Beiträge von Tohe

    Abrupt blieb der Junge stehen, als Zisch ihm sagte anzuhalten. Er brauchte einen Moment, bis er das Zeichen entdeckt hatte, dann nickte er. Ohne von Tauscher zu wissen hätte er die Münze möglicherweise einfach für einen Talisman oder so gehalten.
    „Wat bedeutet der Wert?“ fragte er, als Zisch ihm ihre Silbermünze zeigte. Sie musste wohl wichtiger sein? Oder Älter? Oder länger dabei?
    Sein Blick huschte von Einem zum Anderen, doch die meisten schienen ganz normale Leute zu sein. Und an den offensichtlichen Bürgern hielt er sich erst gar nicht auf. „De mit de rote Mitze.“ Ein dunkelhaariger Junge trug eine Münze um den Hals. „Und de mit de grine Schirtze.“ fast wäre ihm die Münze am Fußgelenk des Mädchens entgangen, aber ein verräterisches Funkeln hatte seine Aufmerksamkeit nochmal zurück geführt.
    Es gab eine ganze Reihe von Leuten, die irgendwie in frage kamen. Einige Straßenkinder, aber auch Erwachsene, die arm waren und deshalb möglicherweise auch für Tauscher hier unterwegs waren. Nur bei keinem weiter konnte er eine Münze erkennen.
    Zisch zeigte ihm aber noch einen etwas älteren Jungen – Jerome, wie Tohe mit schrecken feststellte, als dieser sich umdrehte. Hektisch suchte er den Platz ab, ob er ach irgendwo Dogge erblicken konnte. Aber der kleine dickliche Junge, war glücklicherweise nirgends auszumachen. Trotzdem behagte es ihm ganz und gar nicht, dass sie zu ihm gehen würden.
    „Isst gut.“ antwortete er ihr, das er ihren Plan verstanden hatte, dann duckte er sich noch ein wenig mehr in den Schatten der Wand in seinem Rücken. Gebannt wartete er darauf, das Zisch aus eine der anderen Gassen, die zum Marktplatz führten wieder herauskam und sprang mit seinem Blick von Häuserschlucht zu Häuserschlucht.
    Endlich hatte er sie entdeckt und versuchte sie so unauffällig wie möglich im Auge zu behalten, nicht dass er durch seinen Blick noch einen von den Spitzeln auf sie lenken würde.
    Zisch wartete und Tohe wartete ebenso. Angespannt bis zum geht nichtmehr, obwohl er es nicht selber war, der den Apfel besorgen musste. Ja er wusste es kam auf den rechten Augenblick an. Aber wann war der?
    Eine Frau sprach den Händler an, fragte vermutlich nach dem Preis, oder wollte feilschen. Würde Zisch das schon reichen? Er selber hätte sich das wohl noch nicht getraut. Doch eines wurde ihm klar, als er Zisch so beobachtete. Wenn man zu lange beobachtete, dann fiel man auf. Das war sein Fehler beim letzen Mal gewesen.
    Aber man musste so vieles im Blick haben. Von hinten näherten sich zwei Stadtwachen und schoben sich durch die Leute. Die allermeisten gingen ihnen respektvoll aus dem Weg und wollten keinen Ärger riskieren. Nur ein spärlich begleitete Ashaironi-Frau mit ihrem möglicherweise Diener, machte absolut keine Anstalten den Männern aus dem Weg zu gehen. Ein Umstand, den auch das Mädchen mit dem grünen Rock und der ältere Junge neugierig verfolgten.
    Zisch hatte die Wachen doch hoffentlich auch bemerkt, oder?

    Als Zisch sagte, dass sie ein Geschenk brauchen würden, ließ er wieder die Schultern hängen. Das war zu befürchten gewesen. Es klang auch irgendwie zu einfach, als dass er um etwas zu bekommen nur Augen und Ohren aufhalten müsste.
    „Niet gut.“ antwortete er kleinlaut und bekam schon einen Schrecken, dass er jetzt von Zisch in die gleiche Situation geworfen wurde, wie von Nyx bei den Schuhen. Deshalb war er doppelt erleichtert, als Zisch sagte, dass ei das erledigen würde. Vielleicht konnte er sie dabei auch beobachten und so was lernen? Aber Hauptsache er musste das nicht wieder tun, wenn er gerade nicht bereit dazu war.
    Er nickte auf Zischs Anweisungen hin. Wenn er eines bestimmt nicht wollte, dann wieder Bekanntschaft mit den Wachen zu machen.



