Beiträge von Erzähler

    Die Straßen im Seeviertel sind eng und klein, unterbrochen von dunkleren Gassen. Schlamm und Staub verunreinigt die Wege, die an mehrstöckigen Häusern und Fachwerkhäusern vorbei führen. Die Umgangsformen sind rauer als in den anderen Vierteln und während um den neuen Hafen herum sich Händler niedergelassen haben, fühlen sich in der alten Hafengegend eher zwielichtigere Gestalten wohl. Dies spiegelt sich auch in der Umgangsweise und der Ansiedlung der Bevölkerungsgruppen wieder.

    Vieles im Künstlerviertel wurde zerstört, doch das meiste über die Jahre wieder aufgebaut. Geht man durch die Straßen entdeckt man aber immer noch zerbrochene Statuen und beschädigte Säulen. Auf den Straßen herrscht dennoch vorrangig Fröhlichkeit. Schauspieler und Sänger geben Auszüge aus ihren Stücken, die abends im Theater oder in der Oper vorgeführt werden, zum Besten oder hoffen auf diese Weise ein Engagement zu ergattern. Künstler malen Passanten für ein paar Münzen. Man hört Melodien, Gesang, und das Hämmern von Bildhauern egal wo man im Künstlerviertel sich gerade aufhält.

    Die Straßen führen vorbei an alten hohen Gebäuden aus weißem Marmor. Mächtige Säulen und Statuen erblickt man auf seinem Weg. Während von den Bibliotheken Ruhe ausgeht, dringt im Gegenzug dazu Lärm aus den Gnomenwerkstätten. Gelehrte gehen auf den Straßen und sind in Diskussionen vertieft.

    Das Palastviertel ist das religiöse und politische Zentrum und der älteste Stadtteil Nir’alenars. Es ist durchzogen von breiten mit Bäumen umsäumten Straßen, die an alten mächtigen Gebäuden und Statuen vorbeiführen. Anden meisten Tagen ist es sehr still im Palastviertel während Beamte und Boten geschäftig ihren Aufgaben nachgehen oder Besucher neugierig nach Persönlichkeiten Ausschau halten. Beinahe jede Gottheit hat hier einen Tempel und davor einen Platz mit Bänken zum Verweilen.
    Nicht zu übersehen sind der blaue Glasturm der Eleria Anuriel und der Palast des Fürsten.

    Die Straßen im Händlerviertel führen vorbei an einfachen Fachwerkhäusern, in denen Händler ihre Geschäfte betreiben, ebenso wie an größeren Steinbauten, in denen die Gilden ihren Sitz haben. Auf den Straßen herrscht Trubel. Alle Bevölkerungsgruppen bewegen sich hier zu Fuß oder in der Kutsche, um einfache Waren oder die neuesten Luxusgegenstände zu erwerben. Gaukler,Tänzer und Bettler versuchen an den Straßenecken die ein oder andere Münze zu erwerben. Und so mancher Marktschreier versucht sich bis über den Marktplatz hinaus Gehör zu verschaffen.
    Abends jedoch legt sich Stille über die Straßen. Wer von seinem Tagewerk noch nicht geschafft ist, den zieht es in eins der gut besuchten Gasthäuser.

    Um die Statue des Arion Falkenauge herum boten Händler aus den verschiedensten Regionen der Insel, aber auch Einheimische ihre Waren an. Einige versuchten sich dabei mit ihren lautstarken Angeboten zu übertönen, damit die Marktbesucher zu ihnen und nicht zur Konkurrenz gingen. Andere warteten einfach ab oder sprachen Vorbeigehende an. Neben den einfachen Waren wie Obst oder Kleidung, konnte man aber auch seltenere und regionsspezifische Waren finden. Künstler boten ihre Fähigkeiten an. So konnte man z.B. ein Portrait von such anfertigen lassen. Auf den freien Flächen zeigten Akrobaten ihre neusten Kunststücke und Tänzerinnen versuchten mit ihren Bewegungen zu beeindrucken. Alles um auch ein paar Silbertaler zu verdienen. Und zwischen dem ganzen Getummel bewegten sich unauffällig Diebe und schnitten den Unachtsamen die Geldbörsen ab.

    Saubere, breite Straßen führen durch das Adelsviertel. Sie führen an Mauern vorbei, hinter denen sich die Anwesen der Adelshäuser verbergen.Unterbrochen werden sie nur von beeindruckenden Toren. Diese lassen einen Blick auf die gepflegten Gärten mit Brunnen und die schönen neuen hellen oder auch älteren düsteren Villen zu. Statuen von Familienoberhäuptern oder gar alte Wasserspeier kann man ebenfalls entdecken.
    Am Tage geht es sehr ruhig auf den Straßen des Adelviertels zu. Die Adeligen selbst gehen gemäßigten Schrittes oder reisen mit der Kutsche, während es die Dienstboten etwas eiliger haben. Zur Dämmerung beginnt dann aus den Villen Musik zu erklingen oder es wird gar ein rauschendes Festgefeiert. Neuartige schwebende Lichter erhellen dann die Straßen.

