Beiträge von Silene Sana'Santaly

    Wieder geschah eine Zeit lang nichts. Es war nach wie vor nur der Weihrauch, der sich gen Himmel schlängelte und doch von den Zeltplanen gefangen gehalten wurde. Ruhig floss Silenes kühles Blut, ruhig schlug unhörbar ihr gefrorenes Herz, langsam und leise ging ihr Atem.
    "Ihr seid jung.", sagte Silene neutral, ließ es offen, ob sie dies überraschte, ob es abwertend oder völlig belanglos war. Denn keine Regung war zu sehen, nichts, was man hätte einschätzen können und zugleich auch nichts, dass einen Zweifel aufwarf. Auch Silene legte die Fingerkuppen aneinander, legte die Hände vor sich auf den Tisch und versenkte ihren Blick in den funkelnd grünen Augen der Cath'shyrr.
    Silene analysierte in ruhigen Zügen, ließ ihren Geist leise streifen durch das Gewebe der Zeit. So vieles spiegelte sich in dem lebendigen Wesen vor ihr, so vieles, dass sie, wenn sie es vermocht hätte, Neid empfunden hätte. Wie einseitig und abstrakt dagegen sie doch war, Sehnsucht wand sich sacht in ihrer Brust. Blattgrün, waldgrün, lichtgrün wie die junge Sonne auf von Morgentau benetztem Birkenlaub, glänzten die Katzenaugen, doch gleichsam kühl gefärbt war ihr Haar. Spott, Zweifel, Unbehagen. Silene sah ein Schicksal, dem das Grün trotzte, es überwand mit jedem Lidschlag, bevor es noch geschehen war. Ein Charakter der einem ungeschliffenen Edelstein glich, bereit sich abzustoßen an den Rauheiten des Lebens, nur um sich zu veredeln. "Ich kann Euch vielerlei erzählen, von Zeiten, die längst vergangen sind, von Zeiten die vielleicht kommen werden. Was Ihr hören wollt, was ihr nicht hören wollt. Seid Ihr gekommen mich zu prüfen, zu zweifeln?"


    Silenes Lippen schlossen sich kühl und blass, erstarrten und fügten sich in ihre kalte Erscheinung ein, ehe sich eine Bewegung einschlich. Ein Hauch von Unperfektheit, ein Hauch von Regung, ein Zucken des Mundwinkels. Längst nicht genug, um ein Lächeln zu sein.

    Silenes Blick kreuzte den ihren stumm, wie die Morgensonne sich zaghaft nach den Sternen reckt, sie unberührt lässt, sie niemals vollkommen erreicht, eine Ahnung des kommenden Tages herantragend. Blasse Züge blieben blass, keine Regung verriet das erfrorene Gesicht und zunächst erschien es, als würden keine klärenden Worte dem Blick folgen.
    Ihr Anblick war Frage und zugleich auch Antwort, doch alleine ihr nun nach unten gerichteter Blick war sichtbar, durch das Geflecht der weihräuchernen Fäden in der Luft. Hell fielen durch einen Schleier von unsichtbarem Nebel Worte.

    "Es kostet Euch Alles und zugleich auch Nichts."


    Die Valisar atmete ruhig, ließ sich durchfließen von den wogenden Schatten fremder Spuren, die sich unter die ihren mischten. Belustigung? Der Abendsonne Schatten, rasch verblasst ehe man ihn berührt hat.



    "Es kostet Euch alleine das, was es Euch wert ist zu geben."

    Eine stille Welt war es, verborgen in den Tiefen des Zeltes. Kein Klang drang durch die Schichten aus reinen Tüchern und Planen, getränkt in magische Formeln, die sie undurchdringbar machten. Von außen, wie von innen.
    Wie eine Muschel lag das Zelt zwischen den anderen Ständen, verschlossen bis auf einen kleinen Spalt, der sich bisweilen öffnete um jemanden einzulassen oder wieder aus dem muschelweißen Reich zu entlassen. Der Riss, der sich nun auftat, um die junge Cath'shyrr einzulassen, warf einen Streifen Tageslicht und Lärm der Straße in das Zelt, doch war beides verflogen, noch ehe der Schleier sich hinter der Gestalt schloss.
    Verborgen hinter einem nebelweißen Schleier, blickte Silene ihr entgegen, ein rasches Abtasten verriet das junge Alter, den forschenden Sinn, der sie hier her geleitet hatte. Flackernde, blaue Lampen malten Meereslicht an die Zeltwände, ließ die Schatten im Gewand der Valisar lebendig werden, hob sie ein klein wenig aus der Realität heraus.


