Amelie Goldstern`s Tanzschule

  • Morgaina knickste wieder und meinte leise:
    "Ich möchte Euch aber nicht zur Last fallen. Es ist bereits spät und Ihr hattet mehr Geduld mit mir, als ich gehofft hatte. Doch habe ich eine Frage an Euch. Ihr sagtet, ich sei auf Beleriar? Ihr meint die versunkene Insel? Jene, die Mythen und Geschichten erwähnen? Aber wie ist dies möglich?"


    Morgaina wankte kurz, sie war zeitig aufgebrochen, dann hatte sie den Schrecken des Portalsübergang erlebt und nun bereits in fortgeschrittener Nachtstunde hier vor dem Heim einer Unbekannten gelandet. Morgaina wurde eine erneute Unhöflichkeit bewusst. Sie neigte den Kopf leicht und sagte:


    "Verzeiht, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe, mein Name ist Morgaina. Und ich nehme gerne Euer Angebot an. Und ich könnte es verstehen, wenn Ihr mich nach dieser Tasse wieder an die frische Luft setzen würdet."
    Wobei Morgaina hoffte, dass sie nicht wieder diese Nacht auf die dunkle Strasse geworfen würde.

  • Mit hochgezogenen Augenbrauen lauschte Amelie den Worten der Fremden, beobachtete diese genau. Sie sah müde aus. Viel zu müde, als dass sie in dieser Nacht noch in der Lage wäre, irgendwohin zu gehen. Amelie würde sich wohl bis zum nächsten Tag gedulden müssen und eine leise Vorfreude flammte in ihr auf, hatte sie doch endlich jemanden getroffen, der ihr mitunter den Weg nach oben zeigen konnte.


    Fürsorglich legte die Nymphe den Arm um Morgainas Schultern und führte sie hinein. "Ja. Ihr seid auf der versunkenen Insel. Und ja. Es gibt sie wirklich", erklärte sie geduldig, während sie Schritt für Schritt weiter ging. "Ihr habt wohl eine der Pforten gefunden, welche die beiden Welten miteinander verbinden", erklärte sie im Gehen. Drinnen angekommen, verschloß sie die schwere Tür der Tanzschule hinter ihnen und ging weiter, in Richtung der Treppe, die nach oben in die Wohnräume führte. "Und mein Name ist Amelie. Dies ist meine Tanzschule", stellte sie sich und ihr Haus mit einer ausladenden, stolzen Armbewegung vor. "Ihr könnt diese Nacht hier verbringen und morgen sehen wir weiter". Während sie sprach, legte sich ein weiteres Lächeln auf ihr Gesicht.

  • Morgainas Augen weiteten sich erstaunt. Es gab eine Verbindung zwischen hier und "oben"? Das hätte sie nicht gedacht. Also stimmten die uralten Überlieferungen, die die wenigen Geschichtenerzähler zum Besten gaben.
    Doch dann kam ihr eine andere Bemerkung zum Bewußtsein, die diese freundliche Bewohnerin gemacht hatte. Morgaina streifte die Kapuze ihres Mantels von den Haaren und zog ihn über ihre Schultern. Akribisch legte sie ihn zusammen und sich über den Arm. Dabei störte sie ihr Beutel etwas. Sie sah sich um und meinte leise:
    "Sagtet Ihr eben, dies sei eine Tanzschule?" Ohne viel Federlesen nahm Morgaina sich nun auch den Beutel von den Schultern ließ beides, Beutel und Mantel auf den Boden fallen und schloss die Augen. Sie vermeinte Musik zu hören und schon begann sie sich zum Takt dieser nur für sie hörbaren Musik zu wiegen. Sie machte zwei Schritte nach vorne rechts, eine Pirouette, dass ihr weißes Haar wie ein dichter Schleier um ihr Gesicht flatterte und noch zwei Schritte nach links. Abermals eine Pirouette, doch mitten im Drehschritt schlug die Müdigkeit über ihr zusammen und ihr kam ziemlich schmerzhaft zum Bewußtsein, dass sie sich erneut ungebürlich benahm. Sie stoppte, errötete tief und senkte den Blick zu Boden. Dann knickste sie und hauchte, zu tiefst verlegen:
    "Verzeiht, meine Dame, dass ich mich vergessen habe. Ihr seid so freundlich zu mir und ich benehme mich wie ... wie ein Kind!"
    Morgaina strich sich eine der Strähnen hinter das Ohr und beugte sich zum Boden, hob den Mantel und den Beutel von dort auf, und warf einen schnellen Blick zu der Hausherrin, die sich mit "Amelie " vorgestellt hatte. Ob sie ihr sehr böse war, dass sich Morgaina einen weiteren Moment vergessen hatte?
    Seit Morgaina hier angekommen war, brachte sie andauernd ihrer Familie, die sie bei sich aufgenommen, gesund gepflegt und als eine der ihren betrachtet hatte, nur Schande.

  • Die Nymphe sah ihr zu, wie den Mantel abstreifte und war im Begriff, nach diesem zu langen, um ihn ordentlich aufzuhängen, als sich Morgaina das Kleidungsstück jedoch um den Arm legte. Auf die Frage der Fremden nickte sie lediglich, beobachtete die Frau,die Mantel und Beutel zu Boden gleiten ließ und beobachtete deren tanzenden Bewegungen. Langsam schritt sie auf die am Boden liegenden Sachen zu um diese aufzuheben und stand nun da, mit hochgezogenen Augenbrauen, um ihr beim Tanzen zuzusehen, vergaß ganz, Mantel und Beutel.


