Beiträge von Selen Nacin

    Selen musste irgendwann eingedöst sein, denn als sie die Augen wieder aufschlug, war es bereits dunkel draußen und nur Nara lag schnurrend an ihrer Seite. Von draußen hörte die Hexe Asmira lautstark irgendeine alte Geschichte erzählen und ganz leise gurgelte irgendwo Wasser, vermutlich ein Bach oder etwas ähnliches. Noch etwas schlaftrunken steckte Selen sich und stand dann auf. Zufrieden stellte sie fest, dass ihre Füße sie wieder wie gewohnt trugen und nicht mehr zitterten. Mit einem Lächeln verließ sie ihren Wagen und sah sich um. Ihre Mutter hatte bereits den Feuerkorb in Betrieb genommen und sich selbst auf einen großen Stein verfrachtet, von dem aus sie gerade von einer Auseinandersetzung zweier rivalisierender Stämme unter dem Meer erzählte. Das Lächeln wurde breiter und Selen lehnte sich an ihren Wagen. "Ganz in deinem Element, wie ich sehe, Mutter!", erklärte sie laut, bevor sie sich abstieß um sich zu den anderen zu gesellen. "Also, wie lange habe ich geschlafen?", fragte sie gut gelaunt in die Runde. "Und wie weit sind wir gekommen?", dabei sah sie vor allem Asmira an, die wohl die meiste Zeit von ihnen allen auf den Straßen verbracht hatte. "Weit genug, werden wohl morgen am frühen Abend ankommen. Vielleicht bekommt ihr dann noch euer Luftschiff, eh?", mutmaßte diese zufirieden.

    Selen nickte nur, wenn auch etwas enttäuscht, dass ihre Kraft scheinbar nicht ausreichte, ihnen zu helfen. Nun denn, dann würde sie dafür sorgen, dass sie so schnell wie möglich an ihr Ziel kämen. Nara kam gemächlich zum Bett und sprang gar träge an die Seite der Hexe und schmiegte ihren Kopf gegen Selens Arm und gedankenverloren erwiderte sie die Geste mit der Hand. Asmira gab nur ein kurzes "Ah!" Von sich und drehte sich wieder nach vorne, um die Pferde noch etwas mehr anzutreiben. Beide Frauen achteten nicht weiter auf das Gespräch des Paares, da sie das Gefühl hatten, diese Worte seien nicht für ihre Ohren bestimmt. Auch wenn Asmira vielleicht etwas aufmerksamer war, hielt sie sich diesmal zurück. In der Karawane bekam man öfter Gespräche mit, die eigentlich privat waren und man lernte schnell, im richtigen Moment abgelenkt zu sein, um den anderen ihre Privatsphäre zu lassen, soweit dies möglich war, wenn man so eng aufeinander lebte.

    Selen sah etwas irritiert zu dem Vogel, der beim Nennen seines Namens mit den Flügel flatterte und interessiert zu Zisch sah. "Nun..", begann die Hexe. "..vermutlich nicht so, wie du meinst. Er hat mich gefunden, weil uns ein magisches Band verbindet und weil er diese Route bereits kennt. Im Grunde ist er nur der Straße gefolgt. Aber.. wenn du mir sagen kannst, wie die Person aussieht und mir einen gewissen Umkreis nennen kannst, werden Korax und ich wohl ein relativ großes Gebiet in kurzer Zeit absuchen können. Also.. falls dir das irgendwie hilft..?" Selen war unsicher, worum genau es ging. Doch sie konnte mithilfe eines Zaubers durch die Augen ihres Raben sehen und somit ein weites Gebiet überblicken. "Ansonsten.. könnten wir natürlich.. " Sie wechselte einen Blick mit Asmira. ".. unsere Beziehungen ein wenig spielen lassen und Informationen einholen. Was auch immer euch hilft!"

