[Yelindea Hafen]
Keona nieste, sie zog die Füße wieder unter die Decke und versuchte weiter zu schlafen. Klirr... In ihrer unmittelbaren Nähe krachte Ton auf Stein. Keona erschrak und saß kerzengrade im Bett, dann drehte sie sich in die Richtung, aus der der Lärm kam. Auf dem Boden lag ein Laib Brot geformt wie ein Zopf und ein zerbrochener Teller lag daneben. Auf dem Tisch neben dem Bett saß ein dicker schwarzer Kater und schleckte etwas Butter von einem Tellerchen. Man hatte ihr ein Frühstück bereit gestellt stellte Keona erstaunt fest. Erneut erfasste sie ein heftiger Nieser, bei dem es ihren ganzen Körper riss und mit ihrem rechten Flügel fegte sie dabei unabsichtlich das Tablett samt Kater vom Tisch. Kleine Daunenfedern flogen durch die Luft und der Kater schoss fauchend und mit gesträubtem Fell durch die offene Zimmertür davon. Das Wasser aus dem Krug ergoss sich unaufhaltsam über den Steinboden und durchnässte das zerstreute Frühstück.
Es dauerte eine Weile, bis sich Keona gewahr wurde wo und vor allem wie sie hier hergekommen war. Angst durchflutete sie bei dem Gedanken an die Zukunft. Wo sollte sie hingehen? Würde sie irgendwann wieder zurück kommen können? Ließ man nach ihrem nächtlichen Verschwinden nach ihr suchen?. Keona schwirrte der Kopf. Erst einmal weg von hier. Der Morgen graute unter der Kuppel, bald würden die Schiffe auslaufen und sie musste noch eine Überfahrt organisieren. Leichtfüßig stieg sie aus dem Bett und legte sorgsam ihre Flügel an. Das Zimmer war zwar groß, aber doch etwas zu klein um unachtsam die Flügel auszubreiten. Etwas betrübt besah sie sich das durchnässte Frühstück, klaubte es vom Boden auf und stapelte es zusammen mit den Scherben auf dem Tablett, anschließend stellte sie es zurück auf den Tisch. Sie zog sich ihre Reisekleidung an und stopfte ihr Kleid unordentlich in ihren vollgepackten Rucksack, als ein brauner einfacher Beutel auf dem Stuhl ihre Aufmerksamkeit erregte. Man hatte ihr Reiseproviant sorgsam in Wachspapier geschlagen und ordentlich in den Beutel gepackt. Keona lächelte und legte 3 Golddukaten auf den Tisch und verließ das Gasthaus durch den Gastraum. In eben diesem roch es sauber nach Seifenlauge und die Stühle waren auf die Tische gestellt worden, das Feuer war erloschen und der Kamin feinsäuberlich ausgekehrt. Ein leises Windsäuseln folgte ihr unsichtbar auf Schritt und Tritt. Keona wusste das Ipati ihr folgte, verkneifte sich aber jede Bemerkung.
Direkt vor ihr erstreckte sich der große Hafen von Yelindea. Mehrere Schiffe verschiedenster Art lagen hier vor Anker. Prächtige Wolkenschiffe in verschiedenen Größen, große Handelsgaleeren bis hin zu kleinen Ruderjollen reihten sich an den Stegen und wiegten sich leicht in den Wellen. Seemänner sind Frühaufsteher stellte sie gedanklich fest. Sie wuselten auf Stegen und Schiffen umher, riefen schon zu früher Stunde Anweisungen und scheuchten Schiffsjungen herum. Kisten und Fässer wurden zuhauf verladen und Lieferanten wie Händler fuhren ihre Waren in Kutschen und Karren zum Markt, um sie dort an den Mann zu bringen. Ein Kreislauf der sich jeden Tag wiederholte. Keona ließ ihren Blick über den Hafen schweifen, sie suchte nach Reisenden die müde und mit viel Gepäck sich irgendwo am Hafen tummeln würden. Eine kleine gemischte Gruppe sammelte sich vor einem 3 Master. Ein drahtiger Elfen-Offizier mit blonden Haaren stand davor und studierte eine lange Papierrolle. Er schaute gelegentlich auf, deutete mit seiner roten Schreibfeder auf einzelne Personen und hakte sie auf seiner Liste ab. Keona ging auf die Traube zu und steuerte auf direktem Weg den eifrigen Offizier an, der leichte Anzeichen von Missmut auf den Lippen hatte. "Entschuldigt." Sie senkte ehrvoll den Kopf, doch der Offizier blickte sie nur kurz an und winkte die nächste Gruppe zu sich. "Wohin segelt dieses Schiff? Hättet Ihr noch Platz für einen Passagier?"
