Pfotenabdrücke im Dunkeln

  • Seite an Seite schlenderten die beiden Wandlerinnen ins Adelsviertel hinüber, fanden schließlich den großen Park und nahmen einen Weg hinein.


    Losifa fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Vielleicht war es ein Fehler, doch sie wusste, dass sie hier niemandem misstrauen musste. War beinahe ungewohnt für sie. Am liebsten hätte sie die ganze Zeit gelächelt, sich auf dem Rasen ausgestreckt und in den dunklen Kuppelhimmel hinaufgesehen. Wie lange hatte sie keinen nächtlichen Spaziergang mehr gemacht? Viel zu lange!, entschied sie. Layia zeigte keine Anzeichen von Müdigkeit, und wenn sie schon nicht alleine umherwandern wollte …


    Unmissverständlich merkte man, Losifas Schritte waren leichter, befreiter und sicherer. Die Atmosphäre, auch die Gerüche der Natur ließen sie aufatmen. Doch halt – war da noch etwas anderes? Ein Geruch, ein leises Geräusch?


    Fragend wandte Losifa sich an die andere. Hatte sie ebenfalls gemerkt …?

  • Die Schritte, die sie tat, begannen ihre Aufmerksamkeit schrumpfen zu lassen, wann immer sie bemerkte, dass sie begann ihre Gedanken zu vergessen, begannen sie wieder gewohnte Kreise zu ziehen und so pendelte sie zwischen dem Denken und Träumen hin und her, fast als wenn sie kurz vor dem Einschlafen stünde. Der kühle Wind hatte ihre Kleidung bald durchdrungen, sich durch die feinen Maschen Eingang verschafft und sie herabgekühlt, körperlich wie geistig und so hüllte sie sich in ihren Umhang, während sie weiter neben der anderen Wandlerin herschlenderte.
    Erst als Losifa sich mit fragendem Blick an sie wendete, bemerkte sie, dass ihre Gedanken fern waren, sie nicht bemerkt hatte, wieviel Zeit schon vergangen war und dass sie nicht einmal daran gedacht hatte, dass sie beide seit geraumer Weile schwiegen.
    Layia wusste nicht wirklich, was Losifa mit ihrem Blick andeutete und so zog sie die Brauen hoch, sah auf den Weg, der ihnen vorauseilte und witterte ein wenig. Es roch nach dem Park.
    Nichts absonderliches, bedachte man, dass er des Tagen wie am Abend bevölkert war von den unterschiedlichsten Personen, die ihren Geruch hinterließen wie einen Stempel auf der Borke der Bäume. So kroch auch ihr Geruch in Layias Nase, gesellte sich zum Naturduft des Parkes und zum der sachten Fährte eines Hundes, der sich wohl mit seinem Herrchen hier vor kurzem herumgetrieben hatte.


    Layia lächelte. "Recht viele der blaublütigen Zeitvertreiberinnen besitzen Schoßhündchen, mit denen man Gassi gehen muss - meint Ihr das?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Die andere brauchte wohl eine Weile, um zu merken, was Losifa meinte. Währenddessen sperrte sie Augen und Ohren auf, hörte aber nichts mehr. Keine Bewegung. War es überhaupt da gewesen oder Einbildung? Doch Layias Antwort gab die Bestätigung. „Adelige und Nachtspaziergänge?“, zweifelte sie, ein wenig die Augenbrauen hochziehend.


    Nun, es sollte sie nicht stören. So wanderte sie weiter daneben her, und jede war mit ihren Gedanken allein. Trotzdem nicht getrennt, denn im Denken sich ähnlich. Obwohl es so schön war, obwohl die Stille gut tat, wünschte Losifa sich fast, dass jemand etwas sagen würde. Wie sollten sie sich denn sonst beisammen halten, nicht in Stücke zerfallen und sich voneinander entfernen – vielleicht von sich selbst? Eben, nichts auf der Welt war vollkommen.


    Müßig pflückte sie ein gelbes Blatt von einem Busch und zerkrümelte es in der Handfläche. Tot. Lebend, ein Riesenunterschied. „Kennt Ihr … die Wälder?“ Die richtigen, großen, von Menschenhand unberührten? Sie wollte wissen, ob Layia das kennen gelernt hatte, was einen jeden Tua'Tanai ausmachte: die Stimme der allmächtigen Natur. Losifa selbst war fernab davon aufgewachsen – ob ihr Schicksal so anders war?

  • Layia lächelte ein wenig, als Losifa ihr die Frage stellte, und in der Tat, sie musste nicht lächeln,w eil es ihr seltsam vorkam von einer Wandlerin nach dem Wald gefragt zu werden, sondern weil sie sich zärtlich erinnert fühlte. An jene Tage, als sie noch unter ihresgleichen zwischen Baum und Blatt, zwischen Moos und Farn und unter all den Waldwesen gelebt hatte.
    Ob sie die Wälder kannte? Ja.