    Es war erstaunlich, wie sie sich bewegte zu einer Musik, die gar nicht existierte. Wurde nicht sie selbst schon des Öfteren für dieses Talent bewundert? Amelie ließ den Blick prüfend über die tanzende Gestalt gleiten. Stand sie etwa einer Artgenossin gegenüber? Doch nein. Das hätte die Nymphe sofort bemerkt. Vielleicht ein Halbblut? Ein merkwürdiges Gefühl umklammerte das Herz Amelies immer fester. Bisher war sie noch nie jemandem begegnet, der auch nur halb so gut tanzen konnte, wie sie selbst. Dies mochte unter anderem auch an Amelies Hochmut liegen, denn jeder, der die Möglichkeit hatte, die Nymphe näher kennen zu lernen, wusste, dass Amelie recht viel von sich selbst hielt. Zu viel vielleicht? Das würde sich herausstellen.


    Auf die Worte Morgainas, als diese geendet hatte, achtete sie kaum, hallten diese doch wie von weit her. Lediglich nickte Amelie, drehte sich um und bewegte sich abermals zur Treppe zu. "Folgt mir. Sicher möchtet Ihr nun endlich ausruhen". Ohne sich weiter umzudrehen, nahm sie Stufe für Stufe, bis sie schließlich oben angelangt war.

  • Morgaina nickte, noch immer etwas atemlos von ihrem Tanz und folgte Amelie in den oberen Stock. Was diese sich wohl gedacht hatte, als Morgaina die unhörbare Musik als Tanz sichtbar gemacht hatte? Sicher war sie froh, wenn Morgaina am nächsten Morgen wieder ihrer Wege ging. Wobei sich Morgaina fragte, was eigentlich nun dieser, ihr Weg, sei. Am Morgen dieses denkwürdigen Tages hatte sie noch gedacht, sie sei auf der Spur ihrer eigenen Vergangenheit. Jetzt, beinahe am Ende dieses Tages war sie weiter von ihrer selbst gestellten Aufgabe entfernt. Und das lag nicht nur daran, dass ein ganzer Ozean über ihrem Kopf sie von der Oberwelt trennte. Sondern auch daran, dass Morgaina befürchtete, das Portal, durch das sie gekommen war, wäre für sie unbrauchbar. Sagten denn nicht die alten Überlieferungen, dass nie ein Verschwundener je mehr zurückkam? Aber wenn sie so nachdachte, sie hätte es auch schlechter erwischen können.
    Morgaina gähnte verstohlen und wollte eben etwas sagen, als sie einen leisen Ruf vernahm. Sie drehte sich um und ihre Augen wurden groß. Morgaina stand auf der obersten Stufe und unten in der Eingangshalle befanden sich viele Menschen. Doch Morgaina konnte sie nicht richtig erkennen, es war, als würden sie sich hinter die Sicht behindernten Vorhänge befinden. Leise, einschmeichelnde Musik drang an Morgainas Ohr und vereinzeltes Lachen berichtete ihr von einer Festlichkeit, die eben noch nicht vorhanden war. Und dann sah Morgaina sie!
    Sie drängte sich durch die Menge und hatte ihren Blick unverwandt auf Morgaina gerichtet. Sie erreichte die erste Stufe und ein warmes Lächeln spielte um ihre vollen Lippen. Sie trug wieder dieses rote kleid und ihr Haar spielte in einem unsichtbaren Wind. Sie streckte die Hand nach Morgaina aus und ein sehnsüchtiger Zug trat auf ihre edlen Gesichtszüge.
    "Was wollt Ihr von mir?" fragte Morgaina und war hin und her gerissen zwischen dem Gefühl von Gefahr und der Sehnsucht, die Hand der Frau im roten Kleid zu ergreifen und sich in ihre Arme zu kuscheln.
    "Komm zu mir, meine Tochter!" Leise wie ein Gespinnst wehten die Worte an Morgainas Ohr. Sie wollte antworten, doch ...
    ... Morgainas Blick fiel in die leere Halle der Tanzschule und sie spürte einen kalten Schauer den Rücken hinunter laufen. Morgaina wandte sich um und ihr Blick fiel auf die sie seltsam anblickende Hausherrin Amelie.

  • In Gedanken bereits im nächsten Tag versunken, schritt Amelie weiter und weiter, darüber nachgrübelnd, was sie wohl tun würde, sollten sie diese Pforte, durch welche Morgaina geschritten war, tatsächlich erreichen. Ob sie wohl zögern würde, ihre Heimat zu verlassen? Nein. Die Nymphe schüttelte energisch den Kopf. Sie würde nach oben gehen. Dorthin, wo auch sie endlich die unerreichbare Schönheit des Nachthimmels mit seinen unzähligen Sternen bewundern konnte, so wie es der Wunsch Shirashais war. Ein zufriedenes Lächeln glitt über ihre Lippen, als sie sich vorstellte, durch den echten Mondschein zu spazieren und die frische Nachtluft zu genießen.