    Autor: Klivv


    Das alte Weib zuckte mit den Schultern. “Dann nur Saligpeter für ein goldig Munze.“ Für ihren billigen Fusel hatte sie schließlich genug andere Kunden und gerade als sie die Flasche wegpacken wollte kündigte sich einer der treusten unter ihnen lautstark an, was sie dazu veranlasste genau das Gegenteil zu tun: Nämlich eine weitere Pulle auf den Tresen zu befördern. “Iste schon da!, ließ sie ihren Stammgast mit einem breiten zahnlosen Lächeln wissen.


    Dann jedoch kam dieses flatternde Etwas, dass in der Nähe bereits für Unruhe gesorgt hatte, direkt auf sie zu und das konnte sie an ihrem Stand nun gar nicht gebrauchen. “Ratte nix fliegen. Heise noch immerlich Flattrmaus“, belehrte sie den unhöflichen Kerl, der zuvor ihren Stand blockiert hatte, während sie schon nach etwas suchte, das sie auf das lästige Biest werfen konnte.


    In einem Beutel getrockneter Krötenexkremente glaubte sie etwas Geeignetes gefunden zu haben und schleuderte ihn trotz der schlechten Augen mit bemerkenswerter Zielsicherheit am Feenelf vorbei und auf den Yassa’Dhar zu.

    Autor: Klivv


    “Yassal haben meist gesundes weißes Zahn“, meinte das Kräuterweib, das noch immer nicht begriffen hatte, dass sie gerade mit einem solchen zu tun gehabt hatte, ganz allgemein und nickte. Da ihre Kundin jedoch recht schnell zum geschäftlichen Teil überging, hielt auch sie sich nicht lange mit Plaudereien auf. “Schade, auch keine Mehl von die Flattermaus für glanzend Aug und feines Haut?“, murmelte sie zwar noch routinemäßig, war allerdings schon mit dem Salpeter beschäftigt.


    “Komme ganz darauf an, was damit machen.“ Da ihre Nase noch besser funktionierte als ihre Augen und sie glaubte Pulverdampf wahrzunehmen, hatte sie so eine Ahnung. “Iste für Puder mit die laute Knall“, stellte sie eher fest, als dass sie fragte. “Iste der Saligpeter drin zu drei Teile von vier. Brauche auch noch passend Schwefel oder verbrannte Faulholz?“ Das sollte reichen, um ein besseres Gespür für die benötigte Menge zu bekommen und vielleicht noch etwas mehr Geschäft zu machen. “Abr nicht mische zusammen selberig! Immer suchen jemand, der schon gemacht oder um den nicht schade“, gab sie noch einen gutgemeinten, ja fast schon mütterlichen Rat, während sie Pulver in die gewünschten Säckchen füllte. “Sinde zwei pfundig Beutel, mache ein goldig Munze.“


    Die alte Frau war beinahe überrascht, als die Piratin im Anschluss noch nach Rum fragte. Sie hatte gemeint eine jener Personen, die genau eine Sache wollen und dann abziehen, ohne noch einen Herzschlag an Zeit zu verlieren, vor sich zu haben. “Oh, habe ich gute Rum!“ So wie ihr Gegenüber roch, war sie sich sogar fast sicher, dass es schon Bekanntschaft damit gemacht hatte. Tatsächlich hatte sie binnen eines Augenblicks eine Flasche des billigen Fusels, den der Rattenfänger zum Einlegen von… Sachen verwandte, unter dem Tresen hervorgezogen.

    Autor: Klivv


    “Der iste aber grantelig!“, beschwerte sich das alte Martweib laut und begleitet von einer ordentlichen Portion Spucke über den Kerl, den sie soeben noch so mühevoll bequatscht hatte und schloss noch – wenn auch in stark genuschelter und kaum verständlicher Form – einen ihrer berüchtigten Flüche an. Die nebulöse Gestalt hatte sie wohl doch beeindruckt und da sie selbst um die Wirkungslosigkeit ihrer Verwünschungen wusste, riskierte sie lieber nichts.


    Einen Augenblick später zerfloss ihre beleidigte Miene ohnehin schon zu einem zahnlosen Lächeln. Eine Kundin war zu ihr gekommen und das ganz ohne zuvor überredet werden zu müssen. “Aber sicherlisch, habe ich Salbigpeter. Und viel anders schöne Sache. Nur immer herkomme und ansehe. Habe ich gute Krötenscheiße, machen gesunde weiße Zähne. Habe ich Hasenzähne für feste Stuhl, habe ich viel viel schöne Sache…“ Noch während sie schwätzte, war die Vettel in ihren Stand gewuselt und hatte einen großen Sack mit weißem Pulver auf den Verkaufstisch befördert. “Wieviel brauche, wieviel wolle?“

    Autor: Klivv



    “Getrocknete Pulver von die Flattrmaus!“, krächzte die alte Vettel, nachdem sie einen kleinen Schluck ihres Stimmwässerchens genommen hatte, mit durchdringender Stimme. Das Zeug war schon reichlich alt und es war höchste Zeit, dass sie es loswurde. Eines der Säckchen hatte ihr sogar schon zu schimmeln begonnen… Nun, sie würde eben bald neues besorgen müssen. Ihr Lieferant verlangte gerade einmal fünf Pfenning pro Pfund und dass es sich dabei um einen Rattenfänger handelte störte sie nicht im Geringsten. Solange ihre Kunden darauf hereinfielen… äh damit zufrieden waren, wollte sie denken, war sie es auch. “Iste gut für glanzende Auge unde feines Haut.“