    Also verließen sie Zisch Versteck und Tohe kletterte zuerst die Kisten herunter. Der Eimer stand immer noch da, wo er ihn ‚versteckt‘ hatte. Aber vermutlich wäre er weg, wenn sie dann irgendwann wiederkommen würden. Wie konnte man nur so wenig auf seine Sachen achten? Fragte er sich, während er auf Zisch wartete und sich ein wenig in den Schatten duckte, damit er nicht sofort von den Passanten gesehen wurde. Der Angriff von dem Werftmitarbeiter reichte ihm für heute.
    Ein kühler Wind wehte ihm die Haare ins Gesicht und drückte noch ein bisschen mehr das kalte Hemd auf seine Schultern. Aber das würde schon irgendwie gehen, schließlich trug er nun mehr, als er die letzen paar Monate an hatte.

    Das nasse Hemd über das trockene zu streifen war vielleicht nicht so die beste Idee gewesen. Langsam drückte sich die Nässe durch. Aber wenn Zisch gleich los wollte – man wusste ja nie- hatte er keine andere Möglichkeit.
    „Aba dann hab ich doch nur, die Annahme, dat er hofft, dat ich ihm sag, wie dein Versteck isse.“ Oder sollte er das grade als aussagen werten, dass es in Orndung war, wenn er diesem Tausche etwas über Zischs versteck verriet. Tohe schaute die Gnomin skeptisch an, bis das kleine Fass spielerisch in die Luft warf und meinte, dass er das schon bereuen würde. Der Rabenjunge grinste.
    An Informationsbeschaffung hatte er sich noch nicht versucht, aber irgendwie klang das für ihn tatsächlich machbar. Er musste es ja auch irgendwie schaffen heraus zu bekommen, on Rahla wirklich in diesem Haus war. Und das konnte er nur, wenn er besser wurde in so manchen Sachen. Vor allem aber wohl im herausbekommen von Sachen.
    Also nickte er.
    Und er würde Nyx nichts davon erzählen. Wer wusste schon, wofür das gut war, dass beiden Seiten ihm sagten, dass er Sachen nicht erzählen sollte. Wobei Zischs Erklärung wenigstens einleuchtend war. Irgendwie zumindest.
    „Inde Wissen von Dingen kann ich gut werden.“ Meinte er, und versuchte es wie eine Feststellung klingen zu lassen. Aber Tatsache war, dass er sich dessen nicht sicher war. Nur hatte er doch jetzt schon was über Nyx, von dem der Halbdijrin nicht wusste, dass er das wusste – was ein Anfang war.

    „Dat hat er getan?“ fragte der Junge ungläubig, darüber wie gut man für so etwas wohl sein musste. Und er stellte sich lebhaft den schlanken Mann vor, wie er leise in ein Versteck eindrang, wo alle schliefen, aber er jeden Schritt so exakt setze, dass ihn niemand bemerkte. Dort leise unter dem Geräusch des Schnarchens die Kiste öffnete und dann alles mitgehen ließ. Tohe grinste. Ja so konnte er sich Nyx tatsächlich irgendwie vorstellen.
    „mh… aba ich kann doch niets.“ Überlegte Tohe und meinte das vollkommen ernst. Wenn er gut im Stehlen wäre, dann hätte er die Wochen nicht hungern müssen und wäre auch den Wachen entgangen. Genauso war es doch auch beim Schuster gelaufen. Ohne Nyx Ablenkung hätte er immer noch keine Schuhe und das er danach doch noch entkommen war, war wohl vor allem Glück gewesen.
    Und wenn er gut im Bauen von Dinge wäre, dann hätte sein letztes Versteck sicherlich anders ausgesehen. Was konnte er ihm schon bringen? Die Dinge an die er selber ran kam, die waren auch für jeden anderen leicht zu beschaffen. Das einzige, was wohl besser konnte als viele andere Kinder, war klettern, weil ihm die Höhe nichts auszumachen schien.
    Schnell schüttelte er den Kopf, als sie meinte, dass sie keinen ihrer Gefallen bei Tauscher für ihn einsetzen würde. Vermutlich würde er das niemals zurückgeben können. Wobei es vermutlich besser war in Zischs Schuld zu stehen, als in der von Tauscher.
    Eigentlich sprach alles dagegen zu diesem Gesellen zu gehen. Denn Nyx hatte ihm gute Möglichkeiten gezeigt, wo er hingehen konnte. Nur Material bekam man da wohl eher nicht. Und entweder würde er sich das ein oder andere zusammenstellen müssen, oder eben irgendwo tauschen. Beides war gefährlich. Option drei war natürlich, dass er ohne gewisse Dinge auskommen musste, aber da konnte er sich gut ausmahlen, wo das über kurz oder lang endete. Wenn er glück hatte würde er es dann noch bis zu MaJinny schaffen…

