Das Meer atmete sanft und gleichmäßig.
»Malala« ... und geriet für den Meereself ins Stocken, als er seinen entstellten Namen hörte, wenn auch melodisch und klangvoll gesprochen. Das mochte nichts helfen. Seine Kiefermuskeln spannten sich an, denn es blieb nur das jähe Entsetzen, welches sich gleich den Wellenkronen um ihn wand. Seine Blauen wurden zu Gewitteraugen und suchten ihren Blick, als sie wohl beide gleichzeitig zurückwichen.
Versteht: jene, die miteinander vertraut sind, haben kein stärkeres Wort zu Gebot und keine gewaltigere Beschwörung, als dass der eine den Namen des anderen nennt, welcher ja sein Wesen umgreift und in tausend Abschattungen gesprochen werden konnte. Und einer Fremden genannt das Innigste nun, um es verdreht zurückzuerlangen, das schmerzte einen Augenblick, bis er einsah, dass es an der ihr unbekannten Sprache liegen musste.
Und als die Luftige sich wieder abwandte, um weiter bis an den Strand zu weichen, war der Wechsel, der Mallalai von der Höhe seines Freudengefühls und der erwiderten Neugierde in den tiefsten Abgrund der Enttäuschung stürzen wollte, derart schnell, dass er sich kaum des Glaubens erwehren konnte, er liege in den Banden eines Traumes und darin fiel er und fiel er und fiel, wie von einer Klippe gesprungen, um nie einzutauchen. Kennt man nicht das Gefühl? Erlebte man den Aufprall, wachte man zuvor auf? Wie lange dauerte das Fallen an – noch, während man sich hellwach wähnte? Das alles schien ihm unwahr, der Realität so fern und er sollte so nie erfahren, was hätte sein können.
Bleib! – wollte er sagen, aber sie würde ihn nicht verstehen, während er es nicht sprechen konnte, solch ein unbekanntes Wort. Dieser Gedanke verwundete ihn tiefer als alles andere: das Misstrauen seines Volkes anderen gegenüber, das er stets in Nir'alenar zu überwinden suchte und doch selbst nicht ablegen konnte. Wir haben nur einen Feind, wollte er dann bekräftigen … niemand hörte zu, nicht einmal sein eigener Verstand.
Sein Trotz erwuchs in ungeahnte Höhen, auch wenn er nicht absehen konnte, was werden würde an diesem Tag: also erhob er sich, befahl seinen Beine sich zu bewegen, dagegen seine Mundwinkel sich nicht kommandieren lassen wollten. Voran und nicht zurück. Auf den Wellen hinter sich häufte er seine Last weiter, verteilte er sich, ließ er zurück: noch mehr Bedenken und Vernunft. Er verließ sich auf seinen Instinkt, auf sein Gefühl, sein Gespür und alles, was da in ihm war und sagte, es ist gut.
Und deshalb klaubte er dickköpfig die Feder aus dem Wasser. Ihre Farbe hatte sich in der Fülle verdunkelt und es tat ihm leid um ihr Verlorensein. Um jede Schuppe mochte er weinen, die sich an einem Fels schrammte, den Schmerz unwillig verkraften ... vielleicht vermochte sie diese eine zurückzustecken in ihr federn Kleid.
Mallalai blickte so ernst, wie ihm die Sache war; vielleicht lag irgendwo auf einem Wellenkamm ein Lachen, das er sich einsammeln und auf die Lippen nehmen konnte, „Mal-la-lai“, wiederholte er und kam langsam, wachsam und ruhig auf sie zu, Zuversicht sammelnd, die Feder sanft gehalten zwischen den Fingerspitzen, als seine Füße den Boden fanden.
Sein bereits bestehender Wunsch seinen Namen korrekt ausgesprochen zu hören, mit ihrer farbenvollen Stimme, Schwingung und kraftvollem Ton, nicht in einem solch gehauchten Flüstern wie zuletzt ... wurde zum Speer: „Mallalai!“
Und er fühlte, wie er aus der Fülle wuchs, bis an den dunkelblauen, knappen Lendenschurz, der mit perlmutten Perlen und weißen Zeichen bestickt war, um dann zwei Armlängen entfernt still stehen zu bleiben ... es genoss so kühl umstanden zu sein von lauter Dingen, die geschahen, vom Wind, der Leere, von ihr – und Mallalai bereute nicht ihr nah gekommen zu sein, fühlte er nur, wie das Wasser an ihm herab rann, um sich an seinen Schenkeln wieder mit der bewegten Fülle zu vereinen.
Entlastete ihn in ein Nicken, als er die Feder auf die Handfläche legte und ihr entgegen hielt, „er bedauert es sehr.“ Gleich war es ihm, ob sie verstehen würde oder nicht, es war gesagt, es war Laut und damit wahrer in ihrer trockenen Welt.
Da er zuversichtlich war, dass sie dieses Kleinod nehmen würde, sah er sie nicht an, sondern lies den Blick schweifen. Zu aufdringlich empfände er es, ihr zu lange oder zu bestimmt in die Augen zu sehen.
Er, der alles vorausberechnete, seit Jahren gelernt hatte, jede Reaktion im Vorhinein vorherzusehen, erkannte, dass er nicht wusste, was jetzt geschehen würde. Er fühlte leicht und durchsichtig, obwohl die Leere an ihm zerrte, voller Selbstbewusstsein und schien nicht bewegter zu sein als ein Stein im Fluss.