    Selens Blick ruhte auf Zischs Händen, während diese beinahe liebevoll über die Waffe strichen. Die Art, wie sie darüber sprach, erinnerten sie daran, wie versunken sie selbst manchmal in die Arbeit sein konnte und wie befriedigend es war, wenn ein Mittel die erwünschte Wirkung hatte. "Du bist sehr geschickt, ich könnte nicht einmal daran denken etwas derartiges zu bauen!", erklärte sie mit Respekt und einem Hauch Bewunderung in der Stimme und erwiderte das Lächeln der Gnomin. Sie wurde ihr immer sympatischer. Wenn die beiden nur nicht all diese Erfahrungen hätten machen müssen, die sie mitunter dazu trieben, sogar fort zu laufen.. Wie aufs Stichwort erhob sich da Nyx aus seiner Starre und Selen sah zu ihm auf, mit ihrem üblichen, ruhigen aber aufmerksamen Blick. Seine Entschuldigung kam überraschend. Wenn überhaupt, hätte sich wohl Selen für die plötzlich auftauchende Karawane entschuldigt, die sie beide so aufgebracht hatte. Die Hexe redete jedoch nicht dazwischen, ließ ihren Bruder geduldig ausreden. Asmira war weniger geduldig und begann schon bei seinen letzten Worten lauthals zu sprechen: "Ah! Lass die Entschuldigungen, Junge! Wir sind auch nicht immer ganz einfach, eh Selen? Du bist da, wenn du da sein willst und wenn nicht, dann bist du es nicht. Aber du sollst wissen, dass du bei jedem der unseren ein Zuhause hast. Das gilt für euch beide! Und deine Schwester päppel ich schon wieder auf, die ist spätestens in der nächsten Stadt wieder auf den Beinen, dieser Sturkopf.. Aber die eigentliche Frage ist doch.." Selen unterbrach sie. Auch wenn sie die Dinge häufig unterschiedlich angingen, in manchen Dingen waren sie sich doch sehr ähnlich. So auch jetzt. "Die Frage ist, wie können wir sonst helfen?" Erwartungsvoll sah sie zwischen ihrem Bruder und ihrer Schwägerin hin und her.

    Selens Augen huschten zwichen Zisch und Nyx hin und her, während die Gnomin eine kurze Erklärung zu seinem Zustand gab. Unbemerkt hoben sich die Augenbrauen der Hexe ein Stück weit. Was mochte in ihm vorgehen, dass er sich so in sich selbst zurückzog, dass er kaum noch für seine Umwelt zu erreichen war? Selbst für Zisch nicht? Selen suchte in seinen Augen nach einem Hinweis oder etwas ähnlichem, das ihr eine Antwort geben könnte, doch sie fand nur einen leeren Blick, der auf die Karten gerichtet war. War es am Ende diese Situation hier? Mochte er schlicht nicht mit seiner Schwester und deren Mutter sprechen und vertiefte sich statdessen lieber in etwas anderes? Die Hexe grübelte vor sich hin, doch es wollte ihr keine befriedigende Antwort einfallen. Irgendwann seufzte sie einfach nur und ließ es auf sich beruhen. Irgendwann würde er schon wieder aufwachen, spätestens, wenn er Hunger bekam, dachte sie sich. Sie sah zu Zisch hinüber. "Übrigens wirklich praktisc mit deinem Gewehr! Du scheinst auch eine recht gute Schützin zu sein.", versuchte sie sich an einem Gespräch. Vielleicht würde das die Stimmung wieder etwas auflockern. Sie nahm ihr Kissen, um sich damit gegen die Wand zu lehnen. Ganz hinlegen wollte sie sich nicht. Schließlich ging es ihr schon wieder besser, da würde sie sich nicht derart hängen lassen. Sie konnte ja auch schon wieder laufen.