    „Aye, de sinde soo groß!“ bestätigte Tohe mit einer Handbewegung, dass er die fetten Viecher auch schon aus der Kanalisation kriechen gesehen hatte und deshalb von seinem Plan damals abgekommen war, dort unten ein Versteck zu suchen. Die hätten ihm noch viel eher das bisschen an Nahrung, was er hatte auftreiben können, streitig gemacht, als die Jungen, vor denen er geflüchtet war.
    Zuerst klang das ja nach einem guten Plan, nur ihr Gesichtsausdruck sagte was anderes.
    „Ich bin immer vorsichtig!“ antwortete er trotzig, zuckte aber dennoch zusammen, als er feststellen musste, dass sie doch wusste, was er verbarg. Dieser kleine Entschluss, sich nicht so sehr vor Zisch verstecken zu wollen und ihr etwas Vertrauen entgegen zu bringen hatte ihn also gleich schon verraten. Eilig griff er nach der anderen Tunika, die immer noch auf dem Boden lag und kein Stück weit getrocknet war. Das würde ihm sicherlich nicht nochmal passieren, also streifte er schnell die viel größere Tunika, die es besser verstand seine Federn zu bedecken, über das Hemd, was er schon bereits trug. Er fragte sich, wieviel sie von seinen Federn gesehen hatte, oder ob sie nur geraten hatte. Irgendwie war er hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, dass es ihm egal war, was Zisch wusste und der Angst, dass das ein riesengroßer Fehler war.
    Was war, wenn sie ihn nun einfach in den Kanal lockte? Zu ihrem Freund? Wo sie ihn fangen wollten und, wer weiß was mit ihm anstellen wollte. Warum durfte Nyx davon nichts wissen? Was hatten die Leute immer damit, dass man nicht über Nyx oder Zisch oder wem auch immer reden durfte?
    Misstrauisch blickte er Zisch an. Angestrengt dachte er nach, ob es eine gute Idee war diesen Tauscher kennen zu lernen, oder ob er davon besser die Finger lassen sollte. Wen er genauso, wie der alte Hehler war, dann wurd er unter Garantie von dem übers Ohr gehauen., oder vielleicht schlimemres.
    „Wat fir Gefallen?“ fragte er um die Stille irgendwie zu überbrücken.

    Mit großen Augen folgte Tohe der Gnomin, die plötzlich wie ausgewechselt schien. Fast kindlich hüpfte sie zum durch den kleinen Raum und kramte kichernd etwas auf den ersten Blick unförmiges unter einem Eimer hervor. Gebannt lauschte er ihren Erklärungen. „An de Fisch zu kommen isse einfach. Oder an de Pädäppl. Oder de stinkende grins Tang.“ gerade am Strand ließen sich sicherlich gut Dinge finden, die so leicht vor sich hin moderten. Der Schlick, den er überbekommen hatte war ja der beste beweis dafür.
    Interessiert folgte er jeder ihrer Bewegungen, die die einzelnen Teile der Falle erklärten und versuchte sich so gut er konnte alles zu merken. Vor allem, was er für Möglichkeiten hatte die Falle von einem unbedachten und ungebetenen Besucher auslösen zu lassen. Im Kopf machte er sich dabei schonmal eine kleine Liste der Orte, die er abklappern wollte um vielleicht das ein oder andere brauchbare zu finden. Vor allem würde er sehr viel mehr dünne Kordeln, oder noch besser Angelschnur finden müssen. Und letzteres würde gar nichtmal so einfach werden, weil er sich dafür wieder in die Nähe der Fischerbote, die auf dem Strand lagen, begeben musste. „Wo finde ich am besten de Draht?“ fragte er, weil er keine Vorstellung hatte, wo er danach suchen konnte. Alles aus Metall wurde von den Leuten meistens nicht so achtlos weg geworfen, oder an Land gespült.
    „Und hattu noch wat, dat warnt?“ Einen Eindringling zu vertreiben war sicherlich gut, aber er würde sicherlich um einiges besser schlafen können, wenn er wusste, dass es etwas gab, dass ihn warnte, wenn jemand kam. Neugierig schaute er sich nochmal die ganzen umherliegenden Dinge an. Aber es wurde bei den meisten einfach ihre Funktion nicht klar. Beziehungsweise, was zum Mechanismus gehörte und was schon zum Effekt.

