Beiträge von Uera

    Ueras Blick wurde schneidend, als sich ihre Augen verärgert schmälerten und sie die Worte des Gnomen mit einem Zähneknirschen entgegnete. Es formten sich einige höchst beleidigende Begriffe für kleine Personen in ihrem Geist, doch sie hütete sich, den Mund zu öffnen.
    Aus den Augenwinkeln musterte sie im Gehen den auffallend unaufälligen, dunkelhaarigen Menschen, welcher nach der Adresse fragte. Sie blieb noch lange genug in Hörweite um die Adresse des Anwesens mitzuhören, doch auch das schüchterne Mädchen, welches sich als weitaus hilfreicher erweis als der Advokat, erntete nichts als ihren kalten Blick.
    Die junge Yassalar stürmte ohne ein Wort des Abschieds aus dem Gebäude, ihr Inneres aufgebraust, verärgert, trotzig, bereit sofort zu dem Anwesen aufzubrechen, ob ihr jemand folgen mochte oder nicht. Einen Blick im Tageslicht zu wagen konnte sicher nicht schaden.
    Ihr Gefühl sagte ihr allerdings, dass es besser wäre, ihr Gesicht am Tatort nicht sehen zu lassen. Aber wenn sie vorsichtig genug war, würde sie die Lage auch unerkannt ein wenig beurteilen können.
    Draußen auf der Straße angekommen, warf sie einen Blick über die Schulter nach denen, die nach ihr auf die Straße traten. Die drei Frauen, die vorrausgegangen waren - Djasihra, Sil'anya und die dritte welche ihren Namen wohlweißlich nicht nannte, wenn sie richtig gehört hatte - schienen sich gemeinsam auf den Weg machen zu wollen. Tarnung im Schwarm. Eine gute Idee.
    Uera legte ein schwaches Lächeln auf und wandte sich an die Verbliebenen, von ihrer zerknirschten Stimmung drang nichts an die Oberfläche. "Ist jemand an einem eher ... unauffälligen Blick auf den Tatort interessiert?", sagte sie leise, kaum lauter als ein Murmeln und hoffte auf die Bildung eines ganz kleinen Schwarms um sich, der noch mehr von ihrem ohnehin unauffälligen Äußeren ablenkte.

    Fünf? Ueras rechte Braue wanderte ein wenig nach oben und ihr Gesicht drückte eine Mischung aus Erstaunen und Anspannung aus. Natürlich hatte sie noch zugehört, dafür war sie schließlich hier erschienen. Doch der Advokat hielt mehr zurück, als er erzählt hatte. Vermutlich hätte sie jede der Informationen, die sie hier erhalten hatte, auch hinter vorgehaltener Hand draußen auf der Straße erfahren können. Mussten sie dem Gnom denn alles aus der Nase ziehen?
    Unter den vielen unterschiedlichen Leuten im Raum gehörte sie offenbar zu den wenigen, die es nicht eilig hatten aufzubrechen. Offenbar wollten sie den jüngsten Tatort selbst begutachten ... Uera war sich zwar fast sicher, dass alle unerwünschten oder Zweifel erregenden Spuren bereits verwischt wurden, bevor der Bote hier eingetroffen war, aber dennoch wollte sie selbst ein Auge auf den Ort werfen. Und auf die anderen Orte auch.
    Doch das wollte sie lieber nachts tun, so wie der Narr selbst, denn im Dunkeln stehen oft ganz andere Wege offen, die ihr und dem Narren im Hellen verwehrt wären. Um fünf derart schwierige Einbrüche zu meistern und immer noch frei herumzulaufen, bedurfte es einiges an Können und Dreistigkeit. Sie wollte sehen, mit wem sie es zu tun hatte.


    "Zumindest die Namen der Betroffenen und jeweils das Datum des Einbruchs wären von Nutzen.", forderte sie etwas harsch und blickte zu dem wesentlich kleineren Gnomen hinunter. Einen Umstand den sie durchaus genoss, während sie an Ort und Stelle verharrte und sich alle um sie herum in Bewegung zu setzen schienen.