    Selen musste über die Art, wie Zisch auf ihr Eingeständnis reagierte, schmunzeln, doch dann vertiefte sie sich in die Überlegungen darüber, wie sie die beiden wieder aufmuntern könnte. Es ärgerte sie, wie langsam ihr Hirn noch immer arbeitete. Die Geschäftigkeit ihrer Mutter beachtete sie nicht weiter, war sie diese doch bereits gewohnt. Sie bemerkte am Rande, in welcher Unordnung ihre Sachen wieder eingeräumt wurden, da sowohl Zisch als auch Asmira scheinbar nicht sonderlich viel auf Ordnung gaben. Ihre Mutter hatte in ihrem Wagen einfach viele Kisten und ähnliches, in die sie alles mögliche hinein pfefferte. Nur einige wenige, wirklich wichtige Dinge bewahrte sie sorgfältiger auf. Selen war sich also dessen bewusst, dass sie, sobald man sie wieder ließe, würde aufräumen müssen, doch für den Moment ließ sie es geschehen. "Wenn ihr mögt, könnten wir heute Abend etwas tanzen und ich vermute, Mutter hat auch einige Geschichten auf Lager, oder Momma?" Diese sah auf und stemmte die Hände in die Hüften. "Also wenn ich keine Geschichten zu erzählen wüsste..! Ah! Natürlich machen wir das!" Selen lächelte bei der Begeisterung ihrer Mutter. "Also natürlich nur, wenn ihr mögt. Es sei denn, es schwebt euch etwas anderes vor.." Etwas besorgt sah sie nun auch zu Nyx, der unaufhörlich seine Karten mischte, kaum etwas anderes wahrzunehmen schien. Er reagierte auch auf keine der Bemerkungen. "Zisch, sag mal.. ist alles in Ordnung mit ihm? War.. es zu viel?", fragte sie zögernder als es für sie typisch war und mit leiser Stimme, während Asmira bereits die Tür geschlossen und nach vorne zum Kutschbock gegangen war, um die Pferde anzutreiben.

    Selen hob überrascht die Brauen, als Zisch vor ihr stand und erklärte, sie solle sich lieber hinlegen und das Aufräumen der Gnomin überlassen. Fast reflexartig kam die Antwort der Hexe: "Oh, keine Sorge, ich.." Sie hatte nach dem nächsten Buch greifen wollen, doch ein Schwindelanfall zwang sie dazu, sich wieder an die Wand des Wagens zu lehnen. Genervt schnaubte sie und starrte einen Moment in die Luft. "Vielleicht hast du Recht..", gab sie resignierend zu und bemühte sich, möglichst aufrecht und ohne sich großartig etwas anmerken zu lassen, zurück zum Bett zu gehen. Vorsichtig setzte sie sich und verbarg den düsteren Ausdruck, der sich ihres Gesichts bemächtigen wollte. Das half schließlich alles nichts. Stattdessen konzentrierte sie sich lieber wieder auf das Gespräch. Mit gerunzelter Stirn sah sie Zisch an. "Ich verstehe.. was macht ihr dann gerne? Ich meine.. bei uns gab es immer Geschichten in Tänze ums Lagerfeuer." Selens Augen hatten einen leicht verträumten Ausdruck angenommen, während sie sich erinnerte. "Zisch, wärst du so lieb, mir das Kräuter dort im Eck zu bringen?", fragte sie beiläufig und deutete auf eine der Pflanzen, die con der Decke hingen. Leider kam genau da Asmira zurück Und sah ihre Tochter streng an. "Das wird sie sicher nicht. Du sollst dich ausruhen und nicht aufputschen! Heiler sind wirklich die schlimmsten Patienten, eh?" Selen erwiderte den Blick ihrer Mutter ruhig. "Nun, du musst es ja am besten wissen!" Einen Moment lang starten sich die beiden Frauen an, um dann zugleich in Lachen auszubrechen, wobei Asmira deutlich lauter zu hören war. Die Dheoran sah sich um und erklärte in einer Stimme, die keine Wiederrede duldete: "Jeder, der kein Patient ist, hilft mir jetzt beim Aufräumen, damit wir aufbrechen können!"

    Selen nickte erleichtert bei Zischs Worten. Vielleicht würden sie doch alle gut miteinander auskommen. Sie war fast froh, dass ihre Mutter sich wieder auf ihren und Nyx' Vater konzentrierte und somit keinen Grund hatte, wer weiß was mit den Banditen wenige hundert Meter den Weg hinunter anzustellen. Dann sah sie forschend in Nyx' Gesicht, das geradezu verschlossen schien, während er sein Kartendeck immer wieder neu mischte und die Karten beinahe zwischen seinen Händen hin und her zu fliegen schienen. Nara hatte sich schnurrend an ihre Seite gedrückt und gedankenverloren kraulte sie der Katze den Kopf, während sie überlegte, wie sie die Situation angenehmer gestalten könnte. Mühsam rappelte sie sich auf und sah sich um. Bevor sie weiter fuhren, würde sie noch aufräumen müssen, sonst würden all ihre Sachen im Wagen herum, wie sie erschöpft feststellte, doch sie schwang die Beine vom Bett und wartete einen Moment, um sich zusammen zu nehmen. Sie konnte es nicht leiden, wie unwillig ihre Glieder reagierten und kurz glomm es grün in ihren Augen, doch genauso schnell war es wieder weg. Langsam und unsicher stemmte sie sich vom Bett hoch und stolperte auf die Unordnung auf dem Boden vor der Tür zu, um einige Fläschchen und Bücher aufzuheben. Asmira hörte man unterdessen unter lautem Klimpern das Pferd vorspannen, wobei sie unaufhörlich auf das Tier einredete. Selen musste lächeln, bei dem Blick durch das Fenster auf der anderen Seite des Wagens. Sie stützte sich an der Wand ab, und zwang ihre noch wackligen Beine auf das Schränkchen zu, in das die Sachen auf ihrem Arm gehörten. Währenddessen sah sie immer wieder zu Zisch und Nyx, nachdenklich darüber, wie sie beide wohl aufheitern könnte. Ihr Blick fiel auf die Karten in seinen Händen. "Spielt ihr gerne Karten?", fragte sie ins Blaue hinein.

