Beiträge von Aurelia

    Wie merkwürdig der Abend verlaufen war, dachte Aurelia als sie heute morgen im Kontor die Waren ordnete. Die beiden Herren verhielten sich so geheimnisvoll. Keiner wollte mit der Sprache raus, wo sie Leben würden, wenn sie verheiratet waren.


    Aurelia beschlich ein ungutes Gefühl. Gern hätte sie die Hochzeit abgesagt. Es wurde auch keine rauschende Feier, wie die Zwillinge es gern gehabt hätten. Es sollte hier stattfinden. Nur mit der Familie. Danach sollten die Vier auf eine Reise gehen. Der Gedanke daran bestärkte Aurelias Bedenken. Irgendetwas war da ganz und gar nicht in Ordnung. Aber was sollte sie schon machen? Was konnte sie ausrichten?


    Den ganzen Tag war Aurelia mit dem Kontor, den Kunden und anschließend mit den Vorbereitungen für die Hochzeit ihrer Schwestern beschäftigt. Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht mehr.


    Kurz bevor die zukünftigen Ehemänner ins Haus kamen, kleidete sie ihre Schwestern noch an. Frisierte ihnen die Haar und führte sie dann in den Hinterhof, der festlich geschmückt war.


    Die Zeremonie war kurz und wenig feierlich. Danach gab es eine Feier und anschließend gingen Nadescha und Tonja mit ihren Ehemännern. Eine Kutsche wartete vor dem Haus, das Gepäck der beiden war bereits aufgeladen. Tränenreich verabschiedeten sich alle voneinander. Aus der Kutsche heraus, winkten die beiden hübschen Mädchen bis die Familie nicht mehr zu sehen war.



    Der nächste Morgen begann mit dem gleichen unguten Gefühl, mit dem der gestrige Abend aufgehört hatte. Die ganze Zeit über, konnte sie sich nicht richtig über die Hochzeit freuen, denn in ihrem Kopf spukte eine Ahnung, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging.


    Sie würde sich heute mit ihrem Vater darüber unterhalten.

    Nachdenklich schaute Aurelia ihrem Vater hinterher, als er, wie so oft mit einem Kunden im Hinterzimmer verschwand.


    Ihr Vater war Händler in Nir'alenar, doch mit was er handelte wusste das Mädchen nicht. Noch nicht! Sie war jetzt alt genug um im Kontor zu arbeiten. Eigentlich wollte sie Schneiderin werden, doch ihre Eltern hatten beschlossen, dass sie erstmal ihrem Vater zur Hand gehen sollte. Die Mutter erwartete wieder ein Kind, das fünfte mittlerweile. Kopfschüttelnd ordnete Aurelia ein paar Unterlagen, während sie über ihre Familie nachdachte.


    Ihre Mutter war eine rundliche, freundliche Frau. Sie stellte keine Fragen, nahm alles hin was der Vater anordnete und ging in ihrer Rolle als Mutter, Ehefrau und Hausfrau auf. Etwas anderes wollte sie nie machen. Immer wenn die Kinder es zuließen, half sie ihrem Mann im Kontor. Doch in letzter Zeit war sie durch die Schwangerschaft träge und schwerfällig geworden. Sie überließ die meiste Arbeit Aurelia und ihren drei Geschwistern.


    "Hoffentlich wird das das letzte Kind sein", überlegte Aurelia. Sie machte sich Sorgen um ihre Mutter, denn die war nicht mehr die jüngste und die Strapazen der Schwangerschaft konnte man ihr deutlich ansehen. Seufzend beendete die junge rothaarige Frau ihre Arbeit und stieg die Stufen hoch, die zur elterlichen Wohnung führten. Dort wartete die übliche Hausarbeit auf sie. Vermutlich hatten Tonja, Shayne und Nadescha noch nichts gemacht.


    Tonja und Nadescha die beiden Zwillinge, kümmerten sich ausschließlich um ihr Aussehen. Für sie war es das Schönste, wenn sie in ihren Zimmern vor dem Spiegel standen und sich die langen goldblonden Haare frisierten. Oder die neuesten Kleider probierten, die Vater ihnen regelmässig besorgte.