    Das Mütterchen war sehr stolz auf ihren gepflegten ausländischen Akzent. Tatsächlich enthielt er etwas von so ziemlich allen Mundarten, die in der Stadt zu hören waren, und hielt so für jedermann eine gewisse Mischung aus vertrauten um exotischen Klängen bereit. Man musste den Kunden schließlich etwas bieten, das hatte sie früh gelernt. Es war wohl etwa zu der Zeit gewesen, als ihr auch aufgefallen war, dass sich aus einer Hakennase und einem schielenden Blick durchaus Kapital schlagen ließ…


    “Wolle Sacklein für Liebste kaufe?“, krächzte sie geschäftstüchtig in das nächste Ohr, ohne dass ihr auffiel wie dunkelgeschuppt die dazugehörige große Gestalt war. Seit einigen Jahren nahm sie die Welt um sich herum ohnehin nur noch sehr schemenhaft wahr.

    Hätte Pottler es nicht besser gewusst, er hätte schwören können, dass die Fragen des Valisar spöttisch klangen. Erst, als er den gefürchteten Assassinen neben die Tür treten sah und dessen ruhige Frage erklang, gelang es ihm, seinen Blick von dem Syreniae zu lösen, tief durchzuatmen und den Rest der Halle genauer zu betrachten. Es gab nicht mehr viel zu sehen und gerade das ließ ihn die leichtfüßige Gestalt wahrnehmen, die sich um Heimlichkeit bemüht in den Sichtschutz einer der hängenden Decken begab.


    "Die Halle ist komplett leer und der Rabe steht auf meinem Pult. Großer Kerl, schwarzer Umhang mit Kapuze. Pistole in der rechten Hand, weit geöffnete Flügel. Er sieht nicht so aus, als bekäme man ihn dort runter... und er ist nicht allein", raunte der Satyr aus dem Mundwinkel. "So nen dürres Ding hat sich gerade versteckt. Hinter der dritten Decke von links dem Raben gegenüber. Sieht mir stark nach nem Hinterhalt aus. Verdammt. Erinnert mich verflucht an das, was wir vorhatten."


    Urplötzlich fuhr der Kopf des Syreniae herum und prompt bereute Pottler, so viel gesoffen zu haben, denn der Schreck fuhr ihm direkt in die Blase. "Scheiße, er guckt her."


    Was folgte, bescherte ihm eine eisige Gänsehaut von der Scheitelspitze bis in die Hufknöchel. Wo die graue Schlange wisperte, so schneidend und schön zugleich, dass es einem in den Fingerspitzen kribbelte, brodelte pure, kompromisslose Kraft aus der Stimme des Raben. Als Musikkenner wusste Pottler, was eine Stimme einzigartig machte und bei den schwingenden Glocken Nealas: Kein einziges Gerücht über die Fähigkeiten dieses Syreniae erschien ihm nun wie Übertreibung.


    Ein Schritt vor diese Tür und er würde Geschichte sein. Sein Geschäft - verloren. Seine göttliche Mission - gescheitert.


    Fast schon ergab er sich in die Vorstellung, als geliebter Märtyrer vor die gütigen Augen seiner Göttin zu treten, da tat der Syreniae etwas, das Pottler abrupt aus seinem Selbstmitleid riss. Er bestritt seine mörderische Absicht und legte seine Waffe fort. "Canvele, er hat seine Pistole abgelegt." Verzweifelte Hoffnung keimte im Herzen des Satyr auf und plötzlich nahm ein neuer Plan hinter seiner Stirn Gestalt an. Ohne sich zu rühren, flüsterte er: "Ich werde ihn so lange wie möglich beschäftigen. Du nutzt die Chance, um ungesehen in die Halle zu kommen. Schalte dazu am besten den versteckten Spitzel aus. Bezahlung ist Ehrensache. Dreifacher Tarif meinetwegen. Hauptsache, du stehst am Ende so, dass du dem geflügelten Elend in den Rücken fallen kannst, sobald er auf die Idee kommt, diesen fragwürdigen Frieden zu brechen. Was sagst du?"


    Mit bis zum Zerreißen gespannten Sinne erwartete er die Antwort des Assassinen.



    Autor: Ascan

    Bogart sollte das Hinterzimmer nicht mehr erreichen. Was dafür umso deutlicher in dem verschlossenen Raum ankam, war der markerschütternde Knall, mit dem der Schuss durch die Halle fuhr.


    Pottlers Augenbrauen sprangen seine Stirn empor. "Was zur...?" Dann schien ihm blitzartig klar zu werden, dass es mit dem Raben zu tun haben musste. Sein geliebtes Etablissement! Er würde es zerstören!


    "Oh nein! So nicht, Freundchen!" entrüstete sich der Satyr lautstark und nichts von seiner Nervosität war geblieben, als er stampfenden Hufes auf die Tür zu hielt. Niemand - auch kein Rabe - machte ihm sein Geschäft kaputt! Er hatte einen guten Ruf zu verlieren! Das war jetzt SEIN Handel!