    "Ich bin dort aufgewachsen.",
    sagte sie schließlich, nickte leicht und verlor sich im Anblick des Weges vor ihnen. Ihr Blick streifte die vereinzelt liegenden Blätter, wie sie dort auf dem Weg lagen, bereitwillig den Tritten von Schuhsohlen ausgeliefert. Sie begann ihnen auszuweichen, versuchte spielerisch nur freien Grund zu berühren. Das Wehen des Windes bauschte die Baumkronen gleich ihrem Haar auf. "Es waren fröhliche, helle Tage, auch wenn mich die Erinnerung schmerzt. Denn was nutzt es, einen Ort lieb zu gewinnen, den man verlassen muss?"
    Layias Schritte wurden gemächlicher, sie verschränkte die Hände hinter ihrem Rücken, sah Losifa an. Neben ihrem eigenen Herzen war da stets ein anders, ein ungleich größeres, eines, dessen Pochen so langsam war, dass man beinahe vergessen konnte, dass es überhaupt schlug, Und doch erzeugte es einen Gleichklang, hüllte in eine selbstverständliche Sicherheit ein, in das Gefühl mit jedem Tritt Wurzeln zu schlagen. Vielleicht war es das, was Layia von ihrer Mutter gegeben worden war - jene Nähe zu einer Kraft, die alles überdauerte, jener Glaube eins zu sein mit allem das lebte. In Losifa musste es noch stärker sein - kein Elfenblut in ihren Adern! "Und Ihr? Wo seid Ihr aufgewachsen?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Oh, da erinnerte sich jemand an eine geliebte Heimat. Losifa kannte den Gesichtsausdruck, die Stimmlage. Wenn man selbst eher selten in diese Schwärmerei von vergangenen Tagen verfiel, horchte man bei anderen besonders darauf. Unter normalen Umständen hätte sie jetzt an sich selbst gedacht und Vergleiche angestellt, doch die entspannte Situation ließ einfach keinen Unmut aufkommen. Es war doch sehr schön für Layia, dass sie so sorglose Erinnerungen hatte! Und – noch immer ein wenig erstaunt – erkannte Losifa, dass sie das wirklich so meinte.


    Ein Detail allerdings störte das hübsche Bild, etwas Wesentliches … also doch eher bittersüß. Was mochte sich dahinter verbergen? „Warum musstet Ihr denn weggehen?“, fragte sie sanft. Vielleicht wollte Layia das für sich behalten. Es würde in Ordnung sein, wenn es so wäre.


    Natürlich kam eine Gegenfrage, wie immer. Vielleicht hätte Losifa sich weniger Tua'Tanai fühlen können als eine, die im Wald aufgewachsen war, doch sie nahm es einfach als anders hin und antwortete: „Hier, in der Stadt. Meine Kindheit war vielleicht nicht so friedlich wie Eure, aber es ging mir gut. Später reiste ich dann nach Arvonar, um meine Verwandten kennenzulernen.“ Und kam allzu schnell wieder zurück. Doch es war richtig gewesen.


    Fröhlich strich sie sich durch das Haar – seidig schwarz – und machte ein paar leichtfüßige Schritte hinter der anderen her, die mit den Blättern zu spielen schien. Ja, auch sie spürte die allgegenwärtige Natur. Weniger wie ein bekanntes Wesen als vielmehr wie einen fernen Ruf, der an ihr zog und sie in sich aufnehmen wollte. Eine Leidenschaft, die die Sehnsucht mit Losifa vereinte. Ein Wunsch vielleicht, ein Traum. Und doch würde sie immer wissen, dass die Wahrheit darin steckte.


    Heute verspürte sie ein ungewöhnlich starkes Bedürfnis, sich mitzuteilen. Die Blätter raschelten, der Kuppelhimmel schien unendlich weit! „Ach, die ewige Natur“, murmelte sie. „Wusstet Ihr, dass sie auch in einer Stadt wie dieser viel gegenwärtiger ist als die meisten wahrnehmen?“ Vielleicht nicht. Eine aus dem Wald sollte verstehen? Losifa war neugierig.

  • Sie war kaum überrascht darüber, dass Losifa, in der Stadt aufgewachsen, auch hier die Stimme hören konnte die Layia vernahm wenn sie durch den Wald strich. Eine Frage, die sich sich selbst zu oft gestellt hatte, als dass sie nur eine einzige Antwort darauf kannte, die sie ihr hätte geben können. "Es sind vielerlei Gründe. Ich denke ich ähnele meinem Vater zu sehr, sodass es mich zugleich auch fort zog, als ich fortgeschickt wurde.", atwortete sie vage, nahm ihre Unterlippe zwischen die Zähne um nachdenlich darauf herumzukauen. Wie lächelrich, von ihrem Vater zu sprechen, den sie überhaupt nicht kannte, von einer Ähnlichkeit zu sprechen, wenn sie nicht einmal genau wusste wer er war.
    Sie musterte den Kuppelhimmel nachdenklich, bemerkte, dass die andere sie nicht zwang zu antworten.
    "Ich denke es spricht für eine tiefe Verbindung, dass man selbst im Inneren der Stadt, in der manch einer nur noch toten Stein erkennt, noch spürt, wie ihr Herz pocht, noch sieht, dass es Lebendiges gibt...", sagte sie leise, viel zu nachdenklich, viel zu unreif die Worte. An einer Kreuzung bogens ie in die Richtung ab, in welche die Fährte des Hundes führte. Sie horchte in die Kühle hinaus und vernahm Rascheln im Untergehölz, von Tieren, die sich dort ein Nachtlager einrichteten oder ihre nächtlichen Streifzüge begannen. Ihre Nase vermittelte ihr ein buntgefächertes, geruchliches Abbild ihrer Umgebung. Wie Fäden zogen sich Fährten über den Weg, die meisten folgten ihm, manche kreuzten ihn in der Luft, unter der Erde und dazwischen. "Wie steht es mit Euch, wollen wir diesem Hund hinterher laufen?", fragte sie lächelnd und sah Losifa ist die Augen.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Unsicherheit. Losifa merkte, dass sich Layia ihrer Worte nicht sicher war. Deshalb würde sie nicht weiter nachhaken, nicht aufdringlich werden. Sie wusste selbst, wie unangenehm und lästig einem das werden konnte – manchmal bekam sie für ihren Geschmack zu viel Aufmerksamkeit.


