Beiträge von Mysthral

    Ein anderes Geräusch mischte sich in das leise Lied der Wolkentänzer und drang an die empfindlichen spitzen Ohren. Eines, das zwar ebenfalls von ihr stammte, aber von Menschenhand verursacht war. Eine Tür...... leise, sehr leise Schritte ? Für einen Moment senkte Mysthral den Blick vom Firmament der Kuppel auf das Schiffsdeck hinab, richtete sich auf und seine Augen versuchten das Dunkel zu durchdringen. Aber nur einen Augenblick lang. Es waren jedenfalls nicht die unverwechselbaren energiegeladenen Schritte des Käptn's gewesen. Und wer immer da nun an Deck gekommen war - vielleicht brauchte er oder sie ebenfalls einfach eine gewisse Zeit mit sich selbst und für sich selbst wie Mysthral auch. Er ließ sich wieder in die Kissen zurück sinken.

    "Ich wünsche Euch beiden ebenfalls eine Gute Nacht!" sprach Mysthral und sah Keona und Ipati nach bis die Tür der Kapitänskajüte sich hinter ihnen geschlossen hatte. Erst dann senkte er das Kinn, neigte den Kopf leicht zur Seite und sah zu seiner Schulter, wo seine Haut sich noch immer an die Stelle zu erinnern schien auf der Keona's Hand ihn berührt hatte. Dazu ihre Worte, bei denen seine Wangen wieder glühen wollten, wenn er sie sich ins Gedächtnis rief. Ihre Aufforderung, dass er sich einfach in der Kombüse bedienen sollte..... dass er dazu gehörte. Was hatte Kapitän Boreas gesagt ? die Crew der Wolkentänzer ist eine Familie. Und tatsächlich wollte dem Katzenjungen kein besseres Wort einfallen für dieses warme angenehme Gefühl, dass sich aus seinem Bauch heraus durch seinen ganzen Körper ausbreitete. Mit einem seligen Seufzer auf den Lippen ließ Mysthral sich nach hinten in die Kissen sinken. Winkelte die Beine etwas an und schob seinen Hut etwas in den Nacken, um seine Arme dort bequemer verschränken zu können. Boreas sprach mit Minea und würde danach womöglich auch mit ihm noch sprechen wollen und da wollte er wach sein. An der Krempe vorbei sah er in die Dunkelheit der Kuppel hinauf, um ihn herum wisperte und knarzte die Windtänzer in der Stille der Nacht leise Worte in seine spitzen Ohren hinein und ganz tief in seinem Inneren war Mysthral sich sicher, dass die geheime Melodie, die ihre Segel und ihr Holz gerade mit ihm teilten, ihm sagen sollte, dass sie zufrieden war.

    Die Stimmung veränderte sich, Mysthral spürte es beinah körperlich. Durch die tiefe Wehmut, die von Keona ausging, hindurch schimmerte eine aufrichtige Großzügigkeit und dieser feine Hauch von Gefühlen formte für einen Moment lang eine flüchtige kleine Insel, die der schwarzhaarigen Frau Mysthral's tief empfundene Zuneigung bescherte. Er fühlte sich versucht, Keona verständnisinnig die Hand auf den Unterarm zu legen, vielleicht sogar, sie zu tröstend zu umarmen. Und wäre sie nicht gerade die Dame seines Kapitäns, dann hätte er eines davon wohl sicher getan. "Es wird diese Zeit auch für Dich geben. Daran glaube ich ganz fest!" sagte er mit leiser aber von tiefem Ernst erfüllter Stimme. Der Augenblick war schon wieder vorüber geflogen bevor er wirklich da gewesen war. Mysthral entspannte sich und musste sogar leise lachen als Ipati und Keona zusammen an den Kissen zerrten und schoben, um sie zur Tür hinaus zu bugsieren. "Das muss er aber wirklich nicht. Ich bin einfach nur glücklich, dass Ihr mich dabei haben wollt." antwortete Mysthral zu den Worten über Boreas und folgte den beiden hinaus aufs Deck. "Und Deine Hilfe für das Oberdecklager nehme ich sehr gern an." Immerhin hatte er - Ipati und Chispa sei Dank - schon einen Blick in den Lagerraum werfen dürfen und wusste: Da gab es einen Haufen auszuräumen bevor an eine Neueinrichtung überhaupt zu denken war. Geschickt arrangierte Keona Kissen und Decken für ihn. "Ich verspreche, dass ich mich melde, wenn es nicht mehr auszuhalten sein sollte." willigte er ein und blickte Keona dankbar an. "Obwohl ich es mir bei diesem gemütlichen Nachtlager nicht vorstellen kann. Vielen Dank, Keona!" Ipati ließ sich schon einmal darauf nieder und ebenso Chispa, allerdings in züchtigem Abstand zu Ipati. Mysthral schmunzelte verstohlen und sah den Windgeist an. "Oder was sagt die Wolkenkennerin dazu ? Sau bequem, hab ich Recht ?" scherzte er übermütig mit Ipati.