    Silene atmete lautlos ein, wies der jungen Cath'shyrr mit der Linken den Weg zu einem der Stühle, faltete anschließend die Hände auf dem Tischchen, neben dem schwarzen Samtbeutel, in fließender, makelloser Bewegung.


    "Willkommen.", sagte die gläserne Stimme und es war, als striche ein Finger über feuchte Glaskanten, ein Sirren, Singen, so hoch, dass man es fast nicht mehr hören konnte erfüllte die Luft. "Nehmt Platz, findet ein wenig Ruhe ... dann stellt mir Eure Fragen, sofern Ihr gekommen seid, sie mir zu stellen."

    ~


    Die Zukunft öffnet sich die Fenster,
    damit der Blick die Weite finde
    und Freiheit füllt sich so die Lungen


    - bis Gegenwart sie wieder schließt.


    Wolf-Alexander Melhorn


    ~


    Ich hätte unheimlich Lust Silene mal wieder auf jemanden "anzusetzen" - ob als Gast in ihrem Zelt oder auch anderswo, ich bin da ganz flexibel und denke mir was für Silene aus. Wagt es jemand und möchte die Eiskalte treffen?


    Ich erinnere mich da auch noch an eine Verabredung zu Brennan und Ta'shara ... ;)

    Die Worte des Elfen streiften ihren Geist, versahen ihn mit einem Hauch von Farbigkeit. Ein Stück Eis, dass nur durch das einfallende Licht mit einer Illusion von Farbe gefüllt wurde. Sie konnte mit dieser Farbe nichts anfangen, konnte das Wort "gütig" nicht auf sich anwenden. Als die erneute warme Berührung sie wieder in die Realität zurückholte, sie wieder mit Bewusstheit erfüllte, entzog sie sich dem warmen Griff, entzog sich dem güldenen Leuchten der Augen indem sie es zurückwarf, ihn mit den leblosen Augen betrachtete.
    Sie wagte nicht ein Lächeln zu zeigen, denn jede Entgegnung brachte Nähe, mehr Nähe als sie es verantworten konnte, mehr Nähe als dass ihr Verstand noch ausreichend funktionieren könnte.


    "Ihr seid stets willkommen.", sagte sie leise, heiser wirkend und tastete das Abbild des Nachtelfen mit Blicken ab. Die schwarze Kapuze, das verhüllte Gesicht, auf dem die Augen für jeden wie Sterne leuchteten, der es wagte darunter zu sehen. Selten waren sie willkommen, selten waren positive Gefühle mit dem Anblick verbunden - er musste es schätzen, dass ihm keim Gefühl entgegengebracht wurde. Silenes Neutralität war ungebrochen. "Auf bald."

    "Gut.", sagte sie, und es war als fiele die Entscheidung wie ein Stein vom Himmel, rasch, kalt, wie ein Fallbeil hackte es die Welt entzwei, schied Finsternis vom Tag, wie es einst die Götter getan hatten. "Eriadne leuchte Euch den Weg.", sagte sie noch, die Hand bereits auf das Holz der Tür gelegt, die Gewissheit wie Frost auf ihrem Eisherz, dass sie sich eines Tages wiedersehen würden, dass dann andere Worte fallen würden doch die gleichen Münder sie sprachen. Dass wieder Schwarz neben Weiß herrschen würde, herrschen über zwei Welten, ihre eigenen Welten, die sich nicht ferner hätten sein können und sich doch überschnitten.
    Der Fuß berührt den selben Grund, die Lunge atmet die selbe Luft. Wir leben in einer gemeinsamen Wirklichkeit, Dunkle!
    Sie würde nun ihrer Wege gehen, arbeiten, vegetieren, denken. Das war alles, das sie tun konnte und zugleich auch das, was sie tun musste. Es war an ihr, zu beweisen wir mächtig die Gottheiten der Liebe sein konnten, Wesen aus purer Emotion zu schaffen, welche selbst unter dem Fluch, der sie vernichten sollte, lebten. Lebten, dem Fluch trotzten, die blanke Sinnhaftigkeit der Sinnlichkeit entgegenhielten, die sie einst ihr eigen genannt hatten.
    Ihre Gedanken streiften die Yassalar wieder, die ihr Herz in einem traumwandlerischen Zustand behielt, verwirrt und gedämpfter Wachheit, nicht im Bewusstsein, dass es nicht tat für was es geschaffen wurde. Eriadne würde ihr leuchten, doch würde sie immer noch die Nacht im Gesicht tragen, die glühende Leidenschaft im Herzen, die Pflicht im Bewusstsein.
    Fahl fiel ein blasses Winterlicht vom Himmel, doch glänzte ihr weißes Haar, schimmerte ein Blauton auf ihren Zügen, als sie den Zauberbrunnen verließ und die gepflasterte Straße betrat. Ein kühles Pochen füllte ihren Kopf, ein leises Beben führte ihre Hand zu ihrem Herzen. Und doch schlug es. Stumme Worte flohen durch das Gespinst ihrer Gedanken. Was bedeutete schon ein Wort?
    Gut.