    Eine tiefe Verbindung? So hatte sie es nie gesehen. „... oder für die Andeutung von Verzweiflung, dass man selbst zwischen leblosem Stein noch Wärme und Vertrautes sucht. Man könnte seinen Verstand verlieren bei so einer Suche.“ Gefährliche Dinge waren es, die sie ansprach, Abgründe, die in jedem intelligenten Wesen lauerten, die man immer wieder bekämpfen musste. Doch sie wusste besser als andere, wovon sie sprach, hatte sie doch den Wahnsinn der Einsamkeit kennen gelernt. Vielleicht würde Layia auch das verstehen. Sie schien ebenfalls alleine, eine gezwungene Einzelgängerin, der irgendwann nichts anderes übrig geblieben war.


    An der Kreuzung bemühte sich Losifa, die Nacht mit ihren Blicken zu durchbohren. Bewegungen gab es wenige im Dunkel, doch ab und zu schien etwas vor ihnen her zu huschen. Noch weiter weg, doch trotzdem nicht zu übersehen. Auch der Geruch lag noch in der Luft. Unweigerlich amüsierte Losifa die Situation, zwei Tiermenschen, die im Dunkeln einem halbvertrauten Wesen hinterherjagten. Ob sie beide Hunger verspürten, den Hunger der schlummernden wilden Tiere? Es könnte interessant werden.


    Die Schlangenschwester ließ sie nicken. „Warum nicht?“ Und ein kleines Grinsen schlich sich heraus. Sogleich wurden ihre Bewegungen schneller, geschmeidiger, wie Rauch schien sie durch die Dunkelheit zu gleiten. Wer nicht genau hinblickte, könnte wohl stattdessen eine große Schlange sehen.

  • Leise und bestimmt nickte sie, beobachtete Losifa wie sie dem Paten noch ähnlicher wurde als sie es ohnehin schon war. Wie flüssiger Rauch schien sie, zu plump kam sie Layia dagegen vor, auch wenn sie nach wie vor fast lautlos über die Wege strich, die Wolfssinne geschärft, doch dem Wolf nicht ähnlicher als jeder andere.
    Sie rief sich Losifas Worte ins Gedächtnis."Ich weiß was Ihr meint.", antwortete sie leise, senkte den Kopf ein wenig auf die Brust. "Dann wird sie zur Qual, wenn man nicht weiß, ob man noch findet, was man verzweifelt sucht. Den Sinn in der Suche nicht mehr sieht."


    Layia fand es faszinierend, wie sehr man sich ähnlich sein konnte, obwohl Losifa vermutlich ganz anders aufgewachsen war, ganz andere Gedanken in ihrem Kopf trug. Sie fand langsam aber sicher Gefallen daran jemanden zu kennen, der das gleiche Schicksal teilte. Es war anders als mit Argon, der einen Wolfspaten besaß, der die gleiche Wanderschaft hinter sich hatte wie Layia, der allerdings in Frieden mit seinem Wolf lebte. Es war die richtige Mischung an Neuem und Gewohntem, an Ähnlichkeit und Unterschied.


    Sie begann mit Augen und Ohren zu suchen, sondierte den Park mit seinem wirren durcheinander an Gerüchen, an raschelndem Laub und knackendem Unterholz. Sie war sich nicht sicher, wie alt die Fährte war, die sie verfolgten, ein wenig seltsam, aber sie erklärte es sich damit, dass sie schon so lange keiner Fährte mehr gefolgt war, ihre Sinne ein wenig ermüdet waren.
    Sie kamen näher, das spürte sie.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Auch Losifa war sich der Verbindung bewusst, die sich immer stärker herausbildete. Zwei Wesen, die sich so ähnlich und doch bis zu einem gewissen Grad verschieden waren. Das entzog sich ihrem Verständnis. Im Moment wollte sie aber nichts verstehen, wollte stattdessen einfach nur sein, zufrieden und glücklich. Der Kuppelhimmel, die Bäume, der Wind und Layia an ihrer Seite erfüllten diesen Wunsch.