    Die Münze machte die Runde und so bekam auch Uera sie zwischen die Finger. Die Kuppe ihres rechten Daumens rieb das Antlitz des Narren blank, während sie an der Münze schnupperte, den metallischen Glanz mit scharfem Blick begutachtete und das Gewicht grob in der Hand abschätze. Sie hatte genug Schmiede- und Prägearbeiten gesehen um die Arbeit einschätzen zu können und wer auch immer diese Münze geprägt hatte, verstand sein Handwerk recht gut. Wissend, dass es sicherlich nicht gewünscht war, widerstand sie dem Drang das Goldstück mit den Zähnen zu prüfen und das haarsträubende Gefühl zu genießen, auf Metall zu beißen. Doch die Münze behielt sie noch eine Weile in der Hand, spürte ihren eigenen Herzschlag gegen das Metall pulsieren und wie sich das Goldstück an ihrer Haut erwärmte.
    Das Datum gab ihr Rätsel auf ... aber irgendetwas musste es bedeuten. Was würde geschehen?
    Ihre Mundwinkel zuckten nach oben, als ein weiterer Einbruch verkündet wurde. Ein Zeichen, dass der Narr sich nicht von Ermittlungen einschüchtern ließ. Das gefiel der jungen Yassalar und so zeigte ihr Gesicht ein etwas deplatziert wirkendes Lächeln. Ein frischer Einbruch verhieß frische Spuren. Die Worte des Gnomen missfielen ihr. Sie solle davon ausgehen, dass alle nötigen Untersuchungen an den Tatorten durchgeführt wurden? Den Teufel würde sie tun.
    Scheinbar wollte man ihre Hilfe beanspruchen, ihr aber nicht alle Fakten zur Verfügung stellen, damit sie diese Hilfe leisten konnte. Doch was man ihr nicht freiwillig gab, das würde sie sich nehmen. Auf diesem Gebiet war Uera nicht neu. Aus den Augenwinkeln musterte sie die Anderen und versuchte von den Gesichtern abzulesen, ob diese bereit wären, die gleichen Grenzen zu überschreiten wie sie.


    Uera hörte dem Gnom konzentriert zu. Donnerfaust ... Zordar ... nie gehört. Sie war einfach noch nicht lange genug in dieser Stadt, die Namen der Leute klangen fremd und es fiel Uera schwer, sie sich einzuprägen. Aber sie wollte dem Gnom mal glauben, dass es "wichtige" Familien im Machtgefüge der Stadt waren. Man lernt nie aus.
    Sie musste innerlich ein wenig schmunzeln. Einbrechen ohne Spuren zu hinterlassen war zwar bei weitem nicht einfach, aber es war möglich. Sie hatte es schließlich selbst schon getan. Nur nicht bei solch unglaublich gut bewachten Gebäuden.
    Als der Gnom die Münze zutage brachte und herumzeigte, spürte Uera wie sich ein seltsames Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete bis ihre Zähne sichtbar wurden. Sie liebte Gold fast so sehr, wie sie Edelsteine liebte. Die Farbe, der Glanz, der Geruch, der Geschmack. Wäre es nicht dumm gewesen, hätte sie den Gnom womöglich um die Münze erleichtert, nur um einmal hineinbeißen zu können. Missmutig registrierte sie, dass die Windfrau nach der Münze fragte. Ob der Advokat das gestatten würde?


    Ihre Zungenspitze leckte über ihr Oberlippe, ehe sie ihre Stimme erhob.


    "Auf allen bisher gefundenen Münzen war das selbe Datum vermerkt?", fragte sie und fixierte den merkwürdig fanatisch wirkenden Advokaten mit ihrem Blick. Ein Datum. Entweder der Goldene Narr war wirklich ein Narr ... oder er war sich seiner selbst besonders sicher. Irgendwie gefiel Uera der Gedanke und sie musste innerlich lächeln. Sie würde ihn trotzdem finden, auch wenn die Zeit mit zwei Monaten für eine derart aufwändige Hatz recht knapp bemessen war. Sie musste mehr erfahren.

    Als sie an der Reihe war, tauchte auch Uera die Feder in die Tinte und schrieb. Der Gnom hatte den Vertragstext vorgelesen und doch las Uera den Text nochmals bevor sie beschloss, dass sie ihre Unterschrift darunter setzen würde. Zwischen all den anderen Unterschriften sah ihr Name fremd aus, in den harten, krakeligen Buchstaben kaum lesbar. Und so war auch ihre Verschwiegenheit durch ein paar Tropfen Tinte besiegelt. Wenigstens war es nur Tinte und kein Blut ... worüber die junge Yassalar sicher noch einmal nachgedacht hätte.
    Andererseits fragte sie sich noch immer, welche Informationen sie sich nun erkauft hatte und ob sie besonders viel Wert waren. Ihr grauer Blick ruhte wieder auf dem wartenden Gnom und auch sie faltete ihre Hände vor ihrem irgendwie angespannt wirkenden Körper. Sie wartete weiter, aber ihre Geduld war begrenzt.

