Beiträge von Sarandir Eisenklinge

    "In letzter Zeit steht mir nicht der Sinn nach gemeinschaftlicher Zerstreuung. Wenn man stetig dazu genötigt ist, auf gesellschaftlichen Anlässen in Erscheinung zu treten, sehnt man sich nicht selten nach der Einsamkeit und einem Glas Wein, der sie lindert."


    Sicherlich entsprach dies nicht derWahrheit, doch Sarandir bevorzugte es, sein Gefühlsleben für sich zu behalten. Wie schnell würde sich jedes seiner Worte wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt verbreiten und von den Aasgeiern ausgetragen werden, die den Klatsch und Tratsch brauchten wie die Luft zum Atmen, wenn er sich jedem anvertrauen würde, der für wenige Augenblicke seinen Weg kreuzte.


    Zudem vermutete er, daß sein Gegenüber durchaus mehr als nur zwei Gläser Wein vertragen konnte, wenn es darauf ankam. Zumindest wirkte sie nicht unbedingt wie die Dame, die sich darüber bekümmerte, was schicklich und unschicklich war - denn solcherlei Frauen trieben sich selten allein in Gasthäusern herum um ihren Kummer zu ertränken. Sie taten dies zuhause, in der Geborgenheit und der Verschwiegenheit ihrer eigenen vier Wände. Es war gut, daß Tara sein inneres Schmunzeln nicht sehen konnte.


    "Nun, warum trinkt ihr dann nicht mit mir, Karia. Und erzählt mir von dem Kummer, der euch so sehr belastet, daß ihr zwei Gläser Wein braucht, um ihn zu ertränken."


    Ob Sarandir sich über die Rothaarige amüsierte, war schwer zu erkennen. Obgleich seine Worte darauf hindeuten mochten, blieb seine Miene ernst und ließ nicht darauf schließen, ob sie ironisch gemeint waren.

    "Nicht? Ist das Glück denn nicht immer mit dem Adel, Karia?"


    Wenn Sarandir ihr kurzes Zögern bemerkt hatte, so ließ er es sich zumindest für Tara erkennbar nicht anmerken. Doch in der Tat hatte dieser kurze Bruchteil einer Sekunde dazu geführt, daß er sein Gegenüber nun ein wenig genauer musterte. Auch wenn man in ihm gemeinhin nur einen blasierten Adeligen sehen mochte, so besaß er dennoch einen wachen Verstand, dem nur wenig verborgen blieb. So wanderte sein Blick nun auch unweigerlich zu ihren Händen, die ohne Unterlass mit dem Ring zu spielen schienen und eine seiner Brauen wanderte mit einem amüsiert wirkenden Ausdruck in die Höhe. Womöglich war diese Frau keineswegs das, was sie vorzugeben schien.


    "Ich befürchte, daß ich ein ausgesprochen langweiliges Gesprächsthema abgebe, meine Liebe. Auch wenn diese junge Küchenmagd vielleicht etwas anderes erzählt haben mag."


    Sollte diese Küchenmagd wirklich existieren, konnte Sarandir sich nur zu gut vorstellen, wie ihre Erzählung ausgefallen sein mochte. Allerdings war er beinahe geneigt, ihre Existenz anzuzweifeln, so wie die Dinge standen. Er lächelte schief und blickte Tara dann scheinbar ohne jeglichen Verdacht an, während er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte und die Arme über der Brust verschränkte. Lediglich ein seltsames, unergründliches Funkeln spielte in seinen dunklen Augen.


    "Erzählt mir lieber etwas aus eurem Leben, Karia Schwarzberg. Was führt euch an diesem Abend in dieses Gasthaus? Sicherlich ist es nicht allein der Wunsch, euren Ring zu verlieren."

    "Nun, der Ring scheint euch in der Tat nicht mehr allzu viel zu bedeuten, wenn ihr ihn so einfach wegwerfen möchtet."


    Sarandirs Augen streiften Taras Hände nur kurz und taten dies nicht lange genug, um ihren besonderen Zustand wirklich bewusst zur Kenntnis zu nehmen. Doch als sie seinen Namen nannte, erstarrte er für einen Augenblick.
    Widerstreitende Gefühle glitten über die Züge des Adeligen, auch wenn er sich bemühte, diese nicht allzu offen zur Schau zu stellen. So erlosch sein Lächeln beinahe im gleichen Moment, in dem die Rothaarige die Kenntnis seiner Person offenbarte und verwandelte sich in eine undurchdringliche Maske, die nicht auf seine Gedanken schließen ließ. Das schiefe Lächeln legte sich nach einem kurzen Moment erneut auf Sarandirs Gesicht, doch diesmal wirkte es unecht und besaß keinerlei Wärme, ließ seine Augen kühl bleiben.