    Bevor irgendetwas ihn stoppen konnte, riss er die Tür wutschnaubend auf - und erstarrte. Wie sein ganz persönlicher Dämon thronte der schwarzgeflügelte Syreniae, dem plötzlich alle Beschreibungen gerecht wurden, auf seinem Podest... seinem heiligen Pult... und alles und jeder schien sich auf kopfloser Flucht vor ihm zu befinden.


    Pottlers Hand verharrte am Türgriff. "Canvele..."



    Autor: Ascan

    Gerade wollte er dem Valisar erläutern, wie außer Frage es stand, sein geliebtes Etablissement auch nur für einen Tag sich selbst zu überlassen, als es hektisch an der Tür klopfte. "Herein!" brüllte Pottler und zwirbelte an seinem Schnurrbart. Zum zweiten Mal an diesem Abend trat ihm Bogart, dieses Mal leicht humpelnd, unter die Augen. Außer Atem fing der Wachmann an zu berichten: "Lady Karosh sagt, ich soll melden, dass ein verdächtiger Besucher mit schwarzen Flügeln aufgetaucht ist."


    Pottlers Hand hörte auf, seinen Bart zu zwirbeln. Ein kaum merkliches Zucken nistete sich in seinem rechten Auge ein. "Gut. Gut ist das! Guter Mann, Bogart!" dröhnte er noch lauter als gewöhnlich. "Beeil dich und sag Lady Karosh, sie soll meinen werten Gast zu uns hinein führen. So höflich es geht. Wir sind ja hier alle wohlerzogen und gesittet!" Obwohl er sich Mühe gab, wollte ihm sein Lachen nicht so inbrünstig gelingen wie man es von ihm gewohnt war.
    Selbst Bogart zögerte kurz, guckte zum Assassinen und machte daraufhin auf dem Absatz kehrt, um den Auftrag auszuführen. Wieder schloss sich die Tür.


    Pottler rieb sich in die klammen Hände und begann hinter dem Schreibtisch auf und ab zu gehen. "Wir sind in der absolut besseren Position, Canvele. Der Rabe ahnt absolut nicht, dass wir ihn schon erwarten und dieser Raum ist absolut zu klein für seine Flügel. Im Grunde müssen wir uns absolut keine Sorgen machen. Außerdem hast du absolut Recht. Es ist absolut nicht gesagt, dass er nur hier ist, um mich... Ja, ich bin mir absolut sicher, dass sich alles klären lässt, solange wir einen absolut kühlen Kopf bewahren."


    Immer wieder sprang der Blick des Satyr so nervös zur Tür, als erwarte er, dass diese jeden Augenblick aus den Angeln geschleudert werden könnte.



    Autor: Ascan

    Pottler lauschte den Worten des Assassinen nickend. Er konnte sich an nicht viele Gelegenheiten erinnern, an denen Canvele derart viele Sätze am Stück von sich gegeben hatte. Es war zutiefst beunruhigend und aufschlussreich zugleich. Zumindest klangen seine Worte aufschlussreich, denn seinen Taten konnte Pottler beim besten Willen keinen Sinn abgewinnen. Hätte der Valisar in diesem Moment einen Handstand auf dem Tisch vollführt und dabei mit Dolchen jongliert, hätte er ihn damit kaum gründlicher verwirren können.
    "Ja, das ist ein fabelhafter Vorschlag! Seine verdammten Flügel nutzen dem Raben hier drinnen nichts." Ein tückisches Glitzern kam in seinen moosgrünen Augen auf. Mit dem ausgefuchsten Assassinen an seiner Seite fühlte er sich bereits jetzt in der überlegenen Position.


    Schon bewegte er sich vor, um den Schreibtisch zu verschieben, als Canvele seine letzte Frage stellte. "Ich bin die Unschuld in Person!" beteuerte Willian inbrünstig, während er das Holz fasste und mit seinen Hufen festen Halt suchte. "War damals zwar schon im Geschäft, hatte aber nichts mit der grauen Schlange zu schaffen." Ächzend stemmte er sich gegen den massiven Tisch. Zur Antwort ächzte auch das Holz und setzte sich widerstrebend in Bewegung. "Der Rabe war eines Tages einfach weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Manche sagen, die Asche hätte ihm den Rest gegeben, aber ich kenne meinen Stoff..." Pottler löste eine Hand vom Holz und tippte sich an die knollige Nase. "... wenn man weiß, wie man es anstellen muss, bleibt man von allen körperlichen Nachwirkungen verschont. Kein hässlicher Schwindhusten, keine grauen Flecken oder Verfärbungen, nichts! Nur der reinste Rausch, den man sich vorstellen kann."