    Silene nickte, fächelte den letzten Rauch auseinander und ging wieder zum Tisch, sich elegant setzend. Sie wusste, dass der Nachtelf entschlossen war, sie wusste, dass er Opfer bringen würde, dass er sie schon gebracht hatte. Er war ein Fühlender - er konnte bitter bereuen, er konnte Tränen weinen. Wie sehr sehnte sich Silene manchmal nach den Tränen, nach den Möglichkeiten des Ausdrucks, nach der Trauer.
    Es musste seltsam klingen für jemanden der litt.

    "Gerne."
    , log Silene und faltete die Hände wieder. "Euer Weg ist schmerzhaft, aber er ist richtig. Richtig für Euch."


    Silene war zum ersten Mal seit langem nicht sicher. Es war klar, dass der Fragende immer mit der Antwort zu ihr kam, dass es selten so war, dass sie diese erst aus dem Gewebe der Zukunft lesen musste. Doch noch seltener wurde ein Fragender zu einem Freund. Und selbst wenn er das insgeheim wurde, dann würde er spätestens nach ein paar wenigen Versuchen ihrer Kälte die Stirn zu bieten, aufgeben. Ein solch unerschütterlicher Frohsinn war selten, jenes andauernde, güldene Leuchten war anstrengend, es verwirrte ihre Gedanken, zerstreute ihre Gewissheit, wirkte der berechnenden, logischen, rettenden Kälte entgegen. "Ich wünsche Euch Kraft. Eriadne leuchte Euch den Weg."

    Silene nickte, blieb nahe der Truhe stehen, drehte das Korn nachdenklich zwischen den Fingerkuppen, während sie dem Nachtelfen aufmerksam zuhörte. Manchmal ging das Schicksal seltsame Wege... nein, das stimmte nicht, es ging seine eigenen Wege, Wege die der Einzelne schwer nachvollziehen konnte. Man kann nie das Ganze erkennen, selten erkennt man die Zusammenhänge, selten erscheint es einem deswegen gerecht.
    So würde ihr Weg sie zu Brennan und Ta'shara führen, würde sie zu Sicil führen, der ein geknechteter Sehnender war.

    "Wie gedenkt Ihr den zweiten Fluch, wenn ihr es so nennen wollt, lösen?"
    , fragte sie, legte das Weihrauchkorn zurück an seinen Platz und wandte sich um, damit sie dem Nachtelfen ins Gesicht sehen konnte, wenn er antwortete. "Oder seid Ihr deswegen zu mir gekommen, damit ich Euch eine Antwort darauf gebe?"


    Sie fing an abzuwägen, welche Rolle sie in diesem Spiel zu spielen hatte, ob sie es überhaupt verantworten konnte, nun, da sie in Sicils Schicksal gelesen hatte, Ta'sharas Gedanken gedacht hatte und eine ehrliche Einladung des Dunkeläugigen angenommen hatte. War es an ihr zu handeln? War es ihre Pflicht einzugreifen?
    Oder konnte sie Sicil stark genug machen, dass er es selbst schaffte, konnte sie Brennan, einen Gläubigen, in seinem Glauben an das Dunkle schwächen und ihn beeinflussen? Sie fühlte sich gewissermaßen verpflichtet zu helfen, doch verspürte sie nicht genug eigenverantwortung aus ihren Strukturen heraus, zu wenig Verständnis für Gefühl, als dass sie wirklich urteilen konnte. Den Göttern, dem Schicksal ins Werk zu pfuschen war nicht gut für jemanden, der nicht fühlen konnte, der selbst Einblick in das Schicksal hatte, Schicksal war.