    Doch Morgainas Stimme rief sie unvermittelt in die Gegenwart zurück. Die Hand auf der Türklinke, welche Amelie soeben herunter drücken wollte, hielt inne und die Nymphe drehte sich herum, stirnrunzelnd über diese Frage. "Sollte ich diese Worte nicht an Euch richten? Nicht ich war es, die an Eurer Tür geklopft hat", erwiderte Amelie verwirrt. Oder hatte Morgaina bemerkt, dass die Nymphe noch etwas mit ihr vorhatte? Schließlich musste sie sicheingestehen, dass diese Gedanken, noch oben zu gelangen, rein egoistischer Natur waren und Amelie nicht den Bruchteil einer Sekunde daran gedacht hatte, die Fremde mit nach oben zu nehmen, sollte es ihr denn gelingen.

  • Morgaina, noch immer verwirrt von dem Traumgesicht, das sie eben gehabt hatte, senkte die Augen. Was sollte sich ihr Gegenüber denken, dass Morgaina in eine leere Tanzhalle sprach? Doch nur kurz dauerte der Kampf, den Morgaina mit sich und jener Höflichkeit, die ihr anerzogen worden war, ausfocht. Sie fasste sich ein Herz und hob den Blick. Kurz zauderte sie, als sie den seltsamen Ausdruck in den Augen Amelies sah, beinahe berechnend? Doch sie tat es mit einem geistigen Schulterzucken ab.
    "Kennt Ihr eine Dame, die ein rotes Kleid trägt, mütterlich ist und anderen Wesen in Träumen erscheint? Auch in Tagträumen?" Unwillkürlich zeigte Morgaina nach unten. Noch meinte sie die Musik in den Ohren zu vernehmen und das Gelächter. Auch die sanfte Frauenstimme, doch ...!
    Sie war bestimmt müder als es den Anschein hatte und durch die Passage des Portals sicher durcheinander und verstört. Doch diese Frau war ihr bereits in früheren Träumen erschienen. Und da nichts im Leben ohne Vorbestimmung geschah, würde Morgaina diese Frau vielleicht hier unten finden. Doch was sollte dieser seltsame Blick von Amelie? Hatte sich Morgaina ungebührlich verhalten? Nun die Frage vorhin war es sicher, denn sie hatte noch keine Antwort erhalten. Um die Andere nicht noch mehr zu verwirren, knickste Morgaina und meinte leise:
    "Verzeiht mein seltsames Gebahren, sicher ist dies auf den Übergang zurück zu führen. Trotzdem wüsste ich gerne mehr über die Dame im roten Kleid. Vor allem, weshalb sie mich ihre Tochter nannte! Ich bin mir keinerlei Verwandtschaft mit dieser Dame bewusst!" Morgaina sah nochmals in die Halle, dann aber wandte sie sich wieder mit verstärkter Aufmerksamkeit Amelie zu. Vielleicht würde sie morgen mehr erfahren, wenn sie ausgeschlafen war und sich auf den Weg und die Suche nach einer Bleibe machte. Denn dass sie das Portal nicht mehr benutzen konnte, war Morgaina indirekt bewusst.

  • Eine Dame mit einem roten Kleid? Wie kam sie jetzt darauf? Amelie überlegte kurz, ob es tatsächlich so sinnvoll war, am nächsten Tag dieses Portal zu finden und dadurch nach Oben zu verschwinden. Vielleicht war dies der Grund für Morgainas geistige Verwirrung.


    Der Nymphe fiel nichts Besseres ein, als den Arm um die Schultern ihres Gastes zu legen und mit besänftigendem Lächeln den Kopf zu schütteln. "Ich kenne nur eine Einzige, die mir in meinen Träumen erscheint. Aber sie trägt ein schwarzes Kleid". Mit diesen Worten führte sie Morgaina in den Wohnbereich, wo sie sich setzen konnte. Die Tür zum Balkon war weit geöffnet und Amelie trat nach draußen, blickte nach oben in die Dunkelheit der Nacht. "Danke", flüsterte sie leise und lächelnd. Dann trat sie zurück, verschloss die Tür, trat an einen hölzernen Schrank und beförderte daraus zwei Tassen zum Vorschein. Diese plazierte sie auf dem niedrigen Tisch, der von zwei Sesseln umgeben war. "Welchen Tee bevorzugt Ihr?"

  • Morgaina überdachte ihren Wachtraum von vorhin, dann schüttelte sie den Kopf. Ihre Traumdame hatte ein rotes Kleid. Doch sie mochte nicht unhöflich quängeln, darum neigte sie leicht den Kopf und meinte leise:
    "Ich bevorzuge jede Art von Kräutertee. Dies hat meine Mutter immer belächelt."
    Morgaina sah sich um und hoffte, dass dies nicht als Unhöflichkeit bewertet würde.
    "Ihr habt es hier sehr schön. Verzeiht bitte, sollte ich jetzt als vorlaut erscheinen, doch mein bisheriges Zuhause war ein Zelt, das schnell auf und auch schnell wieder abgebaut werden konnte. Dafür gehörte der Großteil der Wüste meiner Familie!" Sie lächelte kurz, als sie das erstaunen im Gesicht der Gastgeberin bemerkte.
    "Vergebt bitte, es war nicht völlig ernst gemeint. Meine Familie sind Nomaden. Doch ein großer Teil der Sommeroase gehört tatsächlich meinem Vater. Seine Familie kommt schon seit Generationen dorthin! Von einem Aufenthalt dort brachte er mir dies mit!" Morgaina nestelte kurz in dem neben ihr am Boden stehenden Beutel und holte einen blauglitzernden Stein aus einem Lederbeutelchen. Sie legte den Stein auf den Tisch und das Licht spiegelte sich fassettenreich darin.