    "Gern!" nickte Mysthral zu dem Vorschlag nun erst einmal seinen heutigen Schlafplatz her zu richten. "Wenn Ihr Minea heraus ruft, Käptn - könnte sie bitte meine Sachen ebenfalls mit heraus bringen ?" bat er Boreas noch bevor dieser die Kapitänskajüte verließ. "Ich hol' sie mir dann unten." Er und Keona waren allein. Nein, korrigierte Mysthral sich sogleich selbst und schmunzelte innerlich. Natürlich nicht allein, denn Ipati und Chispa waren ja auch da und wirkten beide erheblich gelöster als noch Stunden zuvor. "Ich bin mir nicht nur sicher, ich freue mich sogar schon darauf." antwortete Mysthral Keona mit stillem Lächeln, während er die beiden Decken entgegen nahm, die sie ihm reichte. "Weißt Du - ich bin noch nie wirklich von zuhause oder von Nir'alenar fort gewesen. Beides verlasse ich Morgen wohl für sehr lange Zeit - und ob und wann ich zurückkehre, wissen nur die Götter.... " Mysthral atmete tief und bewusst durch und sah die schwarzhaarige Frau dann wieder mit schimmernden Augen an. "Eine stille Nacht allein im Freien unter der Kuppel, in der ich ganz bewusst Abschied nehmen kann wird mir gut tun." Es war das Richtige für ihn, das spürte Mysthral. Das Richtige, um sich dem unbändigen Drang in ihm nach Freiheit und Ferne dann endgültig völlig hingeben zu können. Ohne Reue und ohne zurück zu blicken. "Aber mir gefällt der Gedanke ausgesprochen gut, dass ich ab Morgen im Oberdecklager meinen Schlafplatz und eine kleine Werkstatt bekommen soll." erklärte er mit fröhlich funkelnden Augen.

    Mysthral nickte zu Boreas Worten, aufmerksam und nachdenklich zugleich. Die tiefe Entschlossenheit in der Stimme seines Kapitäns entging ihm nicht und der Blick in sein Inneres Selbst sagte dem jungen Mann, dass diese fast körperlich spürbare Präsenz ihn ermutigte und mit Tatendrang füllte und für Bedenken oder Zweifel keinen Raum ließ. "Ich dachte nicht einmal nur an Ilassea." antwortete Mysthral bedächtig. "Auch überall sonst wo die Wolkentänzer ankert, wäre es nützlich und für einen Unbeteiligten recht gefahrlos möglich, sich in den Straßen nach Steckbriefen umzusehen und nach den vordringlichsten Gerüchten umzuhören, die die gewöhnlichen Leute bewegen ?" Fragend blickte Mysthral Boreas und Keona an. Insgesamt klang das nach einer brandgefährlichen Angelegenheit. Mysthral hatte zwar ein überaus sonniges Gemüt - aber er war weder naiv noch ein Idiot. Wenn Adelige ein Schnippchen geschlagen oder auf die Füße getreten worden war, dann konnte das hässlich werden. Sehr sehr hässlich. "Yelindea ist weit." fuhr er dennoch fort. "Und auch Ilassea...... zwar nicht sooo weit weg von Nir'alenar, aber da Silvriar und Anorea....." Mysthral blickte auf und unterbrach sich mit errötendem Lächeln. Das brauchte er den beiden anderen wohl nicht erzählen, dass die einzelnen Provinzen Beleriars sich alle nicht wirklich grün untereinander waren sondern sich viel mehr in immerwährender stiller Konkurrenz miteinander befanden..... das wussten Keona und Boreas sicherlich selbst. "Will sagen, Ihr könntet da wirklich Glück gehabt haben und vor möglichen Nachrichten aus Ilassea hier eingetroffen sein. Ich zumindest habe hier in der Stadt bislang noch nichts über Vorfälle dort munkeln hören. Auch wenn das Morgen oder Übermorgen natürlich schon anders aussehen könnte..." Er hoffte, dass das trotzdem für etwas Entspannung sorgen könnte und sah zu Keona. "Es könnte wirklich hilfreich sein, mehr über diese ganze Angelegenheit zu wissen." bestätigte er ihr und versicherte mit leiserer Stimme. "Aber ich möchte nicht in Dich dringen, wenn Du noch nicht bereit bist zu erzählen, Keona! Wenn Du es bist, wird es früh genug sein." Der Kapitän sprach von einer Bekannten - Verbündeten dann sicher, wie Mysthral verstand und es ließ ein spitzbübisches Grinsen auf seinen Zügen erscheinen. "Oh! Dann freue ich mich jetzt schon darauf, mit Zisch darüber zu beratschlagen, wo auf der Wolkentänzer Geräte und Vorrichtungen für Explosionen am Besten zu platzieren sind."