    Asmira sah auf Und fixierte die junge Frau, die vor ihnen stand. Selen hatte schon Sorge, dass sie würde eingreifen müssen, doch im letzten Moment schien ihre Mutter beschlossen zu haben, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. "Diese Banditen, die euch angegriffen haben.. wo finde ich die..?", fragte sie laut, wie es für sie üblich war. Man sah ihr deutlich an, dass die Männer besser um ihr Leben rennen sollten, sofern ihnen noch irgendetwas daran lag. Selen dagegen legte ihr nur eine Hand auf den Arm, da sie wusste, dass es nutzlos war mit ihr jetzt diskutieren zu wollen. Stattdessen versuchte sie das Thema zu wechseln. Sie schaute zu Zisch hinüber. "Es tut mir leid, dass ich euch so erschreckt habe.. aber es geht mir schon besser und.. " Sie räusperte sich und musste den Kopf wieder auf das Kissen legen. Ihr Zustand frustrierte sie, doch sie schob das Gefühl beiseite. "Ich bin sicher, ich kann spätestens morgen wieder fahren. Wir bekommen euch schon schnell genug ans Ziel!" "Ah! Hör auf hier die Starke spielen zu wollen! Es sieht doch jeder, dass du Ruhe brauchst! Ihr habt es eilig, eh? Ich fahre! Kein Problem! Und mit Kruus draußen geht es noch mal schneller!" Selen schüttelte lachend den Kopf und wies ihre Mutter zurecht: "Sofern sie überhaupt noch mitkommen wollen." Ihr Gesicht nahm wieder einen ernsteren Ausdruck an. "Niemand wird euch zwingen wollen, aber.. Ich würde mich sehr über eure Gesellschaft freuen.", sagte sie ruhig und ehrlich. Asmira schnaubte. "Na, und ich werde einem gewissen Magier wohl noch einen Fluch aufhalsen müssen.. lässt seinen Sohn alleine, dieser abartige Sohn der Höllen!" Die letzten Worte waren in ihrer Muttersprache, in der Asmira vorwiegend fluchte. Selen sah sie entgeistert an. "Momma, das reicht jetzt, wir haben Besuch!" "Ah!", kam es nur von der, während sie geschäftig Aufstand und unter einigen Flüchen mehr nach draußen wuselte, um ihr Pferd mit vor den Karren zu spannen. Selen seufzte. "Sie ist lieb, wenn man sie erst einmal kennt.", erklärte sie schwach lächelnd.

    Ein vorsichtiges Klopfen ließ die angelehnte Tür etwas aufschwingen und Selen hob den Kopf und kniff die Augen zusammen um wenigstens einigermaßen scharf zu sehen. "Zisch? Nyx?", rief sie mit rauer Stimme und räusperte sich dann, doch ihre Mutter kam ihr zuvor. "Kommt rein, Kinder! Hier beißt keiner, außer vielleicht dieser Vogel da!" Als auf ihn gezeigt wurde, krächzte Korax aufgebracht und auch Selen ließ ein empörtes: "Momma!" hören. Die Hexe schnaubte. "Sei ein wenig höflicher, ja? Wir sind alle erwachsen und wir sind hier nicht in der Karavane..!" Ihre Stimme war noch immer unangenehm rau, doch es wurde langsam besser. "Ah!", rief die Dheoran aus, ein kurzer, abwehrender Laut. "So wie ich das sehe, hat keiner von euch auch nur die 50 erreicht! Komm erst mal in mein Alter und wandere bald 200 Jahre über diese Insel! Dann siehst du auch überall Kinder, glaub mir..!" Selen verdrehte die Augen und schaute zur Tür. "Denkt euch nichts, sie ist mit jedem so..", erklärte sie etwas belustigt, was ihr einen leichten Klapps auf den Unterarm einhandelte. "Nicht so frech, eh?" Selen ignorierte es und fragte stattdessen besorgt: "Alles in Ordnung bei euch?"