    Endlich stand der Tisch so wie gewünscht. Beim Betreten des Raums blieben auf diese Weise nur wenige Schritte, bevor man sich vor dem wuchtigen Möbelstück nach links wenden musste, um dem Satyr beim Sprechen gegenüberstehen zu können. Im Rücken seiner Gäste blieb dabei noch ausreichend Platz für den Assassinen und die geheime Tür in den Raum, in dem Pottler die Gifte ausstellte. Der Satyr breitete die Hände aus und stützte sie flach auf die Schreibtischplatte, den Assassinen dabei fest in den Blick fassend. "Deine treue Unterstützung hat mich in Gönnerlaune versetzt, Canvele. Wäre das nicht was, wenn dein kaltes Herz einmal etwas spüren würde? Stell es dir nur mal vor... all diese nie gekannten Empfindungen, die es auslösen könnte. Gar nicht neugierig? Einmal ist keinmal, so sagt man doch." Das Lächeln des Satyr zog sich breit über seine stoppeligen Wangen.
    "Hör gut zu, ich verrate dir das Geheimnis. Dann kannst du es dir überlegen." Er deutete in die Halle jenseits der Tür. "Asche... dieses graue Pulver. Das ist nur das Zeug, das ich an diese gierigen Bastarde da draußen verscherbele, die auf jeden Kupferpfennig beißen. Denen ist egal, was mit ihnen nach dem nächsten Zug passiert." Seine Finger zogen etwas aus der Seitentasche seiner weißen Weste. Ein kaum daumengroßer grauer Brocken unbestimmbaren Materials. "Das... ist Blutasche."


    Er ließ dem Valisar einen Moment Zeit, dann griff er sich die faustgroße Frauenbüste aus Marmor, die auf dem Rand des Schreibtisches stand und beim Verschieben fast zu Boden gestürzt wäre. Gezielt klopfte er mit ihrem Sockel mehrere Male auf den Brocken ein. "Jetzt siehst du gleich, was ich meine." Vom Brocken war nichts mehr zu sehen. Stattdessen breitete sich ein Pulver so intensiver roter Farbe auf der Holzplatte aus, dass es von innen zu glühen schien. "Die reinste Blutasche", sprach der Satyr erfürchtet beim Anblick der Droge. "Man hat nur wenige Augenblicke, um es zu verbrauchen, sonst... sieh selbst."
    Schon ließ das unwirkliche Glimmen nach und noch einige Atemzüge später verblasste auch die rote Färbung. Gewöhnliche graue Asche lag nun vor dem Satyr. "Das ist der ganze Zauber", seufzte dieser und man konnte ihm ansehen wie leid ihm die verschwendete Portion tat. "Es hat was mit der Luft zu tun. Blutasche muss immer bruchfrisch sein, dann kann man steinalt und sehr glücklich mit ihr werden." Pottler hob den Blick zu Canvele. "Nun?" Abermals fischte er in seiner Tasche und streckte dem Assassinen die Handfläche entgegen, auf der ein unscheinbarer Brocken Blutasche ruhte. "Ein gut gemeintes Geschenk unter Freunden", erklärte er seine Geste auffordernd und schürzte die Lippen. "Nimm es einfach mit und probiere es bei Gelegenheit. Sei nicht empfindlicher als Eriadne. Ein Zug hat noch niemanden umgebracht." Er lachte und fügte plötzlich sehr ernst hinzu: "Loswerden kannst du deinen Fluch damit zwar nicht - aber wäre es nicht grandios, ihn mal für ein paar Momente auszutricksen?"


    Er hatte es bisher aus purer Vorsicht nicht gewagt, mit einem solchen Angebot an den Assassinen heran zu treten, doch heute Nacht - das hatte er im Gespür - könnten so einige Dinge anders laufen als man es erwartet hätte.



    Autor: Ascan

    Gekonnt verbarg Willian Pottler den Triumph, den Canveles Vorschlag in ihm auslöste. Gepriesen sei Neala! Seine Göttin hielt ihm selbst im Unglück noch die Treue. Er faltete den Siegelbrief wieder zusammen und deutete mit ihm wie mit einem Zeigestock in Richtung des Valisar, während seine andere Hand an seiner Bartspitze zwirbelte. "Wir sind im Geschäft, mein Freund!" röhrte er. "Draufgespuckt und abgemacht!"
    Lady Karosh hatte noch immer keinen Mucks von sich gegeben. Die schmeichelnden Worte des Assassinen handelten ihm bloß einen wenig dankbaren Blick ein, während die Nase der Zwergin einen Deut höher wanderte. Mürrisch verschränkte sie die muskelbepackten Arme unter ihrer ausladenden Oberweite, dann erst bemerkte sie, dass der Satyr lächelnd zu ihr herüber sah. "Lady Karosh, mein edler Rosendorn, schaut doch bitte, ob im Saal noch alles zum Besten steht. Und teilt der Garde vorn mit, sie habe Euch ab sofort jeden verdächtigen Besucher sofort zu melden." Pottler zwinkerte ihr fast verschwörerisch zu. "Und mit 'verdächtig' meine ich ausnahmsweise jeden mit schwarzen Flügeln."


    Hörbar stampfenden Schrittes verließ die Feuerzwergin daraufhin den Raum, wenn auch erst nach einem drohenden Blick auf Daerid. Grinsend zuckte der Satyr mit den Schultern, kaum dass sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte. "Sie ist ein mürrisches Ding, aber beißen tut sie aufs Wort." Übergangslos wurde er ernst, denn sein feinsinniger Humor hätte an den Valisar kaum verschwendeter sein können.


