Beiträge von Sedrik Steinhäuser

    Sedrik wollte eben die Hand heben um einen Krug frischen Wassers zu bestellen, als auch schon die Kellnerin einen Krug brachte und ihn auf den Tisch stellte. Mit einem Tuch wischte sie rasch über die Tischplatte und nahm auch die beiden benutzten Becher an sich, vertauschte sie mit zwei frischen, die sie scheinbar aus dem Nichts hervor gefördert hatte ... doch wahrscheinlich war Sedrik nur schon zu müde, um das genauer gesehen zu haben und verschwand wieder.
    Sedrik nahm den Krug und schenkte erst Lysia, dann sich selbst ein und führte den Becher zum Mund, nachdem er den Krieg wieder hin gestellt hatte.
    Der erste Schluck zeigte Sedrik, dass es sich wirklich um frisches Wasser handelte doch mit einer Spur von Minze und auch Zitrone schien darin enthalten zu sein. Das Wasser selbst hatte angenehme Trinktemperatur und eignete sich wunderbar, die erhitzten Tänzer zu kühlen.


    Sedriks Blickl fiel zu Lysia und er musste grinsen, als er merkte, dass sie mit dem Schlaf zu kämpfen hatte. Nun ja, er selber war auch nicht mehr so taufrisch wie noch am Morgen und jetzt nach dem raschen und anstrengenden Tänzchen verspürte er auch Müdigkeit und er würde echt froh sein, seine Tanzschweren Beine und sein müdes Haupt im Gästeraum auf die Kissen betten zu dürfen.


    Abermals trank Sedrik und rief dann laut in die Gaststube: "Zahlen bitte!"
    Dass es mit dem Preis nichts geworden war, war Sedrik klar und er hatte nur ein Bedauern, dass es auch für Lysia wahrscheinlich nichts gab. Das tat ihn für seine kleine Freundin sehr leid.
    Am morgigen Tag wird er sich wohl erkundigen nach seinem Vater, doch er ahnte, dass zu viel Zeit seit dessen Verschwinden vergangen war.

    Verschwitzt und etwas atemlos machte Sedrik die letzten zwei Schritte und nun konnte er endlich seine Haare aus der Stirn streichen. Als er gefragt wurde, ob er eine Haarspange benötige, musste er kurz grinsen. Während er rasch die Strähnen wieder an ihren Platz beförderte, meinte er:


    "Ich danke Euch Lysia für dieses lieb gemeinte Angebot aber es würde etwas seltsam wirken, Frauenspangen in meinem Haar zu sehen. Obwohl es vielleicht nicht einmal so verkehrt wäre, wenn ich sie mit etwas fest klemme. Die Haare meine ich jetzt!"


    Mit einem raschen Blick zu den anderen Tanzpaaren, die sich nun ebenfalls von der Bühne begaben, meinte er dann noch: "Geht es Euch gut? Denkt Ihr auch, dass wir uns noch einen Krug, einen kleinen aber, mit frischem, kalten Wasser vergönnen sollten? Denn es ist doch ziemlich heiß geworden." Während Sedrik dies sagte, war er bereits auf dem Weg zu ihrem Tisch. Erleichtert bemerkte er, dass sein Beutel noch an dem Platz war, an dem er ihn verlassen hatte.

    Etwas irritierte Sedrik, als er erneut seine Tanzrunde zog und brachte ihn abermals etwas zum stolpern. Na, wenn er sich weiterhin so tölpelhaft anstellte, würde es eigentlich nur Lysia zum Gespött machen. Sedriks Augen konzentrierten sich nun mehr auf Lysia und sein Atem beruhigte sich etwas, obwohl das Tempo des Tanzes nicht gerade dazu geeignet war. Aus seinem momentanen Gedanken heraus sagte er zu Lysia:


    "Ich bin froh, dass Ihr es gewagt habt, mit mir zu tanzen, denn Ihr seht ja, wie tölpelhaft ich mich anstelle. Ich mache Euch noch zum Gespött der Leute, liebste Lysia!" Er wollte noch etwas hinzu fügen, doch dann ließ er es sein. Er konzentrierte sich lieber darauf, den Takt mitzutanzen, Lysia nicht die Finger zu zerquetschen und nicht jedesmal seine Augen zu dem Tanzpaar zu werfen, nur um zu erkennen, dass seine eigene Tanzkunst nicht so weit her war.