    So belastete sie sich keinen Moment mit schweren Gedanken und schwieg. Wohltuendes Schweigen, in dem wieder diese vertraute Zweisamkeit lag. Und die Bewusstheit der Natur, die zu einem Spiel geworden war, einer kleinen Jagd nach etwas – unbekannt und doch bis zu einem gewissen Grad spürbar. Anwesend und fern, aber sie holten stetig auf.


    Währenddessen waren ihre Sinne allesamt auf Bewegungen gerichtet, Gerüche, Geräusche des Lebendigen direkt vor ihnen. Und dann kam es plötzlich auf sie zu. Vor Überraschung blieb Losifa abrupt stehen.


    Ja, kam näher. Ein kleiner, wuscheliger Hund mit Stummelschwanz trippelte geschäftig auf die beiden Tua'Tanai zu. Furchtlos und neugierig lief er ein paar Mal um beide herum, streifte die Stiefel mit nasser Schnauze und sah sie dann aus ratlosen Knopfaugen an. „Was machst du denn hier, alleine und um diese Zeit?“, fragte Losifa den putzigen Gesellen, halb erwartend, dass Layia ihn besser verstand.

  • Es war ein Leichtes den Hund zu wittern, doch ein Schweres ihn auszumachen, denn er bewegte sich rasch, floh von einer Richtung in die andere, immer die Ahnung eines Geruchs zurücklassend. Bald schien die Luft vollkommen von diesem Geruch getränkt zu sein und Layia gab endgültig auch auf. Vielleicht war es auch nurmehr ein dummes Spiel gewesen, etwas, dass so überflüssig war, dass sie schon nach wenigen Stunden den Kopf darüber schütteln musste.
    Überhaupt... was tat sie hier?


    Im gleichen Moment in dem sie seufzend die Stimme erheben und etwas davon sagen wollte, dass sie sich wahrscheinlich getäuscht hatten, hörte Layia es auch. Als Losifa stehen blieb, tat Layia noch einen Schritt, ein verwundertes Lächeln eroberte ihre Lippen.
    Ein kleiner herrenloser Hund.
    Die Wolfstochter ließ sich in eine hockende Haltung sinken und begrüßte ihn mit einem Kraulen im filzigen Fell zwischen den Ohren. Was aussah, als hätten die beiden sich schon zuvor gekannt, war der Augenblick nachdem sie sich auf eine Ebene begeben hatten. Die eigenen Gedanken strichen selbst wie ein neugieriges Hündchen auf und ab, testeten mit vorgestreckter Schnauze ob sie einen neuen Spielgefährten gefunden hatten.
    Eine Reihe leiser Laute entkamen Layias Kehle, breit lächelnd ließ sie den Hund um sich herumstreichen, er antwortete winselnd. Es klang ein wenig, als würden sich die Wandlerin und der Hund unterhlaten, auch wenn es absurd klang und man sich fragen wollte, ob Layia noch ganz richtig im Kopf war.

    "Er ist schon länger unterwegs."
    , sagte Layia leise, als sie sich endlich Losifa zuwandte und sich räuspern musste, da der Hund sie mit der Schnauze stieß. "Und er ist ein Mädchen."

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Auch Losifa ließ sich in die Hocke nieder, allerdings mehr um die beiden zu beobachten, die sich bereits zu kennen schienen. Kein Wunder, beide Fährten mussten überdeutlich in der Luft liegen. Fasziniert beobachtete sie … wie zwei verwandte Seelen sich berührten und miteinander tanzten. Alles stimmte, Verhalten, Kommunikation, Denkweise. Harmonisch, interessant für Außenstehende. Sollte Losifa sich vielleicht einmal eine Schlange suchen und dasselbe probieren?


    Layias Worte rissen sie aus den Beobachtungen, ihren Tua'Tanai-Gedanken. Ihr Blick richtete sich erneut auf das muntere Tier. Ein Mädchen? „Willkommen bei uns“, sagte sie leise und hielt der Hündin zur erneuten Begrüßung die flache Hand hin, die geschäftig beschnuppert wurde. Dieses Gefühl war schwer zuzuordnen, doch es erschien Losifa außergewöhnlich, als Wandlerin plötzlich auf ein intelligentes Tier zu stoßen, mit dem man sich verständigen ließ. „Und warum treibst du dich hier herum? Hast du kein warmes Zuhause?“


    Der Gedanke, von Layias Übersetzungen abhängig zu sein, gefiel ihr wiederum nicht. Doch was sollte man machen? Vielleicht verstand sie sich umso schneller von alleine mit den hündischen Verhaltensweisen.

  • Verständnis kam und ging, es war zugleich befremdlich und vertraut - ein intelligentes Wesen vor sich zu wissen, dessen Gedankengänge ähnlich zu verlaufen schienen wie ihre eigenen. Layia betrachtete den kleinen Hund lächelnd und schweigend, fing Laute auf und wusste plötzlich nichts mit ihnen anzufangen. Es war kein inhaltliches Verstehen, sie konnte die Hündin nichts fragen, sie nichts antworten ... doch die Nähe ihrer Gedanken machte Schlussfolgerungen leicht.
    Die Tua'tanai schüttelte sacht den Kopf und räusperte sich. "Sieht nicht so aus.", antwortete sie statt des Hundes.