    "Ihr seid lange genug in Nir'alenar, um Euch vielleicht zu erinnern, Canvele. Mein Geschäft verlief nicht immer so prachtvoll. Ihr wisst, ich bin ein Priester des Genusses an diesem trostlosen Ort, ein Visionär, ein Auserwählter der Glückseligkeit!" Theatralisch wischte er sich eine imaginäre Träne der Rührung aus dem Augenwinkel. "Das kann ich jedoch nicht von meinem Vorgänger behaupten." Kraftvoller wedelte er nun mit dem Brief durch die Luft. "Ein verfluchter Kerl! Übelste Sorte! Skrupellos und dabei auch noch humorlos bis ins Mark. Der Rabe. Bran Boréas. Wer sich damals mit ihm einließ, bereute es schneller, als er bis Drei fluchen konnte."
    Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Syreniae, mein werter Canvele... Mit denen ist nicht gut Kirschen essen. Ein Wort von ihnen und - ZACK - weiß man nicht mehr, wo einem der Kopf steht." Bezeichnend tippte er sich mit dem Brief an die Schläfe. "Brandgefährlich. Ich weiß, wovon ich rede. Nur ein ausgemachtes Genie meines Formats ist in der Lage, aus einem Geschäft mit ihnen Gewinn zu schlagen." Er nickte. "Richtig, ich rede von der Grauen Schlange... und genau die hat mir in diesem Brief soeben mitgeteilt, dass ihr vermaledeiter Volkskollege wieder in Nir'alenar aufgeschlagen ist."


    Mit einer dramatischen Pause gab er dieser Information zusätzliches Gewicht. "Als wäre das nicht Grund genug, mir Sorgen um die Zukunft meines allseits geschätzten Etablissements zu machen, soll ich diesen Unglücksboten auch noch zu ihr bringen! Und soll ich dir sagen, warum sie gerade mich darum bittet, Canvele?" Sein schiefes Grinsen war so bitter, als habe er soeben in eine Zitrone gebissen. "Weil es laut ihrer Einschätzung möglich wäre, dass er gleich bei mir auf der Matte steht. Um mir den Hals umzudrehen."


    Nun wusste der Valisar also Bescheid. "Finito!", klatschte der Satyr schallend in die Hände. "Schluss mit Aufträgen! Der Rabe bezahlt keine Mörder, Huren oder Fälscher. Wozu auch, hm? Wenn ein Satz genügt, all diese Dienste umsonst zu bekommen. Ich kann nur hoffen, dass dir das Ansporn genug ist, deinen guten alten Freund heute nicht zu leichtfertig aufs Spiel zu setzen."


    Autor: Ascan

    Blanke Panik stempelte sich in die Züge des blonden Buchhalters. Plötzlich hatte er es so eilig, seine Schreibfeder fallen zu lassen, dass dabei gleich alle Dokumente zu Boden rauschten, die dieser sich in der Eile unter den Arm geklemmt hatte.
    Weit verdrehte Pottler die Augen, als ein unscheinbarer Umschlag mit rotem Siegel an seinem Huf zum Liegen kam. Wieselschiss machte seinem Namen wieder mal alle Ehre.


    Der Satyr beobachtete noch kurz wie der feige Mensch seine sieben Sachen hastig wieder zusammenraffte. "Mach gefälligst die Tür zu, wenn du damit fertig bist." Ernst kehrte sein Blick zu dem Assassinen zurück, der die unliebsame Marotte, ihn Willian zu nennen, noch immer nicht aufgegeben hatte. Er zuckte bedauernd mit den Schultern. "Ich habe keinen Auftrag, Canvele. Nichts als Geizhälse und zwielichtige Schlampen, die sich mit einer Prise meines Hausrezepts zufrieden..." Etwas rempelte ihn grob in die Seite und er unterbrach sich unwillig, um die Zwergin anzusehen. "Sprungbart. Da!"
    Ihr Fingerzeig deutete energisch auf den Umschlag zu seinen Hufen.


    Scharf zog der Satyr die Luft zwischen seinen Zähnen ein, kaum dass er das rote Siegel in Gestalt eines Vogels erkannte. Die Überraschung wich und an ihrer Stelle stieg eine zornige Röte in sein Gesicht. Sein langer Schnauzbart bebte. Er hob seinen rechten Huf und nagelte damit Wieselschiss' Hand an den Boden, der seine Griffel gerade nach dem versiegelten Brief ausstreckte und bei den Worten der Zwergin mitten in der Bewegung erstarrt war. Der Schmerzenslaut des Buchhalters ging im Gebrüll seines Arbeitgebers komplett unter. "Du kritzelnder STÜMPER von einem Bastard! Ich habe dir gesagt, du sollst jeden versiegelten Brief SOFORT rausrücken! SCHER DICH RAUS HIER!"
    Fluchtartig stürzte der Blonde zur Tür, kaum dass Pottler den Druck seines Hufes löste. "UND VERGISS NICHT AUCH NOCH DIE VERSCHISSENE TÜR! WIR SPRECHEN UNS NOCH!" Das hämische Lachen der Zwergin begleitete den Rauswurf des Menschen und verstummte in dem Augenblick, als die Tür ins Schloss fiel.


    Pottler murmelte mit noch immer hochrotem Kopf etwas davon, wie schwer es geworden war, zuverlässiges Personal zu finden und bat Canvele mit einer knappen Handbewegung um einen Moment Geduld. Seine Finger brachen hastig das Siegel und falteten das Schriftstück grob auseinander. Rasch sah man seine Augen über die Zeilen gleiten und es war erstaunlich anzusehen wie schnell das Blut aus seinem Gesicht schoss.