    "In der Tat, der bin ich. Und ich kann mir lebhaft vorstellen, daß diese Erzählungen sicherlich ein sehr farbenprächtiges Gemälde meiner Persönlichkeit erschaffen haben. Es ist demnach zweifelhaft, ob meine Bekanntschaft wirklich das Gefühl der Freude in euch hervorrufen wird."


    Er richtete sich auf und wies eher mechanisch, denn aus einem wirklichen Wunsch heraus auf den Stuhl, der ihm gegenüber stand. Der Kopf stand ihm kaum nach Gesellschaft, doch ganz offenbar hatte das Schicksal anders entschieden.


    "Doch vielleicht verratet ihr mir nun euren Namen, meine Liebe. Denn nun besitzt ihr mir gegenüber einen entscheidenden Vorteil."

    ... und fand sich den langen, gepflegten Fingern des Adeligen gegenüber, der ihr den Ring mit einem schiefen Lächeln auf seiner Hand präsentierte, gerade in der Höhe ihrer Augen, die danach gesucht hatten.


    "Ihr solltet euch vorsehen. Ein solch wertvolles Schmuckstück gerät nur zu schnell in die falschen Hände und nicht jede davon ist geneigt, es wieder an seinen rechtmäßigen Besitzer zurück zu geben."


    Beinahe tanzte ein amüsiertes Funkeln in Sarandirs dunkle Augen, ein Schatten seiner verlorenen Vergangenheit, erlosch jedoch nur allzu schnell wieder, um dem ernsten Ausdruck Platz zu machen, der ihnen zuvor inne gewohnt hatte.


    Die Aufmerksamkeit des Grafen hatte sich schon längst wieder seinen eigenen Gedanken zugewandt, als ihn ein ersticktes Keuchen wieder in die Wirklichkeit zurück brachte und seine Augen erneut auf die rothaarige Frau lenkte, die sich offenbar an ihrem Getränk verschluckt hatte. Mit einem leisen Klirren landete der Ring neben seinem Stiefel und Sarandirs Manieren waren zu lange geschult worden, um es einfach zu ignorieren, wenn eine Dame in Bedrängnis war. Auch wenn diese Art der Bedrägnis keineswegs Besorgnis erregend war.
    Eher mechanisch, als wirklich bewusst, hatte er nach dem Ring gegriffen, der sich nun kühl auf seiner Handfläche anfühlte und darauf wartete, wieder in den Besitz seiner ursprünglichen Trägerin zu gelangen.

    Sarandir Eisenklinge, der in dieser Nacht eindeutig auf prunkvolle, standesgemäße Kleidung verzichtet hatte und nur ein weißes Hemd und eine schwarze Hose zu seinen dunklen Stiefeln trug, war in der Tat allein. Allein und in seine Gedanken versunken, die sich einmal mehr ruhelos um das Thema drehten, das ihm mittlerweile in allzu vielen Nächten den Schlaf zu rauben vermochte. So nahm er recht wenig Notiz von den Vorgängen in dem Gasthaus, da er ohnehin wenig Interesse an Gesellschaft besaß. Ruhelos spielten die Hände des Adeligen mit dem Kelch, den er bisher jedoch kaum angerührt hatte und nicht selten fuhren sie durch sein dunkles Haar und machten damit offensichtlich, daß er sich mit Gedanken quälte, die keiner erfreulichen Natur waren.
    Die Cath'Shyrr, die er für sein Vorhaben hatte gewinnen wollen, war schon nach kurzer Zeit aus Nir'alenar verschwunden und hatte ihn mit dem Auftrag sitzen lassen, den er ihr erteilt hatte. Ein unglückseliger Vorfall, der keineswegs dazu beitrug, seine Laune in den letzten Tagen zu verbessern.