    *fängt die Beeren auf und nickt Zisch dankend zu*
    Bei so vielen lieben Gesichtern hier wäre es auch viel zu schade, wenn das hier einfach einrosten würde! *schaut mit breitem, freundlichen Lächeln in die Runde*

    Blinzelnd öffnete Selen die Augen um in die Spiegelbilder ihrer eigenen zu blicken. Noch immer sah sie verschwommen, doch ihre Gedanken waren wieder klarer. "Momma? Was..?" Sie sah sich verwirrt um, suchte den Wagen nach ihrem Bruder und Zisch um, konnte sie aber nirgends entdecken. Nur die Umrisse ihrer Sachen konnte sie in einem Eck ausmachen, wobei der Wagen ein wahres Chaos war. Bücher und einige ihrer Heilmittel schienen auf dem Boden verstreut zu sein. "Schhh. Es ist gut jetzt. Ich habe die anderen wieder weg geschickt, die beiden scheinen vorhin ziemlich verschreckt gewesen zu sein." Selen blinzelte noch immer irritiert. "Wie bist du.. überhaupt so schnell her gekommen? Korax war ja noch nicht einmal da.." Asmira lachte laut und tätschelte ihrer Tochter die Hand. "Wir waren sowieso in der Nähe und Korax ließ sich liebend gern noch etwas mit Futter überreden, ein wenig länger bei mir zu bleiben. Ich wollte dich überraschen! Aber dann ist der Vogel auf einmal total durchgedreht, deswegen hab ich mir ein Pferd geschnappt und bin ihm hinterher geritten." Nach und nach sickerte auch zu der Hexe durch, was ihre Mutter ihr erzählt hat. "Warte, wo sind Nyx und Zisch hin?" Sie bemühte sich, aufzustehen, doch ihre Gliedmaßen wollten ihr nicht recht gehorchen und auch Asmira drückte sie zurück aufs Bett. "Na, erhol dich erst mal wieder, sie sind irgendwo in den Wald gelaufen, aber die kommen schon wieder. Und wenn nicht, können wir das auch nicht ändern."

    Asmira sah den beiden zunächst verdutzt hinterher, dann zogen sich ihre Augenbrauen nachdenklich zusammen, während ihr Blick über die Wagen wanderte und sie den ersten besorgten Dheoran entgegen schaute, die aus ihren Wagen stiegen um nach Selen und dem neuen Familienmitglied zu sehen. Asmira atmete kurz entschlossen durch und trat hinaus. "Kinder, ihr zieht besser weiter!", verkündete sie mit ihrer üblichen, donnernden Stimme. Die beiden hatten einen Blick auf die Wagen geworfen und waren praktisch geflohen. Was auch immer es war, das ihnen solche Angst machte.. es hatte mit den anderen zu tun. Sie sah Nacin entgegen, der ebenfalls bereits aus seinem Wagen gestiegen war und sich auf seinen Stock stützend näher kam. Sie überbrückte ihrerseits die Distanz um mit dem Oberhaupt ihrer Karavane unter vier Augen zu sprechen. Natürlich bekamen alle Umstehenden mit, wie sie ihm die Situation grob beschrieb und erklärte, weshalb es wohl besser war dass sie sich alleine um ihre Tochter kümmerte. "Ich stoße dann am nächsten Halt wieder dazu. Aber.. diese beiden da draußen.. gehören zu uns. Und.." "Ich verstehe schon.", erklärte der alte Mann mit einem Lächeln und klopfte ihr auf die Schulter. Dann wandte er sich an seine Karavane und bat sie, ihre Wägen wieder abfahrbereit zu machen. Seinen Sohn schickte er zu Asmiras Wagen, wobei diese schnell das nötigste zusammen suchte und dankend ein Pferd annahm, mit dem sie jederzeit würde aufschließen können. Innerhalb von wenigen Minuten fuhren die Wägen mit ihren beinahe enttäuschten Insassen wieder ab. Asmira aber band ihr entliehenes Pferd an einem Baum fest, ließ die Tür des Wagens offen und setzte sich an den Bettrand zu ihrer Tochter, um ihr sanft über die Wange zu streichen. Sie würde bald wieder aufwachen, wie die Geschichtensammlerin und Heilerin hoffte.