    Ihr Blick glitt zu Losifas Zügen, den Zügen einer Person, die Freund werden konnte - vielleicht schon war. Da sie selbst nicht recht wusste was sie sagen sollte blieben weitere Worte aus und sie begann damit den Gedanken freien Lauf zu lassen. Wie glücklich der kleine Hund sein musste ... in keinem Punkt stand er Layia in etwas nach, zugleich war er ihr um Weiten vorraus.
    Oder hatte er vielleicht schon mit den Gedanken gehadert bis sie einen zu erwürgen drohten?
    Seine Beschränktheit gab ihm Freiheit.
    Einen Anflug von Neid lächelte Layia hinfort - lächerlich fand sie es und auch traurig aber es gab wiederrum nichts, was das geändert hätte. Was half es die Gedanken darum kreisen zu lassen. "Überlassen wir es ihrer Entscheidung ob sie uns begleiten möchte.", sagte sie dann schleißlich, doch zu Worten kommend und sie vorsichtig in die abendliche Stille entlassend. Sie bedachte Losifa mit einem lächelnden Blick. "Der Abend kann noch viel hervorbringen - schon sind wir zu dritt."

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Erst jetzt fiel Losifa etwas an ihrer Gesellschaft auf. Eine Schlange und eine Wölfin, zwei, die sich im Tierreich bekriegten oder gleich in Ruhe ließen, dazu eine Hündin, Freundin des Menschen und der Wildnis fremd. Eine seltsame Verbindung, drei unterschiedliche Wesen und eine Welt. Der Herzschlag der Natur, ein Sehnen, ein Verlangen und Befriedigung.


    Und die Begegnung würde andauern. Die Hündin schien Gefallen an ihnen zu finden, an den schmackhaft-würzigen wilden Blicken und Gerüchen. Was für ein Erlebnis musste Wolfsgeruch für jemanden wie sie sein – ihre wilde Artgenossin. Und doch schien Layia sich an der Gesellschaft ihrer Verwandtin zu freuen, an ihren Gedanken, Gefühlen, vielleicht nur Instinkten.


    Wie auch immer, Losifas Instinkte sagten ihr etwas anderes. Ihre beiden Begleiter konnten sich anhecheln – ihre eigenen Schlitzaugen sahen die Lebendigkeit der warmen Körper und frohlockten. Was waren sie anderes als zwei übergroße Mäuse oder Ratten?


    Nein, korrigierte sie sich, stopp. Sie sind intelligent, sie sind Freunde. Beide hatten ihre Gedanken geteilt und Losifas Horizont erweitert. Es gab Wesen, die ihr im Geiste ähnlich waren, auch wenn sie in der Natur Jagdinstinkte hervorrufen mochten. Auf einmal verstand Losifa: Das war es, was Tua'Tanai ausmachte.


    Sie musste lachen, kurz und scharf. Blitzende Augen richteten sich auf die beiden Raubtiere, die Augen eines Reptils. „Wisst ihr, ihr beide würdet eine so schmackhafte Mahlzeit abgeben … Aber trotzdem entzieht ihr euch meinen Zähnen. Ich kann euch nichts tun.“ Neigte leicht den Kopf. „Wie man das wohl nennt?“


    Verlegen ging sie daraufhin einige Schritte weg. War es Wahnsinn, der aus ihr sprach? Heute um keinen Preis zur Verwandlung hinreißen lassen, erinnerte sie sich. Die Schlange war hellwach und wollte jagen. Das war also die Gefahr, der Nervenkitzel, der die ganze Zeit im Unterholz gelauert hatte.

  • Im kühlen, ungewissen Licht des Abends konnte man es wohl nicht genau sehen, doch Layias linke Braue machte Anstalten nach oben zu zucken. Layia ließ von dem Hund ab, erhob sich ganz und beobachtete mit gerecktem Hals wie sich Losifa betreteten ein paar Schritte entfernte. Es war durchaus seltsam, was die Frau mit den Reptilienaugen gesagt hatte. So seltsam, dass ein jeder Andere sie wohl mit einem Stirnrunzeln oder mit rollenden Augen verspottet hätte - doch Layia befand sich in einer gewissen Nähe zu diesen Worten, sie konnte ihren Geschmack fast auf der Zunge spüren. Wahnsinn hin oder her.
    Einen Moment überlegte sie, ob es klug war, zu antworten, ob sie die richtigen Worte überhaupt finden würde. Ein Blick auf den Hund herab, dann machte sie einen kleinen Schritt auf Losifa zu.
    "Gebundenheit.", sagte sie leise und machte eine lange Pause. "Einst habe ich es Gebundenheit genannt, und Unfreiheit gemeint, weil ich mich davor fürchten musste. Jetzt nenne ich es Freundschaft. Wenn Euch danach ist", sprach sie nun lauter, "könnt ihr mich gerne beißen und mich von mir aus auch aufressen..."
    Layia grinste breit und machte eine wegwerfende Geste. "Aber ich schätze mal, dazu ist es jetzt bereits zu spät." Daraufhin schwieg die Tua'Tanai wieder, bedachte Losifa und die Hündin mit stillen Blicken aus Augen, die das Dämmerlicht fingen wie zwei Spiegel. Es war im Grunde ihre Stunde die begann, ihre Zeit. Die Sinne des Wolfes erwachen dann, wenn die normalen Sinne nicht mehr ausreichen, mit der Nacht, mit der für die Wesen des Tages dunklen, stillen, geruchslosen Nacht.
    Was waren sie doch seltsame Geschöpfe, Wolf und Schlange, wie sie nun zwischen den Bäumen standen und von Freundschaft sprachen. Absurd, aber auch wehmütig. Unmögliches wird selten durch einen einzigen Versuch möglich - wieviel Enttäuschung geht diesem Verstehen voraus?