    So blickte er auch jetzt nur kurz auf, als eine weibliche Stimme sich über das Stimmengewirr im Gasthaus erhob und nach einem anderen Wein verlangte und musterte diese für einen kurzen Augenblick. Sie war sicherlich ausgesprochen hübsch anzusehen und hatte sich nicht darin zurückgehalten, ihre vorhandenen Reize offen zu betonen - eine Tatsache, die ihn noch vor kurzer Zeit ausreichend fasziniert hätte, um in ihm den Wunsch aufkeimen zu lassen, sie in sein Bett einzuladen. Doch was war Schönheit und Reiz wert, wenn sie den Hunger nicht zu stillen vermochte, der ihn Tag und Nacht quälte?

    "Mein Dank für eure Einladung wird euch ewig sicher sein."


    Sarandir lachte vergnügte - diese neue Nuance im Verhalten der Cath'shyrr war ihm nicht verborgen geblieben und er war sich sicher, daß es mit seinem neuen Gast im Haus nicht langweilig werden würde. Es war sehr wahrscheinlich, daß sie der schwarzen Rose in Nichts nach stand. Mit einer Verneigung ergriff er ihre Hand und hauchte einen zarten Kuss auf ihre Oberfläche, der ihre Haut nur leicht streifte. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, war das Funkeln in seinen Augen erhalten geblieben.


    "Dann werde ich euch nun alleine lassen, damit ihr eure Vorbereitungen treffen könnt. Solltet ihr mich suchen, so werdet ihr heute Nachmittag sicherlich im Rathaus fündig werden, heute Abend jedoch in meiner Bibliothek bei einem guten Glas Wein."


    Mit diesen Worten und einer weiteren formvollendeten Verneigung, wandte sich Sarandir zur Tür um, um Ayala die Zeit zu geben, ihren Erledigungen nach zu gehen.

    "Oh... nun..."


    Sarandir lächelte ein wenig versonnen, als er an die schöne Mira'Tanar dachte, die sein Großvater seinerzeit geheiratet hatte, nur um sie schließlich wieder an die Wellen des Sternenmeeres zu verlieren. Shirinae war tatsächlich eine außergewöhnliche Frau gewesen, was Alanvor Eisenklinge letzten Endes jedoch nicht davon abgehalten hatte, nach ihrem Weggang wieder zu heiraten. Die Männer der Familie Eisenklinge hatten nicht den Ruf, lange allein zu bleiben.


    "Er konnte Shirinae nicht halten, nein. Die Sehnsucht nach dem Meer war zu groß und so ließ er sie eines Tages gehen, nachdem beide ihr Ehegelübde vor einer Priesterin der Alaria gelöst hatten. Ich bin davon überzeugt, daß sie allerdings noch bis zum heutigen Tage zu der Stelle zurückkehrt, an dem sie meinen Großvater seinerzeit zum ersten Mal angetroffen hat. Sie war wohl diejenige, die es vermocht hätte, einen Eisenklinge zu zähmen."


    Er lachte leise und verfolgte Ayalas Inspektion ihrer neuen Räumlichkeiten dann mit seinen dunklen Augen. Auf die Feierlichkeit angesprochen, nickte er schließlich nach einem kurzen Augenblick des Nachdenkens zustimmend und seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen.


    "Eine hervorragende Idee, meine Liebe. Ich bin mir sicher, wenn jemand das Interesse des Adels auf sich ziehen wird, dann seid ihr das. Mein Haus steht zur eurer Verfügung."

    "Und dies ist also der Südflügel, den ihr von nun an als eure Operationsbasis benutzen könnt, meine Liebe."


    Sarandir und Ayala waren im südlichen Teil der Villa zum stehen gekommen und der Adelige wies mit einer weitläufigen Geste auf den Bereich, der sich vor ihnen ausbreitete. Ein großzügiger Salon, der mit Kamin und allerlei bequemen Sitzgelegenheiten ausgestattet war, lag im vollen Licht des Mittags unter der Kuppel vor ihnen und gab einen atemberaubenden Blick auf die Stadt frei, die man von hier aus überblicken konnte. Hinter den Fenstern konnte man das Geländer eines Balkons erkennen, der sich zwischen dem Nord- und dem Südflügel erstreckte und die beiden miteinander verband.
    Doch allein der Salon war schon eine Sehenswürdigkeit für sich. Auf einem Tischchen aus edlem Holz stand ein Schachbrett mit fein gearbeiteten Figuren und ein weicher Teppich aus fernen Landen bedeckte den meerblauen Marmorboden und verlieh ihm einen Hauch von Wärme. An den Wänden fanden sich Darstellungen von allerlei Szenen aus der Mythologie der Meereswesen, die in Muschelrahmen angebracht worden waren und die sich mit den Muschelreliefs an den Wänden ergänzten.


