Beiträge von Khoor

    Erneut schwieg die blasse Gestalt als Antwort - lange und beinah völlig bewegungslos. Nur in ihren Augen glomm ein Funkeln auf, dass Khoor zur Vorsicht mahnte. Er hätte gern gewusst, welche Gedanken sie hinter dieser glatten Stirn bewegte. Er war erleichtert gewesen, dass sie noch über ihren Verstand gebot, doch bekamen diese Pausen langen Schweigens dadurch eine ganz neue Qualität. Khoor fragte sich, ob sie sich womöglich so fast betont gleichgültig gab, um ihn aus der Reserve zu locken ? Ob sie Spielchen mit ihm trieb ? Fast hätte er abermals zornig aufgeschnaubt. Wie töricht sie doch hier oben waren. Und wie viele Beleidigungen würde er wohl noch ertragen müssen an dieser ........ Oberfläche ?
    Es kam Khoor gar nicht in den Sinn, welch unverschämtes Glück er hatte, ausgerechnet an diesem Ort auf jemanden zu stoßen, der geistig wie körperlich noch gesund genug war, um eine solche - in seinen Augen - Unverschämtheit zu begehen. In Khoor's Gedanken- und Vorstellungswelt existierte das Wort Resignation nicht - kein verzweifeltes Aufgeben oder sich Gehenlassen geschweige denn, darüber den Verstand zu verlieren. Es gab nur Aufgaben und Pflichten - und man war erfolgreich darin oder man starb. Wer auch könnte die Schande ertragen, über einem Schicksalsschlag seine Aufgabe zu vergessen ?


    "Mein Wort ist mein Leben." Khoor's Stimme war dunkel vor unterdrückter Wut. Die Frage allein war schon schlimm - die abwertende Handbewegung ....... nahezu unerträglich. Im inneren Aufruhr entging ihm völlig, dass die Stange aus Licht ganz langsam und allmählich über den Zellenboden seiner Gesprächspartnerin gekrochen war. Es kostete ihn übermächtige Willensanstrengung, sich darauf zu konzentrieren, was er denn nun eigentlich von ihr wissen wollte, nachdem sie ihn zuletzt doch aufforderte, seine Fragen zu stellen. In der stummen Auseinandersetzung mit sich selbst suchte sein Blick den schmutzig kargen Boden zwischen ihren beiden Zellen. "Bevor ich hier erwachte ..." begann er langsam und mühevoll. ".... war da ein Raum. Ich lag auf dem Boden, direkt neben einer offenen Feuerstelle. Ein wuchtiger Schreibtisch versperrte mir den Blick, der Raum war nicht groß." Khoor bemühte sich, das leise Grollen aus seiner Stimme heraus zu halten beim Gedanken an zahllose Hände, die ihm seine Kleider vom Leib rissen und nach seinen wenigen Habseligkeiten durchstöberten. "Zuletzt erinnere ich mich an einen Mann. Er sagte, er würde wieder kommen. Wisst Ihr, wer er sein könnte ? Und wie lange es wohl dauern wird bis er wieder erscheint ? Ich hörte, dass es Gesetze und Richter gibt, die darüber entscheiden, ob jemand in einen Käfig gesperrt wird. Warum bin ich dann hier ? Oder wird dieser Richter erst noch kommen ? Ist es dieser Mann ?" Es kostete den Drak'khir einiges an Anstrengung, seine Erinnerungen an die Nacht mit dem in Verbindung zu bringen, was er während seiner Ausbildung über die Verhältnisse auf der Oberfläche gelernt hatte. Von zahlreichen Gefahren und Risiken hatte er gehört. Aber die Möglichkeit, wegen Gesetzesverstößen eingesperrt zu werden, war ihm undenkbar erschienen. Die Gedankenmühle bewirkte jedoch, dass sein Zorn sich legte. Er war nur hinderlich, wenn er hier heraus wollte.
    Khoor's Blick hob sich wieder zu der weißen Frau empor. Ob sie diese Fragen wohl beantworten konnte ? Erwartungsvoll musterte er sie und fragte sich, ob sie sie wohl als beantwortungswürdig erachten würde.

    Die weiße Gestalt bewegte sich fast nicht. Um so erstaunlicher empfand Khoor die Worte, die sie dann sprach. Nicht so sehr, weil es im ersten Moment schien als würde sie einen ganzen Bau von Forderungen aneinder reihen wollen. Die unerwartet leise hastige Stimme war seltsam und Khoor lauschte unwillkürlich intensiv nach einem möglichen Auslöser dafür. Nichts zu hören. Erst als er sich sicher war, dass zunächst keine weiteren Worte kommen würden, blickte er sich nach rechts um und versuchte auch, einen Blick in den linker Hand liegenden Gang zu erhaschen. Nichts.
    Eigenartig.
    Ihre Vorstellungen von der Gegenleistung selbst ................. der Drak'khir betrachtete die Frau mit leisen Zweifeln. Weshalb sollte jemand hier unten jammern und schreien - sofern er keine übermächtigen Schmerzen litt ? Oder wahnsinnig war ? Aber jemand musste dies wohl getan haben - sonst wäre es ihr vermutlich nicht wichtig. Und Neuigkeiten ? Welche Neuigkeiten sollte ein Fremder wie er aus einer vollkommen unbekannten Stadt zu berichten haben ? Antworten auf IHRE Fragen ... das hätte sie einfacher haben können, dachte Khoor verächtlich. Diese Oberflächler könnten so vieles einfacher haben - wenn sie nicht so unglaublich feige wären. Erneut glomm der zornige Funke in seinen Augen auf. 'Sie ist eine Verbrecherin. Was erwartest Du von ihr ?', wisperte es besänftigend in seinem Verstand. Mit heftigem Unwillen verjagte er den Gedanken und seine von Drachenhaut überzogenen Fingerknöchel blassten ein wenig aus, weil der Drak'khir im Auffruhr die Stäbe fester umklammerte. Arkandos selbst hätte es sich nicht niederträchtiger ausdenken können. Der Abschaum der Oberfläche - und er war auch noch auf sie angewiesen.
    Während Khoor's wenig schmeichelhafter Gedanken hatte die Frau ihre Position verändert. Sie war mit ihrem Gesicht näher an das Gitter herangekommen, ihre Augen glitten von oben bis unten über seine Gestalt, Khoor glaubte die Gedanken hinter ihrer Stirn förmlich sehen zu können und fühlte, wie es in ihm zu brodeln begann. Seine Augen bohrten sich in die der blassen Oberflächlerin.
    Die unvermeidliche Frage brach zwischen ihren Lippen hervor - und etwas unheimliches geschah. Die Explosion blieb aus. Mit einer Art morbiden Entsetzens starrte Khorr in das wachsweiße Gesicht vor sich, aus dem pechschwarze Augen zu ihm zurück starrten, er erwartete förmlich, erneut diesen übermächtigen Ansturm von Magie zu fühlen, der erbarmungslos zwang ....
    Die Illusion schwand, Khoor sah wieder ein vergleichsweise zartes Frauengesicht mit grauen Augen. Nicht freundlich gesinnt - aber auch nicht beängstigend. Aber er erinnerte sich wieder an die Minuten vor seiner Gefangennahme. Und empfand die untrügliche Gewißheit, dass dieser andere nicht wissen durfte, was er war. Oder wusste er... ? Nein, da war Überraschung gewesen. Unglauben.
    Sein Blick kehrte aus der Erinnerung zurück zu der Gefangenen. "Welche Bedeutung soll das haben?", fragte er mit tonloser Stimme. "Jetzt bin ich nichts anderes, wie Ihr auch." Seine Zähne knirschten aufeinander. "Jemand, der nicht aufgeben wird, bis er diesen Ort wieder verlassen kann." schloss er grimmig. 'Und je schneller, je besser.'
    "Habe ich Euch richtig verstanden ? Ab sofort Antwort gegen Antwort ?" Er musterte sie mit leisem Groll und umklammerte die Stäbe womöglich noch eine Spur fester. "Keine persönlichen Fragen. Dann soll es so sein. Und für den Rest habt Ihr mein Wort." spie er ihr gereizt entgegen.

    Seine Antwort hatte scheinbar Unwillen in der Frau hervor gerufen, zumindest erschien ein entsprechender Zug in dem ausdrucksvollen Gesicht. Ein 'Vielleicht' presste sich als Frage zwischen ihren Zähnen hervor, so gedrückt, dass es kaum zu verstehen war und die verschränkten Arme untermalten die abwehrende innere Einstellung der schlanken Gestalt. Um die zu demonstrieren hätte es des Abwenden des Kopfes gar nicht mehr bedurft. Khoor folgte mit den Augen ihrer Blickrichtung. In der Düsternis fiel ihm eine Stelle auf, in der irisierende Partikelchen in der Luft zu schweben schienen, fast als hinge dort eine weitere Stange in der Luft. Nur eben nicht aus Eisen sondern aus einem glitzernden, kaum wahrnehmbaren Licht. Er folgte ihr zur Decke des Gewölbes, konnte die Öffnung, die zweifellos vorhanden sein musste, jedoch von seiner Position aus nicht ausmachen.
    Erneut trafen sich ihre Blicke. Es war dem weißen Gesicht förmlich anzusehen, dass es hinter dieser glatten Stirn arbeitete und ein wenig ließ die Anspannung in dem Drak'khir nach. Man konnte mit ihr sprechen - wenn sie es wollte. Betont gleichgültig und uninteressiert wirkte sie als sie sich mit frostiger Stimme und überzeichnetem Lächeln endlich zu einer Antwort entschlossen hatte.
    'Ich gebe nur, wenn Du gibst' liessen sich ihre Worte auf den Punkt bringen und Khoor's Miene verfinsterte sich ein wenig. 'Was gegeben wird, gibt man zurück' gebot die Ehre. Ein zweiter Gedanke schob sich in seinem Kopf nach vorn. Nicht nur Wahnsinnige wurden in Käfigen gehalten, auch Verbrecher wurden auf der Oberfläche eingesperrt. Mussten eingesperrt werden - die logische Folge in dieser Welt voller Schein und Intrigen, in der schon die überwältigende Mehrzahl der Rechtmäßigen keinen Kodex kannte. Kurz erwog er, wie dringend seine Fragen tatsächlich waren und ob sich einige von ihnen nicht mit der Zeit von selbst beantworten würden. Da war es wieder, dieses Wort ........ Zeit....... Für einen Sekundenbruchteil funkelte blanke Wut in den Augen des Drak'khir auf, doch als er sprach, war wieder Ruhe in seiner Stimme. "Und was betrachtet Ihr als angemessene Gegenleistung für die Beantwortung meiner Fragen ?"