    "Danke!" Mysthral's Wangen färbten sich auf der Stelle als der Kapitän ihn lobte. Augenblicklich nickte er begeistert und hob die Falltür samt Teppich empor, nachdem er mit etwas Suche die richtige Stelle zum Öffnen gefunden hatte. "So klein ist er gar nicht..." sagte er etwas abwesend, weil seine scharfen Augen im Dunklen das Geheimversteck abtasteten. "Eher erstaunlich groß für die......" Mysthral hatte 'diese Stelle' sagen wollen, brachte es aber nicht mehr über die Lippen als ihm bewusst wurde, dass Keona darin gesteckt haben musste. "Das tut mir so leid!" flüsterte er stattdessen und sah die Syreniae mitfühlend an. Sie war ebenfalls schlank - aber eben doch ein Stück größer als Mysthral selbst. Und ihre Flügel...... "Ich bin sehr froh, dass das Versteck Dich gerettet hat, Keona!" flüsterte der Katzenjunge tröstend. Zog gleich darauf die Stirn in Falten und blickte zwischen Boreas und Keona hin und her. "Varin's Leute ?" fragte er. "Gehört das zu der Geschichte mit den Steckbriefen mit dazu ?" auch wenn sein Blick von dem putzigen Treiben der Windgeister abgelenkt wurde, die zurück gekehrt waren.

    "Deswegen fragte ich nach Ösen und Stiften..." antworte Mysthral der schwarzhaarigen Frau gedankenverloren auf dem Weg zum Teppich. "... etwas, um die Stifte aus den Ringen zu schlagen, findet sich fast überall.. und wenn es ein Messerknauf oder eine Münze ist...." Er ging neben dem Teppich auf die Knie, besah sich das Ganze gründlich und wuschelte dann sacht in den Fransen herum. Das war seltsam... der Teppich ließ sich überhaupt nicht anheben, nicht im mindesten. Das sollte er aber, wenn er nur an einzelnen Punkten mit dem Boden verbunden war. Mysthral runzelte die Stirn und wuschelte vorsichtig weiter am Teppichrand entlang. Bloß nichts kaputt machen !!!! Oh warte... war dort nicht etwas im Gewusel aus Fasern und Fransen zu sehen gewesen ? Ja, eindeutig ein sehr schmaler Spalt, fast ein Haarriß nur und kaum zu sehen. Er vergewisserte sich, dass es wirklich ein fortgesetzter Spalt im Boden war und wand sich dann zu Boreas und Keona um. Mit seinem freundlichen Lächeln sagte er "Ich hab's ! Der Teppich und die Öffnung sind eins, nicht wahr ?" Er tippte dabei mit der Hand sacht auf den Teppich. "Ich muss sagen, dass es hervorragende Arbeit ist. Ich habe mit meinem Vater schon nach geheimen Verstecken gesucht, die sehr viel leichter aufzuspüren waren." erzählte er arglos weiter, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass die meisten Leute in einem Zimmermann oder Tischler nicht unbedingt zuerst jemanden vermuteten, der gerufen wurde, um in fremden Häusern oder Möbelstücken nach geheimen Verstecken zu suchen. Oder dergleichen einzubauen.