    "Man nennt dieses Zimmer auch den Muschelsalon. Er wurde von meinem Großvater gestaltet, der in zweiter Ehe mit einer Mira'Tanar verheiratet war. Er hoffte, damit ihre Sehnsucht nach dem Meer ein wenig zu lindern. Es ist wohl unschwer zu erkennen."


    Er lächelte leicht und wies dann auf eine Doppeltür, die gegenüber von dem Kamin, auf dem ein Triton in eine Muschel blies und von Nixen umgeben wurde, in einen weiteren Raum führte.


    "Hinter dieser Tür werdet ihr euer Schlafgemach finden, in dem es euch sicherlich an nichts fehlen wird."

    "Genau das hätte ich auch niemals anders von euch erwartet, meine Liebe."


    Sarandir lächelte und öffnete dann die Tür, die wieder nach draußen auf die Galerie führte. Selbstverständlich wartete er, bis die Cath'Shyrr ebenfalls sein Arbeitszimmer verlassen hatte, bevor er sie wieder ins Schloß gleiten ließ. Die Villa schien in diesen Augenblicken still zu sein. Weit entfernt hörte man ein leises Klappern, wie von Kochtöpfen und Schüsseln, doch dies war das Einzige, das die Ruhe ein wenig störte.


    "Wenn ihr mir bitte folgen möchtet - die Gästezimmer befinden sich nicht weit von hier im Südflügel. Es wird wohl eine Weile dauern, bis ihr mit dem Gebäude vertraut seid, doch scheut euch nicht, Banadar in Anspruch zu nehmen, wenn ihr etwas suchen solltet. Natürlich könnt ihr euch frei bewegen, wenn euch der Sinn danach steht. Ich habe nichts zu verbergen."


    Mit diesen Worten und einem leisen Lachen, bei dem weiße Zähne aufblitzten, bot er Ayala seinen Arm an, um sie formvollendet durch das Haus zu geleiten.

    "Ich bin mir sicher, daß ihr mühelos den richtigen Weg - und die schwarze Rose - finden werdet, meine Teure. Und sorgt euch nicht wegen Banadar... ich werde dafür Sorge tragen, daß er euch nicht belästigt. Und falls doch..."


    Ein merkwürdiges, beunruhigendes Lächeln breitete sich über Sarandirs Gesicht aus und sein Zögern dauerte für einen Augenblick an, bevor er schließlich weiter redete. Es war schwer zu sagen, was ihn in diesem Augenblick amüsieren mochte, oder was überhaupt in seinem Kopf vor sich ging.


    "... bin ich mir sicher, daß ihr euch zu wehren wisst."


    Die leichte Anspannung löste sich so, als sei sie niemals vorhanden gewesen und der Adelige lehnte sich wieder bequem in seinem Sessel zurück.


    "Wenn ihr möchtet, kann ich euch nun zu euren Gemächern bringen, damit ihr euch damit vertraut machen könnt. Und zögert bitte nicht, danach zu fragen, wenn ihr etwas brauchen solltet, was sich noch nicht dort befindet."


    Mit einer entschlossenen Bewegung erhob sich Sarandir aus seinem Sessel, nahm das Kästchen auf und hielt es Ayala unmißverständlich entgegen. Seine Augenbraue hob sich leicht in die Höhe, während ein schiefes Lächeln über seine Lippen tanzte.


    "Und in eurer Rolle als reiche Adelige aus fernen Landen könntet ihr dies hier sicherlich gebrauchen..."

    "Oh, ihr könnt es verkaufen, meine Liebe. Wenn euch jedoch harte Seesterne lieber sind, so soll dies keine Schwierigkeiten bereiten."


    Sarandir lächelte, nahm das Kästchen jedoch trotz seiner Aussage nicht wieder an sich, sondern lehnte sich nur bequem in seinem Sessel zurück. Für einen Augenblick schien er nachzusinnen und betrachtete augenscheinlich die Decke, doch dann wandte er sich wieder an die Cath'shyrr.


    "Und wenn euch eine Unterkunft Kummer bereitet, so seid mein Gast, so lange eure Anstellung währt. Dieses Haus verfügt über genügend große Zimmer, in denen es euch sicherlich an nichts fehlen wird."