    So ausdruckslos seine Stimme gewesen war, so intensiv und wachsam war der Blick, mit dem er die schlanke weiße Frau musterte, damit ihm nicht der leiseste Ausdruck in ihrem Gesicht, in ihren Augen entgehen konnte. Jeder noch so kleine Hinweis darauf, dass in diesem Körper noch ein gesunder Geist steckte, wäre ihm im Moment lieb. War es bestimmt keine Täuschung, dass auch ihr Blick, der an ihm klebte, sein Bild zu einem Eindruck verarbeitete ? Dieser Körper keine leere Hülle war ? Sie schwieg lange. Unangemessen lange, doch Khoor fühlte einen winzigen Hoffnungsschimmer in sich aufsteigen als diese grauen Augen sich wieder in seinen eigenen Blick hinein senkten. Bewegung kam in ihre feingezeichneten blassen Züge, weil sie mit den Zähnen ihre Wangen bearbeitete. Sie dachte nach !
    Khoor umklammerte die Gitterstäbe unwillkürlich ein wenig fester.
    Ihr weißer Körper war außerordentlich schlank, aber die Stellen, die nicht von Kleidung bedeckt waren, verrieten, dass es keine schwächliche Schlankheit war. Trocken zeichneten sich Muskeln und Sehnen unter der hellen Haut ab - sie war durchtrainiert, wahrscheinlich wendig und schnell, denn besonders groß war sie nicht.
    Abermals wechselte der Ausdruck ihres Gesichts und sofort waren alle Sinne des Drak'khir's wieder dorthin gerichtet. War das ein belustigtes Funkeln dort in diesen Augen ? Khoor's eigene Augen weiteten sich ein wenig als die Frau ihre Züge zu einem unechten Lächeln verzog und ihre Lippen dabei einige messerscharfe Zähne entblößten. Augenblicklich schmeckte er den Geschmack von Blut in seinem eigenen Munde wieder stärker und sein Ausdruck wurde ein wenig lauernder. Verrückt oder nicht - diese weiße Gestalt dort drüben war mit Vorsicht zu geniesen, da war er sich sicher. Zu ihren Worten nickte er langsam und schob den Gedanken an Wahnsinn zunächst beiseite. Häme und Bosheit schillerten durch ihre Worte hindurch, aber zumindest war ihm der Rückschluß von seinem Aussehen und seinem Zustand zu dem, was mit ihm geschehen sein mußte, vernünftig genug dafür. "Ja! Und es ist besser für jeden in meiner Nähe, wenn ich Herr über meinen Verstand bleibe.", antwortete Khoor in schlichter aufrichtiger Gewißheit und überging die hämische Bemerkung am Ende.
    Oberflächler .... Und dazu noch unter erschwerten Bedingungen. Wenn sie schon unter gewöhnlichen Verhältnissen weder Anstand noch Ehre hatten, dann waren sie hier wohl erst recht zu schwach dafür, dachte er geringschätzig. "Würde es Euch sehr belästigen, wenn ich einige Fragen zu diesem Ort an Euch richten würde ?"

    Die Worte hatten seinen Mund kaum verlassen, da blitzte es in den grauen Augen der blassen Gestalt auf. Khoor's Kopf war von den Schlägen, besonders von den beiden, die für die gebrochene Nase und die Platzwunde gesorgt hatten, noch etwas in Mitleidenschaft gezogen, Sehen und Begreifen bedurften etwas mehr Zeit als sonst. Der Sekundenbruchteil genügte nicht, um sich ernsthaft der Frage zu widmen, ob dort tatsächlich Unglauben im Blick der Frau gegenüber gestanden hatte, denn unmittelbar darauf brach sie in ein überlautes Lachen aus, welches schrill und kreischend von den Wänden zurückgeworfen wurde, sich dort vermehrte und in einem sich überschlagendem Crescendo über Khoor ergoß. Bei dem irrsinnigen Geräusch gruben die Zähne des Drak'khir's sich vor aufschäumender Wut so fest aufeinander, dass er seine eigenen Kiefer laut und vernehmlich knacken zu hören glaubte. Doch es dauerte nur einen Augenblick an, dann veränderte sich sein zornverzerrtes Gesicht und eine absonderliche Mischung von leichter Abscheu gepaart mit Mitgefühl stand auf seinen Zügen, mit denen er den Ausbruch der Frau beobachtete. Vielleicht war diese blasse Frau eine dieser Wahnsinnigen, die in solche Käfige gesperrt wurden ...... ?
    Die schlagartige Veränderung ihres Gebarens vertiefte diesen Gedanken eher als dass ihre urplötzlich eisig wirkende Stimme und der erneut kalte Blick Khoor an einen Irrtum glauben ließen. Auch wenn ihre Worte zumindest Sinn ergaben. Stumm musterte er die Frau weiterhin. Wie lange mochten sie sie schon hier eingesperrt haben ? Konnte man überhaupt noch vernünftig mit ihr reden ? Hatte man es je gekonnt ? Khoor sinnierte kurz darüber nach, ob er es wohl bewerkstelligen könnte, auf die Füße zu kommen, schnaubte dann vor Ärger laut und vernehmlich aus und nahm das Wagnis in Angriff. Zwar taumelte er etwas nach vorn, nachdem er sich - zugegebenermassen etwas mühselig - in die Höhe geschraubt hatte, aber das Gitter war nicht weit entfernt und so umklammerte er dessen Stäbe vorsichtshalber mit den Händen nach Halt. Nur kurz hatte er dabei den Blickkontakt zu der anderen Insassin unterbrochen. "Seid Ihr noch Herrin über Euren Verstand ?", fragte er mit vollkommen ausdrucksloser Stimme. Das einzige Geschöpf in Sichtweite - was, wenn ausgerechnet es verrückt war ?

    Khoor's Geist war zunächst tatsächlich wieder in die Bewusstlosigkeit hinüber geglitten. Immer wieder tauchte er für Augenblicke daraus hervor, fand aber keinen Halt im Erwachen, immerzu schien es in ihm zu vibrieren, aber ...... Vielleicht war die Anstrengung zu groß gewesen, in dem grell erleuchteten Zimmer, in dem er zunächst zu sich gekommen war, wach zu bleiben und zu erfahren, was überhaupt mit ihm geschehen war, geschehen sollte. Vielleicht hatte es auch zuviel Kraft gekostet, regungslos zu ertragen, wie sie ihm sein Tuch herab gezogen hatten, die Kleider vom Leib geschnitten hatten. Eine Schmach, die fast schwerer zu ertragen war als die Gefangennahme selbst. Behandelt, wie ein ehrloser Hochverräter, wie Abschaum. Ein Mann, der zurück kommen würde. Vielleicht hatte auch die Treppe ihm den Rest gegeben, denn irgendwann hatte er den Kopf einfach nicht mehr halten können auf dem Weg hinab.
    Zerrissene Bilder und Wortfetzen zogen an ihm vorbei. Überwältigender Zorn. Und pechschwarze Augen. So mächtig. Aber ..... auch Angst ? Oder war es die Angst inmitten der Schreie gewesen ? Schreiende Männer und Schläge. Unendlich viele Schläge. Und warmes süßes Blut in seinem Mund. Viel Blut. Und immerzu diese Schreie.... und dieser vibrierende Wut in sich, die alles in eine blutrote Wolke getaucht hatte. Würde das Vibrieren denn nie aufhören ?


    Irgendwann konnte er den dumpf pochenden Schmerz im Gesicht nicht mehr ignorieren und machte es als den wahren Grund für dieses Vibrieren aus. Dennoch blieb er mit geschlossenen Augen liegen und machte eine Bestandsaufname seines Körpers. Füße, Beine, Unterkörper, Arme Finger - alles sprach an auf den Appell seines Verstands. Alles noch da und funktionstauglich. Sogar der leichte Schmerz war erträglich, der natürliche bernsteinfarbene Schutz hatte ihn - mal wieder - vor übleren Folgen bewahrt. Es war immer noch kalt und klamm um ihn herum, aber das war eher etwas Bekanntes, Vertrautes. In der Tiefe der Erde gab es diese Orte auch - man mußte sehr viel weiter hinab, bevor Wärme aus der Tiefe zu spüren war. Aber er roch fast nichts. Etwas gereizt wandte er seine Aufmerksamkeit dem Versager zu. Die leise Bewegung im Gesicht ließ ihn vor Schmerz leise zischen und er öffnete den Mund. Der Geruch von Ausscheidungen und ungewaschenen Körpern drang unvermittelt auf ihn ein und Khoor schloß den Mund augenblicklich wieder. Widerlich ! Langsam hob er den linken Arm, bewegte alle fünf Finger dabei und erinnerte sich, dass auch die Handschuhe ...... er würde vorsichtig sein müssen. Behutsam tastete er über den schuppigen Nasenansatz und tiefer, bis er an den Knick kam, der vorher nicht dagewesen war. Grimmig setzte er je zwei Finger rechts und links an, darauf bedacht, nicht die Klauen ins Fleisch zu drücken - und ruckte den Rest der Nase in seine ursprüngliche Position zurück. Der Schmerz eplodierte grell und übermächtig hinter seiner Stirn und seinen Augen und ein grimmiger Wutschrei brach aus seinem Brustkorb hervor. Der Geschmack und der Geruch von warmen Blut waren erneut überdeutlich in seinem Mund, der Arm fiel unbeachtet wieder neben seinen Körper und für einen Moment taumelte Khoor abermals an dem schmalen Grat entlang, der zwischen Bewußtsein und Ohnmacht stand. Es erschien dem Drak'khir wie eine Ewigkeit, bis der Schmerz abflaute und nur noch ein dumpfes Pochen zurückließ. Kopfschmerz. Khoor begrüßte ihn fast wie einen alten Vertrauten, denn diese Stadt schien es ohne ihn nicht zu geben. Langsam winkelte er die Ellbogen an, um sich aufzurichten und öffnete nun auch die Augen. Dunkel war es und seine Pupillen brauchten etwas länger als sonst, um sich den eigentlich vertrauten Lichtverhältnissen anzupassen. Wo war der Geist, den er gesehen hatte, kurz bevor ..... ? Khoor's Blick ging geradeaus. Gitterstäbe vor ihm. Und dahinter gleich noch einmal. Und dort im Dämmerlicht hockte tatsächlich eine ungewöhnlich helle Gestalt. Kein Geist - Khoor begriff, dass sein halb bewusstloser Verstand nicht mehr in der Lage gewesen war, die Gitter zu erkennen und deshalb der verzerrten unscharfen Illusion erlegen war, der Körper sei durchscheinend gewesen an manchen Stellen. Auf der einen Seite waren ebenfalls Eisenstäbe, ohne weitere Zelle daneben - zur anderen Seite wurde sein Blick durch eine Felswand begrenzt.


