Das Viertel mit den Ruinen machte ihm Angst. An jeder Ecke vermutetet er einen Bettler, wie den hinterhältigen Typen, der Nyx angegriffen hatte. Ob er hier wirklich was finden konnte, was ihm als sicheres Versteck diente? Er lenkte seine Schritte über ein paar heruntergefallene Ziegel. Das Gebäude vor ihm schien nur noch zwei wirklich intakte Seiten zu haben. Die Front stand noch, aber die Rückwand war in sich zusammen gefallen. Ein Teil des Dachstuhls existierte allerdings auch noch. War es irgendwie möglich dort hinauf zu gelangen? Prüfend schaute er sich um. Fürs erste bildete die halb zerfallene Mauer ein paar gute Haltemöglichkeiten, an denen er sich hochziehen konnte. Von dort aus setze er prüfend einen Fuß auf einen der Balken, die mal einen Boden getragen hatten. Noch war er nicht morsch und würde ihn halten. Es war nur ein schmaler Pfad, also gut für jemanden wie ihn und meistens von anderen nicht so leicht zu passieren. Erst recht nicht, wenn er eine Möglichkeit gefunden hatte, einem Verfolger irgendwas in den Weg zu schmeißen. Zisch kam ihm dabei in den Kopf. War nicht die rede davon gewesen, dass sie gut darin war Fallen zu bauen?
Am Ende des Balkens lagen wieder ein paar mehr der ehemaligen Fußbodendielen und sogar ein alter Stuhl lag in der Ecke, der hatte allerdings nur noch drei Beine. Neugierig betrachtete er das alte Teil. Ob er trotzdem mit der Hilfe des Stuhls auf den Dachboden gelangen konnte? Die Ecke war zwar schon recht gut. Zumindest besser, als alles, was er bisher entdeckt hatte, aber mit zwei Seiten offen immer noch recht einsichtig. Unter das Dach konnte man hingegen nicht so leicht Blicken.
Zumindest eine Erhöhung bilden konnte der Stuhl noch, wenn man ihn auf die Kante der Sitzfläche und den oberen Teil der Lehne legte. Wacklig war die Konstruktion, aber durchaus hilfreich um an das Loch im Dachboden zu gelangen. Die Bohlen waren an der Stelle etwas morsch und er würde völlig aufpassen müssen, aber er hoffte einfach, dass nicht alle Bretter des Dachbodens Faul waren. Vorsichtig zog er sich hoch. Etwas, was seine Seite doch noch nicht so ganz mochte, aber es ging nicht anders. Die Zähne zusammenbeißend bekam er den Kopf durch das Loch gesteckt, dann die Füße nach oben und schließlich etwas ungelenk den Rest seines Körpers. Nun gut, er wäre hier oben nicht alleine, wie er gleich feststellen musste. Zwei große gelbe Augen starrten ihn aus der Ecke her an, begleitet vom drohenden Schnabelgeklapper des Uhus, der sich breit aufgeplustert hatte.
„Ich tu dir niets.“ versuchte er sanft zu sprechen. War sich aber ganz und gar nicht sicher, ob der Große Vogel nicht schon längst beschlossen hatte ihn mit seinen scharfen Krallen zu attackieren.
Er würde also doch vorlieb mit dem Untergeschoss nehmen müssen. Ganz langsam zog er sich wieder Zurück vom Dachboden, versuchte mit dem Fuß nach dem Stuhl zu angeln und erwischte dabei doch noch ein Stück morschen holz. Mit einem unterdrückten Aufschrei rutschte er ab und kam hart auf den Brettern auf. Ein paar blaue Flecken würden später das Ergebnis sein, aber ansonsten hatte er es geschafft den Sturz gut abzufangen.
Dann begann er sich doch diesen Teil des Gebäudes genauer anzuschauen. Vielleicht konnte er irgendwie einen Sichtschutz errichten? Denn hier sollte es zum einen trocken sein, der Zugang war gar nichtmal so einfach, aber er konnte gut von hier oben fliehen, sollte das nötig sein. Und wenn er es schaffte den Zeitpunkt abzupassen, wenn der Uhu mal nicht in seinem Nest war, so konnte er dort vielleicht auch bei ihm ein paar Wertgegenstände sicher verwahren.
An der einen Wand klebte immer noch etwas von der alten Tapete, die aber so viel Feuchtigkeit gezogen hatte, dass das Muster ganz verblast war und ausser dem kaputten Stuhl befand sich nichts in der halbwegs intakten Ecke des Raums. Unten hatte er allerdings sowas wie eine Kiste gesehen und Unmengen von gebrannten Schindeln, so dass der Verdacht nahe lag, dass dies mal eine Ziegelbrennerei gewesen sein mochte. Vielleicht ließe sich damit ja etwas machen. Er musste sie nur hier hoch bekommen. Ja er wollte es mit diesem Versteck versuchen.
Mühsam hatte er bis in den Nachmittag hinein begonnen einzelne Schindeln nach oben zu schaffen, bis er beschloßen hatte, dass das kein guter Weg war. Mit einem Seil oder Ähnlichem würde es viel einfacher und schneller gehen. Oder mit einer Strickleiter… Nein er brauchte erst gar nicht anfangen zu Träumen. Aber die Sache mit den Fallen war ihm noch immer nicht aus dem Kopf gegangen und nachdem er es geschafft hatte die Schindeln zumindest soweit anzuhäufen, dass er sich dahinter legen konnte, beschloß er zuerst auf den Markt zu gehen, den Nyx ihm gezeigt hatte und dann diese Zisch zu suchen.
Es hatte doch ein wenig gedauert, bis der Rabenjunge besagtes Wertgebäude mit dem grünen Tor gefunden hatte. Zugegebenermaßen lag das aber auch daran, dass er sich nicht ganz so offen suchend über die Breite Straße getraut hatte. Und er hatte ein wenig mit sich gehadert, als er endlich das Fenster erblickt hatte, von dem die Gnomin gesprochen hatte. Man konnte leicht dort hinaufklettern, das war das Problem nicht. Aber er war sich nun gar nichtmehr so sicher, ob sie wirklich gesagt hatte, dass er vorbeikommen konnte, oder ob sich das im Nachhinein nur so angehört hatte. Manchmal sagten die Erwachsenen auch Dinge, die sie nachher gar nicht so meinten, weil das was sie sagten, nicht das war, was sie wollten, aber aus irgendeinem Grund nicht sagen konnten, was sie eigentlich wollten. Aber Zisch war nicht so eine, oder? Sie hatte nicht so gewirkt. Eher als ob sie gerade heraus war. Und dann war da noch die Sache mit Nyx, der wollte, dass er nicht sagte, das sie zusammen unterwegs gewesen waren. Tohe hatte kein Problem damit zu lügen, aber er verstand einfach nicht so genau warum, er das tun sollte.
Schließlich nahm er doch seinen Mut zusammen, sammelte ein paar Sternchen auf und begann sie gegen das Fenster zu werfen. Vielleicht war sie auch gar nicht da.