  • Amelie erhob sich und schritt aus dem Zimmer, nur um wenig später wieder mit einer Kanne Kräutertee wieder zu kommen und diese in die Mitte des kleinen Tisches zu stellen. Bei dieser Gelegenheit hatte sie auch die beiden Fläschchen, die sie bei sich trug, sorgsam in einem der Schränke verstaut.


    "Eure Mutter", stellte Amelie nachdenklich fest. "Ist es nicht vielleicht sie, die Euch in Euren Träumen heimsucht?" Möglich wäre es doch allemal. Doch dann hielt sie inne und lauschte den Worten ihres Gastes. Die Wüste. Dann hatte sie das Glück, jeden Abend den sternenklaren Nachthimmel bewundern zu können. Amelie beneidete sie fast ein bisschen darum. Wie schön es doch sein musste.


    Die Nymphe schweifte mit ihren Gedanken ab und träumte nun ihrerseits, was jedoch nicht lange anhielt, denn Morgaina zog etwas aus ihrem Beutel, was Amelies Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Stein. Doch es war ganz offensichtlich kein gwöhnlicher Stein. "Hat Euer Vater Euch auch erklärt, um was es sich hierbei handelt?" Fasziniert betrachteten die dunklen Augen das funkelnde kleine Ding auf ihrem Tisch und überlegte, was dies wohl sein mochte.

  • Morgaina dachte über Amelies Worte nach. Ihre Mutter?
    "Ich denke nicht, dass die Dame im roten Kleid meine Mutter ist. Sie ist klein und rund und lieb und ...! Doch jene Dame, die immer wieder in meinen Träumen auftaucht ist groß und schlank. Ihr goldenes Haar schmiegt sich sanft an ihre schmalen Schultern. Ihr Gesicht ist so gütig, als wäre sie ...!" Morgaina unterbrach sich. Beinahe hätte sie gesagt, dass sie eine Göttin hinter dieser geheimnisvollen Unbekannten vermutete. Doch sie wollte sich keine Blöße geben. Sie senkte den Blick, auf den Stein. Gleich darauf sah sie auf und bemerkte das Interesse Amelies daran.
    "Mein Vater hat mir erzählt, dass die Tochter des Sturmkönigs sich eines Tages in einen Sterblichen verliebt hatte, doch dieser wollte von ihr nichts wissen. Was sie auch versucht hatte, sein Interesse oder seine Liebe für sie zu erwecken, er blieb unnahbar. Schließlich wurde sie so wütend, dass sie einen Sandsturm entsandte um ihn zu bestrafen. Wirklich kam er auch in diesen Sturm und um sich zu retten, versprach er die Sturmprinzessin als seine Frau zu nehmen. Doch kaum war die Gefahr vorrüber und der Sturm eingeschlafen, zog er sein Versprechen zurück. Die Tochter des Sturmkönigs aber entbrannte vor Zorn und erstickte ihn mitten in der Wüste mittels Fließsand. Als er tot war, für immer ihrer Liebe entgangen, soll sie geweint haben. Blaue Tränen. Die Überlieferungen sprechen davon, dass die blauen Tränen der Sturmprinzessin eine seltene Art von Magie beinhalten!" Morgaina unterbrach sich und kurz huschte ein Lächeln über ihr müdes Gesicht. Sie streckte die Hand aus und hielt sie knapp über den Stein. Sofort liefen dunkle Wellen über die Fassetten und zarte, bläuliche Blitze zuckten von seiner Oberfläche zu Morgainas Hand hoch. Sie zog die Hand etwas an sich heran und der Stein folgte. Als sie die Finger schloss, blieb der Stein liegen, als hätte er sich nie bewegt.
    "Meine Mutter hat dies auch versucht, doch er bewegt sich nur bei meiner Hand. Mein Vater meinte damals, dies wäre meine besondere Magie. Doch ich denke, dies war nur als Trost gemeint, da ich mich furchtbar erschrocken hatte, als der Stein dies das erste Mal getan hatte!"

  • Als wäre sie ... Was? Amelie hätte zu gerne gewusst, wie der Satz zu Ende ging, doch leider konnte sie keine Gedanken lesen.


    Doch Morgaina fing an, die Geschichte dieses rätselhaften Steines zu offenbaren und so widmete sich die Nymphe dieser Erzählung und hörte aufmerksam zu. Ihr gefiel, was ihr Gast da erzählte und Amelie wünschte sich, sie selbst hätte auch derart magische Kräfte. Dann könnte sie sich an allen rächen, die ihr einst weh getan haben.


    Die dunklen Augen blieben an dem Stein haften, während sie sich die entsetzten Gesichter all jener ausmalte, denen ihre Rache gelten würde. Für kurze Zeit war sogar ein siegessicheres Lächeln auf ihren Zügen zu erkennen. "Blaue Tränen", murmelte sie und dann stockte ihr der Atem als sie sah, wie Morgainas magische Fähigkeiten wirkten. Hatte sie eine besondere Beziehung zu diesem Stein? Oder kam diese Magie tatsächlich von dem Stein selbst?


    "Was ist mit Eurem Vater? Hatte er denn magische Kräfte?" Wenn nicht ihre Mutter es war, der sie diese Gabe zu verdanken hatte, dann musste sie von ihrem Vater kommen.