    Silene schwieg eine Weile und ihr Blick verlor an Leuchtkraft, während ihr Geist vor ihr floh. Er floh in die tiefsten Tiefen, floh an den einzigen Ort, an dem er sicher war, in ihrem eigenen eisigen Refugium. Sie entzog ihm ihre Hand und bettete sie, gemeinsam mit der anderen in ihrem Schoß. Ihr Blick blieb unbewegt.
    "Ihr glaubt.", stellte sie fest und es klang wie ein Eingeständnis. Ich glaube nicht. "Glaubt daran, dass Ihr vermögt, was Ihr ersucht."


    Lass es ruhen. Sie erhob sich sacht wehend, wie der Abendwind, strich durch das Zelt zu der kleinen, hölzernen Truhe an seiner Rückwand, öffnete sie und holte einen unscheinbaren, unförmigen Krümel heraus. Der Weihrauch, den Ta'shara ihr zuvor überreicht hatte... er roch nach einer Einladung, der sie zugesagt hatte. Brennan Targo. Was verband Sicil mit diesem dunkeläugigen Menschen? Sie vernahm ein paar wenige Bilder, wenige Fetzen von Information. Er hatte Blut vergossen, dass ihn nun band.
    Die Valisar legte den Krümel auf die Kohle, wo er nun seinen Duft in den Rauch abgab und die Luft bald von ihm durchsetzt war. "Sagt, Sicil, was verbindet Euch mit dem Mann, der vor Euch auf diesem Stuhl saß - Brennan Targo?"

    Freundschaft. Das kalte Herz schwieg dazu. Lediglich Silenes Verstand arbeitete an einer Antwort, einer Entgegnung auf diese angebotene Wärme. Es machte keinen Sinn, nicht für Silene.


    "Ihr werdet Euch daran die Finger verbrennen. Es ist genug.", antwortete sie bestimmt, fast resolut, mit ihrem intensiven, eisig blauen Blick, der in ihrem Gesicht ruhte und von dort aus wie feuchtkalter Winterwind wehte. So war sie, wenn sie sich keine Mühe mehr gab vertrauensvoll und gefühlvoll zu wirken - so war der blanke, reine Kern der Seherin. Auch am Eis konnte man sich verbrennen, etwas, das es mit Narions Feuer gemeinsam hatte, auf ähnliche Weise verzehrte es - ohne jedoch, jenen grauen Schleier von Asche zurückzulassen. "Wagt Euch nicht zu weit auf das dünne Eis, es wird zerbrechen."


    Silenes Erscheinung wurde blasser, kälter, weißer und auf eine diffuse Art abweisend, auch wenn sich ihr Anblick im Vergleich zur vorherigen nicht verändert hatte. Es war ein überlegter Schritt, überlegte Worte, denn insgeheim war ihr Sehnen groß, wie es gegen die inneren Schotten presste, wie es die Wünsche nach der alten Zeit heranspülte. Hoffnung kannte sie nicht, Hoffnung war nicht das, was sie dachte, was sie wusste. Es würde alles zunichte machen. Eine Litanei die ihr Beherrschung verlieh.


    "Ich bitte Euch.", sagte sie, ohne zu sagen, was genau sie erbat, doch in den Augen des Elfen würde sie lesen können, ob er verstanden hatte. Er soll darüber schweigen, dröhnte die Litanei. "Meine Augen seien die Eurigen, meine Kraft die Eure, wenn Ihr sie benötigt ... Euch zu helfen ist mir eine Ehre - doch was ist es, das Ihr glaubt, tun zu müssen?"

    Wie könnte ich Euch kennen, Yassalar?, flüsterten ihre Gedanken heiser, streichelten die Gewissheit sacht, dass sie nicht ändern konnte, was nicht zu ändern war. Bis man ein Wesen kannte, vergingen Jahre und selbst dann war es ein leichtes, Neues an ihnen zu entdecken. Für Fühlende.
    Das war es, was sie doch an ihren Beziehungen fanden, das war es, was sie begehrten - sie brauchen andere um sich selbst zu kennen. Sich zu spüren.
    Wahrlich, so waren sie - so war auch SIlene einst gewesen! Nur wenig erinnerte sie noch daran, noch weniger erinnterte die Anwesenden daran. Wie sollte sie die Yassalar kennen, wenn diese sich selbst nicht kannte?
    Die kupferne Münze, die sie aus der Tasche gezogen hatte, war kalt, sie drehte sie zwischen den Fingern, als flüstere sie ihr Wahrheiten zu, die keiner sonst vernehmen konnte. Der tänzerische Körper setzte sich fließend in Bewegung, hielt auf die Yassalar zu, den eisernen, gläsernen Blick aus den toten Augen auf der anderen ruhend, ausdruckslos.