    Hätte die Cath'syhrr mehr über den Adeligen gewusst, so hätte sie hinter diesem Angebot sicherlich so einiges vermutet, doch obgleich Ayala ausgesprochen attraktiv war und durchaus in das Beuteschema des Adeligen passte, hätte in diesem Augenblick keiner dieser Gedanken wirklich ins Schwarze getroffen. In der Tat sah Sarandir in diesem Augenblick wenig mehr in seinem Angebot, als der Frau, die ihm einen Dienst erweisen sollte, ein Dach über dem Kopf zu verschaffen, von dem aus ihr die Mittel zur Verfügung standen, den Auftrag zu erledigen.


    "Oh, ich kann euch einiges erzählen, doch ich glaube nicht, daß diese Geschichten wirklich wahrheitsgetreu wiedergegeben worden sind. So hält sich das hartnäckige Gerücht, daß sie den Grafen Donnerfaust im Schlaf um ein Medaillon erleichtert haben soll, das er niemals abgelegt hat. Oder die Gräfin Imarkar, die über ausgeprägte Fechtkünste verfügen soll und der die schwarze Rose in einem Duell das Kleid zerschlitzt haben soll, ohne ihre Haut dabei zu Schaden zu bringen. Diese Geschichte beruht meiner Meinung nach eher auf der gehässigen Phantasie einiger Adeliger, als auf wirklichen Geschehnissen."


    Der Gedanke zauberte ein versonnen wirkendes Lächeln auf das Gesicht des Adeligen. In der Tat war die Gräfin eine wehrhafte Person, doch er konnte sich nicht vorstellen, daß eine andere Frau ihr Kleid hätte aufschlitzen wollen.

    Sarandirs Lächeln wirkte beinahe süffisant, als er eine Schublade seines Schreibtisches öffnete und ein Kästchen aus edlem Holz zum Vorschein brachte. Mit einer geschickten Bewegung seiner schlanken Finger klappte er es auf und offenbarte ein mit nachtblauem Samt ausgelegtes Inneres, auf dem ein edles Collier aus Diamanten und Smaragden thronte. Der Wert des Schmuckstückes musste sehr hoch sein, höher als das, was so mancher einfacher Bürger der Stadt in seinem ganzen Leben zu verdienen vermochte. Das zumindest war sicher.


    "Gestattet mir, euch dies als kleine Anzahlung zu überreichen und vertraut mir - ich werde euch angemessen für eure Dienste entlohnen, wenn ihr erfolgreich seid."


    Mit einem leisen Klacken schnappte das Kästchen wieder zu und Sarandir schob es ohne das geringste Anzeichen eines Zögerns zu der Cath'shyrr hinüber. Danach lehnte er sich bequem in seinem Sessel zurück und fixierte Ayala für einen Augenblick nachdenklich. Es war beileibe nicht einfach, etwas über jemanden zu erzählen, den man nur kurz angetroffen hatte und der noch dazu auf Abstand geblieben war. In der Tat war dies der Grund, weswegen er die Cath'shyrr brauchte.


    "Was ich weiß? Viel ist es nicht. Sie war von graziler Gestalt und besaß spitze Ohren... das macht noch keine gute Beschreibung, nicht wahr? Doch des Abends sind meine Räumlichkeiten meist eher spärlich beleuchtet. Ich befürchte also, daß ich euch weder Augenfarbe, noch Haarfarbe nennen kann... was möchtet ihr also über sie wissen?"

    Sarandir versuchte zwar den Tonfall der Katzenfrau für sich zu deuten, doch seine Versuche blieben ohne Erfolg und er vermochte nicht zu sagen, was sich dahinter verbarg. Zwar galt er als Liebhaber der Damenwelt, doch Sarandir gab sich keinen Illusionen hin - wenn es darum ging die Frauen zu verstehen, so war er ebenso ratlos wie jeder andere Mann.


    "Nun..."


    Eine Pause schlich sich in den angefangenen Satz, als er über die Antwort sinnieren musste. Was genau wollte er eigentlich mit der Schwarzen Rose? Er wusste es selbst nicht, wenn er ehrlich sein sollte. Wahrscheinlich steckte wenig mehr dahinter, als lediglich der Wunsch, zu wissen wer sich hinter der Maske verbarg und dieser Person noch einmal gegenüber zu stehen.