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • (Tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe! Zwischenzeitlich einfach vergessen, dass ich hier posten sollte.)


    Halb erwartete Losifa Ablehnung, als die andere sich erhob, sie ernst anblickte und zu überlegen schien. Ganz bestimmt fühlte sie eine gewisse Beklemmung, die hypnotischen Augen waren auf sie gerichtet, und vielleicht würde sie ja einfach fliehen? Ihrem Instinkt nachgeben, wie konnte man es anders nennen? Es war ein Spiel unter halbtierischen Seelen, und Losifa spürte die Angespanntheit des Jägers.


    Doch Layias Worte ließen sie aufhorchen. Gebundenheit und Freundschaft … Auch Losifa grinste nun beim Gedanken daran, Layia zu jagen. Sie wusste, dass es sich nicht gehörte, dass sie es gar nicht konnte. Sie würde wohl akzeptieren, dass sie eine Freundin gefunden hatte. Natürlich bereute sie es nicht, nein, sie freute sich eigentlich. Ja, sie freute sich darüber. Layia eine Freundin nennen zu können. Das war selten. Wie viele potenzielle Freunde hatte sie denn schon getroffen, seit sie wieder hier war?


    „Ja, es ist zu spät, da habt Ihr Recht. Die Schlange ist doch nicht ganz so stark, und das ist es wohl, was uns Tua'Tanai ausmacht, von den Tieren unterscheidet. Wir sind menschlich, wir können Freunde werden. Wir sind Freunde.“ Sie lächelte leicht, es gefiel ihr, dieses Wort.


    Eine Weile standen sie beide da, in Stille verbunden. Losifa empfand es nicht als Eingrenzung ihrer Freiheit, eher als Erweiterung ihres Horizonts. Da war jemand, der ihr ähnlich war, von dem sie aber trotzdem noch lernen konnte. Layia schien mehr gesehen, sich mehr Gedanken gemacht zu haben als sie. Für Losifa war sie diejenige mit der Erfahrung.


    Dann fiel ihr Blick auf die kleine Hündin, die ihnen ernsthaft zuzuhören schien. Die wuscheligen, weichen Ohren waren gespitzt und ganz ruhig. „Was wollen wir mit ihr anfangen? Oder möchte sie irgendetwas von uns? Sie muss doch zu irgendjemandem gehören. Wäre es nicht spannend, nach diesem jemand zu suchen, die beiden wieder zusammenzuführen?“


    Obwohl es nicht den Anschein hatte, bewegten sich Losifas Gedanken normalerweise in geordneten Bahnen. Sie kannte Hunde nur als Haustiere, die Wölfe waren die wirklich Freien. Diese Hündin musste also zu irgendeinem Haushalt gehören. Stellte sich nur die Frage, zu welchem und warum sie ausgerissen war. Vielleicht wollte sie auch einfach erfahren, wie es war, eine Wölfin zu sein?

  • Auch Layia ließ sich von der Stille halten, lächelte sacht. Freunde. Auch ihr gefiel das Wort immer mehr, war es doch etwas sehr bereicherndes. Der einzige Weg einen Freund zu haben, war doch letztlich selbst einer zu werden, so stimmte sie mit ihrem Lächeln Losifas Worten zu, und spürte doch eine gewisse Melancholie in sich aufsteigen. In den Tiefen ihres Herzens spürte sie die Last der einsamen Jahre umso schwerer, drückend und finster.
    Layias Hals war etwas rau, der Geschmack des Weines, den sie zuvor im Rollenden Würfel genossen hatte, haftete nun unangenehm auf ihrer Zunge. Die junge Hündin zu ihren Füßen lauschte den Stimmen, schien zu verstehen und doch nur darauf zu warten, dass etwas geschah an dem sie teilhaben konnte. Ein sachtes Wedeln des flauschigen Schwanzes folgten den ihr gewidmeten Worten.
    "Sie gehört niemandem.", entgegnete Layia leise mit ausgetretenen Worten, platten Worten, die sie nicht mochte. "Vielleicht finden wir ihr Zuhause und denjenigen, der sich ihr Herr nennen mag. Man ist zeitlebens für das verantwortlich, was man sich vertraut gemacht hat."