    Asmira sah ungeduldig zu der jungen Frau, die ihr zur Hand ging. "Es heißt, dass ein Tropfen nicht gleich ein Tropfen ist. Deswegen etwa." Doch sie schien bereits zu tun, was nötig war, daher sagte sie nichts weiter und vollendete nur ihre Arbeit an der Wunde. Erst, als das Mädchen vom Bett stolperte, sah die Dheoran wieder auf. Sie warf einen durchaus interessierten Blick auf die Karten in Nyx' Hand, die wie aus dem Nichts Feuer gefangen hatten. "Ein Kartenmagier, wie?", warf sie mit einem wissenden Lächeln in den Raum. "Keine Sorge, von den Unseren droht dir sicherlich keine Gefahr. Es sei denn, du wünschst es." Im letzten Satz hörte man eine gewisse Ironie heraus, als wäre es dumm, auch nur darüber nachzudenken.
    "Also, da du und auch...", sie warf einen prüfenden Blick auf Zisch, die scheinbar recht vertraut mit ihm war und wie es in dem Brief geklungen hatte.. "..deine Frau hier zur Familie gehören.. und Selen gerade verhindert ist.. Darf ich euch im Namen von Nacin eine Mitfahrgelegenheit und einen Platz an unserem Feuer anbieten?" Sie lächelte breit und herzlich, erwartete aber scheinbar eine positive Antwort.

    Asmira griff mit einem dankbaren Nicken nach dem Ding, das die junge Frau ihr hoch reichte. Interessantes Gerät, doch sie hatte keine Zeit, es sich genauer zu betrachten. Im Halbdunkel neben der Klappe betätigte sie den Knopf und dann den Hebel, wie sie gesagt hatte. Eine kleine Flamme entstand und die Dheoran hielt den Lichtspender vor sich, fand einige Kisten und erkannte eine wieder. Sie kroch ein Stückchen darauf zu und öffnete etwas umständlich den Deckel. Ihr Blick fiel fast schon magisch angezogen auf ein kleines, unscheinbares Fläschchen, dessen Inhalt im spärlichen Licht beinahe matt wirkte. "Ha!", rief sie aus, griff danach und krabbelte wieder zurück, reichte das geliehene Gerät sowie das Fläschchen zunächst nach unten an die Gnomin um dann selbst hinunter zu steigen. "So, Junge, hilf mir mal eben, ich bin auch nicht mehr die Jüngste!" Ihre Stimme schien es gewohnt zu sein, immer eine gewisse Lautstärke zu haben, auch wenn sie einen angenehmen Klang dabei hatte. Sie griff ihrer Tochter von hinten unter die Arme und bedeutete Nyx, ihre Beine zu nehmen. Gemeinsam legten sie die Hexe auf ihr Bett, wobei Asmira einen prüfenden Blick auf die Platzwunde am Hinterkopf der jungen Frau warf. "Rotschopf, komm mal mit dem Gegengift her und gib ihr etwa drei Tropfen in den Mund." Sie griff nach einigen Binden, die noch herum lagen und auch nach dem Desinfektionsmittel und der Salbe, die Selen zuvor für ihre Schulter verwendet hatte. "Sie hat Glück, die Platzwunde ist nicht so groß, da muss ich nicht mal nähen. Und wenn du richtig lagst mit der Zeit, dürfte sie auch das Gift überstehen.", erklärte sie etwas abwesend, während sie den Kopf ihrer Tochter behandelte. Von draußen hörte man nun, zunächst aus weiter Ferne, aber immer näher kommend, ettliche Hufe und ein charakteristisches Rumpeln, das dem Geräusch sehr ähnlich war, das Selens Wagen machte, wenn er über die unebenen Straßen fuhr.

