicher wirkte, als es Schattenschlag tat, würde es wohl gut bei ihr haben.


    "Ihr seit zu mir gekommen, weil ihr einen besonderen Vogel haben wollt. Den habt ihr nun bekommen. Aber mit Sicherheit schwebt euch doch auch bereits vor, was die kleine Sahira können soll, nicht wahr, meine Teure?"
    Brennan grinste. Er war gespannt, welche Ausbildung das grünbraune Vögelchen bekommen sollte.

  • "Oh nun..."


    Miashai zögerte zunächst, nicht ganz sicher, was sie darauf antworten sollte und für einen Augenblick durchzog der leichte, kaum wahrnehmbare Duft nach frischen Pfirsichen den Garten des Vogelhändlers. Dann fing sie sich jedoch wieder und richtete die Saphirfarbenen Augen fest auf Brennan. Die Unsicherheit schien verflogen und war auch in ihrer Stimme nicht mehr zu bemerken.


    "Es mag merkwürdig klingen, das ist mir bewusst - aber ich hätte es gerne, wenn sie zwei Dinge beherrscht. Einmal sollte sie eine ständige Begleitung sein, die mir nicht von der Seite weicht - doch gleichzeitig soll sie dazu in der Lage sein mir zu berichten, wenn in meiner Abwesenheit ein Eindringling meine Gemächer aufgesucht hat... und was er dort getan hat."


    Bei den letzten Worten hatte Miashais Stimme einen merkwürdigen Beiklang, so als sei dies schon einmal geschehen. Sie stockte für einen Augenblick, bevor sie weitersprach.


    "Es ist mir bewusst, daß sie sicherlich niemals genügend Sprache erlernen wird, um mir wirklich etwas mitzuteilen, doch es würde mir bereits reichen, wenn sie es mir auf irgendeine Weise deutlich machen könnte - natürlich, ohne sich einer Gefahr auszusetzen."

  • Aufmerkam hörte Brennan Miashai zu und nickte ab und zu kurz. Dann schien er für einen Augenblick lang mit seinen Gedanken fortzuschweifen, Miashai und die Voliére gar nicht mehr wahrzunehmen, bevor er seine Augen wieder auf die hübsche Sängerin richtete.


    "Es wird einiges an Ausbildung benötigen, aber Sahira hat die nötigen Talente dazu." Berichtete der Vogelhändler.
    "Was haltet ihr davon, wenn wir die Ausbildung langsam beginnen? Ihr kommt zunächst jeden Tag hier vorbei und besucht Sahira. Ich führe in dieser Zeit das Training mit ihr durch und sie kann sich an euch gewöhnen.
    Ihr würdet die Kleine erst in zwei Wochen mit zu euch nehmen können. Ihr könntet sie auch jetzt schon mitnehmen, doch wäre die Umgewöhnung sehr groß und sie würde langsamer lernen."


    Der Vogelhändler blickte Miashai an. "Sobald Sahira bei euch wohnt, würde ich das Training in euren eigenen Gemächern fortführen und euch einige Übungen mitgeben, mit der ihr sie immer weiter trainieren könnt. Auch wenn sie euch nicht Namen und Aussehen eines Eindringlings verraten können wird, so wird sie euch doch sehr schnell zeigen können, ob jemand etwas bei euch gesucht oder mitgenommen hat."

  • "Oh, das wäre wunderbar. Nein, natürlich werde ich mit Freuden diese zwei Wochen abwarten, um Sahira bei mir in Empfang zu nehmen. Auf keinen Fall möchte ich, daß ihre Ausbildung auf irgendeine Weise beeinträchtigt wird!"


    Unsicher verharrte die Nymphe für einen Augenblick. Das Gespräch schien sich dem Ende zu neigen und sie wurde sich plötzlich bewusst, daß sie im Gras des Gartens saß und wahrscheinlich furchtbar unschicklich wirken musste, insbesondere, da die Vermutung nahe lag, daß der Vogelhändler nicht in schlechten Kreisen verkehrte. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen, untypisch für ihr selbstbewusstes Naturell, und sie war sich nicht sicher, was sie in diesem Augenblick so beunruhigte. So erhob sie sich also so würdevoll, wie es ihr möglich war.


    "Nun..."


    Für einen Augenblick blickte Miashai zu Boden und wischte einen imaginären Fleck von ihrer Kleidung, bevor sie wieder zu Brennan empor sah.


    "... dann werde ich euch also in zwei Tagen wieder aufsuchen und nach Sahiras Fortschritten sehen."

  • Brennan half Miashai galant hoch und lächelte die Sängerin an.
    "Sahira wird sicher schnell lernen und ihr werdet viel Freude an ihr finden." Versprach er ihr und setzte mit einem charmanten Grinsen hinzu:


    "Und ich werde mich freuen, euch in Zukunft häufiger zu sehen. Ihr solltet darauf achtgeben, dass ich Sahira nicht länger trainieren möchte, als es nötig wäre."
    Er zwinkerte Miashai zu und öffnete die Tür der Voliére.


    Nachdem Miashai hinaus getreten war, holte der Händler aus seiner Hosentasche noch eine Hand voll Körner heraus und warf sie seinen Vögeln hin, die sich - die einen mehr, die anderen weniger gierig - auf die zusätzlichen Leckerein stürtzten.

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