    „Dat Zeug schmeckt doch wiederlig!“ meinte er, als Sich erzählte, sie hätte eine ganze Flasche Likör getrunken. Er hatte einmal Schnaps probiert und konnte wirklich nicht verstehen, was die Erwachsenen daran fanden. Nach dem Süßen kam unweigerlich ein scharfer kratzender Geschmack, der einen nur zum Husten brachte.
    Er nickte: „vergessen isse niet so gut.“ aber er war sich auch sicher, dass er nicht so viele Fallen haben wollte, wie Zisch. Zur Zeit konnte man ja gar nicht mehr richtig treten, auch wenn sie sie nur zu Anschauungszwecken ausgebreitete hatte. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, als sie meinte, dass es einfacher als fliegen wäre. Für sie vielleicht schon, bei ihm sah das anders aus. Aber das sagte er natürlich nicht. Sein Blick wanderte nur unterbewusst zu seinen Ärmeln und augenblicklich erstarb sein Grinsen. Zwei schwarze Federn hatten sich hervorgemogelt. Sie hatte das doch hoffentlich nicht gesehen, oder? – Nein hatte sie nicht, dann hätte sie etwas gesagt. Die Leute sagten immer etwas, oder machten ein sehr angewidertes Gesicht. Bis auf Nyx, der hatte auch eine Reaktion gezeigt, die er nur sehr selten bekam. Ihre Worte treffen ihn wie ein Blitz… also doch! Oder? Nein so ganz sicher war er sich nicht. Misstrauisch schaute er sie an. Sie verhielt sich irgendwie komisch. Also versuchte er die Hände hinter dem Rücken zu verbergen. Dabei hatte er sich doch vorgenommen zu versuchen dieser Frau zu vertrauen. Aber gegen den Instinkt, den ihn jetzt schon so lange begleitet konnte er nichts machen. Umso froher war er, als Zisch sich wieder einer Falle zuwendete. Schnell rieb er sich nochmal die Augen, wo sie sich gerade von ihm weg drehte. Für einen Kurzen Moment war der drang seine Federn zu verstecken tatsächlich stärker gewesen, als die tränenden Augen.
    Bei dem Wort Stinkbombe bekam er leuchtende Augen, die sich aber recht schnell zu Schlitzen verengten.
    Stinkbomben waren gut. Sie waren perfekt! Aber nur wenn sie im Versteck eines anderen hochgingen. „Isse aba nur gut, wenn de Wind von da kommt.“ sagte er skeptisch und nahm seine Zeichnung als Grundlage seiner Deutung, auch wenn er das Papier dazu gerade in dem ganzen Chaos nicht ausmachen konnte. Oder hatte die Gnomin das schon bedacht? Sie hatte ihn ja schließlich danach gefragt, wo der Wind herkam.

    „Aba ich hab… doch gar niet..!“ wollte er protestieren, dass es nicht seine Absicht war das Zeug einzuatmen. Doch er musste Husten und verschluckte deshalb die hälfte der Worte. Und die Gnomin hatte gut reden. Es brannte, was sollte er sonst tun ausser reiben? Kurz versuchte er den Impuls zu unterdrücken, aber es gelang ihm einfach nicht. Er nahm noch nichtmal bewusst war, wie seine Hand wieder zu seinen Augen gewandert war. Ihm war gar nicht bewusst, wie ihm geschah, als die Gnomin ihn plötzlich ruckartig zu sich runter zog. Erschrocken zuckte er zusammen, konnte gleichzeitig, aber nicht aufhören sich die Augen zu reiben. Erst ihre bestimmte Anweisung ließ ihn bewusst die Hände nach unten nehmen. Er nickte und schaute sie etwas eingeschüchtert an. Dann wandte er sich wieder zu dem Fass und schöpfte mit den Händen Wasser zu seinen Augen. Die Kühle brachte schnell Linderung. Mehr als als das Reiben und schnell fühlten sich seine Augen zwar besser, aber total klein und zusammengezogen an.
    „Wat macht dat denn dann, wenn et frisch isse?“ fragte er. Denn wenn altes Brennpulver schon so fies war, wie musste dann frisches sein. Und wenn die Fallen so leicht gegen einen selber gingen, dann wusste er nicht so recht, ob er sowas wirklich in seinem Versteck haben wollte.
    „Wie machst du dat, die niet immer selber auszulösen?“ fragte er unsicher und wieder war seine Hand zu seinen Augen gewandert, auch wenn der Juckreiz nur noch ein Schatten war.