    Asmira hörte den Namen des Giftes und fluchte laut in ihrer Sprache, erhob sich aber und sah sich schnell in dem Wagen um. Sie erinnerte sich noch am die Auswahl an Gegengiften, die sie ihrer Tochter seinerzeit mitgegeben hatte, nur für den Fall. Auch dieses war dabei gewesen, doch wo hätte ihre Selen die Fläschchen wohl versteckt? "Es ist eine Orangerote, zähflüssige Flüssigkeit in einem kleinen Fläschchen.", erinnerte sie sich, während ihr Blick auf die Gnomin fiel, die bereits vor einem Kästchen saß und einige Mittel durchsuchte. Sie nickte zufrieden und griff dann nach dem Stuhl. Wenn ihre Tochter etwas wirklich wichtiges versteckte, wusste Asmira, wo das war. Im nächsten Augenblick stand sie auf der Sitzfläche und öffnete die Klappe in der Decke, die durch die Tücher verborgen wurde. Geschickt kletterte sie in den Holraum und sah sich um. "Hat jemand Licht?!", rief sie fordernd nach unten, während ihre Hände bereits in dem Lager herum tasteten.

    Hektisches Flattern kündigte einen Rückkehrer an und Korax ließ sich zielstrebig auf der Brust seiner Hexe nieder und gab ein lautstarkes, fast panisches Krächzen von sich. Mit ausgebreiteten Flügeln hüpfte er umher und gab nicht eine Sekunde Ruhe. Kurz darauf hörte man von draußen Hufschläge und jemand schnaufte etwas genervt. " Was hat dieser Vogel nur?!", schimpfte eine weibliche Stimme in der Sprache der Dheoran und begleitet von lautem Klirren ging jemand um den Wagen herum. "Selen! Was habe ich dir beigebracht?! Wie hast du denn den Wagen abgestellt?!" polternd ging die Tür auf und eine Frau, etwas kleiner als Selen aber mit einem Gesicht, das die ältere Ausgabe dieser hätte sein können, wenn sie nicht so emotionsgeladen drein blicken würde. Lachfalten zeugten von vielen freudigen Momenten doch in diesem Moment schien die Dame eher zu einer Schimpftriade aufgelegt. "Was soll das hier?!", verlangte sie nun auf Belerianai zu wissen und sah zu Nyx, den sie fast zu erkennen schien. "Du! Was ist mit deiner Schwester, dass sie am Boden liegt?" Die Angst und Sorge ließ sie lauter werden, während sie ohne Berührungsängste oder ähnliches, selbstsicher in den Wagen polterte und sich neben ihre Tochter kniete, um sie fachmännisch zu untersuchen.

    Selens Augen folgten Nyx, wie er durch den Wagen, vorbei am Bett zu Zisch nach vorne ging und ihr einen Kuss auf die Wange drückte. Deren Blick drückte dabei so vieles aus und Selen lächelte bei dem Anblick der beiden. "Ihr seid wirklich ein süßes Paar, wisst ihr das?", sagte sie ehrlich doch etwas stimmte mit ihrer Stimme nicht. Sie klang irgendwie so weit weg. Auch Zisch und Nyx vorne im Wagen wirkten mit einem Mal verschwommen. Oder sah sie selbst nur doppelt? Was war hier los? Im Geiste ging sie sämtliche Möglichkeiten mit gerunzelter Stirn durch, doch sie brauchte unglaublich lange, als wären ihre Gedanken zähflüssig geworden. Dann kam sie doch darauf und die Wut stieg in ihr auf, glühte in ihren Augen. "Oh dieser... Es isss Moondtauuu.." Der Wagen kippte plötzlich zur Seite, oder war es sie, die umkippte? Sie konnte nicht mehr recht unterscheiden, was davon wahrscheinlicher war. Ihr Kopf schlug gegen etwas hartes, dann war alles schwarz.
    Ihr Unterbewusstsein förderte eine Erinnerung zutage: Sie saß als kleines Mädchen noch vor einem Buch, in dem Wagen ihrer Mutter und studierte verschiedene Gifte. Vor ihr war die Seite aufgeschlagen, deren Überschrift Mondtau lautete. Ihre Mutter war gerade herein gekommen und beugte sich über ihre Schulter. "Ah, ein hinterhältiges Gift. Es ist nicht nachzuweisen, aber einmal im Körper tut es zunächst unbemerkt seine Wirkung. Man bemerkt es selbst erst, wenn es zu spät ist und auch andere können einem höchstens noch mit dem richtigen Gegenmittel helfen." Eine Hand strich liebevoll über ihren Kopf. "Von so etwas halt dich lieber fern, Selen Schatz, ja?"