    Ein Käfig ! Sie hatten ihn tatsächlich wie einen Wahnsinnigen oder Ehrlosen in einen Käfig gesperrt. Khoor's Arme begannen zu zittern vor Groll. In den sechs Monaten an der Oberfläche hatte er gehört, dass es Orte gab, wo Verbrecher eingesperrt wurden - sie passten zu seinem Bild von den Oberflächlern. Aber selbst darin zu sein....... Es war die größte Beleidigung, die diese verhasste Oberfläche ihm hatte antun können. Khoor verspürte den brennenden Wunsch, diesen ganzen Schandfleck von Stadt in Schutt und Asche zu legen - und selbst das war nicht annähernd Genugtuung genug. Wenn er die Zeit hätte........ Zeit .... Zeit .........er hatte keine Zeit. Er musste...........
    Es war der Gedanke an seine Heimat, seine Aufgabe, sein Volk, das auf ihn zählte, der es tatsächlich schaffte, die Wut zurück zu drängen. Er musste hier heraus!
    Außer der weißen Gestalt gegenüber war keine andere Person zu sehen und Khoor sah wieder zu ihr hin. Sie starrte zurück. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, drückte Khoor sich eine sitzende Position hinauf. Hier und da protestierte sein Körper unter leisem Schmerz, aber gerade war er willkommen. Er hielt ihn wach und seine Sinne im Hier und Jetzt als es ihn leicht schwindelte.
    Im stummen Duell ihrer Blicke erkannte Khoor jetzt mehr Einzelheiten seines Gegenübers. Sie schien weiblich zu sein. Ihre halblangen silbrigen Haare und auch ihre Kleidung wirkten angesichts dieses Ortes unerwartet sauber, aber das hervorstechenste Merkmal an ihr war diese ungewöhnliche blasse, fast weiße Haut. Was für einer Art mochte diese Oberflächlerin angehören ? Khoor straffte sich sich im Sitzen ohne den Blick von der weißen Gestalt abzuwenden. "Mein Name ist Khoínoor Charad dek l'Bryre." erklang seine tiefe sonore Stimme durch das Gewölbe, auch wenn sie durch seinen staubtrockenen Hals und das viele Blut im Mund von ihrer Klangfarbe einbüßte. "Erweist Ihr mir die Ehre eines Gesprächs ?" Egal, was diese Oberfläche ihm anzutun gedachte, niemals - NIEMALS ! - würde es ihr gelingen, dass ein Drak'khir seinen Kodex vergaß.

    Betretenes Schweigen war auf dem Kampfplatz in der dunklen Gassenkreuzung eingekehrt, nachdem es endlich vorüber war, nur unterbrochen von dem schmerzerfüllten Wimmern eines Mannes, bei dem zwei seiner Kameraden knieten und versuchten, die starke Blutung seines Unterschenkels zu stoppen, den Khoors Zähne zerfleischt hatten. Der Unvorsichtige hatte sich bei seiner Annäherung zu sehr auf das behindernde Netz verlassen. Aber wer rechnete schon damit, dass ein Gefangener um sich beissen würde, wie ein irrsinniges Tier und fast ebensolche Reißzähne sein eigen nannte. Ein Hauptmann in mittlerem Alter bedeutete zweien seiner Leute, die Lanzen bereit zu halten, bevor er berherzt zu dem reglosen Körper hintrat und diesen von den Überresten des Netztes befreite. Kopfschüttelnd betrachtete er die zerfetzten Maschen. "Draht!", war sein leiser Befehl und unverzüglich stürzte ein weiterer Mann zur Kutsche hin, um das Verlangte herbei zu schaffen. Sorgfältig fesselte der Hauptmann Arme und Beine des Bewußtlosen. Nach der Verrichtung bemerkte er erstaunt, dass der Mann noch immer neben ihm stand und auf den Gefesselten hinunter starrte. "Alles in Ordnung, Soldat ?", fragte er streng. Der reagierte noch immer nicht, nur sein Arm hing in merkwürdigem Winkel am Körper hinab, Blut tropfte auch das Pflaster und der Kommandant griff danach. Wortlos betrachtete er die zerstörten Sehnen des Unterams, vermutlich stand der Mann so unter Schock, dass er es selbst noch gar nicht registriert hatte, dass er wahrscheinlich zum Krüppel geworden war. Das leise Stöhnen zu seinen Füssen riß den Hauptmann aus seinen Gedanken. "Ins Verließ mit ihm. Schnell! Verhörraum!", ordnete er an und wer nicht verletzt war, beeilte sich, seiner Anordnung Folge zu leisten und den wiedererwachenden Gefangenen in die Kutsche zu bugsieren. Hasserfüllt waren die Augen des Hauptmanns in der Zwischenzeit dem Weg des blassen Mannes mit den schwarzen Augen gefolgt. Zwei Männer schwer verletzt, einer vielleicht nicht mehr zu retten ........... und wofür ? Für die lächerliche weiße Weste eines verwöhnten reichen Knabens, von dem ohnehin jeder wußte, dass er sich mit seinen zweifelhaften Kumpanen des Nachts in den Gassen herum trieb, Leute überfiel, zusammenschlug und Frauen vergewaltigte.
    Vor Bitterkeit bemerkte er erst jetzt, dass die andere Kutsche von der unteren Gasse her herangerumpelt war und in etwas Abstand angehalten hatte. "Ins Hospital!" warf er den beiden zu, die sich um den am Boden Liegenden kümmerten und griff selbst nach dem gesunden Arm des neben ihm stehenden Mannes, der immer noch mit glasigem Blick auf die nun leere Stelle auf dem Straßenpflaster starrte und stütze ihn auf dem Weg zur zweiten Kutsche. "Eilt Euch!" wies er seinen Kutscher an.


    Der Morgen dämmerte bereits als der Hauptmann sein Pferd durch das Tor in den kasernenartigen Hof lenkte und vor dem Hauptgebäude, an welches sich auch ein Teil der unterirdischen Verliesse anschloß, absass und mit knappen Kopfnicken zu den Wächtern hinein eilte. Er hasste diesen Ort. Und er verabscheute auch die Freiwilligen, die sich für den Dienst an diesem Ort meldeten, auch wenn er wusste, dass in den Zellen genug brutales Gesindel schmorte, dem man nichtmal den Bruchteil einer Sekunde lang den ungeschützten Rücken zukehren durfte. In der Wachstube sassen ein paar Aufseher beisammen. Ihre Köpfe fuhren herum als er eintrat und einer sprach ihn an. "Da habt Ihr einen besonderen Fang gemacht, Hauptmann!" Gröhlende Zustimmung und schmieriges Gelächter begleiteten die Worte und signalisierten die Zustimmung seiner Kumpanen. "Eine Mißgeburt sondergleichen - kein Wunder, dass er verrückt ist. Hat man ja häufiger bei sowas."
    Ein grinsendes Nicken folgte auf den stummen fragenden Blick des Hauptmanns und er setzte seinen Weg ohne Unterbrechung fort in das Verhörzimmer hinein. Welchen Anblick er erwartet hatte, wußte er selber nicht - diesen jedenfalls nicht. Und er begriff unverzüglich, was die Wache gemeint hatte. Sie hatten den Mann entkleidet, zumindest bis auf die Beinkleider - der normale Sicherheitstandard hier. Und er sah tatsächlich aus wie eine bizarre Mischung aus Mensch und Reptil - Schuppen bedeckten seinen Körper, die in allen Farben des Bernsteins schimmerten, sogar sein Gesicht war entstellt. Er war immer noch gefesselt und der Hauptmann ließ sich auf die Knie herab, um die gebräunte Haut an der Innenseite des Oberams zu berühren - nur um festzustellen, ob es auch tatsächlich Haut war. Ein wirklich grauenvoller Anblick - kein Wunder, dass der Kerl sich so verhüllte. Aber - die Gesichtszüge waren trotz der Schuppen menschlich und auch seine Physiognomie schien humanoid zu sein. Die Nase war in jedem Fall gebrochen. Und am Kinn klaffte eine Platzwunde, vermutlich von dem Schlag, der ihn endlich niedergestreckt hatte. Ansonsten schien er unverletzt zu sein sofern nicht noch irgendwelche Knochen gebrochen waren. Etwas misstrauisch beäugte der Hauptmann den Gefangenen. Hatter er sich nicht bereits draussen schon wieder bewegt und leise gestöhnt ? Sein Blick fiel auf die ihm abgenommen Habseligkeiten, die abseits auf einem Tisch lagen. Ein Dolch und ein paar Münzen. Nicht sehr aussagekräftig.
    Unentschlossen erhob er sich wieder. Seine Zeit war knapp bemessen und er sorgte sich um die beiden Verletzten. Was sollte er hier solange der Kerl nicht vernehmungsfähig war ? Oder so tat als ob er es nicht sei.
    Vielleicht würden ein paar Tage Haft ihn ruhiger machen. Und einsichtiger. Ganz sicher war der Hauptmann sich nicht. Ob man überhaupt mit ihm sprechen konnte ? "Ich komme wieder!", sprach er dennoch laut vernehmlich zu der reglosen Gestalt am Boden und verließ das Zimmer.
    "Einbuchten!", befahl er dem Ensemble in der Wachstube knapp. "Und losbinden - ich sehe die Tage noch einmal nach ihm." Mit diesen Worten eilte er hinaus und jagte das Pferd wieder in die Stadt hinein, drängenderen Pflichten entgegen..


    Einen Strick um die Beine gewickelt zerrten drei Mann den Drak'khir die steinerne Treppe hinunter und ein paar Gänge entlang n das Herz des unterirdischen Gewölbes hinein. Vorbei an zahlreichen vergitterten Türen, immer weiter bis an das Ende eines Ganges. Der Vorderste öffnete den Ziehenden die Tür weit genug und während die anderen Khoor in die Zelle hieften, schlug er mit einem Metallstab klirrend gegen die Gitterstäbe der gegenüberliegenden Zelle und zog den Stab schnell hin und her, was ein schrilles Kreischen entstehen ließ. "Bleichbacke!" rief er hämisch grinsend in die Zelle hinein. "Besuch für Dich. Noch ein Monster!" und lachte irre. Die drei anderen lösten den Draht um Khoors Extremitäten und liessen ihn auf dem Boden liegen. "Den wuchte ich nicht noch auf die Pritsche." murmelte einer. "Wozu auch ? Tiere gehören auf den Boden." Sie verliessen die Zelle und einer schlug dem Musizierenden mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. "Lass sie in Ruhe." Sein Gesicht presste sich gegen die Stäbe. "Sie war doch braaaaaaaav!", verspottete er die Frau darin. Unter derben Scherzen traten die Männer den Rückweg an.
    Als die Gittertür ins Schloß gefallen und der Schlüssel sich quietschend umgedreht hatte, öffnete Khoor augenblicklich die Augen. Düster war es, feucht und kalt. Fast eine Wohltat. Schritte entfernten sich und er hob den Kopf. Eine weiße Frauengestalt stand in einiger Entfernung, ihre Umrisse waren undeutlich, verzerrt und so sehr der Drak'khir sich auch bemühte - das Bild blieb unscharf und zittrig.
    Ein Geist ....... Khoor schloß die Augen und sein Kopf sackte wieder zurück. Besser, er blieb noch etwas ruhig liegen, anscheinend hatte es ihn doch härter erwischt als er gedacht hatte .....

