Beiträge von Jasrin Dalvar

    "Bestens."

    Jasrin angelte nach dem kleinen Goldbeutel, den sie in ihrer Bluse verbarg und warf einige Münzen auf den Tisch. Ihr Klirren vermischten sich mit dem Geräusch des Stuhles, den Jasrin über den abgenutzten Boden schob, um sich zu erheben.

    "Ihr werdet mich entschuldigen, Darion. Ich habe eine Unterredung mit Eurem Informanten, die nicht länger warten kann."

    Jasrin klopfte bedeutungsvoll auf die Peitsche, die an ihrer Seite befestigt war.

    "Und was Euch angeht, so hoffe ich, dass Ihr Euch auch weiterhin von meinen Mädchen fernhaltet." Sie hob die Brauen und lächelte süßlich. "Meine Peitsche liebt es, Bekanntschaft mit ungehorsamen Männern zu machen. Besser, Ihr strapaziert Euer Glück nicht."

    Mit dieser Drohung wandte sie sich ab und schickte sich an, die Schwarze Katze hinter sich zu lassen. Sie hatte schon zu viel Zeit mit fruchtlosen Worten in dieser schmutzigen Kaschemme verschwendet.

    Es war gewagt. Jasrin wusste, dass es ihr Ärger einbringen würde. Ein weiterer Nadelstich in Richtung der Zarandar, wohlgezielt und gegen alle Widerstände ins Ziel gebracht. Zufrieden polierte sie das silberne Schild, das im Schein der Lichtmuscheln glänzte.


    Jasrin & Jerali Dalvar - Personentransporte.


    Verschlungene Buchstaben, dazu das Wappen der Dalvar, die Peitsche und das Segel, das sich im Wind blähte. Wie lange hatte sie auf diesen Augenblick gewartet, in dem ihre Familie ihr Geschäft nach Nir’alenar verlagern konnte, an den Hafen der Hauptstadt? Endlich war der Augenblick gekommen. Ein Lächeln schlich sich auf Jasrins Lippen, als sie die weiß getünchte Fassade des kleinen Häuschens betrachtete. Das große Fenster, das von der rot weißen Markise überschattet wurde, gewährte einen Blick ins Innere. Auf das Steuerrad, das über der sauberen Holztheke aufgehängt war. Die bauschigen Segel, die von der Decke hingen wie Wolken am Himmel. Ein funkelndes kleines Schmuckstück inmitten der besseren Häuser des Seeviertels, so nah an der Anlegestelle der Winterlilie, dass Jasrin ihr Schiff sehen konnte, das dort im Hafen lag lag. Ein Gemälde des schlanken Windschiffes hing im Inneren des Geschäfts, prachtvoll vor der Kuppel, die weißen Segel gebläht, während es über die Insel glitt. Jeder sollte auf den ersten Blick das schnelle Schiff sehen, das den Zarandar Konkurrenz machte - und eine Fahrt darin buchen.


    Jasrin zog sich die Handschuhe über, die sie auf den Stufen abgelegt hatte, und trat durch die Tür in das neue Zuhause, das sie in Nir'alenar bezogen hatte. Flüchtig arrangierte sie die Blumen neu, die in einer Vase ihren Duft verströmten. Dann ging sie sie Treppe hinauf, die zu ihrer kleinen Wohnung führte.

    Für einen Augenblick starrte Jasrin ihr Gegenüber wortlos an. Ihre Augen weiteten sich und es war sichtbar, dass sie einen stummen Kampf mit sich selbst austrug. Und verlor. Das Lachen brach aus ihr heraus wie eine Sturmflut und verwunderte Blicke richteten sich auf ihren Tisch.


    "Agreil Windspalter!", rief sie fassungslos aus. "Ist das Euer Ernst?"


    Ihr Lachen währte noch für einen Augenblick länger, dann versiegte es zu einem Schluckauf. Jasrin nahm einen Schluck aus ihrem Becher und schob ihn dann angewidert von sich.


    "Mächtig. Nur ein Mann kann auf die Idee kommen, dass die Größe eines Schiffes von Bedeutung ist. Die Winterlilie ist das schnellste Schiff unter der Kuppel! Agreil Windspalter und seine mit Kanonen überladenen Piratenschiffe könnten noch nicht einmal nah genug an sie herankommen, um auch nur daran zu denken, sie zu entern!"
    Sie schnaubte.
    "Ich brauche keinen Pakt mit den Piraten, damit sie mich in Ruhe lassen. Wenn Ihr bei ihm anheuern wollt, habt Ihr die Falsche erwischt. Kein schmutziger Pirat setzt seinen Fuß auf mein Schiff und befleckt seine Planken." Sie lehnte sich nach vorn. "Aber mich würde brennend interessieren, wer diese infamen Gerüchte in die Welt gesetzt hat."


    Ihre behandschuhten Finger trommelten auf die schmuddelige Tischplatte und sie hob abwartend die Brauen.