    Layia bedachte die Hündin mit einem kurzen Blick, sah wieder in die Ferne in welcher der Weg in sanften Kurven aus dem Park führte. Möge das Schicksal entscheiden, ob die Hündin ihren Herren findet., dachte sie kurz angebunden, hoffte das sie sich mit den Richtigen vertraut gemacht hatte. Sie würde den beiden Tua'Tanai schon zu verstehen geben ob sie nach hause wollte oder nicht. Momentan schien sie neugierig und aufmerksam zu sein, bereit dass etwas geschah, das jemand mit ihr spielte. Vielleicht suchte sie auch nur jemanden, dem sie folgen konnte. Layia wusste, dass die Hündin gezähmt war, dass sie selbst keinen Weg einschlagen würde. "Doch jetzt zu suchen ist wenig sinnvoll, denke ich.", fügte sie rasch hinzu, blickte an den Himmel der die Farbe verdünnter Tinte angenommen hatte und an dem sacht das Licht der Sternenkorallen funkelte.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Platte Worte waren es vielleicht, doch nicht für Losifa. Ihr Geist sah weiter und sie erkannte, dass die Hündin ebenso frei war wie die beiden Tua’Tanai. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte, wenn sie nur wollte. Doch offenbar schien sie keinerlei Drang zu verspüren, schien eher die Gesellschaft der großen Wesen vorzuziehen, die in ihr nur ein niedliches Haustier sahen. Selbst Losifa war sich nicht sicher, ob sie noch ein Tier oder schon intelligent war. Und musste das eine das andere unbedingt ausschließen? Manchmal waren selbst Hunde schlau, und die Tua’Tanai las in den Augen der Hündin, dass dort mehr war als das Äußere vermuten ließ.


    Klugheit hin oder her, offenbar wollte sie nicht allein gelassen werden. Sie beide, die sie gefunden hatten, waren also verantwortlich. Was bedeutete so ein Wort? Es schmeckte so sehr nach Erwartungen, nach Pflichten, dass Losifa ein wenig schlecht davon wurde. Die sanfte Brise, die den Park ausmachte, half ihr bei bemüht klaren Gedanken. Nicht Gebundenheit, Freundschaft nannten sie es ... und vielleicht gab es noch eine Freundin hier.


    Verwirrt folgte sie Layias Blick, musterte die Kuppel und das Meer dahinter, nur dunkle Höhen lagen dort. Ach ja, die meisten Bewohner schliefen bereits. Seltsam, wie leicht sich dieser Umstand vergessen ließ. Ein kleines Kichern entschlüpfte ihr, eigentlich ungewollt, doch in gewisser Weise der Situation angemessen. „Natürlich habt Ihr Recht“, stimmte sie zu, ließ bewusst die Fröhlichkeit in ihrer Stimme zu.


    Blickte dann die Hündin an, näherte sich ihr wieder und strich durch das wuschelige Fell. Ein Tier ... oder schon intelligent? Sie blieb wohl noch eine Weile bei ihnen, da gab es genug Zeit, um das herauszufinden. Und Losifa fühlte Sympathie für dieses kleine Wesen, das ihr in der Verbundenheit zur Natur ähnlich war. „Vielleicht möchte sie über Nacht zu mir kommen und wir beginnen morgen mit der Suche?“, schlug sie vor. Ja, seltsam ... vor kurzem hätte sie sich dabei gefragt, wie sie eigentlich auf diese Idee gekommen war.

  • Die Tua'Tanai nickte zustimmend, nachdem sie den Blick wieder von den finsteren Untiefen der Kuppel gelöst hatte. Ein kluger Gedanke, er weckte Interesse in ihr. "Ihr besitzt also ein Haus, hier in Nir'alenar?", fragte sie und sah Losifa an, nahm das Vibrieren ihres Kicherns noch als entfernte Stimmung der Luft wahr. Sie sah die Sympathie zwischen Losifa und der Hündin, lächelte vergnügt dabei und überlegte wie schön es die Hündin wohl bei Losifa haben würde - einen Moment lang ließ sie ihre Phantasie ein Bild spinnen. Wie es wohl sein mochte wenn man einen treuen Begleiter hatte? Vor ihrem inneren Auge tauchte sie selbst auf, ein verwaschener vierbeiniger Schatten folgte ihr auf Schritt und Tritt, witterte mit ihr zusammen, heulte mit ihr zusammen, as mit ihr zusammen, schlief auf dem selben Bett wie sie. Eine schöne Illusion, doch sie verflog wieder und hinterließ einen schalen Geschmack.
    Einen stetigen Begleiter trug sie doch schon in sich - ein Knistern im Gebüsch ließ den inneren Wolf die Ohren spitzen. Ob sie der Freundin davon berichten sollte? Es war jener latente Schmerz, den sie fühlte, der Zwist zwischen geteiltem Leid und Ausharren. Es reichte aus, wenn sie sich selbst damit belastete. Sie bemerkte wie in ihr der Drang wuchs alleine mit dem Wolf zu sein, ihm endlich ins Gesicht zu sehen. Feigheit war vielleicht manchmal ein Zeichen von Klugheit, doch ein Leben in Feigheit war eine Qual.
    Bitter waren ihre Gedanken, doch sie ließ sie sich nicht anmerken, lächelte Losifa und der Hündin schwach zu, versuchte jene Leichtigkeit in ihren Bewegungen auf ihre Stimmung zu übertragen.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Losifa hatte gefürchtet, dass Layia die Hündin ebenfalls zu sich nehmen wollte – schließlich war das Verständnis zwischen den beiden weitaus ausgereifter. Sie waren beide Wolf, auf interessante Art und Weise. Die Hündin in ihrem Körper und Layia in ihrer Natur, in den Tiefen ihrer Seele. Doch beide schienen die Idee für gut zu befinden. Schön.