    Doch streifte sie an ihr vorbei, ihre Bahn zog sie zum Tresen unweit der Yassalar, auf den sie leise klirrend die Münze für ihr Wasser fallen ließ. Nahe wallte die Präsenz der schwarzen Frau, nahe waren ihre Gedanken, zuckten und bebten wie sie ihrem Kopf entsprangen, sprangen auf unsichtbaren Lüften zum Auge der Valisar.


    "Sagt nicht, dass Ihr unverändert bleiben werdet, jetzt, da viele Worte gesagt wurden.", sprach die Valisar fast windig, scharfkantig. "Und das auch, weil eine Valisar - wie höhnisch das Schicksal ist - Euch dort berührte wo es Euch beleidigt."


    Die Luft um die Valisar herum schien rasch abzukühlen als sie ihren Geist auf die Reise schickte und seine Präsenz die schwarzen Wangen der anderen streifte. Wie sie es vermochten Emotion zu zeigen, wie sie meerisch schimmerten!
    "Ihr benutzt die Macht nicht, die in Euch wohnt - sie ist der meinen überlegen.", sagte Silene, entließ die Stimme in die Luft, die der Yassalar kühl entgegenwehte. Wären die silbernen Haare Zarasshins nicht so streng zurückgekämmt, der Lufthauch hätte sie bewegt. Es ist eine Schande, dass Ihr Euer Herz nicht sorgsamer verwendet, sodass es tun kann, zu was es geschaffen wurde. Ich hatte Euch für klüger gehalten. Gewiss, das seid Ihr... sagt mir, dass ich mich getäuscht habe! Sagt es! "Wenn Morden und Stechen Euer Begehr wäre - so wärt Ihr diesem längst nachgekommen. Liebt. Verschwendet Euch nicht zu solch niederen Zwecken. Ihr seid zu klug und zu begabt dazu."


    Ihre Hand entließ die Münze aus deren Griff, strich einen Moment an der Kante des Tresens entlang und ruhte schließlich wieder auf dem Rücken der anderen Hand. Ein winziger Moment der stummen Zwiesprache zwischen den gläsernen Augen der Valisar und den tiefen, opalenen Augen der Yassalar, dann war es vorbei - sie schritt anmutig von dannen, der Pforte des Zauberbrunnens entgegen, ließ die Yassalar zurück, mit ihr alles, was sie ihr gesagt hatte. Die Worte der Yassalar hingegen nahm sie mit, behielt sie ... bald würde auch ihr Angesicht in dem kleinen Skizzenbuch vermerkt sein. Es war ein denkwürdiges.

    "Ich verstehe.", antwortete die Valisar, im gleichen Moment denkend, dass sie nicht begreifen konnte. Was der Nachtelf sagte, was er ihr erzählte, vom Frieden der Seele, von der Ergebenheit, von der Hoffnung, alles das stimmte und sie hatte dem nichts mehr hinzuzufügen. Das hingegen, was er zunächst gesagt hatte, wurde von ihrem Geist nur zaghaft angenommen. Sie hielt die Worte und deren Weisheit etwas unbeholfen in ihren Händen, wie Werkzeug, von dem man nicht uwsste, wie es funktionierte und was man damit zu tun pflegte. Ihr Geist weigerte sich zu vestehen. So einfach war es, dies zu begreifen, so schwer zu verstehen.
    Vielleicht war es auch längst zu spät dafür. Es war zu spät - irgendwann war es vergebens zu versuchen das Eis zu schmelzen, irgendwann erwärmte man nur noch tote Masse.


    "Eine Valisar zu kennen - und sie zu mögen.", wiederholte Silene bedächtig, versuchte dem güldenen Brennen der Augen etwas abzugewinnen. "Das sind zwei verschiedene Dinge. Es spricht für Euch, dass Ihr es vermögt."