    Sedrik versuchte nun seine Schritte etwas anders zu setzen und konnte sich lebhaft vorstellen, dass er jetzt weniger denn je bei seinem Tanz einen ästhetischen Anblick bot. Diesen Eindruck würden nicht einmal Flügel verändern können, wenn er welche hätte, so wie Lysia. Hinzu kam noch, dass durch das wilde Herumgehopse, das er bisher veranstaltet hatte, sich einige Strähnen aus einem der Zöpfe gelöst hatten und ihm nun ins Gesicht hingen. Da half auch kein wegblasen. Sedrik konnte sich nun lebhaft vorstellen, dass er mittlerweile wie ein kompletter Idiot wirken musste. Nun, dem Haardilemma konnte man abhelfen, seinem komischen Tanzstil nur unter Mühen. Sedrik sah seinen Preis schon in eine Ferne verschwinden, die man nur noch als ziemlich dunstig bezeichnen könnte.

    Sedrik errötete noch im Nachhinein, als ihn seine Freundin nach dem Zustand seines Körpers fragte. Obwohl er das Grinsen in ihrem Gesicht bemerkte, war er doch etwas erschrocken.


    "Ich bestehe aus Fleisch, aber durch die harte Feldarbeit habe ich auch eine gewisse Härte ...!" unterbrach er sich mitten im Wort, als ihm aufging, dass er eigentlich nicht nach dieser Antwort gefragt worden war. Noch immer fühlte er den harten Schlag und als ihn Lysia bat, nicht mehr so fest zuzufassen, nickte er ganz brav wirkend. Mit raschen Blicken orientierte sich Sedrik an den restlichen Tänzern und erneut färbten sich seine Wangen etwas dunkler, als er die spöttischen Blicke auffing, die ihm zugeworfen wurden. Innerlich seufzte Sedrik. Es war nicht leicht, sich nach einem solchen Aufprall wieder in die Melodie einzufügen.


    Sedrik leckte sich rasch über die etwas trocken anfühlenden Lippen und er spürte einen stärker werdenden Durst in der Kehle hoch steigen. Langsam wurde es Zeit, dass er wieder einige kräftige Züge von dem süßen Apfelsaft genießen konnte.
    Nach der nächsten Runde, die er wegen dem Gedränge etwas weiter außerhalb des Tanzkreises zog, spürte Sedrik dass sich scheinbar Schweißperlen auf seiner Stirn gesammelt hatten. Seine Finger hatten nun beinahe federleicht Lysias Finger ergriffen, dass er insgeheim befürchten musste, dass er sie bei einem stärkeren Schwung wohl von der Bühne in den Gastraum werfen könnte. Sie hatte zwar Flügel, doch er war jener, der sie herum schwenkte.


    Sedriks Blicke wurden wie magisch von einem der Tanzpaare angezogen und beinahe hätte er sich abermals plamiert. Die weibliche Tänzerin hatte sich zur Musik bewegen begonnen, die ihm die Augen weit öffnen und ein eigenartiges Gefühl in seinen Bauch trieb. So müsste man tanzen können! Selbst Lysia war noch ein Ausbund an Eleganz und elfenhafter Leichtigkeit gegen seine schweren Tanzschritte. Die Tänzerin schien beinahe auf der Melodie zu schweben. Aber noch rechtzeitig merkte Sedrik, dass es unhöflich war, jemand anderen so offensichtlich anzustarren, wenn man selbst eine entzückende Tanzpartnerin in den Händen hielt. Doch obwohl sich Sedrik nun wieder auf die Melodie konzentrierte, konnte er nicht verhindern, dass seine Blicke immer wieder zu dem Paar glitten und neidlos dachte er, dass dies wohl die verdienten Gewinner sein würden.