  • "Mein Vater ist ein lieber und sanfter Mann. Seine einzige Magie besteht darin, dass die Herde wächst. Und dass ihn meine Mutter von Herzen liebt. Doch etwas verwirrt mich. Ich habe in letzter Zeit immer solch schrecklichen Träume. Mit Männern in dunklen Umhängen, wo einer davon mich in die Wüste verschleppt und ...!" Morgaina unterbrach sich. Wie kam sie dazu, einer ihr noch immer wildfremden Frau ihre Träume zu erzählen? Lag es daran, dass sie das Interesse spürte, das ihr diese dunkeläugige Schönheit entgegen brachte? Sie dachte kurz nach, dann meinte sie mit leiser werdender Stimme:
    "Mein Vater hat mir auch erzählt, dass ein Geheimnis auf meiner Geburt liegt. Doch welches das war, hatte er verschwiegen. So wie ich das sehe, wollte mein Vater mich nur trösten, als er von diesen Träumen erfuhr. Aber auch er konnte mir nicht richtig und glaubhaft erklären, woher ich diese Narbe auf meiner Stirn habe." Morgaina strich mit einer eleganten Handbewegung ihre Haare aus der Stirn und ließ ihr Gegenüber die dick vernarbt wirkende Stelle auf ihrer Stirn sehen.
    "In meinen Träumen beugt sich einer dieser schwarzen Dämonen über mich und stieß mir seinen Dolch in den Kopf. Dann verschwand er und ließ mich sterbend zurück. Mein Vater meinte nur, dass ich als kleines Kind vom Brunnenrand auf einen davor liegenden Stein gefallen bin und daher diese Narbe habe. Doch er konnte mir nicht erklären, wieso ich diesen Stein bewegen kann und in meinem Beutel, den ich seit meiner Geburt besitze ... ich denke doch, dass es seit dieser ist ... zwei weitere Steine sind. Meine Mutter wandte sich meist einer anderen Arbeit zu, wenn ich sie fragte, wie wohl meine Geburt vonstatten gegangen war. Als wäre da ein Geheimnis, das entweder so schrecklich oder so tief war, dass sie nicht darüber sprechen kann. Manchmal hatte sie mich auch so seltsam beobachtet, wenn eines der Tiere krank war und ich ihm geholfen habe. Aber in letzter Zeit hat sie diese Fähigkeit der Heilung akzeptiert. Nur die anderen, die wir manchmal trafen, die hatten sich voll Abscheu oder voll Angst von mir abgewendet."
    Morgaina schwieg wie erschöpft und sie überdachte kurz, was sie bisher erlebt hatte, seit sie aufgebrochen war. Sie öffnete die Finger und abermals zuckten die blauen Blitze zwischen dem Stein und ihrer Hand. Morgaina ergriff den Stein und steckte ihn wieder in den Beutel zurück. Sie schaute auf.
    "Verzeiht, es ist bereits zu vorgerückter Stunde und ich halte Euch von Eurem Schlafe ab, indem ich wahre Schauergeschichten erzähle. Ihr müsst mich für ein undankbares Ekel halten, dass ich Euch so lange aufhalte. Ich danke Euch für den wahrlich köstlichen Tee, doch jetzt möchte ich Euch nicht länger zur Last fallen. Es wird sich sicher ein stilles Plätzchen finden, wo ich den neuen Tag erwarten kann. Nehmt noch einmal meinen Dank entgegen und erlaubt mir, mich zurück zu ziehen!"
    Morgaina stand auf, knickste einmal, dann steckte sie den Beutel zurück an seinen Platz, griff nach dem Mantel und machte sich daran, den Raum zu verlassen. Sie hatte zwar keine Ahnung, wo sie den Rest dieser Nacht verbringen würde, doch sie wollte auch nicht dieser netten Tanzschulbesitzerin zur Last und auf die Nerven fallen.

  • Sie wollte gehen? Amelie wartete kaum eine Sekunde, ehe sie aufstand, ihrem Gast zu folgen. Sie konnte nicht gehen. Sie durfte einfach nicht, war es doch der sehnlichste Wunsch der Nymphe, dass Morgaina ihr am nächsten Tage die Stelle zeigte.


    "Oh bitte wartet!" Während dieser Worte streckte sie die Hand nach ihr aus. "Ich habe Euch angeboten, heute Nacht hier zu bleiben. Wo wollt Ihr denn sonst hin?" Sanft legte die Nymphe den Arm um Morgainas Schultern. "Ihr dürft gerne hier schlafen." Ein freundliches Lächeln huschte über Amelies Gesicht, während sie die Reaktion ihres Gegenübers ungeduldig abwartete. Natürlich konnte sie sie nicht aufhalten, wenn Morgaina denn gehen wollte. Doch in diesem Fall würde sie ihr folgen, hatte Amelie doch nicht vor, Morgaina so schnell wieder aus den Augen zu verlieren.


    "Ihr solltet Euch nun wirklich hin legen. Und Morgen früh sehen wir weiter".