    Mysthral zog vergnügt die Nase ein wenig kraus. Also gut dann - kneifen würde er ganz bestimmt nicht. Aber bevor er den Schrank öffnete und womöglich in Keona's Unterbekleidung herumhantieren müsste oder im Schreibtisch in irgendwelchen Geheimnissen seine Käpt'ns..... da rollte er doch erst einmal lieber einen Teppich zusammen. Den restlichen Boden konnte er danach immer noch mit seinem winzigen Hammer abklopfen, wenn dort nichts zu finden wäre. "Dann würde ich dort weiter suchen." sagte Mysthral und deutete auf Globus und Teppich. "Wie ist der Globus befestigt ? Mit Ösen und Stiften ?" Im langfaserigen, dichten Floor des Teppichs war es von seiner Position aus nicht zu sehen. "Und der Teppich selbst ? Mit Plättchen angeschraubt ?" erkundigte er sich bei Boreas und Keona, ob er womöglich Werkzeug brauchen würde, um unter den Teppich sehen zu können.

    Keona hatte nichts dagegen, aber Mysthral wartete ab, bis auch der Käpt'n sein Einverständnis signalisiert hatte. Etwas anderes kam nicht in die Tüte, denn Frauen jeden Alters und jeder Rasse liebten es, Männer in Verlegenheiten zu stürzen. Das wusste Mysthral ganz genau.... aus eigener Erfahrung. Dann aber schlich er förmlich durch den Raum. Zunächst zum Fenster gegenüber, um auch die Rückwand zu prüfen. Nein, nichts festzustellen. Als nächstes strich er um die Möbelstücke herum, prüfte hier und dort eine Verschraubung, besah sich die meisten jedoch nur. "Auch nicht in der Rückwand des Raums und nicht unter dem Schreibtisch, dem Bett, der Truhe oder dem Schrank." sagte er dann. "Die Schrauben sind nicht mehr neu und keine von ihnen weist Spuren auf, die zeigen würden, dass sie erst kürzlich entfernt worden wären." Kurz fixierte er das Inventar. Die Truhe schloss er aus. Sie war zwar groß für eine Truhe - aber wenn eine ganze Person hinein sollte, würde das Missverhältnis zwischen Außenmaß und Innenraum sofort jedem ins Auge springen. Der Schreibtisch dann ? Mysthral's Augen fuhren über all die Schriftstücke, Karten und... nein! Lieber nicht. Und so ein Schreibtisch würde vermutlich ohnehin auf den Kopf gestellt werden, wenn .... Der Kleiderschrank ? Groß genug wäre der.... aber wollte er den wirklich öffnen ?? Mysthral's Blick wechselte einige Male zwischen dem Fußboden und dem Teppich im hinteren Teil der Kajüte hin und her. "Falls das Versteck im Boden ist, würde ich zunächst unter dem Teppich nachsehen." fuhr er überlegend fort und es war nicht ganz klar, ob er zu Keona und Boreas sprach oder zu sich selbst. "Darunter ließe sich eine Vorrichtung leichter tarnen. Auf dem glatten Boden wäre das zwar auch möglich, aber sehr sehr aufwendig und schwierig." fragend sah er seine beiden Zuschauer an. "Sonst im Schrank ?" fügte er mit leisem Unbehagen noch hinzu.

