Nachtwandler

  • Shizar hob die Brauen, überrascht über die Aufforderung, mit der sie gewiss nicht gerechnet hatte. Sie beugte sich zu ihrem Glas und nahm es wieder auf, nippte daran, während sie versuchte, das Gehörte einzuordnen. Ihre Finger tippten auf ihren Oberschenkel, dann hob sie die Schultern und stieß ein Seufzen aus.


    "Ich bin bislang nicht in der Lage gewesen, das Mal auf meiner Schulter zu tilgen. Wie kommt Ihr auf den Gedanken, dass ich Euch nützlich sein kann?"


    Es war nicht, dass es sie nicht reizte. Ein Geheimnis ... wenngleich es zu dicht mit der Mutter der Nacht verwurzelt war, als dass es keine Gänsehaut auf ihren Armen hinterlassen hätte. Und gewiss ... Shirashai und ihrem Gefolge die Laune zu verderben war ein Gedanke, der ihr gefiel. Dennoch ... zweifelte sie daran, dass sie etwas finden konnte, das bei einem solchen Unterfangen dienlich sein würde.


    Sie lehnte sich zurück und musterte Klavius unter halb gesenkten Lidern. "Aber ich würde nur ungern dabei zusehen, wie Ihr ein armes Kaninchen tötet. Ich habe eine Schwäche für hilflose Kreaturen."


    Es war ein halbes Einverständnis. Zumindest konnte man es als solches auslegen.

  • Klavius nippte an seinem Wein und genoss den Geschmack.

    Shizar's verführischer Blick war ihm nicht entgangen, auch wenn es eher ein Einverständnis war, so tippte der Schatten.


    "Eine Eigenart meines...." Volkes" ist es nicht nur, sich gegenseitig aus dem Weg zu räumen, sondern auch Reichtümer anzuhäufen. Nicht wegen des Reichtums selbst, sondern wegen seiner Bedeutung für den Ruf. Ich besitze viele Möglichkeiten, die anderen verschlossen bleiben, eine Bibliothek die viele wertvolle Bücher enthält und Kontakte. Vielleicht finden wir einen Weg. Diesen zu erkennen, wäre eure Aufgabe. Ihr seid in der Magie bewandert und eure Begleitung könnte vielleicht ebenso helfen?"


    Klavius hatte den kleinen Schatten nicht vergessen, der die Frau in der Gasse begleitet hatte. Auch wenn er sein Geheimnis noch nicht lüften konnte, so wusste er dennoch um ihn.

    Weiter hin entspannt, genoss er seinen Wein und die Wärme des Feuers.


    "Deswegen mein Angebot euch zu helfen, eure Habseligkeiten zu beschaffen. Wenn es sein muss, stelle ich euch einen Raum zur Verfügung für Forschungen und Studien. Sagt mir was ihr braucht. Zudem könnten wir in der Unterwelt nach jemandem suchen, der uns vielleicht einen Tipp geben kann. Allerdings bräuchten wir jemand, der sich mit Shirashai auskennt und ihr zugetan ist. Oder Eriadne vielleicht?"

  • Shizar blickte nachdenklich in ihren Kelch, während sie Klavius lauschte. Es klang so leicht ... als könnte es einen Weg geben, ihre Probleme zu lösen. Und dennoch ... müsste sie hier bleiben. Im Haus eines Mannes, der sie mühelos töten könnte, wenngleich er beteuerte, dass er es nicht tun würde. Sie biss sich auf die Unterlippe, dann setzte sie den Kelch an die Lippen und der Wein hinterließ Wärme in ihr.


    „Es gibt jemanden“, sagte sie schließlich. „Die Frau, die von den Daranday aus dem Tempel der Nacht vertrieben worden ist. Sie war die Hohepriesterin und sie hat gewiss noch eine Rechnung offen. Allerdings ...“, sie zögerte und sah auf, dem Mann in die Augen, der ihr gegenübersaß, „... hat sie sich bislang all meinen Versuchen widersetzt, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Wenn es jemanden gibt, der weiß, wie man Zugang zu diesen Geheimnissen erlangen kann, mag sie es sein. Ich zweifle nicht daran, dass sie noch immer Macht besitzt.“


    Shizar seufzte und lehnte sich müde zurück. Tatsächlich waren all ihre Bemühungen ins Leere gelaufen. Die Priesterin war glitschiger als ein Aal und auf der Hut.

  • "Das ist doch schon mal ein Anfang", bestätigte Klavius selbst.

    "Ich bin mir sehr sicher, das wir sie finden werden. Mit meinem Netzwerk sollte das kein Problem werden. Allerdings sollten wir uns zuerst um eure Habseligkeiten kümmern. Ich werde morgen alles vorbereiten lassen, damit wir sie herschaffen können. Ihr solltet also wissen, was ihr alles braucht, ich werde einige Männer anweisen, das zu veranlassen", erklärte der Schatten.