    Guten Morgen,


    urghs, dann wünsch ich dir viel Erfolg und die blauen Flecken nicht auf deiner Seite.


    *Schaut schonmal vorsorglich, ob die Schnapsbestände noch gut gefüllt sind*

    Immer noch fasziniert schaute der Junge zu, wie die Frau scheinbar ohne System durch das kleine Zimmer wusselte.
    Eine Schleuder also. Er betrachtete die Löffelkonstruktion genauer. Die Reste des Fadens mussten wohl irgendwie den Auslöser darstellen, aber ihm wurde nicht so ganz klar, wie und wo man einen Faden spannen konnte, dass die Falle eine Wirkung auf den Auslösenden zeigte.
    Amüsiert stellte er fest, dass sie bei dem Federding selbst nicht mehr wusste, was sie da gebastelt hatte, bereute es aber fast im gleichen Moment, dass er zu lachen begonnen hatte, weil ihm Staub und Nebel in die Augen trieb. Das Zeug brannte in den Augen und im Mund und hustend versuchte er sich aus der Wolke zurück zu ziehen. Er rieb sich noch immer die Augen, als Zisch nach Wasser fragte. „Dat isse de bose Falle, Wat isse dat fir ein Zeug?.“ murmelte er und versuchte durch den Schleier, der sich vor seinen Augen gebildet hatte den Becher neben dem Wasserbottich zu erkennen. Es war mehr ein Tasten nach dem Becher, als dass er ihn wirklich sah. Das Ergebnis, war, dass er polternd zu Boden fiel und irgendwas dabei berührte. Ein kurzes Zischen war zu hören und dann eine ganze Riege von Knallgeräuschen. Erschrocken zuckte der Rabenjunge zusammen. Versuchte wild seine Augen zu reiben um endlich wieder mehr erkennen zu können und traute sich gar nicht sich zu bewegen. Und nach und nach wurde sein Blick wieder klarer und er konnte erkennen, wo der Becher hingefallen war. Er fragte sich allerdings ob die Rußflecken von dem Geknalle kamen, oder ob sie schon vorher da waren. Er hob den Becher, der zu seinen Füßen gerollt war auf und füllte ihn nun doch endlich mit Wasser um ihn der Gnomin zu reichen.

    Tohe schaute interessiert und auch irritiert Zischs treiben zu. Alle möglichen komischen Dinge zerrte sie hervor und verteilte sie auf dem Boden, so dass bald fast kein Platz mehr zum stehen war. Er versuchte ihrem Gemurmel zuzuhören, aber verstand das meiste nicht davon. Entweder, weil er die Worte nicht kannte, oder weil es einfach viel zu leise war.
    „Wat isse dat?“ fragte er und deutete auf eine Konstruktion aus einem Löffel und einer Feder. Um den Griff des Löffels hatte Zisch ein Seil gebunden, welches auf ein Brett nach unten geführt wurde. Dem Rabenjungen sahen die Materiealien zumindest so, aus, als ob er irgendwie dran kommen konnte. Nur was der Löffel wie tun sollte war ihm ein Rätzel.
    Dann fiel sein Blick auf etwas, das wie eine Kugel aussah, die mit Federn gespickt war. An Federn kam er auf Jedenfall dran, grinste er etwas in sich hinein: „Und dat da?“ Er hatte die Finger schon zum Berühren ausgestreckt, zog sie aber im letzten Moment wieder zurück. Er wusste doch gar nicht, ob die Fallen scharf waren, so wie Zisch sie hier ausbreitete. Von Verlegenheit getrieben wanderte sein Finger ganz automatisch an die Ärmel, wo er versuchte den Stoff etwas von den Federn abzuheben, damit der nicht so zog.