    Shayne dagegen, saß am liebsten in seinem Zimmer und studierte irgendwelche Karten, oder las in Büchern über Helden und Abenteuer. Ab und zu besorgte er sich ein Stück Holz und schnitzte Figuren. Aurelia gab offen zu, dass sie in seinen Schnitzereien nichts erkennen konnte. Shayne schüttelte dann immer nur ungläubig den Kopf und verspottete sie.


    "Du hast einfach kein Auge für die schönen Dinge im Leben. Du bist so praktisch und so wenig romantisch. Und deine Vorstellungskraft lässt zu wünschen übrig."


    Wahrscheinlich hatte er sogar Recht damit. Für Romantik war einfach noch kein Platz in ihrem Leben. Sie war so eingespannt in die Familie, dass ihr noch keine Gelegenheit untergekommen war, in der sich auch nur ein Hauch Romantik hätte finden können.


    Die Zwillinge waren nun in einem Alter, in dem ein Mann für sie gefunden werden musste. Sie hörte ihre Eltern ab und zu darüber sprechen. Schwierig würde es bestimmt nicht werden. Dafür waren die beiden Mädchen zu hübsch und die Mitgift, die Vater aufbringen würde, zu üppig.


    Sie selbst hatte vor zwei Jahren bestimmt, dass sie nur einen Mann nehmen würde, dem sie auch ihr Herz schenken konnte. Die Eltern waren erbost und es gab viele hitzige Diskussionen darüber, doch Aurelia ließ sich nicht von ihrer Meinung abbringen und nachdem sie gedroht hatte wegzulaufen, gaben die Eltern auf und konzentrierten sich auf die Zwillinge. Aurelia war zufrieden damit und konzentrierte sich von da an auf die Ausbildung im Kontor und auf die Suche nach einer Schneiderin, bei der sie in die Lehre gehen konnte.


    Ihr Vater ... Er war ein autoritärer Mann, aber immer gerecht und großzügig. Er liebte seine Frau und die Kinder abgöttisch und es gab nichts, was er nicht für sie tun würde. Er war recht groß, schlank und trotz seines leicht ergrautem Haares, sah er er immer noch jung aussah. Im Gegensatz zur Mutter.


    "Aurelia, Aurelia ..., komm und schau dir die neuen Kleider an!" Nadescha empfing sie aufgeregt im Flur der Wohnung. Sie wirbelte um ihre eigene Achse, damit die große Schwester sie in aller Pracht bewundern konnte. Nadescha trug ein Kleid, das in den Farben des Meeres schimmerte. Die goldenen Haare hatte sie geflochten und wie eine Krone auf dem Kopf festgesteckt. In die Flechten hatte sie eine Perlenkette gewebt. Auch um den Hals trug sie solche Perlen. Die schlanken Handgelenke zierten goldene Armreifen, die kunstvoll verziert waren. Anmutig lächelte sie Aurelia an: "Wie findest du es? So werde ich heute meinen zukünftigen Bräutigam begrüßen. Vater hat ihn eingeladen. Er wird mit ihm die Hochzeit besprechen, die Mitgift aushandeln und festlegen wo wir wohnen werden."


    Ihr Lächeln war strahlend und offensichtlich freute sie sich auf die Zukunft. Kaum war Nadescha fertig mit ihrem kurzen Bericht, da stand ihre Zwillingsschwester in fast dem gleichen Kleid im Flur.


    Auch sie empfing heute ihren zukünftigen Bräutigam und war genauso aufgeregt wie ihre Schwester. Aurelia umarmte ihre Schwestern und lächelte über deren Begeisterung.


    "Ihr seht umwerfend aus. Eure Zukünftigen werden entzückt sein, von eurem Erscheinen und euch auf Händen tragen. Da bin ich mir ganz sicher. Aber jetzt ihr Lieben, hab ich zu tun. Sonst gibt es heute Abend für eure Gäste nichts zu essen."


    Lachend löste Aurelia sich von den Mädchen und ging in die Küche, um ihrer Mutter zur Hand zu gehen.