    Der Stoß, der Sedrik an der Schulter unvorbereitet traf, brachte ihn ziemlich aus dem Gleichgewicht. Man sollte nicht für möglich halten, welche Kraft hinter einer so vermeintlich harmlosen Kollission steckte. Er biss sich auf die Zunge und für einen Augenblick trat er sich noch mit einem Fuß auf den anderen. Sekundenlang hatte er das Gefühl, als hätte er sich selbst auf den Boden genagelt. Doch er hatte schon ganz andere Sachen bewältigt und so tangierte er mit einem raschen Seitenschritt sein Ungleichgewicht etwas aus. Konnte allerdings nicht verhindern, dass er - da sich die Feenelfe stärker an ihn klammerte - etwas Unordnung damit in die Tanzenden brachte.


    Seine Finger wurden durch die Kräfte der Elfenfinger etwas gequetscht, doch achtete Sedrik weniger darauf als besorgt, dass er durch seine Ungeschicklichkeit seine Tanzpartnerin nicht womöglich von der Bühne riss. Ihm schoss durch den Kopf, dass es nicht gut war, wenn man während eines Tanzes an etwas anderes dachte, als an die nächsten zu setzenden Schritte. Wenn er weiterhin so tölpelhaft weiter machen würde, würde er und Lysia nicht einmal einen Blumentopf gewinnen. Nun ja, vielleicht einen Heiterkeitspokal.


    "Geht es Euch gut? Ist Euch etwas passiert?" fragte Sedrik noch etwas atemlos. Nicht nur vom rascheren Drehen, sondern auch weil ihn seine Schulter etwas schmerzte, wo ihn Lysias Kopf getroffen hatte. Doch der Schmerz verging, seine Besorgnis nicht. Er würde es sich nicht verzeihen können, wenn seiner kleinen Freundin etwas durch seine Ungeschicklichkeit passiert wäre. Seine nächsten zwei Schritte brachten ihn und seine Tanzpartnerin wieder etwas weiter weg von den anderen. Unwillkürlich hatten Sedriks Finger fester zugegriffen und nun ließ er wieder etwas lockerer. Kurz schoß ihm durch den Kopf, dass er erst Lysia beinahe von der Bühne geworfen und ihr nun die Finger zerdrückt hätte. Na sein Start in der Stadt war mehr als suspekt.

    Sedrik musste sich eingestehen, dass der Tanz besser ging, als er noch bis vor kurzem gedacht hatte. Dass Lysia ihre Position mehr in der Luft als am Boden hielt, machte dem ganzen Spaß keinen Abbruch. Im Gegenteil. Es bereitete Sedrik immer mehr Spaß und Freude.
    Vor allem, als er bemerkte, dass sie beide nun nicht allein auf der Bühne waren. Etwas neidvoll betrachtete er kurz das andere Paar. Je nun, nicht jeder konnte die richtigen Tanzschritte. Und solange er seiner Freundin nicht die Zehen in den Boden drückte, weil er wie ein Trampeltier seine Sprünge setzte, war alles gut. Darum war Sedrik insgeheim ganz froh, dass Lysia ihre Flügel bemühte.
    Kurz wunderte sich Sedrik, dass soviel Kraft in den zarten Fingern der Feenelfe steckte, doch das Persönchen hatte sicher noch viele versteckte Qualitäten, die er - Sedrik - vielleicht nie ganz heraus finden würde.


    Es dauerte nicht lange, da verspürte Sedriok, dass ihm der Tanz ganz schön die Schweißperlen auf die Stirn trieben. Immer wieder lösten sich Strähnen aus seinen Zöpfen und hingen ihm über Auge und Kinn. Mit etwas ungehaltenen Kopfbewegungen warf er diese dann - soweit ihm das gelang - nach hinten. Doch beim drauffolgenden Dreh waren sie erneut dort, wo sie ziemlich störend wirkten.
    'Lieber einen Tag auf dem Feld gearbeitet, als in der warmen Gaststube herum hopsen!' dachte sich Sedrik und stülpte die Unterlippe vor, um sich über die Stirn zu pusten. Doch ganz gelang ihm das nicht und so spuckte er sich auf die Oberlippe und ins rechte Nasenloch. Er verdrehte die Augen und hoffte nur, dass seine Freundin Lysia nichts von diesem Missgeschick mit bekommen hatte. Ansonsten würde er eben zum Gespött seiner Freundin werden. Nun, er würde auch das überleben.