    Wortlos ließ er den Brief sinken und starrte für einen Moment mit undeutbarer Miene an die leere Wand. "Canvele... es hat sich gerade etwas ergeben..." Der Satyr räusperte sich ausgiebig und so etwas wie ein Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück. "Allerdings erfordert es ein gewisses Maß an... Anpassungsfähigkeit... deiner Expertise. Sieh es als Entgegenkommen... zur Feier unserer langen und gütlichen Zusammenarbeit. Ich werde deine Fähigkeiten dieses Mal selbst in Anspruch nehmen..." Er suchte den Blick des Valisar im Schatten von dessen Kapuze. "Ich brauche dich heute... als Leibwächter."
    Der Kopf der Feuerzwergin ruckte zu Pottler herum. Hasserfüllt verzerrte sich ihre Mimik, doch kein Wort verließ ihren grimmig verzogenen Mund.


    Autor: Ascan

    Laut ließ Willian Pottler den riesigen, leeren Krug auf das Pult vor sich donnern. Genießerisch langsam polterte die Luft aus seinem Magen über seine Lippen. "Potzblitz, bei Shirashais Arsch! Die Plörre prickelt mir Morgen noch in den Eiern!"


    Die lange Pfauenfeder, die er sich an seinen weißen Dreispitz gesteckt hatte, schwankte auf und ab, während das hemmungslose Lachen des berüchtigten Satyr durch den gruftartigen Raum hallte. Sein maßgeschneiderter Anzug aus weißem Brokat war gut sichtbar selbst bis in den letzten Winkel des Unterschlupfes. Sprungbart hatte jedoch darauf bestanden, dass der edle Stoff seine Brust aussparte, sodass sich sein volles braunes Bursthaar offen über seinem Brustkorb erhob. Eine zarte, helle Hand legte sich in diesem Moment darauf und der Satyr verstummte abrupt in seinem Lachen, um einen beschwingten Takt auf der Oberweite der barbusigen Dirne auf seinem Schoß zu trommeln.

    Sprungbarts hüfthohes Podest mit dem schmalen Pult, hinter dem er in einem bunt verzierten Sessel saß, befand sich in der Mitte des Raumes, fast vollständig eingeschlossen zwischen den Tischen, Bänken und Leibern der Feiernden. Abgesehen von der betrunkenen Frau auf seinem Schoß befanden sich noch zwei weitere Personen an seiner Seite. Die Gestalt zu seiner Rechten saß weit vorgebeugt auf dem Rand des Podestes und starrte auf den zerknitterten Stapel Papier, den sie Händen hielt. Es war ein Mensch mittleren Alters, aschblond und schlaksig. Erschrocken sprang sein Blick bei jedem besonders lauten Geräusch von den Dokumenten auf und seine tintenverschmierte Hand schob dabei reflexartig das Brillengestell seine Nase empor. Seine schlichte graue Kleidung machte ihn fast unsichtbar neben der herrschaftlichen Erscheinung des Satyr. Auch die Person, die zur Linken Sprungbarts stand, gehörte nicht zu den auffälligsten Gestalten, doch die unzähligen Waffen und die starke lederne Uniform machten ihre geringe Körpergröße mehr als wett. Mit einem Schnauben kommentierte die Feuerzwergin den begeisterten Ausruf ihres Arbeitgebers. Stolz erhobenen Hauptes wanderte ihr etwas unscharfer Blick über die zechende und sich vergnügende Meute in der Halle. Gelegentlich streute sie sich etwas graues Pulver auf den Handrücken und zog es gierig durch die Nase ein. Abgesehen von diesen kleinen Unterbrechungen, in denen ein Lächeln über ihre Züge huschte, blieb ihre Miene jedoch finster, hart und missgünstig.


    Eine der Wachen vom Eingang kämpfte sich bis zu dem Satyr durch. "Bogart!" begrüßte Sprungbart ihn mit weit ausholender Geste und in einer Lautstärke, die die Hand seines Buchhalters erschrocken zu seiner Brille tasten ließ. "Warum parlierst du nicht mehr an unserer Türe und heißt unsere wackertreuen Gäste willkommen?" Mit Daumen und Zeigefinger zwirbelte der Satyr seinen weit abstehenden, kastanienbraunen Oberlippenbart.
    Der Angesprochene suchte nicht lange nach Worten. "Hinterzimmer, Sprungbart. Da wird's schon so kalt, dass selbst die Eiszapfen ne Gänsehaut abkriegen."
    Augenblicklich verzog sich das gönnerhafte Grinsen des Satyr zu einem schiefen Zähnefletschen. Das Losungswort 'Eiszapfen' verriet ihm zuverlässig, wer gemeint war. Der Nachtmarkt hatte also gerade nichts Besseres zu tun als Daerid Canvele in sein Refugium zu kotzen.


    Pottler gab Bogart ein flüchtiges Handzeichen, dass er verstanden hatte. Der Wächter beeilte sich, seinen Posten wieder zu besetzen. "Hoch mit dir, Schätzchen", schob Sprungbart die Dirne von seinen Beinen. "Jetzt werden Geschäfte gemacht. Wieselschiss! Lady Karôs!"