    „Aye muss man.“ bestätigte er ihr. „Wart du de schnelle oder de starke?“ fragte er gerade heraus. Obwohl sie klein war musste das ja noch lange nicht heißen, dass sie sich nicht hätte Schützen können. Jemanden zu unterschätzen, nur weil sein Äußeres nicht den Anschein von Stärke erweckte, machte man auch nur einmal. Das hatte er durchaus die Dogge herausfinden lassen, aber hatte es ihm leider auch den Platz auf der Straße eingebracht.
    Die Gnomenfrau kannte sie wohl Alle. All die Varianten an Waisenhäusern, die es gab, da war er fast schon froh nur eines davon kennen gelernt zu haben, denn das was sie schilderte war alles auch nicht besser. Bis auf vielleicht die der Tempel. Doch ob dort adaptiert zu werden nicht das gleiche bedeute, wie in dem Waisenhaus in dem er war, fragte er sich.
    „Aba dat isse doch gut, wenn einen keiner haben will.“ erwiderte er. Er und Ralle hatten schließlich immer alles daran gesetzt nicht an irgendwelche Leute verkauft zu werden. Es geisterte zwar durchaus die romantischer Vorstellung einer Familie, die für einen Sorgte und in der man sich geborgen fühlen konnte, wo man nicht kämpfen musste und keine Angst haben musste durch das Waisenhaus. Aber es gab viel mehr Geschichten - Gegebenheiten mit Beweisen - die genau das umgekehrte Bild zeichneten, wo Kinde rau Leuten gekommen waren, die sie noch mehr und wegen noch kleinlicheren Dingen Schlugen, oder unter grausamen Umständen arbeiten Verrichten ließen, für die die Erwachsenen zwar stark genug aber zu groß waren. Er musste an Ralle denken. Hoffentlich war sie nicht bei dieser gemeinen Frau, von der Nyx erzählt hatte. Seine Lippen verengten sich zu schmalen Strichen und genau in dem Moment begann Zisch von dem Dunkelhaarigen zu erzählen. Wo er vielleicht zuvor noch leicht abwesend gewirkt haben mochte, schaute er nun Zisch direkt an.
    „Du kennst de Nyx schon lange!?“ es schwang ein wenig eine Frage mit in seiner Feststellung. Irgendwie interssierte es ihn ja schon, warum der Mann der Gnomin nicht begegnen wollte. Doch bevor er eine Frage, die ihn vielleicht mehr erfahren lassen würde und die ihn gleichzeitig nicht in die Verlegenheit bringen würde über Nyx zu lügen, in seinem Kopf zusende gebildet hatte, fragte Zisch nach seinen Aufzeichnungen.
    Eilig bückte er sich zu dem Beutel, den er auf dem Boden neben dem nassen Hemd abgelegt hatte und kramte nach dem Zettel. So ganz unbeschadet hatte das Papier und die Zeichnung das Wasser nicht überstanden.
    „Isse was verwischt.“ sagte er, als er ihr den Zettel reichte. Dann viel ihm ein, das er ja auch noch ein paar Blätter eingesammelt hatte, die allerdings etwas geknickt waren, als er sie aus dem Beutel fischte und ebenfalls der Rothaarigen reichte. „Kenne Niet de Bische.“

