Beiträge von Amaray

    Das Lachen des Yassalar klang grausam und hässlich, es ließ keinen Zweifel daran, daß er des Sieges gewiss war und daß die Meereselfe in seinen Armen keine Gnade erfahren würde. Amarays Herz hatte sich in die Schwingen eines gefangenen Vogels verwandelt, so schnell pochte es in ihrer Brust, während ihre Gedanken mit ähnlicher Geschwindigkeit durch ihren Kopf rasten und sich beinahe dabei überschlugen. Der Yassalar war stark, zu stark für sie, soviel war gewiss. Verzweifelt versuchte sie, einen Ausweg zu finden und doch erschloss er sich ihr nicht, denn jede unüberlegte oder schnelle Bewegung würde sie das Leben kosten.
    Auch die Tritonenpatroullie war zu einem ähnlichen Schluß gelangt, denn die Krieger verharrten reglos, nach einer Möglichkeit suchend, den Yassalar aufzuhalten, ohne daß Amaray etwas geschah. Doch die Chancen waren klein und soviel zumindest, war allen von ihnen bewusst.


    Der Yassalar hingegen sonnte sich in seinem so sicher wirkenden Triumph. Von dieser Stelle aus war es nicht weit bis nach Nir'alenar. Er konnte mühelos die Kuppel erkennen und wusste, daß er dort untertauchen konnte. Ja, er kannte sich gut aus in der Stadt unter der Kuppel, in die seine Geschäfte ihn nicht selten brachten und die Meereselfe würde ihm eine passende Gespielin sein, bis er ihrer überdrüssig wurde. Mit einem süffisanten Grinsen wandte er sich an den Meereselfen, der ihm den Schnitt an seinem Arm beigebracht hatte.


    "Ich glaube, kleiner Fisch, daß Du nicht in der richtigen Position bist, um Forderungen zu stellen. Aber Du kannst Dir sicher sein, daß ich Dich finden werde und diese Angelegenheit hier zuende bringe. Aber nun entschuldigt mich bitte - wichtige Geschäfte verlangen meine Anwesenheit."


    Mit einer spöttisch angedeuteten Verbeugung, Amaray noch immer fest im Griff, ließ er sich langsam nach hinten treiben, weg von den erstarrten Wesen in Richtung der Kuppel.

    Der Stoß des Mira'Tanar war tödlich. Gezielt schoß er auf das Herz des Yassalar zu, die Klinge fest in der Hand, den Feind fest im Visir. Und doch musste er fehl gehen, denn die Geistesgegenwart des weißhaarigen Tritonen hinderte die Klinge daran, das Ziel zu finden und dem Hass des Yassalar ein Ende zu machen.


    Mit einer schnellen Bewegung stieß er den Meereselfen beiseite und die Klinge glitt, anstatt in das Herz des Yassalar, über seinen Arm hinweg und verursachte einen tiefen Kratzer, aus dem sogleich sein Lebenssaft hervor quoll, um das Wasser um die kleine Gruppe herum rot zu einzufärben. Doch anstatt sich zur Wehr zu setzen, erkannte der Yassalar seine Chance, seinen Feinden zu entfliehen, um später seine Rache zu bekommen. Ja, er erkannt, wann ein Kampf verloren war und wann es Zeit war, die Bühne zu verlassen. Und er wusste genau, wie man dies mit Stil und der passenden Absicherung erreichte.


    Mit einem wütenden und doch gleichzeitig triumphierenden Zischen schoss er in dem folgenden Durcheinander aus Meerelf und Triton auf Amaray zu, die ihm sein Leben erkaufen würde. Seine schwarzen Arme schlossen sich fest um ihren blau schimmernden Leib, während seine eigene Klinge kurz darauf mit blitzartiger Geschwindigkeit an ihrer Kehle ruhte und sie neckend ritzte. Amaray, kurz abgelenkt von Mallalais unerwarteter Handlung hatte keine Zeit zur Gegenwehr. Sie befand sich in der Gewalt des Feines, der die Situation mit dem Grinsen eines Haifisches überblickte, der sich des Sieges über seine Beute sicher war.

    Die Tritonen kamen mit atemberaubender Geschwindigkeit auf die kleine, kämpfende Truppe zugeschwommen und als der durch die beiden Meereselfen abgelenkte Yassalar sie endlich bemerkte, war es bereits zu spät, ihnen noch zu entkommen. Mit einem wütenden Fauchen ließ er von seinen beiden Gegnern ab und wich zurück, unschlüssig, ob er sich in den Kampf gegen die neuerlichen Gegner werfen sollte oder ob es noch einen Weg des Rückzuges geben mochte. Doch so sehr er sich bemühte, so schnell sein Kopf herum fuhr, um noch eine Lücke auszumachen - die kampfbereiten Tritonen hatten sie bereits geschlossen.
    Einer von ihnen, ein kräftiger Mann mit dem silbrig weißen Haar der reinblütigen Tritonen, der einen von vielen Kämpfen zerkratzten Deizack in der mächtigen Hand hielt, öffnete die Lippen, um dem Geschehen im befehlsgewohnten Ton Einhalt zu gebieten.