    Es schien der jungen Frau nicht recht zu passen, dass er sie so regungslos und schweigend betrachtet hatte. Vielleicht wirkte es auch ein wenig unheimlich auf sie, weil man von seinen Gesichtszügen bestenfalls die Augen und die Mundpartie sehen konnte. Trotz ihres Schulterzuckens gab sie an, einen geeigneten Platz zum Lagern zu kennen und setzte ihren Schimmel in Bewegung. Khoor ließ den Hengst am langen Zügel hinterher traben, für das letzte Stück Weg kam es nun nicht mehr darauf an, dass er eigentlich kein Tier dafür war, lange Strecken in hohem Tempo zurück zu legen.
    Der Drak'khir setzte ihn auf halbe Höhe hinter die Schimmelstute, da seine Begleiterin über das Entgelt zu sprechen begann. Schweigend und aufmerksam höre er ihre Worte an und seine Mundwinkel zuckten vor unterdrücktem Zorn.
    Was glaubte sie, wer er war ? Eine Kuriosität, die ihr zu ihrem Vergnügen Rede und Antwort zu stehen hatte, weil sie zufällig urplötzlich den gleichen Weg hatte wie er ? Es brodelte gewaltig in dem Drak'khir ob dieser unverschämten Worte und er zwang sich mit allergrößter Willensanstrengung dazu, nicht zu antworten, bis sie an den Lagerplatz angelangt sein würden.
    Beinahe war er versucht, die Theorie eines Hinterhalts fallen zu lassen. Wenn sie ihn in Sicherheit hatte wiegen wollen, hätte sie ihm kaum eine Beleidigung nach der anderen an den Kopf geworfen.
    Andererseits - den Oberflächler konnte man nicht über den Weg trauen. Möglicherweise liessen sie von jungen Mädchen dergestalt mit sich reden für die Gunst ihrer Gesellschaft. Dumm genug dazu waren sie allemal. Khoor ließ die Gedanken ruhen, denn die junge Frau hielt ihr Pferd an.


    Der Platz war gut - eine saubere Quelle, lichte grasbewachsene Flächen für die Pferde und dennoch genug Büsche, Sträucher und Bäume, die Deckung boten. Hier würde man sogar ein kleines Feuer entfachen können. Khoor ließ seinen Hengt den Schimmel umrunden und verhielt ihn als die Pferde Stirn zu Stirn voreinander standen. Der Braune erstarrte augenblicklich wieder zum Reiterstandbild und der Drak'khir funkelte die Frau an. "Frau!", grollte es unter der Kapuze hervor. "Mit einem habt Ihr Recht: Ich bin fremd in diesem Land. Und in meinem Land fragt man niemanden nach seiner Herkunft oder seinen Absichten aus. Aus Höflichkeit." Khoors Stimme schwoll an wie Donner bei den letzten beiden Worten. "In wessen Schuld ich stehe, entscheide ich - Khoínoor Charad dek l'Bryre - immer noch ganz allein. Ich habe das Angebot Eures Wissens und Eurer Fähigkeiten geehrt, in dem ich Euch selbst den Lohn dafür bestimmen ließ. Alles, was es dafür von mir zu wissen gibt, wißt Ihr bereits. Wenn Euch Gold nicht genügt, trennen unsere Wege sich Morgen."


    Khoor wendete den Hengst zu der Quelle hin und ritt ein gutes Stück unterhalb ihres Anfangs ins Wasser hinein bevor er vom Pferd stieg. Sorgfältig spülte er den langen Behang an den Beinen und Hufen des Hengstes aus, der in der Zwischenzeit seinen Durst löschte. Dabei sondierte er mit all seinen Sinnen die Umgebung des Platzes - aber er konnte keinerlei fremde Präsenzen ausmachen. Und auch der Hengst zeigte keinerlei Auffälligkeiten an. Erst danach löste er Sattel und Zaumzeug und überließ das mächtige Tier sich selbst. Das Lederzeug platzierte er an einem geeigneten Schlafplatz. Auch die junge Frau war inzwischen abgestiegen und fuhr mit ihren Worten fort. Khoor hielt in seiner Tätigkeit inne und sah sie an. Das war etwas, woran er sich bei den Obernflächlern schon beinah gewöhnt hatte. Nie waren sie mit ihren Gedanken ganz bei dem, was sie taten sondern redeten ohne Unterlass bei jeder wichtigen und unwichtigen Tätigkeit. Er hasste es, wie verächtlich sie sich häufig gegenüber den an sie gerichteten Worten verhielten. Die junge Frau erzählte, dass sie hier aufgewachsen sei und deshalb sowohl die Geschichten über die Stadt wie auch die hier anzutreffenden Personen der Art nach recht gut kannte. Vielleicht hatte sie begriffen, dass es auch ein Gebot der Höflichkeit war, zuerst selbst das zu geben, was man selber erstrebte. "In meiner Heimat, Farsicié, ist das schwerste Verbrechen, einen anderen zu töten oder ihn zu hintergehen. Seid versichert, dass es nichts über meine Absichten aussagt, wenn ich mich verhülle." Vielleicht begriff die schöne junge Frau, dass es zugleich als Versicherung wie als Warnung an sie gerichtet war.


    Ihre letzten Worte gaben dem Drak'khir zu denken und er runzelte unter seiner Tuchmaske die Stirn. "Ich habe nicht vor, irgendjemandem die Geheimnisse seiner Fundorte und Schätze zu entlocken. Es verlangt mich nicht nach den goldenen Reichtümern dieser Stadt.", knurrte er etwas unwillig vor sich hin. "Ist das die nützliche Fähigkeit, die Ihr mir angepriesen hattet ? Verschwiegene Personen zum Reden zu bringen ?"

    Der Moment zog vorüber. Und die Geräusche der Nacht drangen wieder an seine Ohren. Irgendwo hinter ihm war ein quietschender, klobiger Karren in die Gasse eingebogen und rechter Hand hinunter glaubte Khoor, die leisen Schritte von mehreren Personen zu hören. Der leichte Kopfschmerz war wieder da und seine drangsalierten Geruchszellen in Nase und vor allen an der Zunge schrien ihm auch weiter zu, diesem Ort, dieser ganzen verfluchten Stadt so schnell wie nur möglich den Rücken zu kehren. Waren seine Sinne schon so überreizt, dass er sich Dinge einbildete ?


    Die Schritte einer einzelnen Person hallten überlaut auf dem Strassenpflaster vor ihm. Ein breitkrempiger Hut tauchte für wenige Schritte im spärlichen Licht der Öllampe auf und machte keinerlei Anstalten, dem Drak'khir vor sich auch nur irgendwie auszuweichen sondern hielt direkt auf ihn zu. Khoor spürte fast körperlich, dass diese Gestalt Ärger bedeutete. Und auch wenn es ihn echte Überwindung kostete einem so dreisten Oberflächler Platz zu machen - Khoor legte keinen Wert auf noch mehr Ärger in dieser Stadt. Seine Aufgabe war zu wichtig, er hatte einen Durchbruch erzielt - und selbst die ungeschickteste, dümmste Hand konnte einen Zufallstreffer landen. Solange er nicht angegriffen wurde ....... schon war der Drak'khir im Begriff, in die rückwärts liegende Straße auszuweichen, als ihn die Stimme aufhielt.


    "Wartet! Ich habe mit Euch zu sprechen!", kam es streng und befehlsgewohnt unter der Hutkrempe hervor. Khoor stutzte. Wer sollte ihn hier sprechen wollen ? Er kannte hier niemanden und hatte auch niemandem seinen Namen genannt, außer dem Schmiedemeister. Und der Zwerg, da war Khoor sich absolut sicher, wäre selbst erschienen, wenn es notwendig gewesen wäre. Zwerge waren mindestens genau so mißtrauisch wie die Angehörigen seines eigenen Volkes es waren.
    "Wer seid Ihr ?" fragte er lauernd zurück. Der Man blieb stehen und hob den Kopf. Seine Augen wirkten in der Dunkelheit und unter dem Hut vollkommen schwarz, vielleicht war aber auch nur der scharfe Kontrast zu den bleichen wächsernen Gesichtszügen schuld daran. Selbst Khoor zuckte innerlich vor diesem Anblick zurück. Oberflächler waren wahrhaftig nicht besonders attraktiv - aber der hier sah aus wie der Tod persönlich, obwohl - und es beunruhigte Khoor mehr als alles andere - der Geruch dieses Mannes vollkommen frei von den Ausdünstungen des Schattenkrauts war, welche fast allen anderen Einwohnern dieser Stadt unablässig aus den Poren herausquollen.


    Die schwarzen Augen fixierten den Drak'khir, vollkommen blicklos. "Es gab da vor zwei Abenden einen Vorfall." Ohne hinzusehen griffen ungesund aussehende Hände in die Innentasche des Überwurfs, holten ein Büchlein hervor und blätterten darin herum. "Ihr sollt darin verwickelt gewesen sein."
    Khoor spürte, wie leises Grollen in ihm anschwoll. "Und Ihr seid ?"
    "Ich bin Oberbefehlshaber der hiesigen Stadtwache. Ihr sollt eine Person getötet haben und eine weitere schwer verletzt." Die schwerfällige Kutsche war mittlerweile herangekommen und Khoor schickte sich gerade an, ihr den Weg frei zu machen, damit sie ihren Weg an ihm vorbei fortsetzen konnte. Doch der Kutscher hielt die Mähre an und hastig wurde die Tür des Gefährts, das mehr einem Fass ähnelte, als einer Kutsche, aufgerissen. Ein junger Mann sprang auf die Strasse. Wild fuchtelnd deutete er auf Khoor. Seine Stimme überschlug sich förmlich als er losschrie. "Das ist er, Kommandant. Dieser dort. Er muss verrückt sein. Er hat den jungen Aslirm ermordet. Und Olvlot ist nur knapp davon gekommen. Ich erkenne ihn genau. Sie müssen ihn festnehmen. Worauf warten Sie noch ???"
    Bereits beim Losschreien hatte Khoor's Brustkorb zu beben begonnen, als das Wort "ermordet" fiel machte er bereits den ersten Schritt auf den Schreihals zu - der Zorn loderte durch seine Adern. Wie konnte dieser Wicht es wagen ......