    Die Feuerzwergin sprang ohne viel Federlesens vom Podest und landete dabei prompt auf einem Paar, das sich eng umschlungen am Boden vergnügt hatte. Einige Tritte und hässliche Flüche später war der Weg frei und eine Gasse hatte sich gebildet. Mit weit ausgreifenden Schritten stolzierte der Satyr beschwingt hindurch, klatschte einer Frau dabei auf den Hintern und wusste, dass sein Buchhalter und die Söldnerin ihm dichtauf folgten. Eigentlich fühlte er sich sicher, was den Valisar betraf, aber er war nicht so erfolgreich geworden, weil er unnötige Risiken einging. Lady Karôs war seine Absicherung in körperlichen Belangen und selbst Wieselschiss war ihm nützlich, denn er sorgte dafür, dass jede Absprache ihren verbindlichen Weg auf Pergament fand.


    Kraftvoll stieß er seinen Huf gegen die Tür des Hinterzimmers, die ruckartig aufschwang und krachend gegen die Innenwand schlug.
    "CANVELE, mein FREUND!" betrat er mit herzlich erhobenen Händen und volltönender Stimme das Zimmer. Fast schien es, als wolle er den Assassinen, der an der gegenüberliegenden Wand lehnte, überschwänglich in die Arme schließen. "Was verschafft mir diese ungebührende Ehre deines Besuchs? Was kann dieser bescheidene Satyr für dich tun? Oder..." Er lachte und stemmte die Fäuste in die Hüften. "... bist du hier, um etwas für mich zu tun?"


    Wie zwei Schatten nahmen seine beiden Handlanger zu seinen Seiten Aufstellung. Die Hand der Feuerzwergin lag auf dem Griff einer Peitsche an ihrem Gürtel und ihr Blick, mit dem sie den Valisar förmlich an die Wand nagelte, sprach von purer Mordlust. Der blonde Mensch fummelte stattdessen an einer ausgemergelten Feder, die er aus einem Beutel hervorgezogen hatte.


    Autor: Ascan

    Es war in jedem Jahr ein sehnsüchtig erwartetes Ereignis und doch war es stets zu schnell zu Ende. Schon bald war die Parade der Sternengarde vorbeigezogen und die schmucken Recken versammelten sich auf dem Platz des Deiron, auf dem es schon vor Schaulustigen wimmelte. Zurück ließen sie seufzende Mädchen und eine aufgeheizte Menge, die sich nun unter Drücken und Schieben in Richtung des Festplatzes aufmachte.
    Bunte Wimpel flatterten dort über nicht minder bunten Zelten und zogen zahlreiche Blicke auf sich, denen neugieriges Getuschel folgte. Jeder wusste, dass sich dort die verwegenen Fechter auf ihre Kämpfe vorbereiteten, die sie schon bald hier austragen würden. Sie waren von der ganzen Insel her angereist und so mancher Name wurde ehrfürchtig geflüstert, da sich sein Träger einen gewissen Ruhm errungen hatte.
    Dort musste das Zelt von Saloran, dem Nordelfen stehen. Man erkannte es an dem weiß-blauen Stoff, der mit Silber gesäumt war. Da drüben gehörte das schwarze Zelt zu dem Streiter, den man den Dunklen nannte und der für seinen Wagemut aber auch für seine Grausamkeit bekannt war. Und keine Frage, das violette Zelt gehörte zu Damoris, dem gut aussehenden Nir'alenarer, der sich bereits mit Jubelstürmen feiern ließ und der für seine Affären bekannt war. Und erst das hellgelbe Zelt mit dem verschlungenen Muster! Es erregte beinahe das größte Aufsehen, gehörte es doch Dariella Fesalis, einer wahrhaftigen Cygnai, die die Meisterschaft in der Fechtkunst anstelle des Tanzes gewählt hatte und sich nun als einzige Frau den Männern stellen würde.
    Schon jetzt wurden an offiziellen Stellen eifrig Wetten auf den Ausgang der Kämpfe abgeschlossen und nahezu jeder stand an, um noch seinen Wetteinsatz zu erbringen und eine Gelegenheit auf den möglicherweise hohen Gewinn zu erhalten.
    Plötzlich wurde es jedoch still auf dem Platz, so still, wie es bei einer solch großen Versammlung möglich war. Nur ein heiseres Flüstern störte noch die Ruhe, die sich über alle gelegt hatte.
    Auf einem Podest, das inmitten einer abgeschlossenen Arena aufgestellt worden war, erkannte man die schlanke Gestalt und das blonde Haar von Nayara Eandara, der Leiterin der Hallen des Schwertes. Jubel empfing die zierlich wirkende Frau, die der Menge ein Lächeln schenkte. Gleich würde ihre Stimme erschallen und die Wettkämpfe offiziell eröffnen. Beinahe schien es, als ob jeder den Atem anhalten würde, um ihr zu lauschen und dann dem Einmarsch der Recken zu harren. Würde es viele neue Gesichter geben? Überraschungen? Wer verbarg sich in den unbekannten Zelten? Die Aufregung stieg schier ins unermessliche.