    Die ganze Sache roch nach einem Abenteuer und das gefiehl ihm. Solange er keine wichtige Mission hatte, konnte er sich um seine Dinge kümmern oder aber Spass haben. Die ganze Sache klang deutlich nach Spass.

    Die Dinge Shizars her bringen zu lassen, würde kein Problem darstellen. Er kannte Männer, welche vom Schmuggeln lebten.


    "Doch eine Sache erklärt mir bitte", bat Klavius. "Wer sind die Daranday?

  • Shizar hob die Brauen. Die Frage überraschte sie. Andererseits ... war es vermutlich nicht abwegig, dass ein von Shirashai Verfluchter die Nähe zu ihrem Gefolge mied. Und tatsächlich nutzte die Stimme der Dunkelheit ihren Namen nicht offen. Nicht mehr. Es schadete der Aura, die sie um sich herum errichtet hatte.


    "Eine mächtige Familie von Shirashai-Anhängern, die sich in Nir'alenar eingenistet haben wie Würmer, die sich in einen faulenden Körper fressen", antwortete sie. "Sanduras, der Vater der hiesigen Stimme der Dunkelheit, regiert über den Tempel der Nacht von Ystrar. Seine Tochter Sharinoe bekleidet den Posten, den ich hätte einnehmen sollen und hat sich mittlerweile zur Herrin über alle Shirashai-Anhänger dieser Insel erhoben. Sie lässt sich als Tochter Shirashais verehren, als wäre sie tatsächlich von ihrem Blut - wenngleich sie es ebenso wenig ist, wie ich es bin. Ihr könnt davon ausgehen, dass sie heute Nacht ihre Finger im Spiel hatte. Sie schätzt es nicht, dass ich noch am Leben bin. Ich war die Auserwählte. Die Erste. Ich bin, was sie hätte sein sollen. Und sie akzeptiert nicht, dass ich keinen Wert auf ihre verfluchte Macht lege."


    Shizar presste die Lippen zusammen und leerte ihren Kelch in einem Zug. Allein die Erinnerung daran genügte, dass der Wein bitter schmeckte.

  • Klavius lauschte der Erzählung und musste fest stellen, dass Shizars Leben nicht nur eine reine Flucht war sondern auch alles einen Sinn ergab. Nicht nur die Göttin wollte sie, nein eine Familie von Archonen des Tempels sollte durch eine neue abgelöst werden. Das machte die Frau nicht nur zur Zielscheibe für eine alte Adelsfamilie, sondern auch für eine Göttin. Der Schatten schmunzelte bitter, war es doch genau dieses verdorbene Spiel, welches Shirashai spielte. Wie eine Frau, die nicht wusste was tat, sondern nur spielen wollte.


    "Das heist also, ihr werdet nicht nur von einer gekränkten Familie gejagt und sollt unter Folter in einem Verlies verschwinden, denn euer Tod würde zweifelsohne den Verrat vor Shirashai und ihrem Willen deutlich machen, ihr sollt auch noch die Leitung des Tempels innehaben und Shirashai sucht euch dafür?"


    Klavius benied die Frau nicht im geringsten.

    "Das klingt alles andere als einfach, aber ich wurde nicht ausgebildet, um einfache Dinge zu erledigen. Wenn wir ein gemeinames Ziel haben und daran arbeiten noch eine Lösung für meinen Hunger zu finden, denke ich haben wir einen Handel. Ich werde später die Männer anweisen, eure Habseligkeiten zu beschaffen. Wenn es spezielle Dinge gibt, schreibt sie auf. Ansonsten dürfte ich euch vieles bieten können, das ihr für eure Arbeit braucht. Natürlich werde ich eure Garderobe kommen lassen. Morgen dann, werden wir uns auf sie Suche nach eurer Abtrünnigen begeben, das wird ein Spaß", frohlockte Klavius und leerte seinen Kelch. Die Nacht war noch jung und sie würden warten müssen, doch Shizar sah müde aus.


    "Wenn ihr wollt, legt euch zu Ruhe. Morgen Abend werden wir beginnen. Ich weise noch heute ein paar Männer an, eure Sachen zu holen."

  • "Ich bezweifle, dass sie mich jetzt noch als ihre Hohepriesterin haben möchte", erwiderte Shizar mit einem bitteren Lächeln. "Aber Shirashai schätzt es gewiss nicht, wenn man sich ihr entzieht. Allerdings weiß ich nicht, ob meine Wichtigkeit groß genug ist, um eine Göttin für lange Zeit zu beschäftigen. Doch ihre treue Dienerin wird mich in ihrem Namen gewiss mit Genuss zur Strecke bringen."