    Aus den Augenwinkeln nahm Mysthral wahr, dass Keona ihnen ebenfalls folgte. Der Kapitän führte sie in die Kapitänskajüte und deutete dem jungen Mann mit einer ausladenden Geste, die den ganzen Raum einschloss, an, dass er zunächst einmal selbst nach dem Versteck suchen solle. Mysthral's Augen funkelten ob der Herausforderung. Das war ein Spiel nach seinem Geschmack - eines, dass mit Köpfchen zu lösen war. Nicht mit Muskelkraft oder Kampferfahrung, welches er nun einmal beides zu seinem Leidwesen nicht besaß. "Einen Moment bitte!" grinste er schelmisch und verließ den Raum wieder. Er ging aber nicht weit sondern besah sich nur sehr gründlich von vorn sowohl die Decke wie auch die Seitenwände der Kajüte und stellte dabei fest, dass kein offensichtliches Missverhältnis zwischen den Außenwänden und den Innenwänden der Kajüte gab. Zumindest nicht in der Größenordnung, dass es Platz für eine Person geboten hätte. Er kehrte zurück in die Kabine, unter seinem Umhang peitschte der Katzenschwanz vor Konzentration hin und her - oder versuchte es zumindest, da er durch den Gürtel fixiert war. "Es befindet sich nicht in den Wänden und nicht in der Decke." sagte er sicher und ließ den Blick durch den Raum schweifen. "Also entweder unter dem Boden oder in einem der Möbelstücke...... " überlegte er weiter und blickte den Käpt'n an. "Soll ich wirklich alles durchsuchen ?" fragte er dann doch vorsichtshalber lieber nach.

    Minea beendete ihr Essen, räumte ab und verschwand mit Chispa in Richtung Quartier. Zu Zorak, wie Mysthral vermutete - und erst wollte er schon wegen seinen Sachen fragen. Doch da sie mit dem Käpt'n noch etwas zu bereden hatte, konnte er die grazile Frau auch später noch einmal deswegen ansprechen. Stattdessen antwortete er Keona. "Hinein ? Nein, will ich nicht unbedingt." grinste er leicht. Scheinbar verband Keona keine angenehmen Erinnerungen mit diesem Versteck. "Mich interessiert viel mehr, wie er angelegt ist." Seine vorherige Frage tat ihm fast leid als er sah, wie Keona nach dem Verräumen ihres Tellers den Kapitän zu massieren begann und dieser das sichtlich genoss. Mysthral wollte schon den Mund öffnen, um zu sagen, dass für die Besichtigung des Geheimraums doch auch später oder Morgen noch Zeit sei - da kam Boreas ihm schon zuvor, erhob sich und bedeutete ihm zu folgen. "Das tut mir jetzt ehrlich leid." schnurrte Mysthral Keona leise und mit betrübter Miene zu, raffte leicht geduckt seinen Hut und huschte hinter Boreas her.

    Die Bö wurde stärker, erfasste alle am Tisch und Ipati sauste auf ihr die Treppe hinauf und hinaus in die Nachtluft. Da es aber niemanden zu beunruhigen schien, wandte auch Mysthral sich wieder dem Gespräch zu, nachdem er dem Windelementar kurz mit offenem Mund hinterher gestarrt hatte. "Ich werde vorsichtig sein!" versicherte er Keona. "Nach Steckbriefen lässt es sich ja unauffällig Ausschau halten - und meist muss man auch niemanden ansprechen und damit auf sich aufmerksam machen. Die meisten Leute tratschen auf den Märkten und noch mehr beim Trinken." Mysthral lächelte bescheiden in die Runde "Zumindest über das, was allgemein so in der Stadt vor sich geht und jedermann bewegt." richtete seine ungeteilte Aufmerksamkeit dann aber auf Boreas. Seine Augen funkelten. "Wo befindet er sich ?" fragte er voller Neugier. "Nicht im Lagerraum, wette ich." Den hatte er sich ziemlich gründlich angesehen - weshalb ihm überhaupt aufgefallen war, dass sich dort ein solcher noch einbauen lassen würde. "Darf ich ihn einmal ansehen ?"

    Mysthral lächelte dankbar in die Runde. Er freute sich darüber, dass alle ihm so bereitwillig Hilfestellung und Übungszeit anboten. "Das ist wirklich sehr nett von Euch allen! Vielleicht probieren wir morgen einfach etwas herum und schauen, ob ich irgendwofür Talent habe ?" schlug er vor. Besonders gespannt war er schon auf die Zauberei, auch wenn Chispa ihm gestern ja bereits ein paar kleine Kostproben seiner Fähigkeiten gezeigt hatte. Ansonsten..... was hatte er ansonsten für Talente ? "Ich weiß nicht, ob da hilfreich ist...." begann er zögernd. "Aber mich kennt bestimmt niemand außerhalb von Nir'alenar. Und besonders auffällig bin ich auch nicht. Vielleicht könnte ich mich unauffällig in den Städten unter die einfachen Leute mischen, mich umsehen, hören was man so redet." sagte er nachdenklich. " Oder nach Steckbriefen Ausschau halten ?" Mysthral lächelte. "Neben den Arbeiten an der Wolkentänzer natürlich." Irritiert blickte der Katzenjunge zur Tür als merklich ein heftiger Luftstrom um seine Nase und seine Beine strich. Wie seltsam....