  • Morgaina nickte. Sie war froh, wirklich froh, dass die Einladung ein weiteres Mal ausgesprochen worden war. Ihre Ablehnung hatte der Höflichkeit, die sie gelehrt worden war, Genüge getan. Und sie war ehrlich müde und Amelie hatte mit ihrer Frage, wo Morgaina sonst hin wollte, einen wunden Nerv getroffen. Darauf konnte ihr Morgaina keine Antwort geben. Also ließ sie sich wieder zwei Schritte in den Raum ziehen und unterdrückte mit Mühe ein unhöfliches Gähnen.
    "Ihr habt recht, ich wüsste nicht wohin. Ich danke Euch noch einmal für Euer freundliches Angebot und hoffe, dass ich Euch nicht zu ungelegen als Nachtgast komme!" Morgaina knickste und wartete, wohin Amelie sie bringen würde, um ihr müdes Haupt dort betten zu können.

  • "Aber nein", warf Amelie ein, lächelte ihr freundlich zu und führte sie durch den Gang, bis hin zum anderen Ende, an dem ihr eigenes Schlafzimmer lag. Hier würde Morgaina die Nacht in Ruhe verbringen können. Amelie schüttelte die Kissen auf und wies Morgaina an, sich hin zu legen. Sie selbst würde die Nacht draußen verbringen, Auf dem Balkon vor ihrem Wohnzimmer und die frische Nachtluft genießen.


    "Ich wünsche eine geruhsame Nacht". Nach diesen Worten schloss Amelie die Tür hinter sich und ging leisen Schrittes durch den Flur davon, hinüber in den Wohnraum, in dem sie zuvor noch diese interessante Unterhaltung geführt hatten. Mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen öffenete die Nymphe die Balkontür und öffnete diese leise, nur um sich einen Augenblick später auf der hölzernen weißen Bank nieder zu lassen, auf der sie so oft saß und die Ruhe der Nacht genoss.

  • Morgaina knickste, doch sie war sich nicht sicher, ob ihre Wirtin dies noch gesehen hatte. Sie hing den Mantel über einen Stuhl, legte ihren Beutel dazu und blickte zum Bett. Langsam schälte sie sich aus ihrem Kleid, hing es ordentlich ebenfalls über den Stuhl, zog die Schuhe aus und stellte sie akkurat nebeneinander vor das Bett. Dann schlüpfte sie unter die Decke, legte die Arme unter den Kopf und überdachte den vergangenen Tag.
    Der zeitige Morgen hatte sie noch oben im Lager ihrer Eltern gesehen. Dann war sie zu ihrer langen Wanderung aufgebrochen, hatte Schutz vor einem Sandsturm gesucht und ein geheimes Portal hierher an einen Ort der Legenden und Sagen gefunden. Und auch benützt. Doch sie konnte nicht sagen, was sie gemacht hatte oder wodurch der Mechanismus ausgelöst worden war. Sie hatte das Mosaik am Boden der Hausruine bewundert, dessen Steine wie ihr eigener Ambarin aussahen. Und dann ...? Sie hatte sich hier unter dem Meer befunden. In einer dunklen, stillen Gasse und hatte ein Nachtquartier gefunden, dessen Eigentümerin freundlich und zuvorkommend war.
    Morgainas Augen schlossen sich und bald schon verkündeten tiefe Atemzüge, dass sie eingeschlafen war.


    Sie war wieder in der Wüste. Der Sturm war über sie hinweg gebraust und ihr Kopf schmerzte. Das geronnene Blut hatte ihre Augen verklebt und noch immer sah sie vor ihrem geistigen Auge jenen Anführer, der sie töten wollte.
    Morgaina hob etwas den Kopf, denn sie hatte ein leises Geräusch gehört. Neben sich entdeckte sie eine der giftigen Wüstenschlangen. Doch in ihrem jetzigen Zustand war es ihr egal. Sie hatte Sehnsucht nach ihrer Mutter, der Kopf tat weh und sie merkte, wie das Fieber in ihrem Körper zu brennen begann.
    Ein raues, kehliges Räuspern erklang und ein Schatten fiel auf Morgaina. Eine dunkle Gestalt beugte sich zu ihr hinab und gleich daneben entdeckte sie eine junge, wunderhübsche Frau, die sie anlächelte. Die Dunkelgestalt nahm sie auf den Arm und die junge Frau strich ihr über die Stirn. Der Schmerz war wie weggezaubert und Morgaina fragte, die Augen von Fieber gerötet und geschwollen:
    "Mama?"
    "Schlafe, mein Mädchen! Ich werde immer über dich wachen. Denn du bist mir lieb, wie jede meiner Töchter. Doch du bist eine besondere Tochter, denn deine Adern durchströmt das Blut deiner Ahnen!"