    "Halt!" der Bleiche stand vor ihm und gebot ihm Einhalt. Und Khoor blieb tatsächlich stehen, er konnte es selbst kaum glauben. Die schwarzen Augen hielten seinen Blick - doch nicht einmal dieser unheimliche Mann schien sich sicher zu sein, wie lange er den Wütendenen würde bezähmen können. "Ihr könnt gehen, junger Graf Benrock. Im Augenblick brauche ich Euch nicht mehr."
    Dem jungen Mann schien das nicht zu passen. Unschlüssig verharrte er noch neben der Kutsche als der Bleicher herumfuhr und ihm mit einen "Verschwindet!" Beine machte. Eilig rannte er davon und nur seine schnellen Schritte waren noch eine Zeitlang zu hören.
    "Wollt Ihr es Leugnen ?" die schwarzen Augen waren schon wieder bei Khoor.
    "LEUGNEN ???" schnaubte dieser empört auf. "Das ist eine ehrlose, schmutzige Lüge! Diese Männer haben ....." angesichts dieser Unverschämtheit gerieten sämtliche Kontrollen in Khoor ins Wanken.
    "Also nicht! Ihr werdet mich zur Wache begleiten."
    Drohend ging Khoor auf den Sprecher los, alle Sicherungen in ihm waren gerissen, er schäumte vor Wut und stieß den Sprecher mit der Hand grob zurück. Für eine Sekunde sah er Unglauben in dem bleichen Gesicht aufflackern, Angst. "Nirgendwohin gehe ich ......." zürnte er.


    Es war nur eine Handbewegung des Fremden im Zurücktaumeln. Etwas Schweres Massiges flog auf den Drak'khir zu. Im Fallen registrierte er die schnellen hastigen Schritte aus der rechten Straße noch bevor sein Verstand ihm sagte, dass es ein Netz aus schweren Stricken war, das da von irgendwo über ihm auf ihn hinunter geworfen worden war. Er tobte wie wild, weil er seinen Zorn nicht mehr beherrschen konnte und obwohl er wusste, dass er sich immer mehr in diese heimtückischen Maschen verstricken würde. Der bleiche Mann starrte immer noch mit einem seltsamen Gesichtsausdruck zu ihm hin aber Khoor bemerkte es längst nicht mehr. Wie ein Wahnsinniger brüllte, tobte und trat er um sich und riß er an fesselnden Stricken herum, vollkommen seiner Natur erlegen und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Weitere Männer liessen sich an Stricken von den nebenstehenden Häusern herab und sahen fragend zu ihrem Kommandanten. Mit spitzen Eckzähnen zerriss der Drak'kir einen der Stricke und der Bleiche schüttelte unmerklich den Kopf. "Erledigen!", befahl er nur, steckte das Buch wieder ein und verließ den Schauplatz in die Richtung aus der er gekommen war.
    Khoor hatte kein Gefühl mehr dafür, wie viele Schläge und Prügel er in dieser Nacht an diesem Ort tatsächlich einstecken musste bis endlich einer der Knüppel trotz seines Wütens zum entscheidenden Mal die richtige Stelle erwischte und sein Körper wie leblos zu Boden sank.

    Khoor kam gar nicht dazu, seinen Hengst zum Antreten aufzufordern, so schnell hatte die Fremde ihr Pferd an seine Seite gebracht. Regungslos wie eine Statue verharrten er und sein Pferd während er auf die junge Frau hinunter starrte, ihre Worte anhörte und sich bemühte, in passenden Abständen zu blinzeln. Diese Oberflächler taten es ständig und es war einigermassen mühselig, es ihnen gleichtun zu müssen, um sie nicht zu verwirren. Darüber hinaus verriet nicht die geringste Bewegung etwas von den Gedanken, die in seinem Kopf kreisten.


    Sie sagte, sie kannte viele Leute, die bereits in der Stadt gewesen seien und das erregte Khoor's Interesse. Die Goldgräber schien sie allesamt für eine geldgierige Bande zu halten, so wie sie kurz zuvor noch von ihnen gesprochen hatte.


    Khoor wurde nicht recht schlau aus ihr. Sie raste den Weg entlang als wäre eine Bestie hinter ihr her, ritt ihn beinahe nieder - und jetzt hatte sie es plötzlich überhaupt gar nicht mehr eilig. Warum bot sie sich einem völlig Fremden als Führer an ? Was kümmerte es sie, ob er sein Geld an einen anderen Führer verschwendete ? Oder ob dieser ihn betrog ? Stattdessen bot sie sich selbst als Führerin an, obwohl er ihr gerade gestanden hatte, dass es ihn sehr wohl in die Stadt hineinzog - in der sie selbst allerdings noch niemals gewesen war angeblich. Tiefes Misstrauen stieg in dem Drak'khir empor. Was wollte diese junge Frau von ihm ? Sie wirkte so ungefährlich und unschuldig wie ein bunter Schmetterling auf einer Blumenwiese ..... aber vielleicht war genau das der Trick ? Ihn von den Goldgräberlagern weglocken hin zu einem Platz, wo ihre Kumpanen lauerten, um erfolgreiche Goldgräber oder sonstige Reisende um ihr Hab und Gut zu erleichtern. Vielleicht Schlimmeres........ und diese ganze Sache mit dem Überreiten war nur ein Trick gewesen, um irgendwie mit ihm ins Gespräch zu kommen.


    Khoor überlegte, was zu tun war. Immerhin - die Tafel hatte sie entziffert. Dieser Teil schien zu stimmen - auch wenn er ihn nicht überprüfen konnte. Fähigkeiten ........ ? Herablassend glitten seine Augen von Kopf bis Fuß über ihre Gestalt. Ob die in einem Kampf etwas taugten ? Das bezweifelte er. Höchstens, wenn sie eines dieser mysteriösen Geschöpfe war, die sich der Geisterwelt widmeten. Dann vielleicht ........ oder als kleiner Lockvogel eben.
    Und im Augenblich war die Frage drängender, wie er sich vor einem möglichen Hinterhalt schützen konnte.


    "Dann kennt Ihr in der Nähe einen Ort mit Wasser, der sich als Nachtlager eignet ?", fragte er ohne jeden weiteren Kommentar zur ihrer Rede. "Führt mich hin. Unterwegs will ich Eure Vorstellungen hinsichtlich Eures Führerlohns hören. Und von den zahllosen Leuten, die Ihr kennt, die schon in der Stadt gewesen sein sollen."
    Er hatte sich entschieden. Wenn hier tatsächlich ein Hinterhalt lauerte, war es besser, sie im Auge - und vor allem in Schlagdistanz zu behalten - und genauestens zu beobachten. Sicherer jedenfalls als sie fort zu schicken und überhaupt keinen Anhaltspunkt - und keine Geisel - dafür zu haben, wann ein Angriff erfolgen könnte.
    Auffordernd nickte er der schwarzhaarigen jungen Dame zu damit sie die Führung übernähme.

    Wirklich befriedigend war ihre Antwort zu diesem absonderlichen Nachhall nicht gerade. Egal wie tief Khoor auch in seinem Wissen schürfte - so es zugegebenermassen im Hinblick auf Geister auch alles andere als ergiebig war - er konnte sich an keinerlei Zusammenhang zwischen Geistern und irgendwelchen Gerüchen erinnern. Und dann noch fruchtig..... Bei Geistern kamen ihm entschieden eher Dinge wie Tod und Verwesung in den Sinn. Höchst merkwürdig, das Ganze.
    Kurz dachte er an seine Verwirrung darüber, dass sein Zorn sich merklich gelegt hatte - andererseits gewöhnte er sich möglicherweise inzwischen schneller an die schlechten Manieren der Oberflächler. Und dieses Mädchen war noch jung, das konnte ebenfalls dazu beigetragen haben. Dennoch schüttelte der Drak'khir in leichter Mißbilligung den Kopf. "Wie könnt Ihr einfach davon ausgehen, wenn Ihr des Nachts noch niemals in der Stadt gewesen seid ?"


    Die Geschichte, die sie ihm erzählte, stimmte allerdings mit den anderen Geschichten überein, die er gehört hatte bislang. Dennoch hörte er sich noch ein weiteres Mal die Geschichte des törichten Frauenzimmers an, die alle ums Leben gebracht hatte mit ihrer Disziplinlosigkeit. "Diese Geschichte hat man mir auch erzählt." bestätigte Khoor als sie geendet hatte. "Man sagte mir auch, dass es hier Goldgräber und Abenteurer geben solle, die die Stadt trotz aller Gefahren in und auswendig kennen sollen. Und dass sie sich als Führer anwerben lassen, wenn man ihnen genug bezahlt. Tagsüber soll es ungefährlicher sein, die Stadt zu erkunden. Ratsam sei es, die Stellen, die man des Nachts aufzusuchen gedenke, zuerst am Tage auf versteckte Fallen und dergleichen zu untersuchen." Khoor musterte die junge Frau, wie sie ihn ansah - herausfordernd einen Arm in ihre Seite gestützt. "Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass man mich mit diesen Vorsichtsmaßnahmen schlecht beraten hätte und habe vor, ihnen Folge zu leisten. Sofern ich ein solches Lager von Goldgräbern ausfindig machen kann, natürlich nur." erklärte Khoor sich - mittlerweile tatsächlich einigermassen ruhig geworden. "Und diese Steintafel dort - sie warnt erneut vor der Stadt. Ich weiß nicht, was Euch in sie hinein zieht und warum Ihr es eilig habt - aber mein Weg muss in jeden Fall auch wieder aus ihr hinaus führen. Deshalb mag Euer Rat für Euch richtig sein, farsicié. Aber ich bin bereits an meinem anvisierten Ziel für heute angekommen."


    Als er zuende gesprochen hatte, nickte er der jungen Frau zu und begab sich zu seinem Hengst, um die Riemen des Zaumzeugs wieder zu schließen und den Sattelgurt fest zu zurren. Abermals musterte er das Blättermeer um sich herum - es war nicht mehr zu leugnen, die Nacht war bereits im Begriff herein zu brechen. Es wurde Zeit, einen geeigneten Platz für ein Nachtlager zu suchen. Eleganter als man hätte erwarten können, angesichts seiner Statur, schwang er sich auf das mächtige Pferd hinauf.