    Der erwartete Kommentar blieb aus und Tohe entspannte sich etwas. Trotzdem suchte sein Blick schnell wieder Zisch, als der das Hemd über den Kopf gezogen hatte. Die Gnomin sortierte immer noch ihre Zettel und hatte scheinbar gar nicht mitbekommen, dass er sich das Hemd gegriffen hatte. Erleichterung machte sich in ihm breit und das Vertrauen zu der kleinen Frau wuchs ein bisschen. Nichts desto trotz streifte er sich so schnell wie möglich das neue Hemd über. Wenn sie es noch nicht gesehen hatte war es vielleicht auch besser, wenn das so blieb. Er musste es ja nicht unnötig herausfordern.
    Die Ärmel waren zwar eigentlich lang genug, aber viel zu eng für ihn. Lange würde er das nicht ertragen, dass die Federn so nach hinten gebogen und zusammengedrückt wurden. Und er merkte schnell, wie der Stoff die feinen Federhärchen aufrieb, wenn er sich bewegte. Über die Schwanzfedern ging das Hemd nicht ganz und die schwarzen Spitzen schauten unten hervor.
    Er brauchte eine ganze Weile, bis er das Hemd so zurecht gezubbelt hatte, dass es erträglich war. Wenn er die Arme zu weit hoch nahm rutschte der Ärmel zu weit hoch und stemmte sich nicht nur fies gegen den Strich, sondern legte auch die Federn an seinem Handgelenk frei.
    Er stellte sich besser nicht vor, wie zerrupft er später aussehen würde. Ein wenig hielten die Schwingen diese Behandlung schon aus, aber es würde einiges an Arbeit werden alle Federn wieder glatt zu bekommen. Dafür war aber die kalte Nässe endlich fort.
    Er wollte gerade das nasse Hemd aufheben um über der Schüssel ein wenig das Wasser aus dem Stoff zu drücken, als Zisch ihm sagte, dass sie sein Verhalten gut fand.
    „Ich..“ er wusste nicht was er dazu sagen sollte. Er hatte das auch nur auf die harte Tour gelernt. „Wer niet gibt acht, de wird geschlagen.“ meinte er schließlich. Er nickte eifrig, als sie ihm nach dem Waisenhaus fragte.
    „Dat von de Frau Saligsch. Wollte uns eigentliche nur verkufen.“ schilderte er, dass er sich oftmals nur als Ware die präsentiert wurde, vorgekommen war. „Waren viele de schräcklige Leute, die kamen. Aba gab imma essen.“ letzteres war tatsächlich das einzige, was er vermisste, auch wenn es oft nicht genug gewesen war und man so seine Wege finden musste es zu verteidigen. Vor allem vor Dogge. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, als er an den fiesen Jungen denken musste.
    „Wo warst du?“

    Erst als das Klirren verklungen war löste sich die Starre in Tohe. Er hatte wirklich damit gerechnet, dass jederzeit irgendwas hinter ihm explodierte. Aber keine Ahnung, wie er damit hätte umgehen sollen. Sein Atem ging aufgebracht und sein Herz raste geradezu. Weiter fixierte er Zisch, die nun seelenruhig begonnen hatte ihre Zettel zu sortieren. Eine Handlung, die ihn tatsächlich auch etwas beruhigte, weil sie weder aufgesprungen war, noch sonst irgendwie Anstalten machte ihm zu folgen.
    Kurz blickte er zurück, versuchte aber gleichzeitig die Gnomin nicht aus den Augen zu lassen, als diese zu sprechen begann. Sorgsam wählte er den nächsten freien Platz für seinen Fuß. Er konnte einfach gehen. Das hatte sie doch gerade auch gesagt, oder? Er hielt wieder an. Ja sie hatte recht, bisher hatte sie ihm keinen Grund gegeben, dass er ihr so Misstraute. Ganz im Gegenteil. Und es war auch eigentlich nicht Zisch, der er misstraute. Es war die Situation vor der er Angst hatte. Sie sagte zwar, dass es ihr egal war, was er versteckte, aber er wusste wie die Leute reagierten. Entweder spiegelte sich plötzlich Gier in ihren Augen, oder Abscheu. Etwas dazwischen gab es selten. Das was sie weiter sagte, erinnerte ihn plötzlich an Nyx. Der hatte ähnliches zu ihm gesagt. Sein Herz klopfte immer noch aufgebracht, aber der Wille zur Flucht hatte sich etwas beruhigt. War nicht mehr ganz so stark. Wenn sie so war wie Nyx, dann war es ihr vielleicht wirklich egal, was er verbarg. Nyx war neben Rahla irgendwie der einzige, der nicht diese Gier in seinen Augen gehabt hatte und nicht diese Abscheu. Da war etwas anderes gewesen. Etwas, was er nicht so recht zu deuten wusste, aber das ihm nicht so viel Angst gemacht hatte. Unbewusst kaute er auf seiner Unterlippe herum, die Anspannung war nach wie vor vorhanden.
    „Dat hat N..“ fast währe ihm der Name des Dunkelhaarigen herausgerutscht, aber er schaffte es gerade so seinen Versprecher in ein unbeholfenes Stottern zu verwandeln, „hatten nn.. de auch immer jesacht.“ verlegen wischte er sich mit der Hand durchs Gesicht. Der Satz ergab wohl nur noch in seinem Kopf einen Sinn, weil er zu oft das Gespräch zwischen der Vorsteherin und potentiellen Adoptiveltern belauscht hatte. Da hieß es auch immer, dass es sie nicht interessierte, wie er aussah, aber ihr Blick sprach Bände.
    Als Zisch zuende gesprochen hatte und sich von ihm Weg drehte wanderte sein Blick zuerst zum Fenster. Er war hier nicht gefangen, sie würde ihn gehen lassen wurde ihm bewusst. Aber dann brauchte er auch nicht wiederkommen. Sie hatte zwar gesagt, dass er das konnte. Aber das würde die Situation ja nicht verändern. Ein dicker Klos bildete sich in seinem Hals, während sich der Gedanke, es doch zu versuchen in ihm formte. Sie hatte recht, was das Krank werden anging. Schon jetzt war die Kälte, die von dem nassen Stoff ausging unangenehm auf der Haut und ließ ihn leicht frösteln. Nochmal atmete er tief durch. Wenn er nicht versuchte ihr zu vertrauen, dann brauchte er nicht wiederkommen, wurde ihm nun immer klarer. Denn all das, was er von ihr lernen wollte, dass konnte sie gegen ihn verwenden.
    Vorsichtig trat er nun doch wieder einen Schritt vorwärts, ging zu der Kiste mit den Hemden und zog eines heraus. Dann blickte er wieder zu Zisch und biss sich erneut unsicher auf die Unterlippe. Immer noch hatte er das Fenster im Rücken und Zisch vor sich. Trotzdem ging er brachte er noch ein bisschen mehr Raum zwischen sich und die Gnomin. Je nachdem, wie sie reagierte wollte er verschwinden können. Er schluckte, dann begann er dass nasse Hemd über seinen Kopf zu zeihen und lieferte sich somit gänzlich ihr aus. Doch er lauschte auf jedes noch so kleine Geräuschräuch, was vom Platz der Rothaarigen kam.