    Keine nächtlichen Raufereien an Deck - aber was der Käpt'n da zu ihnen sagte über gefährliche Situationen und dass es vielleicht nötig sein würde zu kämpfen, war nicht von der Hand zu weisen, wie Mysthral zugebe musste. Er überlegte. Kämpfen.... nein, konnte er von sich wohl kaum behaupten. "Ich fürchte, mehr als ein Schnitzmesser verstehe ich bislang nicht zu führen." gab er deshalb unumwunden zu. Es war ihm zwar ganz schön unangenehm, aber niemand hatte etwas davon, wenn er hier etwas behauptete, was nicht stimmte. "Ich kenne mich mit Waffen leider überhaupt nicht aus, Käpt'n. Und Prügeleien bin ich bisher lieber aus dem Weg gegangen." Das eine oder andere Mal unter Einsatz seiner Krallen - aber hauptsächlich war Mysthral den Schikanen streitlustiger Raufbolde deshalb entgangen, weil er sehr schnell und sehr gewandt war und klettern konnte wie kaum jemand sonst. "Aber wenn es nicht zu viele Umstände macht, will ich mich gern im Führen einer Waffe üben." versicherte er in die Runde und überlegte dann, was er über Ilassea wusste..

    Mysthral war ein bisschen erschrocken über sich selbst, so eine aufgewühlte Empörung kannte er sonst an sich gar nicht. Aber - wie nur hatte Keona auch sagen können, dass er sie doch im Stich lassen und verraten sollte, wenn es wirklich Ernst werden sollte ?!?! Er war vielleicht noch jung und wollte die großen Abenteuer erst noch erleben. Aber deshalb war er doch kein Schönwetter-Redner ? Das hatte ihn schon getroffen. Er war nachgerade froh, dass der Käpt'n das Wort ergriff und mit achtungsgebietender und eindringlicher Stimme seine Meinung zu der ganzen Angelegenheit kund tat und auch der schwarzhaarigen Frau ein wenig ins Gewissen zu reden versuchte. Ihr begreiflich machen wollte, wie dass für alle anderen war. Mysthral lehnte sich wieder zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und nickte dazu. Der Kapitän konnte so etwas viel besser ausdrücken als er es konnte. Auch die kleine zierliche Minea versicherte Keona ihrer Freundschaft und Zuneigung und auch ihr nickte Mysthral bestätigend lächelnd zu. Keona hingegen wirkte mit all dem nicht so ganz einverstanden. Allerdings wirkte sie auch nicht wirklich zornig - eher widerspenstig - und Mysthral grinste leicht amüsiert, weil er wohl richtig damit gelegen hatte, dass Keona eine stolze Frau war. So beeindruckend Kapitän Boreas für ihn selbst auch war - seine Dame konnte seine Worte nicht ganz ohne Widerspruch hinnehmen und wahrscheinlich musste das so sein. Mysthral wedelte ablehnend mit der Hand in der Luft herum. Mit gespielt empörter Stimme sagte er "Oh nein nein - das kommt gar nicht in Frage. Keine nächtlichen Kämpfe an Deck - ich brauch schließlich meinen Schönheitsschlaf!" Das schalkhafte Grinsen in seinem Gesicht war nicht zu übersehen.

    Mysthral's Augen verharrten auf seiner Hand, die Keona gerade erst losgelassen hatte - die aber immer noch von dem sanften Druck ihrer Hand angenehm zu vibrieren schien. "Ich kann nicht glauben, dass Du absichtlich irgendjemandem Schaden zugefügt hast, Keona." versicherte er der Syreniae leise und damit war für den Katzenjungen schlicht alles gesagt. Er wusste nicht, von welchen Adeligen oder welchen Familien Boreas und Keona da sprachen. Auch nicht, wo all das überhaupt passiert war. Wer darin verwickelt war. Wie gefährlich diese Situation tatsächlich war und vielleicht werden würde. Es war ihm jetzt in diesem Augenblick auch egal. Er war davon überzeugt, dass diese Leute grausame Herzen haben mussten, wenn sie Keona lieber gefoltert und gequält hatten anstatt sie anzuhören und ihr Gelegenheit zu geben, sich zu erklären. Fast empört sah er Keona an, die sonst so glatte StirnStirn in zornige Falten gelegt. "Ich werde ganz bestimmt niemanden verraten! Euch nicht, Keona! Und auch meinem Käpt'n nicht!" Mysthral's Stimme bebte leise vor unterdrückter Erregung.