    "... ich halte nicht viel von den gerechten Strafen der Justiz. Aber es reizt mich ungemein zu wissen, wer sich hinter dieser Maske verbirgt. Nein, es geht mir nicht darum, daß sie mit jenem kleinen Kästchen davongekommen ist, in dem Schmuck von einigem Wert aufbewahrt worden ist. Ich habe genügend davon. Aber ich möchte wissen, welche Art von Frau sich wohl des Nachts in die Häuser des Adels schleicht..."

    "Ich kenne viele Magier, meine Liebe. Und wenn ihr meine Aufgabe gut erfüllt, wäre ich durchaus gewillt, einen Kontakt herzustellen, der euch dienlich sein könnte... aber kommen wir zu eurer Frage."


    Sarandir hatte nicht gelogen - als Mitglied des Rates waren ihm viele Magier der Akademie bekannt und es war ihm ein leichtes, einem davon einen Gefallen abzuringen. Da Rhovan Varanor dies jedoch nicht gerne sah, griff er nur selten auf solcherlei Kontakte zurück - was nichts daran änderte, daß er es vermochte.
    Allerdings, bevor dies überhaupt nötig wurde, musste eine gewisse Voraussetzung erfüllt sein. Der Adelige lehnte sich auf seinem Sessel zurück und legte die Arme auf den Lehnen ab. Lediglich die leichte Bewegung seiner Finger deuteten darauf hin, daß ihn das Thema stark zu beschäftigen schien.


    "Nun, es sollte mich nicht wundern, wenn ihr den Namen dort vernommen hättet. Die schwarze Rose ist eine Art Legende... besonders in den Kreisen des Adels, die sie nur zu gerne heimsucht. Eine sehr lebendige Legende, wenn ich dies sagen darf... sie raubt dem Adel des Nachts den Schlaf und einen Teil seines Reichtumes, um ihn dann unter den weniger Privilegierten zu verteilen... auch ich hatte schon einmal das Vergnügen, mit der Dame Bekanntschaft zu schließen..."


    Sarandir brach ab, als er an den Abend dachte, an dem die schwarze Rose in sein Arbeitszimmer eingedrungen war. Das Wortgefecht war amüsant gewesen... der Ausgang der Begegnung jedoch weniger.

    "Oder einen findigen Wassermagier engagieren, der euch nach oben bringt..."


    Sarandir ließ das Thema fallen, als er bemerkte, daß es für sein Gegenüber offenbar unangenehm war. Es war nicht so, daß sein Gespür für Zwischentöne unbedingt blendend ausgeprägt war, aber es war deutlich geworden, daß die Cath'shyrr nicht wirklich über dieses Thema zu reden gewillt war. Stattdessen lehnte er sich nach vorne und faltete die Hände auf dem Tisch.


    "Gut, kommen wir also zum Geschäft. Ich weiß nicht, ob ihr schon lange genug in der Stadt seid, um etwas von der Schwarzen Rose gehört zu haben...?"


    Er blickte Ayala aufmerksam an, um ihre Reaktion bei der Erwähnung des Namens zu beobachten. Es war durchaus möglich, daß sie bereits von der Existenz dieser Frau Kenntnis hatte. Andererseits wusste er nicht, wie sehr sie an solcherlei Geschichten interessiert war.

    Kurz nachdem Ayala ihren letzten Satz beendet hatte, trat Banadar in den Raum und brachte den Sternanemonenwein, der zart rosa schimmernd in einer Kristallkaraffe funkelte. Er stellte das Silbertablett mit den feinen Mustern auf dem Tisch ab und füllte zwei passende Kelche damit, bevor er sich in eine Ecke des Zimmers zurückzog und darauf hoffte, mit den Schatten zu verschmelzen.
    Sarandir blickte den Diener mit einer leicht empor gezogenen Braue an und seine Stimme hatte einen leicht amüsierten Unterton, als er ihn ansprach.


    "Ich brauche Deine Dienste nicht mehr, Banadar. Vielen Dank, Du kannst Dich zurückziehen."


    Eine unwillige Verneigung später war Banadar aus dem Arbeitszimmer verschwunden und ließ Ayala und Sarandir wieder allein zurück. Sarandir lehnte sich in seinem Sessel zurück.