    Ueras starre Bewegungslosigkeit löste sich auf, als sie die Arme vor der Brust verschränkte und ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte. Ihre Augen wurden etwas schmäler, ihr Blick zog über diejenigen, die bereits gesprochen hatten zu Dalgor. Eine Unterschrift ... auf einem blanken Papier. Der Mann, der zuerst gesprochen hatte, war im Recht. Und dennoch ... Uera hatte nie nachvollziehen können, warum ein Tropfen Tinte in Form eines Namens eine solche Macht besitzen sollte. Am Ende blieb es doch nur Tinte und ein Name ... ohne Bedeutung, ohne Kraft. Tinte, die man auflösen und verwischen konnte, Papier, dass man in tausend Teile zerreißen und im endlosen Meer ertränken konnte. Fischfutter. Doch in der Welt der Luftatmer waren Papier und Farbe von großer Bedeutung. Sie sträubte sich, das Mummenspiel mitzuspielen, doch wenn sie im Strom mitschwimmen wollte, musste sie sich ihm auch anschließen. Zum ersten Mal seit sie das Haus betreten hatte, erhob sie ihre Stimme. Bestimmt, gefasst und doch irgendwie harmlos klingend.


    "Ich denke, wir alle hier verstehen Euer ... professionelles Interesse an unserer Verschwiegenheit und wissen, dass die Aufklärung dieses Falles höchste Diskretion verlangt. Doch genau so denke ich, dass niemand hier seinen Namen unter einen unbekannten Vertrag setzen wird." Uera lies ein leises Lachen hören um einen Scherz einzuleiten und unbemerkt zog ein Schleier Blau über ihre graue Iris. "Am Ende verkauft Ihr noch unsere Seelen! Nicht, dass ich Euch etwas unterstellen möchte ... Ihr scheint mir ein rechtschaffener Mann zu sein."


    Erzählt mir etwas neues, Gnom., dachte sie keifend und zeigte ein angenehm unaufdringliches, zwinkerndes Lächeln aus nunmehr grauen Augen. Legt die Karten auf den Tisch und beweist mir, dass Eure Informationen so viel Wert sind.

    Noch eine. Ueras Blicke wurden kalt und grau wie abgestandenes Wasser als sie die Satyrn ... Cath'shyrr ... die Katzenfrau mit den Ziegenbeinen erblickte. Diese hatte allerhand Instrumentarium bei sich, Laute, Flöte, Geigenbogen? Was sie damit vorhatte auf der Hatz nach einem Dieb? Uera zeigte nach außen hin ein harmloses, mitteilsloses Gesicht, doch nach innen musste sie selbstgefällig lächeln. Das Gewicht ihres Rucksacks versicherte sie der Tatsache, dass sie ihr Diebeswerkzeug und Wasser mit sich trug, genauso wie den kleinen Wetzstein und vor allem den scharfen Dolch, der in ihrem Stiefel verborgen gegen ihre Wade drückte. Ein beruhigendes Gefühl. Sie wusste zu jagen, zu lauern, zu lauschen ... nur brauchte sie mehr Informationen. Jetzt. Von diesem Mann dort hinter seinem Schreibtisch.
    Wieder wallte Ungeduld in ihr auf und drohte ihre gleichgültige Fassade ins Schwanken zu bringen. 'Die Geduld ist meine Stärke, die Gelassenheit mein Schwert', rezitierte sie im Geiste, sah entschlossen nach vorne und trat leise über die Schwelle der aufgestoßenen Tür. Wieder hielt sie sich bedeckt, im Hintergrund, stellte sich nicht vor, sondern nickte dem Advokaten zu und wartete geflissentlich ab wie er wohl darauf reagieren mochte, dass gewisse andere Leute seine Kammer geradezu gestürmt hatten.

