Die Dämmerung hatte soeben damit begonnen, allmählich das tröstliche Tuch der Dunkelheit über der Stadt auszubreiten. Es fiel ihr leicht hier, wo der Großteil der Einwohner sie eifrig darin unterstützte, die Luft und das Licht des Tages immerzu mit Rauchschwaden zu durchsetzen. Die Straßen leerten sich, weil es Mann und Maus in die Tavernen zog. Khoor war es recht. Leere Straßen bedeuteten keinen Ärger, denn die Rauchglocke, die die Stadt fest im Griff hatte, war, wie er bereits am eigenen Leib hatte erfahren dürfen, noch nicht einmal das Ärgste. Auch wenn das kaum vorstellbar war.
Aber der Genuß dieses Tabaks veränderte die Leute. Nicht nur über die Jahre beraubte er sie ihrer gesunden Körper und erschuf groteske Zerrbilder, die mehr am Tod entlang zu taumeln schienen als lebendig zu sein. Auch kurzfristig entriß dieses Kraut ihnen offenbar den Verstand und machte sie zu etwas, das zu normalen Denken nicht mehr fähig war. Ein Paradies für Gauner und Betrüger - und diese Subkultur der Stadt war keine Spur angenehmer sondern wähnte in jedem ein leichtes Opfer. Entsprechend dreist traten sie auf. Khoor schüttelte in der Erinnerung an die drei Kerle, die ihn an seinem zweiten Abend hier um seine Geldkatze, die er gar nicht bei sich führte - noch so ein Rat von Meister Xoron, hatten erleichtern wollen und keine seiner Warnungen ernst genommen hatten.
Er hatte sich anhalten lassen, hatte sich beleidigen und beschimpfen lassen, er hatte zähneknirschend über das Rumgefuchtel mit Messern hinweg gesehen - aber als einer dieser schmächtigen Wichte ihn hatte anfassen wollen, war es um seine Sicherungen geschehen gewesen. Einer war offenbar bei Verstand gewesen, denn er war unverzüglich abgehauen als Khoor den Lebensmüden gepackt und gegen eine Hauswand geworfen hatte, dass das Geräusch brechender Knochen einem die Haare hätte zu Berge stehen lassen können. Der dritte war dämlicher - aber auch mutiger, denn er hatte tatsächlich mit seinem Messer angegriffen, allerdings so eindeutig unerfahren und dilettantisch, dass Khoor lediglich ein wenig zur Seite hatte tänzeln müssen und dem Angreifer zur Abwehr eine mächtige Ohrfeige verpasst hatte. Mächtig für einen Drak'khir. Diesen Hänfling hatte sie wie eine Puppe durch die Gegend geschleudert, wo er am Ende reglos liegen geblieben war. Zu reglos und Khoor hatte feststellen müssen, dass der Dummkopf in sein eigenes Messer gestürzt war. "Hoffentlich ist euch das eine Lehre, zukünftig Augen und Verstand bei der Wahl eurer Opfer offen zu halten." hatte er den anderen wutentbrannt angeherrscht, dessen schmerzerfülltes Stöhnen verriet, dass sein Aufprall sich übler angehört hatte als er tatsächlich gewesen war, und war seiner Wege gegangen.
Immer noch loderte der Zorn in dem Drak'khir auf, wenn er daran zurück dachte - auch jetzt, wo er die Stallungen erreicht hatte, in dem Reisende ihre Pferde gegen Entgelt in Obhut und Pflege geben konnten während sie in der Stadt ihren Geschäften nach gingen. An zahllosen Boxen ging Khoor vorbei bis er die seines Tieres erreicht hatte. Der mächtige Hengst spitzte die Ohren und brummelte ihm entgegen, was Khoor mit einem langen Blick voller Verachtung quittierte, nachdem er die Kapuze zurück geschoben hatte. Anscheinend benebelte der ewige Rauch nicht nur Personen das Hirn sondern machte auch vor Pferden nicht halt - anders konnte er sich diese unangemessene Zuneigungsbekundung in der Öffentlichkeit nicht erklären. 'Noch 4 Tage', sagte er sich stumm, während er den Tiegel mit Salbe aus dem Umhang zog und die Schulter des Dunkelbraunen damit einzureiben begann. 'Nur ....... noch ........ 4 ....... Tage.........' sagte er sich in Gedanken die Worte im Rhythmus des Einreibens immer wieder vor.
Die einfache Technik hatte Erfolg - sein Unmut legte sich nach und nach und nachdem er sich davon überzeugte, dass der Hengst mit frischem Wasser und genügend Futter ("Werter Herr - Euer Tier frisst für zwei !!") versorgt war, trat er unverzüglich den Weg zu seinem ......... Hasenstall an.
Khoor mahnte sich zur Ruhe.
Den Rückweg trat er erneut mit tiefgezogener Kapuze an. Eine ganze Weile ging es eine der Hauptstrassen entlang, die im Schleier der nahen Dunkelheit fast menschenleer war. Auch als er sie verliess und tiefer in das Viertel vordrang, in dem er eingemietet war, begegnete ihm niemand und er war froh darüber. Noch einmal abbiegen. In nur wenigen Metern Entfernung baumelte quietschend die alte Öllampe neben der Eingangstür seiner Herberge. Sonst war alles still.
Khoor starrte die Straße hinunter. Absolut nichts war zu sehen, was auch nur im Geringsten ungewöhnlich gewesen wäre. Und dennoch war da dieses untrügliche Gefühl, dass dort etwas ganz und gar nicht stimmte .....