    Familie..... das war der Ort, wo man sich mochte, schätzte, jeder beitrug, was er beitragen konnte und wo man einfach der sein durfte, der man war und jeder für jeden einstand. Mysthral's Hand tastete unauffällig zu seinem Hut hinüber, der an diesem Abend schon wie selbstverständlich neben ihm lag. Seine Welt war in Ordnung... zumindest solange bis Oreithyia zu sprechen begann. Es bestürzte Mysthral nachhaltig, die schöne stolze Dame so nervös und mit den Worten kämpfen zu sehen - die sich erst heute Morgen noch so mutig und besonnen in die Lüfte erhoben hatte, um Chispa zu beruhigen und die so beneidenswert sicher und gewandt mit den Kauflustigen am Stand umgegangen war. Dabei sagte sie Dinge, die Mysthral eigentlich zutiefst erfreuen sollten... wie dass er in diese Familie aufgenommen sein sollte... aber ihr Anblick dabei....
    Fragend und verunsichert huschte Mysthral's Blick zu seinem Kapitän hinüber. Kehrte jedoch sofort wieder zurück zu Oreithyia als sie stockend weiter sprach. Dieses mal von Ehrlichkeit und dass er wissen sollte, worauf er sich einließ.... Mysthral heftete den Blick auf die edlen Gesichtszüge der schwarzhaarigen Frau und versuchte, das flaue Gefühl in seinem Magen einfach zu ignorieren. Was ihm leichter fiel als gedacht, denn was er hörte, verwirrte ihn tatsächlich. Sie sprach von sich, ihrer Familie und von Geheimnissen. Mysthral legte den Kopf leicht schief, das unbestimmte Gefühl in sich, dass er bislang noch nicht verstehen konnte, worum es ging. Selbst wenn er wollte nicht. Oreithyia redete von Steckbriefen - und da war wieder der Name: Keona !! Langsam dämmerte es ihm - nur so richtig glauben konnte er es einfach nicht. "Ihr.... Du... bist nicht... Oreithyia ?" wiederholte er leise und nicht wirklich als Frage gemeint. Eher damit er es selbst glaubte. ".... sondern.... Keona Sal.... "der weitere Name war an ihm vorbei gegangen. "Und sie ist.. nein, Du bist... auf Steckbriefen ?" Mysthral wusste natürlich, was Steckbriefe waren. Auch in Nir'a lenar gab es hin und wieder welche zu sehen. Oft waren sie auf dem Marktplatz an der großen Tafel angeschlagen und hier und da auch in den Straßen. Damit wurden Verbrecher gesucht, richtig üble Schurken wie Räuber oder Mörder. Abermals blickte er Kapitän Boreas an, dann wieder Oreithyia. Oder besser - Keona. Und verzog unwillig das Gesicht. "Nein, das glaube ich nicht!" sagte er mit einer so festen entschiedenen Stimme, dass sie kaum zu seinem sonst so sonnigen, sanften Gemüt passen wollte. Käpt'n Boreas nahm das wohl als Anlass, näher auf die Umstände einzugehen, die dazu geführt hatten, dass Oreithyia oder vielmehr Keona auf diesen Steckbriefen gelandet war. Mysthral's Augen tranken die Worte förmlich von Boreas' Lippen und weiteten sich vor Schreck als Boreas von Folter sprach. Er schüttelte etwas hilflos den Kopf. "Ich wusste, dass das nur ein Missverständnis sein konnte. Ein Fehler!" murmelte er fassungslos und sah Keona an. Diesen grässlichen Leuten durfte sie nie wieder in die Hände fallen !! r bemühe sich, das alles sacken zu lassen und seine Fassung wieder zu erlangen. "Ich verstehe das alles sehr gut." sagte er schließlich und sah Keona an. Wie furchtbar musste das alles für sie erst sein, in ständiger Angst davor, dass ..... "Macht Euch bitte meinetwegen keine Sorgen mehr, Keona. Euer Geheimnis ist bei mir sicher, das verspreche ich!" versicherte er ihr treuherzig.