    Diese Enge! Der Geruch und die Geräusche der vielen Dinge und Gestalten im Raum ließen sich nicht ignorieren, sie musste atmen, musste sehen, doch Uera hielt ihren Atem flach und versuchte die Einzelheiten des Raumes wahrzunehmen. Die nicht ganz zueinander passenden Möbel, die nicht zueinander passenden Gestalten um sie herum, die Stimmen.
    Ihre Hals war eng und kratzte, doch sie wollte sich nicht räuspern, unterdrückte den Reiz und blieb stumm. Sie wollte nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern dezent mit dem Hintergrund verschmelzen, um ihre Informationen zu bekommen. Sie lies sich mittreiben vom Geschehen, wie vom kalten aufsteigenden Wasser eines Ozeans, sah keinen Anlass ihre eigene Stimme im Raum zu vergießen.
    Sie hatte die Schritte schon von weitem gehört und erschrak nicht. Als die junge Gehilfin zur Tür hereinstolperte, Dinge fallen lies, war es der Yassalar nur ein säuerliches Zucken der Mundwinkel wert, fast unmerklich. Was interessierte sie sich für ungeschickte Mädchen? Was für den Mann, der ihr half, ein unglaubliches Theaterstück aus einer einfachen Handlung machend. Das einzige was interessierte: wie es weiterging und wann sie sich endlich an die Arbeit machen konnte. Sie spürte ein erwartungsvolles Prickeln auf ihren versteckten Schuppen und ein Meer der Ungeduld in ihrer Brust, welches allmählich zu brodeln begann.
    Uera war immer wieder aufs neue verwundert, wie viel diese unnützen Dinge doch den Völkern des Landes bedeuteten, die leeren Gesten, leeren Worte, hohlen Mitleidsbekundungen ... vielleicht sollte sie sich mehr Mühe geben, diese zu verwenden?
    Dann wurde es ihr bewusst. Es war ein Spiel. Alles war ein Spiel. Immer. Doch Uera war noch nicht gewillt, in das Spiel einzusteigen und so veränderte sich ihre stumme Beobachtung nicht, als sich die windige Frau mit fester an das Mädchen wandte. Die frostig gesprochenen Worte des Rothaarigen gingen inhaltlich völlig an ihr vorbei. Egal.
    Während sie, nach außen hin geduldig wirkend, auf eine Antwort der Blonden wartete, überdachte sie rasch ihren Eindruck der Anwesenden. Manch einer zu dominant, zu undurchsichtig, schlichtweg zu lächerlich - wenn auch vielleicht gespielt - doch die etwas hilflose Djirin schien interessant zu sein. Doch auch hier war sich die Yassalar nicht ganz sicher was Schein und was Sein war.

    Uera hatte den Aushang schon vor langem gelesen und darüber gegrübelt, in dieser Angelegenheit Nachforschungen zu betreiben. Nicht mit dem Ziel über die Anwaltskanzlei Profit daraus zu ziehen, nein, zunächst auf eigene Faust. Es ging ihr nicht um Geld, sie war vielmehr phasziniert vom Können des Narren. Irgendetwas in ihr drängte darauf, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Vielleicht auch nur, um zu beweisen, dass niemand derart unerkannt und unentdeckt irgendwo einbrechen konnte.
    Allerdings schätze sie ihre Chancen gering ein, dem Goldenen Narren auch nur nahe genug kommen zu können, um seinen Schatten um die nächste Ecke verschwinden zu sehen. Diese Person, ob Frau oder Mann, war ein wahrer Meister, ein Künstler. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie er es schaffen konnte, wochenlang in die eldelsten Behausungen der bekanntesten Hausherren einzubrechen, ohne auch nur ein eiziges Mal gesehen zu werden. Und die Goldmünzen ... nun ja, Uera konnte den Hohn, der darin verborgen war gut nachfühlen.
    Der Gedanke an das viele Geld rief in ihre eine Mischung aus Aufregung und Nervosität hervor, der sie daran zweifeln lies, so viel Geld besitzen zu wollen. Ihr war ohnehin etwas flau im Magen, da sie die Öffentlichkeit und die hellen Stunden des Tages einfach nicht mehr gewohnt war. So stand sie hier, trat über die Schwelle der Anwaltskanzlei und so sehr sie es hasste, mit anderen zusammenarbeiten zu müssen, hoffte sie jemanden zu finden der ihr bei der Ausführung ihrer Ideen half. Korrekt. Ihrer Ideen. Uera hielt es für unwahrscheinlich, dass eine der anwesenden Personen auch nur annähernd so viel Ahnung von Einbrüchen hatte wie sie. Höchstens, dachte sie und musste schmunzeln, wussten sie in ihr eigenes Heim einzubrechen, wenn sie ihren Schlüssel mal verloren hatten.
    Ein halb unter Haaren verborgener, fragender Blick in die Runde, dann hob sie ihre Stimme, so freundlich wie es ihr möglich war und grüßte die Anwesenden.