    Erneut hatte Khoor die Rückansicht der jungen Frau vor sich. Er würde sich hier an sehr viele ihm unverständliche Umstände zu gewöhnen haben, das hatte er längst festgestellt. Dass die Einlösung eines Schuldversprechens nicht die allererste heilige Pflicht des Versprechenden war, war etwas, woran er sich ganz besonders stieß. Was war das für eine Welt, in der ein Versprechen schon wertlos war sobald es die Lippen des Sprechenden verlassen hatte ? Lästig wie ein Staubkorn auf dem blankgeputzten Waffenrock, dass man mit einer lässigen Handbewegung fort wischte .... vergessen sobald es zu Boden gefallen war. Es schien der Kleinen noch nicht einmal unangenehm zu sein, dass er sie an ihr Versprechen hatte erinnern müssen und an das, was ihre Pflicht war. Nun - zumindest bemühte sie sich nun. Und in Khoor wuchs die Erkenntnis, dass dieser Vorfall ihn wesentlich weniger erzürnte als es eigentlich hätte der Fall sein müssen.
    Das war der Moment als er sich der Veränderung bewußt wurde.


    Seine Frage beantwortete sie mit dem Rücken zu ihm, was Khoor unverzüglich erneut die Augen verengen ließ. Warum sah sie ihn nicht an bei ihrer Antwort ? Wie es sich gehörte ?
    Das Mädchen rappelte sich auf und trat wieder zu ihm herüber. Sie gestand, es auch wahrzunehmen und erklärte, es sei ein Nachhall der Ereignisse in der Vergangenheit der versunkenen Stadt, die des Nachts zu spüren sei. Khoor runzelte die Stirn und sah sich um. Des Nachts ? Es war gerade einmal der Abend herauf gezogen. "Wird es stärker im Laufe der Nacht ?", fragte er misstrauisch nach. Er würde achtgeben müssen, den Mund nicht zu öffnen, wenn der Geruch noch intensiver werden sollte. Jetzt endlich lieferte sie ihm auch die Übersetzung der Schriftzeichen. Khoor nickte langsam.


    Eine Warnung.
    Das klang plausibel - gewarnt worden war er ebenfalls bereits. Vor dieser Stadt, vor skrupellosen Goldsuchern, vor wilden Tieren - und vor Geistern. Wobei Khoor letzterem eher skeptisch gegenüber stand. Auch in seiner Welt gedachte man seiner Vorfahren und es gab einige Drak'khir, die behaupteten, mit den Seelen der Verstorben in Kontakt treten zu können oder sogar welche gesehen zu haben. Aber so wirklich glauben .......
    Es spielte keine Rolle. Wenn es keine Geister gab, war er umsonst hier - aber sein Weg hätte ihn ohnehin hier entlang geführt. Aber wenn doch ........... waren sie alt. Und vielleicht kannten sie die Zeichen auf dem Amulett. Es war eine ungewisse Möglichkeit, aber besser als nichts.
    "Ich verstehe..." sagte er langsam. Sein Kopf folgte ruckartig der Hand der jungen Frau und sein Blick folgte dem Weg. "Man sagte mir, in der Stadt gäbe es allerlei Gefahren. Und man müsse sich vorsehen. Man warnte mich auch vor den Geistern der Toten, die von ihrer eigenen Herrscherin ins Unglück gestürzt wurden und den Lebenden nicht freundlich gesinnt seien."
    Von Machtbesessenheit und Habgier, dachte er voller Verachtung - fügte es aber nicht hinzu. DAS war es, wonach in dieser Welt hier gestrebt wurde, obwohl sie die Folgen jeden neuen Tag über sich - wo eigentlich der Himmel sein sollte - noch sehen konnte.


    Er sah die junge Frau erneut an. "Wisst Ihr genaueres darüber ? Oder ward Ihr schon einmal in den Ruinen selbst ? Mir wurde geraten, sie zunächst lieber am Tage aufzusuchen."

    Sprache - eine kleine Auswahl

    Mêlêk
    ist als Ehrentitel allein dem obersten Herrscher einer festen Drak'khir-Gemeinschaft und seinem Thronerben vorbehalten, welcher in der Regel der Statthalter einer Ansiedlung sein wird
    ----> ursprünglich: König,
    da es jedoch schon sehr sehr lange keinen König mehr gibt bei den Drak'khir, ist es wohl eher mit Herrscher oder Gebieter zu übersetzen


    Hayr
    ----> Gelobt sei ... / Wohl der/dem ...
    drückt die allerhöchste Ehrerbietung und den allerhöchsten Respekt eines Drak'khir aus und findet im Grunde überhaupt nur noch in der feststehenden Redewendung
    Hayr Mêlêk wa Hayr Stadtname Anwendung.
    Es ist vom Protokoll vorgeschriebene Eröffnung eines jeden, dem eine Audienz beim Statthalter gewährt wird und allgemeiner Gruß aller treu zum Statthalter stehenden Drak'khir. Den Gruß nicht unverzüglich zu erwiedern gilt als Hochverrat.


    wa
    ----> und


    al
    ----> in


    oya
    ----> Euer (Anrede)


    mro
    ----> mir


    ost
    ----> ist


    aslar
    ----> keine


    Hâmyd, Hâmydie
    ----> Freund, Freundin
    man muss dabei beachten, dass sich in der Drak'khir Gesellschaft sehr viel über Stand und Ehre regelt. Freundschaft, wie es sie im Sprachgebrauch der Oberfläche gibt, ist in dieser dort sehr weitreichenden Bedeutung unbekannt. Wenn ein/e Drak'khir anderen Hâmyd nennt, geht er ohne zu Zögern für ihn in den Tod.
    Dementsprechend hört man dieses Wort sehr selten.


    Azar
    ----> Feuer


    âgha
    ----> Herr ... Mann --> adarh


    Farsi
    ----> Dame ... Frau --> schkàyt ... Weib --> mâdyn


    Brad
    ----> Bruder ... (Brüder --> bradtar)


    Bazárc
    ----> Pferd


    Kschty jngy
    ----> Krieger


    Pikâr
    ----> Kampf ... (kämpfen --> pikghlâre .... kämpftet --> pikghlus)


    ciê
    ----> jung
    wird als Endung an das Wort angehängt, auf das es sich bezieht
    junge --> -cié / junger --> -ciés / junges --> ciê
    (Farsicié --> junge Dame / Âghaciés --> junger Herr / Bazárcciê --> junges Pferd)


    Dardâsch!
    ----> Komm her ! / Hierher !
    Befehlsform aus dâschhire --> kommen und dar --> persönliche Ansprache


    Bhânja!
    ----> Dort hin ! Da hin ! (Befehl)


    Ghuyb schôt!
    ----> Verschwindet !
    Befehlsform aus ghuyb schenere --> verschwinden


    mrdwahad
    ----> Tod


    corênne
    ----> Rückkehr, Heimkehr


    achtchâr
    ----> Ehre ... (mhtrm w'achtchâr --> ehrenhaft)


    châdyk
    ----> Freude


    dygr
    ----> sonst


    mrdnere
    ----> sterben


    schân
    ----> ihr
    Anrede an Personen wäre wiederum Ihr --> mâl enhâ


    klyh
    ---> alle


    So - langsam ist es an der Zeit, dass die Zettelwirtschaft ein Ende findet, Khoor's Welt einen geordneten Rahmen bekommt und ich wieder bissel Platz auf dem Schreibtisch ;) .


    Wer zukünftig mal einen Drak'khir spielen mag oder einem begegnet :hmmm: und sich mit dem Fundus dieses Threads anfreunden kann, ist herzlichst eingeladen, sich hier zu bedienen und hier mitzufriemeln - oder sich einfach gar nicht drum zu kümmern.


    Denn bekanntlich leben die verstreut liegenden Drak'khir Enklaven ja nicht nur von der Oberfläche eher abgeschottet sondern dementsprechend auch untereinander und daher können sich andernorts bei anderen Drak'khir Ansiedlungen selbstverständlich auch völlig andere Entwicklungen hinsichtlich der hier festgehaltenen Dinge ergeben haben.

    Sie blickte nach der Steintafel.
    Einer ihre Sätze hatte den Drak'khir für einen Augenblick unmerklich innehalten lassen. 'Sie reiste allein ?' Beinah wäre ihm die Frage herausgerutscht, ob Ihre Familie sich nicht schämen würde, sie so allein umherlaufen zu lassen als wenn sie kein Zuhause hätte. Aber er hatte sich soeben noch bremsen können. Dies war nicht seine Heimat. Und Zustände, die in seiner Heimat undenkbar waren - hier waren so einige von ihnen Realität, wie er in der kurzen Zeit seiner Reise bereits hatte feststellen müssen. Gerechter Zorn konnte hier durchaus die Qualität einer Beleidigung haben. Und er verschwendete Zeit, wenn er unbedacht und ohne echten Anlass Oberflächler beleidigte und sie damit gegen sich aufbrachte. Kurz flackerte sein Blick abermals zu ihr hinüber. Keine Schuhe, stellte er fest. Und die Kleidung war ebenfalls reichlich dünn. War sie etwa eines dieser armen bedauernswerten Geschöpfe, die keine Familie hatten und in Gosse und Rinnstein ihr jämmerliches Leben zusammen bettelten ? Der Anblick hatte den Drak'khir dermassen erschüttert, dass er für einen Moment ernsthaft in Versuchung geraten war, diese traurigen Geschöpfe mit seinem Schwert von ihrem Schicksal zu erlösen. Kein Leben war gnädiger als dieses Leben. Er hatte es nicht getan - aber immer noch kroch eine eiskalte Gänsehaut der Abscheu seinen Rücken empor, wenn er sich daran erinnerte. Wie nur konnte man Kinder seiner eigenen Rasse so leiden und verkommen lassen ? Sein Blick fiel auf die Schimmelstute. Nein. Kein Pferd für einen Krieger - aber nach Oberflächenmaßstäben wohl doch zu wertvoll, um das Mädchen hier als eines dieser Waisenkinder einzustufen.
    Und welche Rolle spielte es überhaupt, ob sie allein unterwegs war oder nicht ?, fragte er sich gereizt. Solange sie es in absehbarer Zeit wieder sein würde.