    Das war eine ungefährliche Falle bei ihr? Tohe riss die Augen auf. So sah das aber irgendwie nicht aus… oder vielleicht doch, schließlich gab es wohl keine Verletzen. Dann Schüttelte er zustimmend den Kopf, was das auslösen der eigenen Fallen anging. „Isse Niet gut.“
    Er tropfte ein wenig und versuchte den Stoff von den Federn zu lösen, bis zu dem Augenblick, wo sich Zisch an ihn wandte. Da hatte er sie nur für einen kurzen Moment aus den Augen gelassen - er sollte einfach versuchen die Federn zu ignorieren, solange er hier war. Auch wenn sich der schwere Stoff nicht angenehm auf den Schwingen anfühlte. Mit einem Lächeln versuchte er zu überspielen, dass er sich ertappt fühlte und wisch aber unbewusst trotzdem einen Schritt zurück um wieder das Fenster im Rücken zu haben. Er schüttelte den Kopf.
    Warum fiel es ihm eigentlich in ihrer Gegenwart so schwer eine plausible Lüge auf den Tisch zu bringen, die sie ihm auch abkaufte? Im Waisenhaus hatte er es immer wieder erfolgreich geschafft diversen Leuten was vorzugaukeln was nicht Stimmte, aber hier schien ihm sein Misstrauen dafür ihm Weg zu stehen. Seine Gedanken überschlugen sich geradezu, aber ihm fiel nichts ein, wie er Zisch begännen sollte.
    „Isse doch nur de Ärmel.“ versuchte er es, wusste aber im selben Moment, dass sie das nicht gelten lassen würde, zudem auch dass nicht ganz Stimmte. Noch ein Schritt bewegte ihn vorsichtig weiter zum Fenster. Mittlerweile hatte irgendwie alles in ihm auf Flucht umgestellt. Da war kein rationales Denken mehr, keine Ausreden mehr. Sein Blick folgte zwar kurz Zischs Fingerzeig auf die Kiste, in der sich allerhand an Stoff befand, doch schnell fixierte er wieder die Gnomin. Irgendwo leise in ihm versuchte sich zwar der Gedanke, dass ein zweites Hemd, auch wenn es kleiner wäre, nicht schlecht wäre um es unter dieses Hemd zu zeihen, empor zu kämpfen, doch wurde dieser Augenblicklich unterdrückt, als er gegen irgendwas in seinem Rücken stieß. Rasselnd und metallisch klimpernd fielen einige Dinge zu Boden. Erschrocken und erstarrt bleib er stehen.