    Morgaina runzelte im Schlaf die Stirn. Sie schlug die Augen auf und gleich darauf fiel ihr ein, dass sie nicht mehr in der Wüste war, sondern unter dem Meer und im Haus von Amelie. Aber noch immer vermeinte sie diese sanfte Stimme zu hören, die ihr erklärte, dass in ihren Adern das Blut ihrer Ahnen strömte. War dies nicht bei allen Lebewesen so? Dass sie auch ihre Ahnen in sich trugen? Waren Morgainas Ahnen etwas besonderes? Wenn ja, worin bestand diese Besonderheit? Seit sie erkannt hatte, dass die beiden, die sie aufgezogen hatten, nicht ihre leiblichen Eltern waren, ahnte sie schon, dass etwas anders war mit ihr. Sie hatte Heilkräfte, die zu Beginn ihre Adoptiveltern sehr geschockt hatten. Doch sie hatten Morgauina immer und überall unterstützt. Und dass sie Morgaina liebten, wie eine richtige Tochter, das hatten sie ihr oft genug gezeigt. Auch Morgaina brachte ihnen jene Liebe und den Respekt entgegen, den sie auch für ihre wahren Eltern aufgebracht hätte.
    Doch wie sie hier unten ihrer Vergangenheit nachspüren sollte und den Mörder ihres Volkes zur Rechenschaft ziehen konnte, das war Morgaina noch ein Rätsel. Vielleicht konnte sie ein weiteres Tor benutzen. Amelie kannte sicher einen der Plätze, wo man solch ein Portal finden konnte.
    Morgaina setzte sich auf und streckte sich. Dann schlug sie die Decke weg und setzte ihre Füße auf den Boden. Ob sie es schon wagen konnte, Amelie um etwas Wasser zum Waschen zu bitten? Oder schlief sie noch? Nun, es kam wohl auf einen Versuch an. Morgaina schlüpfte rasch in ihr Kleid und die Schuhe. Dann holte sie aus dem Beutel den Kamm und öffnete den Zopf. Sie fuhr ziemlich heftig durch die etwas verfilzten Haare und biss mehr als einmal die Zähne zusammen, wenn der Kamm riss. Sie atmete auf, als sich der Kamm endlich leicht durchführen ließ und sich ihre weißen Locken an die Schultern schmiegten. Die einzelne, kupferne Strähne die ihre ehemalige Haarfarbe zeigte, fügte sich passend ins Gesamtbild. Morgaina ließ diesmal ihr Haar offen und verstaute dann den Kamm wieder auf seinem Platz. Nun machte sie sich auf die Suche nach Amelie, um sie wegen dem Wassser zu bitten.

  • Morgaina verließ den Raum, sah sich jedoch noch einmal um, um ihn wiederzufinden und trat ans Geländer. Sie schaute in den Eingangsbereich hinunter und wieder vermeinte sie diese Musik zu hören. Doch dann stieß sie sich ab und wandte sich um. Einige Türen, die alle geschlossen waren, führten in unbekannte Bereiche. Morgaina überlegte kurz, dann ließ sie ihr Vorhaben fallen. Sie konnte nicht in einem fremden Haus fremde Türen öffnen. Das war keine Art, sich für die vergangene Nacht zu bedanken. Morgaina beschloss, den Tag ohne Waschung zu beginnen. Irgendwo würde sie sicher eine Gelegenheit dazu finden. Sie kehrte in das Zimmer zurück, packte den Polster, schüttelte ihn auf und ordnete schließlich das Bett. Dann trat sie einen Schritt zurück, betrachtete prüfend ihr Werk und nickte. Sie zog sich den Mantel über, griff in den Nacken, holte ihre Locken hervor und ließ sie außen wieder offen über den Rücken fallen. Danach griff sie nach dem Beutel, hängte ihn sich um und verließ den Raum.
    Es war still im Haus, als sie die Treppe hinunter stieg. Wo wohl Amelie die vergangene Nacht verbracht hatte? Morgaina fühlte sich ziemlich unhöflich, so sang und klanglos zu verschwinden und nicht einmal "Danke" zu sagen. Doch wenn Amelie schlief, wollte sie diese keineswegs wecken. Morgaina entsperrte die Haustür mit dem innen steckenden Hausschlüssel und öffnete leise die Tür. Nocheinmal wandte sie sich um und ihre Augen glitten über das Innere dieses gastfreundlichen Hauses. Abermals bedauerte sie, dass sie sich nicht bedanken und verabschieden konnte. Doch dann trat sie ins Freie und erschauerte kurz. Es schien die Stunde zu sein, wo die Nacht den neuen Morgen küsst. Noch war es dunkel, doch ein leichter Schimmer kündete bereits den beginnenden Morgen an. Die Morgenluft war frisch und roch nach Meer.
    Morgaina schloss das Tor, ging die wenigen Stufen hinunter, ließ den Garten mit der Blumenpracht und den sinnverwirrenden Gerüchen hinter sich und wandte sich wieder der Stelle zu, die sie gestern zum ersten Mal betreten hatte. Sie kam an dem weißen Haus mit der Schrift vorbei und bog in die enge Gasse ein, wo sie am Vortag von dem Portal abgesetzt worden war. Erfreut sah sie sich um, doch kein Portal war zu sehen. Die Gasse war eng und schmal und ohne ein irgendwie wirkendes Tor oder Portal oder was auch immer. Mehrere Häuser bildeten diese Gasse und dahinter verlief sie weiter.
    Morgaina starrte stumm und erstarrt auf das Kopfsteinpflaster zu ihren Füßen. War das Portal gestohlen worden oder war es einfach weiter gewandert? Morgainas Gedanken stürzten durcheinander. Doch dann atmete sie tief ein und aus, durchschritt die Gasse und noch einige weitere. Schmale und auch breite. Nach wenigen Schritten wusste sie nicht mehr, wo das Haus von Amelie gelegen hatte, doch das war ihr egal. Irgendwann würde sie jemanden treffen und den konnte sie dann ja fragen. Hufgetrappel hinter ihr ließ sie inne halten. Langsam wandte sie sich um.