    Khoor wartete bis die schlanke junge Frau zu der Tafel hinüber ging und sich davor hockte, um sie genauer zu betrachten. Erst dann löste er die Verschnürung eines kleinen Lederfachs an seiner Satteltasche und griff hinein. Keine Sekunde musterte er den Gegenstand, um sich sicher zu sein, dass er zumindest mit dieser Steintafel und den darauf vorhandenen Zeichen nichts zu tun hatte und schob ihn wieder in die Lederfalte zurück. Sorgfältig begann er, die Verschlußriemchen wieder zu verknoten. Die Stimme der jungen Frau erreichte erneut seine Ohren und ihre Worte liessen ihn die restlichen Knoten zornig fest zurren. Nicht auf die junge Frau war er wütend - aber es kam dem Drak'khir vor wie ein höhnischer Gruß aus der Vergangenheit, dass ihm praktisch aus dem Nichts jemand fast über den Haufen ritt, der diese ihm unbekannten Zeichen lesen konnte - und ihn das schlicht keinen Milimeter weiter brachte, weil es die falschen Zeichen waren.


    Erbost fuhr er zu ihr herum.
    "Was steht darauf ?", fragte er mit strenger Stimme. Und erstarrte. Etwas war ..... merkwürdig. Irgendetwas breitete sich auf diesem Weg aus und .....
    Khoor runzelte die Stirn. Es roch... Ganz langsam öffnete der Drak'khir den Mund und ließ den eigenartigen Hauch, mit dem die Luft mit einem Male erfüllt zu sein schien, die empfindliche Zunge entlang ziehen. Es roch nach etwas, was er nicht zuordnen konnte. Und nach ... Obst ? Khoor's Augen huschten die Büsche am Weg enlang. Waren er und die Kleine hier etwa nicht länger nur zu zweit. Der Hengst stand immer noch wie eine Statue und zeigte keinerlei Anzeichen einer Annäherung. Aber woher kam dieser Geruch ? Merkwürdigerweise fühlte er keine Unruhe in sich. Und auch seine Wut war ...... gedämpfter.


    Ruckartig wandte er den Kopf wieder der Frau zu und rang mit sich, ob er ihr von diesen seltsamen Vorgängen etwas mitteilen sollte oder nicht. Sie kannte die Schriftzeichen. Vielleicht hatte sie auch dazu eine Idee. Vielleicht eine seltene Pflanze. Oder ein Tier.
    "Spürt Ihr das auch ?" bezwang er sich schließlich.
    Ihre sonstigen Worte ignorierte er zunächst vollständig.

    "Auch ohne Eile will ich Euch nicht unnötig aufhalten.", gab Khoor mit leicht verengten Augen zurück. Auch wenn er sich keinerlei Überraschung anmerken ließ - was wollte dieses halbe Kind nachts allein in einer angeblich verlassenen Stadt ? Vielleicht wurde sie erwartet ...... von ....... ihren Eltern ....... oder so. "Ihr werdet sicherlich schon erwartet." Aus angestrengter Höflichkeit verkniff er sich das Wort "ungeduldig" in seinem Satz. Die junge zarte Frau, ebenso wie ihr Pferd, richteten ihre Aufmerksamkeit jedoch gerade auf seinen Hengst.


    Khoor's Gereiztheit - noch kaum besänftigt - loderte wieder empor. Der Hengst war stehen geblieben, als habe er den tödlichen Blick gespürt. Aber das kleine weiße Pferd hatte den Artgenossen natürlich auch längst bemerkt und ging mit schnaubender Begrüßung ein paar Schritte auf das schwere Streitroß zu. Der Drak'khir registrierte, dass es eine Stute war und sein Zorn stieg ins Unermessliche. Oberflächenpack! Weder Personen noch Tiere hier hatten auch nur halbwegs akzeptable Umgangsformen. Khoor's Fäuste ballten sich, dass das Knacken der Fingerknöchel zu hören war als der schwarzbraune Hengst den Hals fallen ließ, um in typischer Perdemanier mit seitlich nebeneinander befindlichen Nasen Kontakt zu der Schimmelstute aufzunehmen.
    "Dardâsch!" grollte es laut aus der Tiefe von Khoor's Brustkorb hervor.
    Er hätte in diesem Augenblick nicht sagen können, was ihn wütender machte: Der Hengst mit seiner unangemessenen Vertraulichkeit oder die junge Frau, die einen erwachsenen Krieger einfach mitten im Gespräch links liegen ließ, um zwei Pferde anzulächeln.


    Ohne das geringste Zögern trat der Hengst an, kam zu ihm herüber und blieb vor ihm stehen. Aufmerksam betrachtete er seinen Herrn und die Versicherung kompromißlosen Gehorsams, den Khoor in seinen Augen sehen konnte, schaffte es tatsächlich, den tobenden Zorn in seinem Inneren nieder zu ringen. Steif öffnete der Drak'khir die Fäuste und bewegte die verkrampften Finger. Noch einmal holte er tief Luft bevor er sich der Schwarzhaarigen erneut zuwandte, deren Worte ihm nicht entgangen waren.


    Mit starren Blick fixierte er die kleine zerbrechliche ............... sogar in Gedanken fiel es ihm schwer, sein Gegenüber bereits als Frau zu bezeichnen. Viel zarter und mädchenhafter konnte eine Oberflächlerin eigentlich gar nicht aussehen. Dazu diese riesigen Augen, mit denen sie ihn ansah. Allerdings - neben ihrer vollkommen inakzeptablen Unhöflichkeit - ängstlich wirkte sie nicht. Sie kam sogar einen Schritt näher. Bei dem Wort "Hilfe" hielt Khoor mühsam ein empörtes Schnauben zurück - als dann jedoch unmittelbar darauf das Wort "Entschädigung" fiel, pressten sich seine Lippen aufeinander. Kein Blinzeln unterbrach seinen Blickkontakt in ihre Augen. Dennoch - das war um einiges zu geringfügig, um auch nur den kühnen Gedanken an einen Hauch von Ehre in einem Oberflächler zuzulassen.


    "Dort am Rand des Wegs steht eine verwitterte Steintafel mit alten Schriftzeichen darauf. Sagt mir, was sie bedeuten und ich sehe Eure Schuld als getilgt an." sprach er dennoch zu ihr. Er, Khoínoor Charad dek l'Bryre, würde sich nicht nachsagen lassen, er habe unehrenhaft das Angebot der Schuldtilgung ausgeschlagen. Er bemerkte den Blick der jungen Frau zu den Pferden. Die Schimmelstute war ebenfalls wieder zu der Gruppe getreten. "Seid unbesorgt." brummte Khoor etwas ungehalten darüber, dass so etwas überhaupt erwähnt werden musste. Oberfläche !
    "Eurem Pferd wird nichts geschehen."

    "Zehn ???? TAGE ???????????" Mit einer Mischung aus tiefstem wütenden Grollen und einem kaum merklichen Hauch von Verzweiflung waren die Worte der hünenhaften Gestalt entfahren, die sich dabei mit einer raschen Bewegung, die man dem Riesen im ersten Moment schwerlich zugetraut hätte, zu dem Zwerg umgedreht hatte. "Das! ist! zu! lange!" Voller Zorn hämmerte er seine Faust auf eine alte hohe Truhe, vor der er gestanden und einige Arbeiten des Schmieds betrachtet hatte, die dort an der Wand darüber aufgehangen waren. Das konnte er hier gefahrlos tun, denn die Truhe war mit geschmiedeten Beschlägen eingefasst und der Schmiedemeister, der die Hände über seinem beachtlichen Bauch gefaltet hatte und den Wüterich mit leisem Schmunzeln betrachtete, verstand sein Handwerk.


    "Seht, mein zorniger Kunde...." sagte der zwergische Schmiedemeister und sein Schmunzeln vertiefte sich etwas. " ... Euer Schwert ist entzwei gebrochen. Es ist eine hervorragende Arbeit eines meiner verehrten Brüder - aber es bedarf sorgfältiger Arbeit, um es wieder in seinen hervorragenden Zustand zurück zu versetzen. Es ist möglich - aber es braucht diese Zeit. Wenn die Bruchstelle nicht mehrfach geschmiedet wird und zwischendrin immer wieder ausreichend Zeit zum Aushärten bekommt ......" der mächtige lange Bart des Zwergs wippte bedauernd im Kopfschütteln seines Trägers hin und her. Dabei war Meister Xoron seinem ungeduldigen Kunden durchaus zugetan.


    Er konnte sich für die Augen der Welt verhüllen, wie er wollte. Einen Zwerg konnte er damit nicht täuschen. Nicht nur der ungewöhnlichen Größe oder der massigen Gestalt wegen. Schon dieses steife arrogante Gehabe mit dem er sich ziemlich vergeblich um eine gängige, ihm fremde, Höflichkeit bemühte und dieses ständig im Hintergrund schwelende Temperament, dass er nur so mühsam - oder auch nicht - beherrschte, waren für Meister Xoron Beweis genug gewesen. Obwohl er selbst noch nie zuvor einen gesehen hatte. Die Oberfläche mochte dieses Volk fast vergessen haben - wahrschenlich war es auch besser so - aber in den Legenden und Geschichten aller Zwerge existierten sie immer noch. Unrühmlich war ihr Part in dem entsetzlichen Krieg gewesen. Und nur das Volk der Zwerge hatte danach langsam festgestellt, dass man mit diesen eigenartigen Geschöpfen .... Schöpfungen ..... durchaus auskommen konnte, wenn man ein paar Dinge beachtete. Elegant das tiefe Misstrauen ignorierte, dass sie allen anderen Völkern gegenüber an den Tag legten, sich nicht an der Verachtung stieß, mit der sie die Welt der Oberfläche betrachteten und ihr unendlich überzogenes Selbstbild und Ehrgefühl, an dem sie beinah zu ersticken drohten, nicht beleidigte, mit dem sie permanent bemüht waren, diese brodelnde ohnmächtige Aggressivität, die in ihnen steckte, zu kontrollieren.
    Nun ja ... wenn man bedachte, dass sie von Drachen abstammten........
    Vielleicht war es besser für alle, dass sie die Abgeschiedenheit gewählt hatten. Die meisten Personen mochten Reptilien nicht, wegen ihrer starren Unbeweglichkeit und dieser irritierenden Geschwindigkeit, mit der eine Schlange oder eine Eidechse dann doch wie aus dem Nichts heraus agierte. Und das als zwei Meter hohe Erscheinung mit mindestens 200 Pfund Gewicht ?
    Aber Meister Xoron wusste augenblicklich, dass er einen Drak'khir vor sich hatte. Und betrachtete ihn mit nicht geringer Neugier.