    War Jasrins Blick zuvor eisig, so schoss er nun wütende Blicke auf ihr Gegenüber ab. Nur mit Mühe gelang es ihr, den verräterischen, roten Schimmer zu unterdrücken, der ihr Haar verfärben wollte. Trotzdem war ihre Gemütslage erkennbar. Ihre Haltung wurde steif und sie reckte das Kinn, ihre Augen verengten sich zu Schlitzen.


    "Gerüchte und Geschichten? Tatsächlich? Es würde mich brennend interessieren, welche Gerüchte und Geschichten Ihr damit meinen könntet."


    Etwas Bedrohliches lag in ihrem gezwungen ruhigen Tonfall. Es war wie ein Gewitter, das sich über ihren Köpfen zusammenbraute. Jasrin ignorierte die Einladung. Alles, was sie sicherlich nicht wollte, war, mit diesem unverschämten Kerl in trauter Zweisamkeit gesehen zu werden.

    “Mit Verlaub, Darion. Aber an Eurer Stelle würde ich genau das Gleiche behaupten. Ihr werdet mir schon mehr liefern müssen als eine bequeme Geschichte, die mir jeder andere in dieser Situation ebenso erzählen würde. Im Augenblick steht Euer Wort gegen das ihre und Ihr werdet mir diese kleine Bemerkung vergeben müssen, aber Euer Ruf spricht für sich.“


    Die Kapitänin hob eine zarte, helle Braue und fixierte ihr Gegenüber auf eine Weise, die schon gestandene Männer in die Flucht geschlagen hatte. Ihre Fingerspitzen trommelten ungeduldig auf die Tischplatte. Jasrin Dalvar war keineswegs für ihre Geduld bekannt und der Umstand, überhaupt mit diesem Weiberhelden gesehen zu werden, war ihr unangenehm. Nur allzu schnell könnte Gerede aufkommen, das ihr nachhaltig schaden würde. Ein Grund dafür, dass sie sich in Nir'alenar mit ihm traf und nicht in einer Taverne in Ilassea. Sie unterdrückte ein gereiztes Seufzen. Dafür, dass Dalila sie in diese Lage gebracht hatte, gehörte sie vom Schiff gejagt. Sie war eine einfältige Närrin, das sie sich überhaupt für sie einsetzte.
    Die Gedanken ließen sie vernehmlich mit den Zähnen knirschen.

    Jasrins Blick war nicht als freundlich zu bezeichnen. Sie musterte ihr Gegenüber für einen Augenblick wortlos. Dann wies sie mit einer knappen Geste auf den freien Stuhl ihr gegenüber. "Setzt Euch, Darion." Ihr Tonfall klang frostig. Mit einem Wink gab sie dem Schankmädchen zu verstehen, noch einen Krug Bier für den Mann zu bringen, dann wandte sie sich ihm wieder zu.


    Sein vertrauliches Grinsen trug wenig dazu bei, ihre Laune zu bessern. Ganz im Gegenteil. Dieser ungehobelte Mischling nutzte sein gutes Aussehen und seinen Charme nur zu gerne, um dafür zu sorgen, dass sein Bett warm blieb. Er sollte sich jedoch nicht einbilden, dass er auf sie die gleiche Wirkung besaß. Jasrin Dalvar war keine Frau, die auf eine verwegene Ausstrahlung und ein paar Kunststücke mit einer Pistole hereinfiel. Im Gegensatz zu der Köchin der Winterlilie. Sie hatte gewusst, dass es Ärger bedeuten würde, wenn sie ein junges, hübsches Mädchen einstellte. Trotzdem ... Dalilas traurige Geschichte und ihre großen, flehend dreinblickenden Augen hatten sie zu dieser Dummheit verleitet. Nun bekam sie die Quittung dafür. Dumm. Sie war dumm gewesen. Und sie verfluchte sich selbst dafür.


    Sie nippte ein weiteres Mal an der sauren Brühe in ihrem Becher und schob ihn dann angewidert beiseite. Danach fixierte sie Darion mit zusammengekniffenen Augen. "Wahrscheinlich könnt Ihr Euch denken, was ich mit Euch zu besprechen habe. Meine Köchin ist schwanger. Und sie gibt an, dass Ihr an diesem Umstand nicht unbeteiligt seid."

    Die Winterlilie lag seit dem Mittag in Nir’alenar vor Anker und hatte sich einer Ladung gut zahlender Passagiere entledigt. Trotzdem war Jasrin schlecht gelaunt. Ein geschäftliches Treffen am Nachmittag war nicht so gut ausgegangen, wie sie es sich erhofft hatte. Nun war sie in der Schwarzen Katze eingekehrt. Normalerweise nicht die Art von Taverne, die sie bevorzugen würde, doch die düstere Örtlichkeit schien ihrer Stimmung angemessen.


    Finster stierte sie in den Becher Wein, den man ihr gebracht hatte. Es war kein guter Tropfen. Tatsächlich wäre Essig noch eine allzu freundliche Umschreibung für das Gebräu. Trotzdem nippte sie daran und verzog das Gesicht entsprechend. Von ihrer Umgebung nahm sie wenig wahr, bis auf die Tatsache, dass sich die Taverne stetig füllte und der Ton mit steigendem Alkoholkonsum rauer wurde.