    Selen ließ sich, tief durchatmend auf dem Kutschbock nieder. Während das Adrenalin langsam gänzlich an Wirkung verlor, spürte sie ein schmerzhaftes Pochen an ihrer Schulter, dessen Intensität mit jedem Mal zuzunehmen schien. In dem Moment fragte Nyx schon, wie es mit ihrer Wunde stand und auch Zisch schloss nun zu ihr auf, während ihr Bruder nach ihrem Zauber fragte. Selens Blick ruhte prüfend auf ihrer Schulter und sie zog den Ärmel nach oben, um nachsehen zu können, inwieweit Behandlung nötig wäre. Zischs Angebot war sehr freundlich und durchaus willkommen, aber Selen wollte lieber so schnell wie möglich hier weg. Also stand sie auf und bedeutete Zisch, sich an ihrer Stelle auf den Kutschbock zu setzen. "Das ist sehr freundlich, aber mir wäre es lieber, wenn du uns ein Stück weit weg von hier bringen könntest. Ich komme klar." Sie kramte eine Bandage, etwas Desinfektionsmittel und ein Wundheilungsmittel hervor, das die Heilung beschläunigen würde. Sie tröpfelte das desinfizierende Mittel in die Wunde und zuckte unter dem Schmerz zusammen, ließ aber keinen Laut von sich. Mit routinierten Handgriffen strich sie die Salbe darauf und verband sich dann die Schulter. Währenddessen antwortete sie auf Nyx' Frage. "Ja, das war ich. Allerdings scheine ich hier nicht die einzige zu sein, die über interessante Magie gebietet." Ihr Blick ruhte auf Nyx mit einem fast ironischen Ausdruck und einem Funkeln in den Augen. Sie wartete gespannt, ob er etwas davon preisgeben würde.

    Für einen Moment meinte Selen etwas in Nyx' Gesicht zu sehen, doch im nächsten Augenblick war es schon wieder fort. In jedem Fall gefiel ihr nicht ganz, wie er die Machtposition gegenüber den Banditen zu genießen schien. Diese Seite an ihm erinnerte sie definitiv an jemanden, den sie ganz und gar nicht mochte. Die Hexe ließ sich zunächst jedoch nichts anmerken. Gerade vor diesen feindlich eingestellten Männern hier wäre es fatal, wenn sie nicht als Einheit auftraten. Statdessen beobachtete sie, wie die beiden miteinander arbeiteten, ein eingespieltes Team. Auch Zischs Kommentar über Anteile bestätigte nach und nach Selens Eindruck von etwas wie einer Bande. Nun vermutlich war dies eine gute Überlebensstrategie, wenn man keine Familie hatte, auf die man zählen konnte, schoss es der Hexe durch den Kopf. Dennoch.. Sie beschloss, in Zukunft etwas Vorsicht an den Tag zu legen.
    Ohne weitere Worte ging sie auf die Gefesselten zu, nachdem diese ihre Arbeit verrichtet hatten und begann einen jeden zu durchsuchen. Recht viel hatten sie nicht dabei gehabt, allerdings fand die Hexe bei dem Elfen eine kleine Klinge, die in seinem Stiefel gesteckt hatte. Ein hasserfüllter Blick traf sie, als sie das Messerchen hochielt. "Ich wäre dafür, ihnen die Waffen abzunehmen und die Idee mit dem Baum ist auch nicht schlecht. Allerdings.. sollten wohl eher die Götter über ihr Schicksal entscheiden, als wir, findet ihr nicht? Sie legte die gefundene Klinge ein Stückchen außerhalb der Reichweite der Männer auf den Waldboden und machte sich dann daran, auch den Zwerg und den Elf zu knebeln. Sie sollten nicht auf sich aufmerksam machen oder Rachepläne schmieden können, bis Selen und ihre Gäste ein gutes Stück weit weg waren. "Nun denn. Wenn die Götter euch gnädig sind, werdet ihr euch befreien können. Ansonsten.." Sie ließ den angefangenen Satz so stehen und drehte sich zu den anderen um.