    Allerdings war es nun wohl an der Zeit, zu zeigen, dass er sich in sein Metier und die Ehre seiner eigenen Kunst auch von einem brodelnden zornigen Drak'khir nicht würde hineinreden lassen.
    " .... dann wird dieses Schwert nie mehr zu altem Glanz und alter Zuverlässigkeit zurück finden. Es ist Euch überlassen. Ich könnte Euch zweifelsohne ein vergleichbares Schwert neu schmieden - aber auch das nähme zehn Tage in Anspruch. Und Ihr seid nun einmal nicht mein einzigster Kunde. Aber wenn Ihr Pfusch wollt, dann seid Ihr in meiner Schmiede verkehrt !" Meister Xoron's Stimme zeigte unmissverständlich an, dass dieser Rauswurf ernst gemeint war. Für einen Augenblick befürchtete er fast, doch einen Schritt zu weit gegangen zu sein. Ohne jedes Blinzeln wurde er von goldbraunen Augen mit geschlitzen Pupillen fixiert, das Beben der breiten tiefen Brust seines Gegenübers war sogar durch den Umhang hindurch deutlich zu sehen. Die Hand auf der Truhe zitterte.


    Es dauerte mehrere Sekunden - einer Unendlichkeit gleich, wenn man ungewiß auf den Vulkan starrt und nicht zu sagen vermag, ob er ausbrechen wird oder nicht - bis die Gestalt des Hünen sich straffte. "Zehn Tage.", sagte er mit mühsam unterdrückter Wut. "Was bekommt Ihr für Eure Arbeit, Schmiedemeister, wenn ich zusätzlich ein Messer erwerben möchte ?"
    Meister Xoron's freundliches Lächeln kehrte in sein bärtiges Gescht zurück, denn er war klug genug, die gezollte Hochachtung, die seiner Arbeit da gerade in mehr als unscheinbaren Worten dar gebracht worden war, zu erkennen. Die Daumen seiner immer noch gefalteten Hände begannen, um einander zu kreisen, während er überlegend die Lippen schürzte. "Zwölf Goldstücke. Messer führe ich nicht - aber einen Dolch sollt Ihr bekommen, der Euch Euer Messer nicht wird missen lassen. Und 18 Goldstücke bekomme ich als Vorleistung für meine Schmiedearbeiten. In acht Tagen könnt Ihr es abholen."


    Wohlwollend sah Meister Xorron zu, wie der Riese ohne Widerrede und auch ohne jedes Anzeichen dafür, dass er die verkürzte Verarbeitungsdauer überhaupt registriert hätte, eine überaus prallgefüllte Geldkatze vom Gürtel unter dem Umhang hervorholte, zu ihm an die Ladentheke heran trat und ihm dreißig Goldstücke auf den Tresen abzählte. "Wählt einen geeigneten für mich aus!" herrschte er ihn in Befehlston an. Meister Xoron bekam langsam ehrlichen Spaß an diesem ungewöhnlichen Kunden. Er nickte beflissen, ging hinüber zu einer weiteren Waffentruhe und wählte eine gänzlich unverzierte aber hervorragende Waffe aus. Kurz prüfte er sie, ging dann zu seinem Schleifstein hinüber und beseitigte noch ein paar kaum merkbare Lagerspuren an der Klinge. Dem Drak'khir kehrte er getrost den Rücken. Einen vertrauenswürdigeren Kunden könnte er kaum haben, da war er sich sicher.


    Noch einmal betrachtete er seinen Kunden von oben bis unten als er ihm den Dolch reichte. Wirklich ungewöhnlich. "Ihr könnt Euer Sattelzeug hier in der Schmiede lassen solange Ihr in der Stadt verweilen müsst.", bot er ihm an. "Wendet Euch von meiner Schmiede nach rechts, geht bis zur nächsten Strassenkreuzzung und biegt dann nach links ab. Nach etwa ..." er musterte Khoor noch einmal eindringlich " 300 Schritten, würde ich sagen, kommt Ihr an ein kleines aber sauberes Gästehaus."
    Abermals fixierten ihn diese starren Augen von oben und die Sekunden quälten sich dahin. "Ich nehme Euer Angebot an Schmied." kam es irgendwann aus der Kapuze heraus, nachdem der Hüne den Dolch eingesteckt hatte, ohne ihn auch nur im Mindesten zu prüfen. Sie schienen einen großen Schritt voran gekommen zu sein.
    Unbeeindruckt und geschäftig ging Meister Xoron zu einer Ecke gegenüber der Esse und räumte einige Decken und Beschläge zur Seite. "Stellt es nur hierher.", winkte er dem Fremden und als dieser ihm Folge geleistet hatte und der schwere Sattel nebst Zaum in der Ecke verstaut war, sprach der Zwerg den Hünen abermals an. "Werter Freund - in dieser Stadt herrschen Umstände, die Euch sehr befremdlich vorkommen werden. Lehnt Pfeifen ab. Und nehmt nur Essen und Getränke entgegen, deren Fertigung Ihr mitansehen konntet oder die solcher Konsistenz sind, dass nichts hineingeschmuggelt werden kann. Und den reichlichen Inhalt Eurer Geldkatze solltet Ihr neugierigen Augen ebenfalls vorenthalten. Es ist die Oberfläche. Und ich bin am meinem Werklohn interessiert.", lächelte er verschmitzt.


    Khoor starrte den Zwerg erneut regungslos an. Ein Zwerg. Ein ......... Bekannter. Inmitten lauter fremdartigen Personen, die ihn häufig verwirrten und denen er tiefes Mißtrauen entgegen brachte - eine Person, der er von vornherein so etwas ähnliches, wie Vertrauen entgegen brachte. Schließich zog er abermals die Geldkatze hervor, griff ohne Ansehen hinein und stopfte den Handinhalt in eine Tasche seines Umhangs. Den Beutel ließ er auf seinen Sattel fallen.
    "Khoínoor Charad dek l'Bryre." sagte er mit leichter Verneigung. "Euren Name und Eure Schmiede werde ich in Ehren halten, Meister Xoron!" Damit verließ er die Schmiede ohne sich noch ein mal um zu sehen.


    Meister Xoron's Blick wanderte zu den beiden Bruchstücken des Schwertes hinüber. Was mochte sein ungewöhnlicher Kunde nur damit angestellt haben ?

    Auch nach zwei ... drei ... Schritten rückwärts hatten sich Khoor's Augen und auch seine Gedanken immer noch an der uralten Steinplatte und ihren unbekannten Schriftzeichen fest gesaugt. Ein leises, ganz leises rhythmisches Klopfen in seinem Verstand störte seine Überlegungen und ärgerlich fuhr er mit der Hand durch die Luft, um es zu vertreiben. Nur aus den Augenwinkel sah er den weißen Umriß fast unmittelbar neben sich. Du wirst leichtsinnig! fuhr er sich wutentbrannt an und fuhr zu dem Umriß herum, das Schwert aus der Scheide am Rücken gerissen in der Hand.


    Mit weit aufgerissenen Augen scheute dicht vor ihm ein weißes Pferd so heftig, dass es sich beinah dabei auf sein Hinterteil setzte. So dicht, dass das aufgeregte Schnauben Falten auf seinem Umhang warf. Reflexartig griff Khoor mit der freien Hand in die Zügel und starrte wütend am Pferdehals vorbei auf den Reiter. Eine Reiterin, die soeben versuchte, ihrer Wohnungsnot wieder Herr zu werden und sich wieder im Sattel einzufinden. Ein sehr junges, etwas blasses Gesicht blickte ihn an, umrahmt von tiefschwarzem Haar, dem man es ansah, dass es heute wohl schon länger in hohem Tempo vom Gegenwind umspielt worden war. Khoors Blick wanderten zurück zum Pferd. Groß war es auch nicht gerade. Und dazu fast ebenso zierlich, wie seine Reiterin.


    Finster legte sich Khoor's Stirn in Falten - auch wenn es hinter Kapuze und unter dem Tuch, welches seine obere Gesichtshälfte verbarg, nicht zu sehen war. Seine zornig aufeinander gepressten Lippen waren in jedem Fall zu sehen und beinahe hätte er dieses alberne Blinzeln vergessen, welches die Oberflächenbewohner immer so masslos irritierte, wenn er es nicht tat und sie minutenlang ohne fixierte. Gereizt ließ er die Zügel los. Zumindest schien sie diese Unverschämtheit zu bedauern, denn sie entschuldigte sich durchaus höflich bei ihm, wie er zur Kenntnis nahm. Behutsam aber trotzdem geschmeidig stieg die junge Frau von dem Pferd herunter. Am Boden wirkte sie noch kleiner und zerbrechlicher. Ein junges Mädchen mit einem Spielzeugpferd....


    Schnaubend steckte Khoor das Schwert zurück in die Scheide und erwiederte streng den Blick hinunter in diese großen dunkelblauen Augen. "Das ist offensichtlich, dass Ihr nicht auf den Weg geachtet habt, Farsicié.", antwortete er mühsam beherrscht. "Aber es ist niemand zu Schaden gekommen, deshalb wollen wir es vergessen." Kurz huschten seine Augen zum Weg hinter ihr - aber von Verfolgern, die ihre Eile gerechtfertigt hätten, war weder etwas zu sehen noch etwas zu hören. Dennoch musste sie es eilig haben, denn das Fell des Schimmels war so lockig und verschwitzt, wie die Haare der Kleinen vom Wind zerzaust waren.


    Gut so - um so schneller war er sie los und konnte sich wieder dieser Steinplatte widmen. Seine Gereiztheit legte sich ein klein wenig. "Da Ihr offenbar in großer Eile unterwegs seid, will ich Euch nicht unnötig aufhalten." fuhr er also fort. "Aber haltet bei diesem Tempo besser die Augen auf sonst könntet ihr beim nächsten Loch oder Stein im Weg weniger Glück haben." setzte er mürrisch hinzu und trat einen Schritt zur Seite, um der jungen Frau den Weg frei zu geben. Nur ein weiterer unhaltbarer Zustand unter Tausenden auf dieser "Oberfläche", wenn junge Frauen - fast noch Mädchen - ganz allein durch die Wildnis fegten und andere Leute in Grund und Boden ritten, dachte er verächtlich.


    Mit neugierig gespitzten Ohren trat sein mächtiger dunkelbrauner Hengst aus den Büschen am Wegesrand hervor und reckte die Nase mit der breiten Blesse in Richtung des fremden Pferdes. Offenbar war er diesen beiden Neuankommlingen gegenüber freundlicher gestimmt. Khoor bedachte ihn dafür mit einem mörderischen Blick.

    Richtig gut passen würde bei Khoor etwas zwischen 8 und 10 Wochen.
    Wenn Brennan zu der Zeit noch in Shay'vinayar gewesen wäre ...... und dort bekannt ist, dass er öfter zwischen seiner Heimat und Nir'alenar hin und her reist - hätte Khoor schon einen Grund, ihn von sich aus aufzusuchen.