  • Des Fest im Park war nun schon ein paar Tage her doch die dortigen Geschehnisse steckten Amelie immer noch in den Gliedern. An ihrem Hals waren deutlich blaue Flecken zu erkennen, die der Yassalar ihr zufügte, als er sie gepackt hatte. Diese jedoch versuchte Amelie mit einem nachtblauen Seidentuch zu kaschieren.


    Soeben kam sie vom Palast der Nacht. Sie hatte gebetet. Am Liebsten wäre sie dort geblieben doch sie hatte ja schließlich noch ein Leben. Shirashai und ihren Rettern sei Dank.


    Mit schnellen Schritten bewegte sie sich durch die Straßen, ihre Blicke stets wachsam umher huschend. Jede Ecke, jeden Baum und jede schattige Ecke hielt sie genau im Blick. Man konnte nie vorsichtig genug sein. Das hatte sie nun gelernt. Auch ihren Dolch würde sie niemals mehr zu Hause vergessen. Allein das Wissen, das Gewicht dieser Waffe an ihrem Gürtel zu verspüren, gab ihr ein bisschen mehr Sicherheit.


    Dennoch beschleunigte Amelie ihre Schritte. Nur noch eine Gasse und sie konnte ihre Haustür aufschließen. Endlich! Doch etwas ließ die Nymphe aufhorchen. Ging da jemand hinter ihr? Sie wagte einen Schritt über ihre Schulter doch sah niemanden. War es nur Einbildung? Vermochte der Yassalar auch jetzt noch, seine Macht auf sie auszuüben? Wann würde sie diesen Schrecken endlich überwunden haben?


    Mit zitternder Hand ergriff Amelie den Griff ihres Dolches, um diesen jederzeit gegen einen Angreifer einsetzen zu können. Dabei bemerkte sie jedoch nicht, dass ich in diesem Augenblick der lederne Beutel von ihrem Gürtel löste, in dem sie ungefähr 20 Golddukaten mit sich führte. Amelie beschleunigte ihren Schritt abermals und lief schließlich bis zum anderen Ende der Gasse, bog um eine Ecke und stand vor ihrer Villa. Eilig hastete sie durch den Vorgarten, öffnete mit ihrem Schlüssel die Haustür und schloss diese kurz darauf hinter sich. Vorsichtshalber drehte sie den Schlüssel 2 mal herum und lehnte sich schwer atmend gegen die hölzerne Eingangstür. Ihr Geldbeutel jedoch war zwischen den Pflastersteinen der Gasse liegen geblieben.

  • Die innere Ruhelosigkeit, welche wann immer das Flammenmädchen nichts zu tun hatte, erfasste, trieb sie ziellos durch die Gassen der Stadt. Heute Nacht hatte sich kein kleines Abenteuer ergeben, welches ihre Finger prickeln ließ oder ihr Blut in Wallung brachte. Doch wann immer sie dieses Gefühl erfasste, versuchte sie etwas zu tun, sich zu beschäftigen, ein Ziel zu finden, um ihre Gedanken in Bewegung zu halten.
    Heute Nacht gelüstete es ihr weder nach einem Besuch in der schwarzen Katze, noch nach einem Besuch auf dem Nachtmarkt. Dort war es ihr zu turbulent, sie wollte etwas erleben, was ihre Konzentration förderte.


    Und so hatte sie sich in dunkle Kleidung gehüllt und war aufgebrochen, noch ziellos, Ausschau haltend nach jemanden oder etwas, das ihre Aufmerksamkeit erregte und ihre Gedanken für die nächsten Stunden beschäftigen würde.
    Tatsächlich fand sie jemanden, der sie das typische Kribbeln in den Fingern verspüren ließ. Eine, in ihren Augen, ausgesprochen schöne Person, welche sich sehr aufmerksam umsah. Sie meinte zu spüren, dass es Angst war, was sie dazu trieb, doch mit Sicherheit konnte sie es nicht sagen. Doch etwas anderes als ihr Aussehen war es, was sie ins Auge fasste.


    Es war die Mischung eine äußerst aufmerksame Person und des Geldbeutels, welcher sie dazu brachte, der Frau in gebürtigem Abstand zu folgen. Sie schien sie sogar war zunehmen, doch noch bevor sie bemerkt wurde, war sie schon in eine Nebengasse gehuscht.
    Der ganze Spaß an der Sache verlor sich, als sie kurz darauf den Geldbeutel am Boden liegen fand und die verklingenden Schritte der Frau in der Entfernung darauf schließen ließen, dass sie es nicht bemerkt hatte. Mit einem Seufzer hob sie den Beutel auf und sah hinein. Das Geld reizte sie, keine Frage, doch ohne den Erfolg, sich die Beute selbst ergattert zu haben, war er deutlich kleiner.


    Sie steckte den Beutel ein und beschleunigte ihre Schritte, folgte der Besitzerin, bis zu einer Villa, vor welcher sie erst einmal stehen blieb. Sie schon die Kapuze hinab, entfernte den schwarzen Schal, welcher den größten Teil ihres Gesichtes verdeckte. Sie wollte nicht den Eindruck machen, jene Person zu sein, welche sie war: Eine Diebin. Dass sie trotzdem in grau-schwarzen Farbtönen gekleidet war, konnte sie nicht ändern, doch nachdem sie auch noch ihre Haare geöffnet hatte, sodass sie ihr offen über die Schulter fielen, wirkte sie hoffentlich weniger bedrohlich.


    Sie hob die Hand und klopfte kräftig an.

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