    Es war an der Zeit, der Fehlkalkulation nachzugehen, die ihr Kopf ihr bereits zuvor gemeldet hatte: warum und weshalb war ihr nach wie vor unbegreiflich.. das konnte heißen, dass es ihren Verstand überstieg und nach andern Organen der Verarbeitung verlangte, oder, was Silene schnell widerlegen konnte, es war falsch. Letzteres wurde alleine durch einen Blick ungültig, einen Blick dem goldenen Leuchten seiner Augen entgegen... und ersteres blieb fraghaft.
    So beschloss Silene ein Lächeln zu zeigen, eines derer Lächeln, die sie sich von glücklichen Wesen abgeschaut hatte, um zu zeigen, dass es ihr gut damit ging, auch wenn sie nicht verstand.
    Einst hatte sie einen klugen, jungen Mann gehört, der sagte; Glück, das sei, wenn man etwas nicht begriff. Langsam begann auch Silene zu verstehen, was er damit gemeint hatte. Auch wenn Glück nicht das passende Wort für die Reaktionen in ihrem Kopf war.


    "Ich danke Euch für Eure ehrlichen Worte - ich habe sie niemals zuvor vernommen wie ihr sie gesagt habt. Niemals waren sie so echt und wahrhaftig wie jetzt.", sagte Silene während das Lächeln andauerte, auch wenn es nicht aus ihrem Herzen kam. Sie berührte des Elfen dunkle Hand, wohlweißlich. Sie wusste nicht, ob er es so sehen würde, wie sie es beabsichtigte - aber zumindest würde er so von ihrem Dank erfahren. Er schien sich in den Windungen und Mustern ihres Verstanden sehr sicher zu bewegen, er ließ sich nicht ganz fassen, das störte ihre Gedanken, aber dennoch war er gut darin aufgehoben. Eine Erinnerung meldete sich an, klopfte zaghaft an die Türe, doch SIlene fand sie nicht. Und so waren die Worte die folgten wohl ein Hauch von dem, was sie einmal empfunden hatte, einst - vor Ewigkeiten wie es schien. "Ich schätze Euch sehr."

    Die gesprochenen Worte waren ihr nicht neu, sie erregten keine besondere Aufmerksamkeit in ihren Ohren, denn sie waren bekannt, ausgereizt, totgetreten und verbraucht. Alleine die Tatsache, dass sie aus den Gedanken einer Yassalar zu stammen schienen, war ihr es wert, sich ihnen tiefer zu widmen.


    Schmerz. Wie hart konnte ein Herz werden, wenn es immer wieder groben Schmerzen ausgesetzt wurde? Wie tief und schmerzend konnten Narben sein? Auch in Silene bargen sich Narben, doch waren sie blass, als habe sie diese Wunden in einem anderen Leben erhalten, in einer anderen Welt, einer anderen Zeit. Doch wo verbarg die Yassalar ihr Herz? War es in der Kapsel des Herzens, wie sie sich tief verbarg, musste es sich verstecken? Verletzt, verschüchtert, angstvoll - wie ein kleines Kind?


    Mehr als Selbstschutz war es nicht, dass dieses Kind seine schützende Hülle nie verließ, sich in ihrer weichen, warmen Hülle vergrub, die Ohren zuhielt, die Augen verschloss. Und wenn es endlich wagte, einen zaghaften Schrei von sich zu geben, so wurde seine Stimme heiser und kratzig. Und sollte es dennoch laut genug sein, um den Verstand einzuholen - so wurde seine Stimme für töricht gehalten. Die Schwarze war jemandem begegnet, der es wohl zu trösten vermocht hätte - doch war sie zu grob mit sich gewesen.
    Dabei waren es Kinder, welche die Welt sahen wie sie war, sie alleine hatten noch die Reinheit dazu, die Welt wahr zu sehen - und sie besaßen genug Mut um die Wahrheit auszusprechen. Es war nicht töricht auf es zu hören. Es war töricht es zu verbergen.


    "Kaum seltsam, dass auch Ihr das Herz als töricht empfindet." Sie löste die Finger vom Tisch und trat einen Schritt vor, nicht der Yassalar entgegen, sondern in einem spitzen Winkel zu ihr, sodass ihr der direkte Blick nur aus den Augenwinkeln möglich war. "Ist nicht die ganze Welt töricht ... was könnte sie anderes sein?"