    "Eine traurige Geschichte, meine Liebe. Aber ihr wisst, daß ihr nicht an den Fluch der der Eriadne gebunden seid - ihr könntet die Kuppel verlassen, wenn ihr einen Weg dazu finden könntet... im Gegensatz zu mir. Ich befürchte, ich bin an die Insel gebunden, bis ich mein Leben ausgehaucht habe."


    Er lachte leise auf und es war schwer zu sagen, ob es ein amüsiertes, oder ein bitteres Lachen war.


    "Aber ich bin mir sicher, daß ihr vieles zurücklassen musstet. Einen Geliebten sicherlich? Eine Frau wie ihr bleibt selten lange allein, das wird über den Wellen nicht anders sein als hier."


    Sarandir lächelte und nippte an seinem Sternanemonenwein, den er mit einem leisen Klacken wieder auf dem Tisch abstellte. Er musterte die Cath'shyrr erneut - noch nie hatte er eine Frau von ihrer Art gesehen und der Anblick des katzenhaften Wesens faszinierte ihn immer wieder.


    "Und wenn euch Geheimnisse reizen, so seid ihr genau die Frau, nach der ich für mein kleines Vorhaben gesucht habe..."

    "In der Tat ist es ein delikates Geheimnis, meine Liebe. Und ich könnte mir vorstellen, daß ihr genau die richtige Person dafür seid. Oder zieht ihr das reine Kämpfen einem Geheimnis vor?"


    Sarandir ließ ein leises Lachen vernehmen, während er die Treppe hinauf schritt und Ayala an ihrem Ende zu einer massiven Tür aus schimmerndem, dunklen Holz lenkte. Der obere Teil der Villa wirkte nicht weniger prunkvoll als der Eingangsbereich und viele Augen blickten aus von vielen Fresken mit mythischen Szenen auf die Besucherin hinab.
    Als er die Tür öffnete, gab sie den Blick auf ein angenehm eingerichtetes Arbeitszimmer mit einem polierten Schreibtisch preis, der von ledernen Sesseln umgeben war und auf dem sich einige Papiere befanden. Portraits von Sarandirs Ahnen schmückten die Wände, ebenso wie einige wertvoll aussehende Lederfolianten, die in einem Regal ruhten.


    "Aber bitte, setzt euch. Ich bin neugierig zu erfahren, was eine Cath'shyrr wohl unter das Meer verschlagen haben mag."

    Sarandir wandte sich nur für einen Augenblick zu Banadar um, der mit einer leicht indignierten Miene auf die Szenerie starrte. Als sein Herr die Augen auf ihn richtete, nahm der Diener sogleich Haltung an und bemühte sich, seine Mißbilligung vor ihm zu verbergen.


    "Banadar, würdest Du uns bitte eine Karaffe mit dem Sternanemonenwein aus Asrallea in mein Arbeitszimmer bringen?"


    Erst vor Kurzem hatte die Familie Eisenklinge einen lukrativen Handel mit einem meerelfischen Adelshaus besiegelt und war nun in der glücklichen Lage, das seltene und leichte Getränk exklusiv anbieten zu können. Es war recht schnell zu einem beliebten Trunk zu jeder Tageszeit geworden - zumindest bei denjenigen, die es sich leisten konnten.
    Banadar verneigte sich tief und zog sich schließlich zurück, um den Auftrag auszuführen, während Sarandir sich wieder Ayala zuwandte. Seine Augen streiften ihre Aufmachung mit einem gewissen Wohlwollen - die Cath'shyrr war von einer exotischen Schönheit, die seinen Augen nicht verborgen geblieben war.


    "Neugier - eine wunderbare Gabe für die Aufgabe, die ich euch zugedacht habe. Denn ihr sollt mir bei der Lösung eines Geheimnisses helfen, meine Teure. Aber wenn ihr mich zuerst nach oben begleiten würdet?"

    "Wie selten, mein Herr hat mich gar nicht über das Erscheinen einer... Dame... informiert. Wenn ihr gestattet, werde ich nachfragen, ob er Zeit für euren Besuch aufbringen kann."