    "Ergebt euch, Schande des Meeres, bevor wir dazu gezwungen sind, den Meeresboden mit eurem Blut zu besudeln!"


    Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß er jedes seiner Worte genau so meinte, wie es seinen Mund verlassen hatte und er musterte den Yassalar mit einer deutlichen Verachtung, die in seinen tiefblauen Augen lag. Dessen Lippen zogen sich zurück, um seine Zähne zu einem hässlichen Grinsen entblößen, aus dem der gleiche Hass auf die Riesen der Meere sprach, die diese ihm entgegen brachten.


    "Dann kommt und tötet mich, ihr ehrenvollen Ritter des Meeres."


    Ein grausames Lachen folgte seinen Worten, ein Lachen, das Amarays Blut zu Eis erstarren ließ. Sie konnte an den Gesichtern der Tritonen ablesen, wie sehr ihnen das Töten mißfiel. Und der Yassalar wusste dies ebenso wie sie, wollte ihren Rettern auch noch mit seinem letzten Atemzug Schaden zufügen. Ihre Hände krampften sich noch fester um die Griffe der Messer und sie kämpfte gegen den Impuls an, dem Yassalar die Klingen in die Rippen zu jagen, um seinem unerträglichen Hass, mit dem er jedem anderem Lebewesen begegnete endlich ein Ende zu bereiten.

    Eine seltsame Kälte hatte sich der Mira'Tanar bemächtigt und so blickte sie dem Yassalar gelassen entgegen und wich auch nicht vor ihm zurück, als er schließlich seinen ersten Angriff führte. Ja, er war stark. Er war stärker als Amaray, daran bestand kein Zweifel, als die Klingen aufeinander prallten und es ihr nur mit Mühe gelang, seinen Stoß abzuwehren. Ja, dieser Kampf mochte ihr Ende sein, dessen war sie sich sicher. Trotzdem waren ihre Lippen zu einem schiefen Lächeln verzogen, das so gar nicht zu dieser Situation passen wollte. Denn vor Amarays innerem Auge hatte sich ein Gesicht manifestiert. Ein Gesicht, das sie mit kühlen Augen beobachtete und das sie gnadenlos auf jeden Fehler hinwies, den sie sich erlaubte.
    Wieder kam ein Angriff des Yassalar und wieder hatte Amaray Mühe, ihn abzuwehren. Ein feiner, blutiger Striemen lief über ihren Arm und färbte das Wasser um sie herum, so als wäre diese Wunder noch weitaus größer und tiefer. Sie wusste nicht, wie lange sie ihm noch standhalten konnte und Bedauern fand einen Platz in ihren Gedanken. Denn Amaray lebte gerne und sie war nicht bereit, ihr Leben gar so schnell aufzugeben.


    Doch was war das? Aus den Augenwinkeln sah die Mira'Tanar Bewegungen. Ja, dort kamen Gestalten auf sie zu geschwommen, große Gestalten, die mächtige Dreizacks in den Händen hielten. Tatsächlich, es war eine Patroullie der Tritonen, die das Korallenreich vor den Angriffen der Yassalar schützten und sie hielten ohne zu zögern auf die kleine, kämpfende Gruppe zu.

    Entsetzt sah Amaray, wie der andere Meereself von dem Yassalar getroffen wurde, doch sie konnte nicht erkennen, was genau mit ihm geschehen war. Zwar glaubte sie nicht, daß der Schlag tödlicher Natur war, doch er mochte gereicht haben, um ihn bewusstlos zu schlagen. Ängstlich umklammerte sie ihre beiden Messer fester. Wenn der andere Mira'Tanar tatsächlich bewusstlos war, würde der Yassalar ein leichtes Spiel mit ihr haben. Doch Amaray war noch nicht gewillt, ihr Leben kampflos aufzugeben. Das seltsame Feuer in ihrem Inneren, das so gar nicht zu ihrer Natur passen wollte, verscheuchte die Angst und ließ sie ihrem Gegner entschlossen in die Augen blicken, als er sich zu ihr umwandte.


    "Und nun bist Du an der Reihe..."


    Sein Grinsen war häßlich, beinahe einer verzerrten Fratze gleich, und Amaray konnte nicht anders, als ihn aus tiefstem Herzen zu verabscheuen. Der Hass färbte ihre Worte, als sie eine Erwiderung darauf fand und ihm ihre Herausforderung förmlich entgegen spie.


    "Dann kommt und lasst es uns zu Ende bringen. Dann werden wir sehen, wer wirklich an der Reihe ist!"

    Das Manöver des anderen Mira'Tanar war atemberaubend anzusehen und selbst die Augen des Yassalar weiteten sich für den einen Augenblick, in dem er abgelenkt war. Beinahe schien es, als habe das Auftauchen einer anderen seiner Art dem anderen Elfen neuen Mut und neue Kraft verliehen und Amaray zögerte nicht, den neu gewonnenen Vorteil auszunutzen.
    Flink war sie auf den Yassalar zugeschossen, die Messer fest in den Händen, und ebenso rasch war es ihr gelungen, ihn an der Seite zu erwischen und ihm eine blutende Wunde zuzufügen, die sicherlich schmerzhaft sein musste. Das weiche, schwarze Fleisch hatte sich ohne Widerstand geöffnet und der Yassalar stieß einen Schmerzensschrei aus, als er seine Aufmerksamkeit seiner neuen Widersacherin zuwandte. Wut flammte in seinen Augen auf und alles, was zuvor noch grausam und spielerisch gewesen war, wurde nun allein durch Grausamkeit ersetzt.