    Die Valisar wandte sich der schwarzen Gestalt wieder zu, ergab sich den opalfarbenen Blicken, gab die unwirkliche Geistergestalt ihrer selbst preis. Sie betrachtete ihre eigenen Handflächen, ehe sie wieder aufsah. "So ist es nicht die erfüllte Liebe, die alle besitzen wollen - weil der Reiz der Liebe darin besteht, sie zur Vollendung treiben zu wollen, was unmöglich ist. Zumindest in diesem Leben."


    Silene hielt den Gedanken einen Moment in ihren Händen, beobachtete ihn, bis er schließlich zwischen den langen, weißen Fingern hindurchgerieselt war, wie der Sand einer Sanduhr. Sie wirkte ein wenig wie eine der alten, mythischen Gestalten, wie sie in den alten Theatern gezeigt wurden. Die Zeit war dahin, wieder ein paar Momente, die zur Vergangenheit gehörten. Tragisch, nicht wahr?
    Es viel ihr nicht schwer, den schwarzen Zügen zu entnehmen, was sie verbargen, ihr anderes Auge schloss sich nicht, ohne dass sie es wollte. "Ihr seid nicht so unverletzlich wie es scheint. Lasst Eurer Herz frei, damit Ihr es richtig versteht. Ihr raubt Euch selbst die Kraft - zumindest glücklich seid und werdet Ihr so nie werden."

    Nun hatte sie ihn tatsächlich gekränkt. Die scharfkantigen, kalten Scherben ihrer Worte hatten wieder warme, fühlende Wesen geritzt. So sollte es nicht sein, so war ihr Leben nicht gedacht gewesen. Das genaue Gegenteil sollte soch der Fall sein - war sie nicht Valisar, war sie nicht eine Tochter der Liebesgöttinen? Die Valisar gab keinen Laut von sich, das einzige, sich für einen Moment im Raum bewegende, war der leise, sich emporschlängelnde Rauch aus der Räucherschale hinter ihr.
    Doch nun lösten sich ihre Finger aus der kalten Umarmung, die sie einander gaben und ihre Rechte schwebte auf die schwarzgekleidete Brust nieder, um die darunter verborgene Koralle zu erspüren. Seltsam und unverständlich erschien es ihr, dass das Fühlen eine andere Quelle kannte, als ihr Herz... dass auch der Gedanke eine gewisse Befriedigung vermitteln konnte, eine SIcherheit, eine Gewissheit. Das, was sie früher wohl mit einem Lächeln bedacht hätte- ein kaltes Abbild davon trat auch jetzt auf ihre Lippen, doch es blieb ihren Augen fern, welche immer noch auf dem Antlitz des Nachtelfen lagen, als hätten sie dort die letzte Ruhe gefunden.


    Vergehen wie das Abenrot ... warum war sie nicht genauso erfroren wie ihr Herz, warum war sie nicht den Gefühlen hinterher in den Tod gegangen? Es ließ sich nichts mehr daran ändern, und auch wenn sie sich dieser Tatsache nicht völlig überzeugt war, war sie doch nicht fähig Selbstmitleid zu empfinden, oder Trauer, Schmerz ... es war nur eine sachte Tönung ihrer Aura ... von anderen wohl empfangen, jedoch von ihr selbst nicht wahrgenommen. Welch ein Trauerspiel.
    Sie hatte sich ihrem Schicksal gefügt. Damals, ein einziges Mal. Das was sie hier und jetzt tat, wich allerdings beträchlich davon ab. Wohin der Wagen des Schicksals jagte, wenn sie aufhören würde die Sehnsucht ihres Herzens nach Wärme und Gefühlen zu unterdrücken - wenn sie also aufhören würde ihrem Schicksal zu trotzen - sie wollte es sich nicht vorstellen.


    "Nein.", sagte sie, schlug die Augen nieder und löste die Hand wieder von der Koralle unter dem schwarzen Stoff. Ihr Blick flackerte ein wenig, als er sich auf ihre Hände senkte. Wenn sie ihm nun die Hand reichen würde, würde er den Schritt aufs dünne Eis wagen? "Ihr langweilt mich sicher nicht. Es ist mir lediglich unverständlich was Euch an mir liegt ... Warum schmerzt es Euch? Meine eigene Schicksalsergebenheit ist nicht die Eurige. Oder ist es anders und Ihr glaubt, dass ich leide?"