    Mysthral atmete hörbar erleichtert aus als er die Zustimmung zunächst in den Augen seines Kapitäns sah und als Boreas kurz darauf auch in diesem Sinne zu Minea sprach, breitete sich eine sanfte Röte auf den Wangen des jungen Mannes aus. Dankbar lächelte er auch Oreithyia an. Er rechnete es dem Käptn und seiner Dame sehr hoch an, dass sie ihn ernst nahmen - auch wenn er ganz bestimmt kein großer Kämpfer oder gestandener Matrose war. Mysthral fühlte sich selbst gleich viel besser, da Minea auch weiterhin lächelte. "Jederzeit, wenn Du mich brauchst!" bekräftigte er noch einmal. "Sag es doch bitte auch Zorak, wenn Du... oder ich sage es ihm Morgen oder so auch gern selbst." unterbrach er seine eigenen Worte und nickte dazu. So ganz verstand Mysthral selbst nicht, was da über ihn gekommen war. Vielleicht war es einfach das, dass er jetzt gerade so kurz davor stand, tun zu können wovon er schon so lange geträumt hatte. Die vor ihm liegende neue Freiheit pulsierte in seinen Adern und er schmeckte sie ebenso mit jedem Atemzug in der leicht salzigen Luft wie er es im sanften Rauschen der Wellen im Wind hören könnte. Um so unerträglicher und ungerechter erschien ihm der Zwang und die Unfreiheit, die dieser Fluch für Zorak bedeutete. "Du hast unseren Käptn gehört - wir sind eine Familie. Und in einer Familie halten alle zusammen." Zufrieden und glücklich blickte er in die Runde.

    Minea's Lächeln blieb auf dem zarten Gesicht und Mysthral freute sich darüber. Überrascht hörte er sie weiter sprechen, wenn auch mit verzagter leiser Stimme. Sie erklärte etwas zu Zorak, sprach von einem Fluch... In Mysthral's Kopf ratterte es mächtig. Dann war es also tatsächlich ungewöhnlich, dass Zorak nicht mit ihnen aß. Sich nicht einfach später hatte verwandeln können... Nur... wenn er das richtig verstand, dann tat er das nicht freiwillig. Und schon gar nicht aus Abneigung heraus.... sondern weil er nicht anders konnte.... nur für wenige Stunden ? Wie furchtbar!! Für Zorak - aber auch für Minea, wenn er daran dachte, was er tags zuvor über die beiden erfahren hatte..... "Das tut mir so leid, Minea!" kam es ihm wie von selbst über die Lippen. Nicht zuletzt, weil er augenblicklich leise Schuldgefühle gegenüber dem Tua'tanai hegte. "Bitte - wenn ich euch irgendwie helfen kann.... zählt bitte auf mich." Mysthral sagte es, ohne darüber nachzudenken. Sein Herz hatte es ihm befohlen und es war ihm todernst damit. Dennoch suchte sein Blick nach einer Weile unsicher Kapitän Boreas. Er würde das nicht zurücknehmen aber er wünschte sich trotzdem, dass der Käpt'n es nicht missbilligte oder gar zornig auf ihn war deswegen.

    Minea lächelte, wie Mysthral erleichtert und glücklich zugleich feststellte. Nur seine Fragen blieben unbeantwortet im Raum hängen und verstärkten das Gefühl in dem jungen Mann, dass es da etwas gab, was über seine Unerfahrenheit und geringen Kenntnisse über das Volk der Tua'tanai weit hinaus ging. Aber gerade mochte Mysthral das zarte fragile Bändchen von Vertrauen, dass sich zwischen ihm und Minea zu bilden begann, nicht gefährden oder gar zerstören und so fragte er nicht weiter. Vielleicht gehörte dies ja auch zu den Geheimnissen, die der Käpt'n erwähnt hatte und über die er noch mit Mysthral reden wollte. "Oh, ich richte mich da ganz nach Dir, Minea. Vielen Dank, dass Du mir helfen wirst!"