    "Dieser Tanz macht ganz schön durstig! Meint Ihr nicht auch? Nachdem er zu Ende ist, sollten wir wieder etwas trinken!" meinte Sedrik und beschloss - ohne direkt daran zu denken - die nächste Runde etwas schneller zu drehen. Dass er dadurch jedoch in gefährliche Nähe zu den anderen Tänzern kommen würde, hatte er dabei nicht bedacht.

    Sedrik konnte sich eines belustigten Grinsens nicht erwehren und er nickte. Rasch sah er zur Bühne und überlegte kurz, ob es tatsächlich so eine gute Idee war, dass er und Lysia ...! Doch dann schob er den Teller mit den letzten Kuchenkrümel von sich, strich sich über seine Haare und meinte, indem er sich erhob:


    "Nun, dann lasst uns dort die Bühne mit unseren Tanzschritten unsicher machen!"


    Aus dem Augenwinkel bemerkte Sedrik, dass sich die Bedienung näherte um den Tisch abzuräumen und kurz dachte er an seinen Beutel, der ziemlich schlaff an Sedriks Stuhl hing. Ob er ihn kurz dort hängen lassen konnte, während er und seine Freundin ihren Tanz zum Besten gaben?
    Es waren unsichere Zeiten und so manches Diebesauge könnte an seinem Beutel Gefallen finden. Doch dann ließ Sedrik das Ding wo es war. Was konnte ihm schon groß gestohlen werden? Die Schleuder und die wenigen Steine? Oder die paar Krümel, die noch von der letzten Mahlzeit darinnen waren? Denn sein Geld trug er ja in der Geldkatze bei sich. Ebenso wie sein Messer.


    Noch einmal sah Sedrik schnell zur Bühne, schluckte kurz, denn nun begann sein Herz etwas schneller zu pochen. Dann wandte er sich an Lysia und hielt ihr galant die Hand hin um sie zur Bühne zu führen und gleich die rechte Position zum Tanze einzunehmen.

    Sedrik musste über den Eifer seiner kleinen Freundin grinsen. Um sie nicht zu verärgern, senkte er rasch den Kopf und setzte bereits zu einer Antwort an, als seine Bestellung gebracht wurde. Nun, sie würden wohl erst den Kuchen mit der riesigen Haube aus der weißen Süße verspeisen und sich den restlichen Durst mit dem Apfelsaft - der in einem größeren Krug gebracht worden war, als Sedrik erwartet hatte - löschen und dann ...!


    "Stärkt Euch erst, liebe Freundin, dann werden wir beide die Bühne dort unsicher machen. Ich glaube, an diesen heutigen Abend werden wir noch lange zurück denken!" Ja, das konnte sich Sedrik gut vorstellen.
    Sein Blick fiel auf den Zettel, der unter dem Saftkrug lag und zog ihn hervor. Seine Stirn runzelte sich, als er die lange Reihe an Ziffern und Zahlen sah. Kurz überschlug er im Geiste einen Teil seiner Barschaft und nickte unwillkürlich.
    Ja, die Stadt war ein teures Pflaster und er zweifelte auch daran, lange in Gasthäusern oder anderen Unterkünften sein Lager zu beziehen. Da würde er schneller ohne einen einzigen Heller dastehen, als er gedacht hatte.


    Obwohl es erst wenige Minuten her war, dass Sedrik sich am liebsten an ein Kissen gekuschelt hätte, verspürte er jetzt keinerlei Müdigkeit. Nachdem er sich einen Löffel voll Kuchen in den Mund geschoben hatte, legte er diesen auf den Tellerrand zurück, wischte sich wenig vornehm mit dem linken Handrücken über den mit Schlagsahne verzierten Mund und griff nach dem Becher, der vor ihm stand und mitsamt dem Krug und Lysias Becher gebracht worden war. Er hob ihn etwas hoch, befüllte erst Lysias Becher, danach den seinen, grinste Lysia an und meinte, ehe er zu trinken begann:
    "Auf uns beide und den glücklichen Augenblick, als ich Euch traf und unsre Freundschaft begann. Auf Euch, liebe Lysia! Und auf unser beider Tänzchen nachher!" Dann nahm Sedrik einen großen Schluck.