    "Genug des Spiels - es ist Zeit zu sterben."


    Die Worte drangen zwischen den gefletschten Zähnen hervor und ließen keinen Zweifel daran, daß er jedes davon genau so gemeint hatte. Es war in der Tat das Ende des Spiels...

    Der Schrei des Meereselfen riss Amaray aus ihrer Erstarrung. Wenn der Kampf so weitergehen würde, wäre der andere Elf in wenigen Augenblicken tot. Und es bestand kein Zweifel daran, was der Yassalar dann mit ihr tun würde. Einmal mehr verfluchte sie sich selbst und ihre Unfähigkeit eine Fee an sich zu binden. Nein, fliehen war keine Option, es war nie eine gewesen. Allein hatten sie beide keine Chance, doch vielleicht konnten sie zumindest gemeinsam etwas ausrichten, auch wenn die Möglichkeit gering war, so gering, daß man sie kaum als vorhanden bezeichnen konnte.
    Amarays Gesicht verzog sich zu einer entschlossenen Grimasse, als sie nach den Messern tastete, die sie an ihren Oberschenken befestigt hatte. Eines davon war ein Geschenk Sharilays gewesen und sie spürte, daß es ihr Glück bringen würde.
    Erneut flackerte das Feuer in ihrem Inneren auf, als sie die schwarze Haut des Yassalar musterte und der alte Hass ihres Volkes auf ihren Feind brannte wie ein Feuersturm in ihrem Inneren. Nein, allein gab es keine Chance, doch gemeinsam konnten sie es schaffen. Daran glaubte Amaray fest.


    Mit einem wütenden Kampfschrei schoß sie auf den Yassalar zu, ein Messer in jeder ihrer Hände, Entschlossenheit in den blauen Augen, die nun von ihrem inneren Feuer erfüllt waren. Zwar mochte Amaray nur die wichtigsten Grundzüge des Kampfes kennen, die für alle Mira'Tanar zum Leben gehörten, doch dise kannte sie dafür umso besser.

    Nein, Amaray hatte die Grenzen Ya'tanais noch nie zuvor verlassen und es hinterließ eine seltsames Prickeln in ihrer Magengegend, jetzt von ihrer Heimat entfernt zu sein, allein, ohne jeden Begleiter.
    Die Meereselfe schwamm zügig durch das Wasser des Sternenmeeres und hatte kaum einen Blick für ihre Umgebung, während ihre Gedanken um die Geschehnisse kreisten, die sie mit Kina'mallei hinter sich gelassen hatte. Noch immer konnte sie Niralor vor sich sehen, das amüsierte Glitzern in seinen grünen Augen, das schmale, gutaussende Gesicht, dessen Lippen sich kaum jemals zu einem Lächeln verzogen. Und den wachsamen Blick seiner Fee, die Amaray niemals aus den Augen gelassen hatte, während der Magier ihr seinen Auftrag übermittelt hatte.
    Ein Seufzen drang über Amarays Lippen. Sie würde ihn niemals aus ihren Fängen lassen, das war gewiss. Und er würde sie niemals verraten. Und sie hasste es, oh, wie sie es hasste, daß sie sich in seiner Gegenwart noch immer wie ein kleines, dummes Mädchen fühlte. Noch dümmer, da sie noch nicht einmal eine Fee vorzuweisen hatte. Machte er sich über sie lustig? War es das, was das Glitzern in seinen Augen bedeutet hatte? Amaray fühlte, wie sich das nervöse Prickeln in ihrem Magen in Wut verwandelte, während sie darüber nachsann. Die Wut fühlte sich warm an, ein beinahe beruhigendes Feuer in ihrem Inneren, das nicht selten in ihr brannte.


    Abgelenkt von ihren eigenen Gedanken hatte sie es nicht bemerkt, wie sich etwas an ihrer zuvor so friedvollen Umgebung verändert hatte. Sie konnte noch nicht einmal wirklich sagen, was genau es war. Ein Gefühl von Gefahr womöglich, das das Feuer so schnell auslöschte, als hätte jemand einen Eimer eiskalten Wassers darüber geschüttet. Alles in Amaray zog sich schmerzhaft zusammen, als ihr Blick schließlich auf das fiel, was das Gefühl in ihr ausgelöst hatte. Ein Kampf, der das Wasser aufpeitschte und unruhig machte. Ein Kampf zwischen einem Meereselfen und einem Yassalar. Innerlich verfluchte Amaray sich selbst und ihre Unvorsichtigkeit. Die beiden Kämpfenden mussten sie bemerken - es gab keinen Schutz, keinen Ort, an dem sie sich verstecken konnte. Wie erstarrt blickte sie für einen Moment auf das, was sich vor ihren Augen abspielte...