    Nun, das entsprach nicht ganz der Wahrheit - aber Banadar hasste es einfach, wenn sein Herr sich mit Frauen abgab, die seiner Ansicht nach nicht standesgemäß waren und für seinen Geschmack war er in letzter Zeit viel zu häufig in die Profanität angeglitten. Und daß es sich mit dieser hier wohl kaum bessern würde, war sicher - edle Damen trugen weder Hosen, noch Säbel.
    Mit einer hochgezogenen Augenbraue öffnete der Diener aber dennoch die Tür, um Ayala eintreten zu lassen. Schließlich stand es ihm nicht zu, offen gegen den Willen seines Herren zu agieren. Aber Banadar wollte von Shirashai verflucht sein, wenn er es sich nehmen ließ, seine Mißbilligung zu bekunden. Wo waren die Zeiten gebleiben, in denen sich der Adel mit seinesgleichen abgab? Eine Anstellung? Eine Frau mit einem Säbel? Das konnte er sich kaum vorstellen.


    Gerade wandte er sich ab, um sich auf die Suche nach seinem Herren zu machen - was er eigentlich nicht wirklich wollte, doch es konnte nicht schaden, sie eine Weile warten zu lassen - als zu seinem persönlichen Unglück jedoch Sarandir höchstpersönlich die weitläufige Treppe hinabkam, die zu seinen privaten Gemächern führte. Er war leger gekleidet - ein lockeres, weißes Hemd und eine schwarze Hose zu hohen Stiefeln wirkten nicht unbedingt, als erwarte der Adelige, heute besondere Pflichten wahrnehmen zu müssen.


    Ein charmantes Lächeln legte sich auf Sarandirs Lippen, als er die Cath'shyrr an der Tür stehen sah und er bewältige die letzten Stufen nur, um am Treppenabsatz in eine elegante Verbeugung zu gleiten.


    "Ayala, Tochter des Tangalur - ich bin erfreut, daß ihr meiner Einladung Folge geleistet habt."

    Sarandir hatte sich während des Gespräches zwischen Kerry und Ayala wieder dem Goldschmied zugewandt und diesen zur Herausgabe eines kleinen Pergaments und einer Schreibfeder bewegt. Für einen Stadtansässigen war es mit Sicherheit keine Frage, wo sich die Villa Eisenklinge im Adelsviertel befand, für jemanden, der hier noch nicht allzu lange verweilte, würde es aber durchaus mühevoll sein, unter den Villen des Viertels die Richtige zu finden.
    So notierte er also in geschwungenen Buchstaben, wo sich die Villa Eisenklinge befand - war sich jedoch gleichzeitig nicht mehr sicher, ob die Cath'shyrr des Lesens mächtig war. Es war nicht selten, daß Angehörige des einfachen Volkes nicht Lesen und Schreiben konnten und Klingenkünstler interessierten sich doch recht selten für das geschriebene Wort. Zumindest dies konnte er aus eigener Erfahrung bestätigen.


    So reichte er ihr das Pergament trotzdem - schließlich bestand noch immer die Möglichkeit, daß sie sich die Worte vorlesen ließ und mischte sich kurz in das Gespräch ein – natürlich nicht, ohne abzuwarten, bis beide Teilnehmer verstummt waren. Dies gebot schließlich die Höflichkeit und auch wenn man es öfter abstreiten wollte – Manieren besaß Sarandir.


    Anscheinend hatte er es hier mit einem Nachtelfenhasser zu tun, der seine Meinung gerne laut kund tat. Nun denn – es war nicht seine Sache, sich hier einzumischen und die Nachtelfen kümmerten ihn nicht. Stattdessen reichte er der Cath’shyrr das Pergament und verneigte sich kurz, denn Säbel oder nicht - immerhin handelte es sich um ein weibliches Wesen.


    „Meine Dame – wenn ihr euch überlegt habt, ob ihr mein Angebot annehmen möchtet, so findet ihr meine Villa im Adelsviertel. Doch nun müsst ihr mich leider entschuldigen, denn wichtige Geschäfte benötigen meine Anwesenheit.“
    Ein schiefes Lächeln lag auf Sarandirs Lippen und es wirkte ganz so, als sei er nicht allzu angetan von der Aussicht auf diese wichtigen Geschäfte. In der Tat verbrachte er seine Zeit lieber ohne Pflichten, wenn es ihm möglich war. Schließlich wandte er sich nach einem kurzen Nicken in Richtung der Männer ab, um die Runde zu verlassen.


    [SIZE=1]OOC: Ich krümel mich mal aus dieser Runde raus, damit ich das Geschehen nicht aufhalte. Ayala kann aber gerne trotzdem jederzeit vorbeischauen - es geht halt nur langsam voran.[/SIZE]