    Sedrik, der bereits eine Kellnerin herbei gewunken hatte, wurde von Lysias Frage etwas aus dem Konzept gebracht. Er sah erst die Kellnerin mit großen Augen an, dann wandte er den Kopf um zur Bühne zu sehen und schließlich zuckte er die Schultern.


    "Ich glaube, jetzt werden sie es tun. Würdet Ihr auch gerne dort oben ein Tänzchen wagen?" fragte Sedrik und hielt erstaunt inne. Was war das denn? Er konnte doch seine Freundin nicht so etwas fragen! Das machte wohl die Müdigkeit.
    Sedrik wandte den Kopf und sah die Kellnerin, die bisher stumm neben ihm gestanden hatte, fragend an, als diese sich räusperte. Warum hatte er sie geholt? Ach richtig!


    Kurz wurde er verlegen, dann aber gab er die Bestellung von zwei Portionen Kuchen mit einer reichlichen Haube Schlagsahne auf und einem Krug süßen Apfelsaftes. Ehe die Kellnerin wieder verschwinden konnte, packte er sie noch etwas unhöflich am Kittel und meinte mit einem raschen Blick zu Lisya und der Bühne:
    "Wenn Ihr noch zwei Zimmer frei habt, würde ich sie gerne nehmen für diese Nacht und dann könntet Ihr mir die Rechnung bringen, damit ich Gleichstand machen kann!"
    Nun erst ließ er die Frau los und diese verschwand so schnell aus seinem weiteren Griffbereich, dass Sedrik kurz der Gedanke kam, sie machte diese Art der Beschäftigung noch nicht lange. Denn dass eine Kellnerin in einem so renomiertem Betrieb sich vor Gästen und eventuellen Handgreiflichkeiten - sei es auch nur das Festhalten am Kleide - fürchtete, war ihm unbekannt. Aber vielleicht war es in einer Stadt auch nur anders als am Lande.
    Unwillkürlich griff sich Sedrik an den Hals, wo die Kette hing und als er die Hand wieder sinken ließ, wandte er sich erneut an Lysia:
    "Was haltet Ihr davon, liebste Lysia? Würdet Ihr mir die Ehre und Freude machen, dort oben mit mir ein Tänzchen zu machen? Hm! Ich tanzend und Ihr fliegend?"
    Sedriks Unterlippe schob sich etwas vor und der Schalk begann in seinen Augen etwas zu blinken. Es wäre wahrlich ein seltener Spaß. Denn prügeln würde Sedrik sich mit niemand. Auch würde er auf niemand schießen. Nicht einmal mit der Schleuder. Damit könnte er dem anderen ein Auge ausschießen und er hatte keine Lust eine Hand durch das Richtbeil zu verlieren oder irgendwo in einem Kerker - den es in der Stadt bestimmt gab - zu vermodern.

    Obwohl Sedrik seine Augen nur noch mit Mühe offen halten konnte und die neuen Eindrücke seine Sinne ziemlich morbid werden ließen, fiel ihm doch die Wandlung Lysias Stimmung von Aufregung in Ärgerlichkeit und Gereiztheit auf. LBetroffen hielt er in seinem erneuten Gähnen inne und seine Augen wurden groß. Er stand auf und winkte der Bedienung. Nun, einen kleinen Krug mit Saft und Wasser sowie vielleicht eine Kuchen konnten sie beide noch vertragen. Falls die Küche so lange noch etwas zu bieten hatte. Zu Lysia gewandt meinte Sedrik, nachdem er wieder Platz genommen hatte:


    "Verzeiht, verehrte Freundin. Ich wollte Euch nicht verärgern. Aber bisher habe ich immer um diese Zeit bereits geschlafen. Und da wir doch beide heute schon so weit gewandert sind, viel erlebt haben und ausserdem dies reichhaltige Mahl hatten, dachte ich, Ihr wärd auch müde. Wenn Ihr nichts dagegen habt, bleiben wir noch ein wenig hier und verspeisen den Kuchen, den ich gleich bestellen werde. Hinunter spülen können wir ihn mit Wasser und Saft!"


    Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann wurde Sedriks Bestellung aufgenommen und dieser wunderte sich kurz, dass niemand an seiner so späten Bestellung Anstoß nahm. Vielleicht war man es hier in der Stadt gewöhnt, dass späte Gäste auch noch zu später Stunde Speise und Getränke verlangten. Insgeheim wollte Sedrik mit dem Küchenpersonal nicht tauschen.
    Ehe er sich mit den Gedanken noch näher mit den langen Arbeitszeiten der Stadtbewohner befassen konnte, wurde seine Aufmerksamkeit auf zwei der Gäste gelenkt, die zu den Klängen eines Musikstückes scheinbar einen Tanz vorführen wollten.


    "Seht mal, beste Lysia! Es scheint so, als wäre der Abend doch noch nicht vorbei!" meinte Sedrik und zeigte wenig vornehm mit dem Finger seiner rechten Hand zu der Stelle.
    Gleich darauf kam ihm sein unmögliches Benehmen in den Sinn und leicht errötend zog er den Finger wieder zurück. Hoffentlich kam der bestellte Spätimbiss gleich, sodass er sich während der Tätigkeit des Einschenkens und des Kuchenessens wieder etwas einkriegen konnte. Sein unmögliches Benehmen würde ja nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine kleine Freundin zurück fallen. Nun ja, und vielleicht konnten sie beide ja doch auch eine Kleinigkeit zum Besten geben. Obwohl Sedrik keine Ahnung hatte, was das wohl sein könnte.

    Langsam begann wieder die Müdigkeit in Sedrik hoch zu kriechen und mehr als einmal ertappte er sich dabei, dass ihm die Augen zu fielen. Und nun konnten weder Herum rutschen auf seinem Platz, noch ein Schluck aus dem Krug etwas daran ändern. Die Vorstellung, dass Sedriks Kopf immer tiefer niedersinken würde, die Augen sich schließen und schließlich sein Kopf mit einem dumpfen Krachen auf die Tischplatte prallen würde, wenn er noch länger wach bleiben müsste, war zwar nicht sehr angenehm, aber konnte an seiner Müdigkeit auch nichts ändern.
    Sedrik sah zu seiner Freundin und fragte sich, ob die kleine Feenelfe wohl auch an dieser Müdigkeit litt. Nun, dass sie noch frisch und ausgeruht sein würde, das nahm er nicht einmal scherzhalber an.


    Erst der lange Weg, dann der Überfall, wo auch sie ihren Anteil am Verjagen der Räuber hatte und dann das gute und viele Essen hier. Nun ja, den Apfelsaft nicht zu vergessen. Und so weit man es überblicken konnte, würde jetzt zu dieser späten Stunde wohl nichts mehr an Kunststücken kommen. Sedrik wandte sich zu Lysia und beugte sich etwas in ihre Richtung.
    "Würde es Euch sehr genieren, wenn ich jetzt unsere Zimmer bestellen und meines aufsuchen würde? Oder wollt Ihr noch bleiben? Ich glaube ja nicht, dass noch eine Darbietung kommen wird - nun ja, man weiß nicht - aber wenn ich morgen früh aus den Federn soll, weil ich ja bei der Zeitung die Suchanzeige aufgeben möchte, sollte ich wohl jetzt schlafen gehen." Insgeheim hoffte Sedrik, dass auch tatsächlich keine Darbietung mehr folgte, denn dann hätte er sich wohl geärgert, dass er diese verschlief.
    Mit den Augen suchte er die Wirtin und überschlug im Geist seine Barschaft. Doch diese würde sicher reichen. Nun kam es nur noch auf Lysias Antwort an.