"Unser Ziel ist Rosandriè, doch solltet Ihr wissen das wir leider vollends ausgebucht sind." der vom Wind und Wetter gegerbte Elf vermerkte etwas mit seiner Feder und seine Lippen wurden schmal. "Wir haben leider keine Kabine mehr frei." Keonas anfängliche Motivation schwand. Eine Windboe kam auf und ein lauter Platscher riss den Offizier aus seinen Gedanken, er drehte sich genervt zu seinem Schiff um. Der Seilwindenkran des Schiffes schaukelte unkontrolliert und verteilte seine Fracht über den Steg und verlor auch einiges im Meer. Keona rollte mit den Augen. Ipati war einfach zu aufbrausend, so konnte sie nur schwerlich in eine Stadt wie Rosandriè reisen um dort zu leben, sie würde von dort aus weiter müssen. "Ich entlohne Euch dafür gut, ist nicht noch eine Matrosenkajüte frei?" fragte sie Hoffnungsvoll. "Ich möchte nicht anmaßend sein, aber Ihr hättet keinen Platz in einer Matrosenkajüte. Ich fürchte Ihr müsst Euch nach etwas anderem umsehen." antwortete er nun etwas nachdrücklicher und beobachtete mit zusammengezogenen Augenbrauen die Matrosen die ihre Fracht aus dem Wasser fischten. "Oder wenn Ihr es wünscht, vermerke ich Euch für nächsten Monat?". "Nein Vielen Dank, ich muss noch heute abreisen." entgegnete Keona und Ihr Blick wanderte über die anderen Schiffe, sie überlegte welches wohl in Frage kam. Der Elf nickte und fuhr fort die Grüppchen durchzuwinken.
Viele der Schiffe die hier am Hafen ankerten wirkten zwar geschäftig, doch keines von ihnen würde nach eigenen Aussagen heute noch ablegen. Keona war enttäuscht und fand sich schwerlich damit ab wohl noch eine weitere Nacht im Gasthaus zu verbringen oder sie würde es bei den Reisekutschen probieren müssen. Sie schlenderte schon fast gemächlich die Stege ab, fragte mal hier mal da die paar Matrosen der übrigen Schiffe, doch keiner hatte Platz oder so unverschämte Überfahrtspreise das sie sich das nicht hätte leisten können. Ein besonders schmieriger Matrose hatte ihr sogar eine Überfahrt für eine, wie er es nannte, Gegenleistung versprochen noch leicht angewiedert stand sie gerade vor einem kleinerem Wolkenschiff, auf dessen Deck ein junger Mann mit einer jadegrünen Weste eifrig umherwirbelte. Er gab verschiedenen Lieferanten Anweisungen und zeigte abwechselnd in verschiedene Richtungen.
Ein Pferdekarren stand am Steg, auf der Ladefläche lagen fein säuberlich Stoffballen gestapelt. Die hageren Lieferanten verzogen ein wenig das Gesicht bei der ungewohnten Belastung. "Das ist normal nicht meine Aufgabe...", brummelte ein junger Lieferant mit braunen zerwuschelten Haaren und bekam dabei von einem älteren Kutscher, der gerade abstieg um mitzuhelfen, einen unsachten Klaps auf den Hinterkopf. "Sei still." zischte er und packte sich ein verschnürtes Leinenbündel.
Langsam erwachte die Stadt zum Leben und immer mehr Händler schoben ihre Karren an ihr vorbei um zum Markt zu gelangen. Keona beobachtete geistesabwesend das Treiben, dass auf dem Wolkenschiff vor sich ging. Sie hatte die Hoffnung bei den Schiffen aufgegeben, so entschloss sie sich nicht weiter nach einer heutigen Überfahrt zu fragen. Sie würde es wohl doch einmal bei den Kutschen ausprobieren um wenigstens aus der Stadt zu gelangen. Als sie sich abwand und in Richtung Stallungen gehen wollte, die auf der anderen Seite der Stadt lagen, gab es einen lauten Schnalzer und ein lautes Krachen folgte. Keona drehte sich um, der Zweimaster hatte ein großes Segel gesetzt und das obwohl er noch ankerte! Keona schwante böses. Sie sah sich nach Ipati um, fand sie aber nicht. Das Schiff ächzte unter der Belastung und zerrte an den Seilen mit denen sie am Hafen vertäut war. Sie schrammte leicht am Steg und die Planke zum beladen des Wolkenschiffes fiel mitsamt dem jungen Lieferanten der zuvor geschimpft hatte ins Wasser. Als die Halteseile nacheinander rissen schossen sie zischend durch die Luft. Die Matrosen der Nachbarschiffe und des Piers eilten zur Hilfe und ein paar Seemänner warfen Schlingen um die Reling und versuchten das Schiff so zu stabilisieren.
Dann sah Keona Ipati.. sie tänzelte freudig hüpfend auf dem schwankenden Segelmast...