Noch drei Kapitel, dann würde Tordis das zweite Buch an diesem Tage beenden. Wieder so ein typischer Heldenroman mit einer Jungfrau in Nöten und einem Retter, der das Diebespack in die Flucht schlägt. Hier und da ein paar heimliche Treffen und ein paar Kämpfe zwischendurch. Doch das Ende ist immer das selbe: So lebten sie glücklich bis an ihr Lebensende...
Wieder hatte Tordis ihren freien Tag an einem Bootsteg im Hafenviertel verbracht und gelesen. Nun, da der Abend langesam seine Schatten über der Stadt ausbreitete, machte sich Tordis auf den Heimweg. Mit der Nase im Buch bog sie zielsicher in Straßen ein, die sie auf dem schnellsten Weg nach Hause bringen solltem. Nicht lange und die Dämmerung hatte sich so sehr ausgebreitet, dass die Leseratte keinen Buchstaben mehr erkennen konnte. Flink steckte sie das Buch in ihren kleinen Beutel, den sie schräg über den Oberkörper trug. Tordis blickte auf, um zu sehen, wann sie die nächste Abbiegung nehmen würde. Dabei fiel ihr eine Taverne auf, die sie vorher noch nie wahrgenommen hatte, da dies hier sicher nicht der Ort zum längeren Verweilen war. "Zur Schwarzen Katze" stand auf dem Schild über der Tür. Durch die Fenster konnte man nichts erkennen. Nur das Licht der Innenbeleuchtung fiel durch. Es sah nicht sehr einladend aus.
Mit ihren Gedanken war die Blonde noch tief in dem Roman versunken. Von düsteren Kneipen wurde auch berichtet. Ob es in Wirklichkeit auch so zuging, dass die Bierfässer nur so geleert wurden und das Glücksspiele Prügeleien verursachten?
Jedes vernünftige Mädel würde diesen Ort niemals betreten. Wer weiß, was in diesen Spelunken alles passieren kann, wenn man nur jemanden schief anschaute. Prüfend blickte Tordis nach links und rechts., ob sie auch ja niemand beobchtete. Als die Luft rein war, drückte sie vorsichtig und zaghaft. die Klinke der schweren Türe herunter und öffnete diese. Innen bot sich der Blonden ein Bild, was sie nicht einmal erahnt hätte: Das Gasthaus war so gut wie leer. Nur zwei Frauen waren anwesend. Eine Bühne war aufgebaut und es sah ganz so aus, als würde demnächst ein Wettkampf in einer Disziplin beginnen, die Tordis nicht erkannte.
Tordis suchte sich einen Tisch, der unmittelbar neben dem stand, an dem eine der Frauen einen Rotwein trank. Sie sah sich um und schon wenige Augenblicke später kam die Kellnerin und Tordis bestellte sich ebenfalls einen Wein um den Tag ausklingen zu lassen. In der Zwischenzeit nahm Tordis wieder ihr Buch zur Hand. Mit ihm auf dem Tisch fühlte sie sich sicherer.