    Die Frage weckte ihrerseits Interesse. Besaß die andere denn keins? Vielleicht wohnte sie ein wenig außerhalb. Eine offensichtliche Möglichkeit, doch Losifa hatte sie bisher nicht gesehen. Eine Stadt war immer eine Stadt – entweder man lebte außerhalb oder mittendrin. Vororte hatte sie nicht gekannt. Ein wenig zögerlich kam die Antwort: „... Ja. Im Händlerviertel. Damals kam ich nicht auf die Idee, ein wenig außerhalb ein Heim zu suchen.“ Als müsste sie sich erklären.


    Ein wenig schmerzte der Gedanke, doch sie hatte sich in Nir’alenar eingelebt. Wahrscheinlich war es normal, doch für jemanden, der Freiheit schätzte, der Freiheit als einen Teil von sich selbst ansah ... Losifa wusste in dem Moment nicht, was sie davon hielt. Aber es war doch gut, sich anzupassen?


    Die Hündin könnte ein weiterer Schritt in diese Richtung sein. Ein Stadttier, ein Haustier. Eine Freundin, die sie begleiten würde, zumindest für eine Weile. Jemand, der ihr nicht von der Seite wich und trotzdem nicht anstrengend wurde. Praktisch, und angenehm. Schon sah Losifa sich durch die Straßen laufen, die wuschelige Gestalt dicht neben ihr.


    Doch zu weit sollte man nicht vorausplanen. „Wollt Ihr ... mitkommen und es anschauen?“ Wie kam sie darauf ... ein fremder Gedanke. Losifa lud nie andere zu sich ein. Und dieses Nie hatte sie auf einmal zerstört, ohne es gemerkt zu haben. Plötzlich fühlte sie Erschöpfung. „Andererseits ist es schon spät. Ich weiß nicht, wie es mit Euch ist, aber mein Körper braucht viel Schlaf.“


    Ja, langsam wäre Abschied angebracht. Losifa spürte es, wie sie den Rhythmus von Tag und Nacht, von Jagd und Ruhe im Blut hatte. Eine Kreatur der Wildnis, die nichts kannte als schlafen und handeln. Menschen waren nicht viel anders ... Dieser Tag war lang gewesen. Logischerweise folgte darauf viel Ruhe.

  • Kurz spürte Layia ein Kribbeln in beiden Ohrenspitzen, als wollten sich flauschige Wolfsohren daraus formen, ihre Nase von tausenden Molekülen gekitzelt, die reflektierenden Augen auf das Gebüsch gerichtet aus dem verlockende Nachtgeräsuche drangen. Losifas Worte riefen Freude in ihr hervor, sie liebte es eingeladen zu werden! Es erinnerte sie an die Nacht auf Sicils Schiff, eine fremde Welt, für eine einzige Nacht. Sie lächelte als Losifas einwendende Worte an ihre Ohren drangen.
    Sie legte den Kopf schief, lauschte noch einmal und wandte sich dann wieder Losifa mit allen SInnen zu.
    "Mein Tag ist noch lange nicht vorbei, aber wenn Ihr ruhen müsst, dann ruht.", antwortete sie ruhig und lächelte flüchtig. Ein Ziepen eines leichten Bedauerns durchzuckte ihre Brust, doch gleichzeitig war ihr bewusst, dass sie eine Freundin gefunden hatte, die ihr einen Vorschlag machte, den sie zuvor niemandem gemacht hatte, das spürte Layia einfach.
    Sie hatte bisher niemandem ihr Heim gezeigt, geschweige denn verraten wo es leigt, aber sie spürte den Drang des Wissens um den rechten Moment und so holperten Gedanken durch ihren Kopf die ein Gegenangebot formten. "Ich wohne ein wenig abseits der Stadtmauern im Wald vor Nir'alenar. Wenn Ihr mögt, so könnt Ihr mich gerne irgendwann besuchen. In den frühen Dämmerstunden."


    Layia fühlte einen Abschied kommen, bedauerlich und doch hieß sie ihn willkommen, denn er versprach ein Wiedersehen. Irgendwann. Und die Nacht war jung, die Sinne heute wach und der Wolf ruhig, das versprach schöne Stunden zwischen Moos und Blatt, zwischen ihr und dem Tier in ihrer Seele. Ihr Blick ging in das Dickicht des Parks, dann schweifte er wieder zu Losifa und der Hündin ab, die sich streckte und gähnte und bekräftigte, dass es Zeit war schlafen zu gehen.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

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