    Die Magierin stellte ihren Kelch ab. Spaß ... vermutlich konnte sie diese Einstellung nicht teilen, wenngleich sie verstand, warum es für Klavius eine interessante Jagd sein mochte. Für sie selbst ... nein, sie hätte darauf verzichtet, hätte man ihr die Wahl gelassen.


    Shizar nickte auf das Angebot ihres Gastgebers und strich die Falten ihres Rockes glatt. "Dann werde ich mich zurückziehen."


    Tatsächlich saß die Erschöpfung bleiern in ihren Knochen und der Wein trug dazu bei, ihren Schritt unsicher zu machen, als sie sich erhob. Shizar fluchte innerlich, aber ihr Gesicht war eine geschulte Maske, die nichts davon erkennen ließ, als sie sich auf die Tür zu bewegte.

  • Klavius bemerkt die weichen Knie der Frau und wollte schon aufspringen, als eine Vorsicht ihn zurück hielt. Shizar kannte seine Macht nach diesem Gespräch. Eine körperliche Berührung wäre für die Frau aber eindeutig zu viel gewesen. Auch wenn Klavius nicht von ihr gezogen hätte, so hätte es vielleicht Panik ausgelöst.

    So belies er es bei einer angedeuteten Bewegung, damit sie sah das es ihm nicht entgangen war. Ihre Disziplin ließ sie ohnehin aufrecht gehen.


    Nachdem sie den Raum verlassen und sich zu ihrem Gemach begeben hatte, erhob sich Klavius und ging in den Keller, wo er einen Bediensteten vermutete.

    Die kühle Luft und der Geruch des alten Gemäuers lag in der Luft, als er durch die Dunkelheit Schritt. Alte Muschellampen erhellen spärlich einzelne Bereiche der Gänge. Klavius hatte immer Öllampen bevorzugt. Er mochte das Licht des Feuers und Wärme.


    Die Nacht war erst zur Hälfte verstrichen so besassen sie noch Zeit, etwas zu bewegen. Schliesslich fand er einen Mann, welcher die Gefangenen füttere. 2 an der Zahl, allesamt Verbrecher aus dem Kerker des Fürsten.


    "Wenn du hier fertig bist, habe ich eine Aufgabe für dich, von äusserster Dringlichkeit und Vorsicht", begann Klavius und von dem freundlichen Gentleman im Kaminzimmer, war keine Spur mehr in seinem Gesicht. Nur Ernsthaftigkeit und Strenge.

    Der Mann verbeugt sich leicht und nickte.

    "Was soll ich tun?"

    "Hier ist eine Adresse auf diesem Zettel. Ich will das du dir ein paar äusserst fähige Leute nimmst und die Habseligkeiten der Dame in meinem Gemach, her bringst. Niemand, aber auch niemand darf euch dabei sehen und schon gar nicht, wohin ihr die Habseligkeiten bringt. Das Haus steht unter Beobachtung, also nehmt die dunklen Pfade. Ihre Garderobe, persönlich Aufzeichnungen, Werkzeuge aus ihrem Labor. Ich muss nicht betonen, wie wichtig diese Angelegenheit ist. Niemand darf wissen, daß diese Frau in meinem Haus ist. "

    " Natürlich, Herr. Keine Fehler", bestätigte der Mann wissend um das, was passieren würde, wenn das Vorhaben scheiterte.


    Nicht das Klavius ein Tyrann gewesen wäre, aber es gab Aufträge die niemals scheitern durften und es war immer gut, wenn die gedungenen Gestalten der Unterwelt wussten, was ihnen bei Verrat oder Scheitern drohen würde.


    In dieser Welt frass man, oder man wurde gefressen. Es gab immer eine oppurtune Klinge in der Dunkelheit, die auf den richtigen Moment wartete. Es hieß nicht umsonst, daß Gelegenheit, Diebe machte.

  • Sie konnte nicht mehr tun, als abwarten. Und Shizar hasste es, abwarten zu müssen. In eine Rolle gedrängt, in der sie eine Zuschauerin war, nicht in der Lage, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen, so wie sie es seit langer Zeit tat.


    Die Schattenmagierin erreichte das ihr zugewiesene Gemach und verfluchte sich für die Unsicherheit ihres Schrittes. Die Erschöpfung, die sie zu einem Lamm machte, das wehrlos auf die Schlachtbank zugeführt wurde, ohne dass sie noch die Kraft aufbrachte, sich dagegen zu wehren.


    Morgen.


    Morgen würde alles besser sein. Das schwor sie sich, als sie sich gegen die geschlossene Tür in ihrem Rücken lehnte. Ein kurzes Aufflammen ihrer Magie und Schatten krochen in das Schloss. Eine Sicherheitsmaßnahme, die verhindern wurde, dass jemand ihren Schlaf störte. Ebenso wie der Schatten, der auf dem Bett wartete. Der kleine Körper der Fee, mit der Shizar verbunden war.


    „Wache über meinen Schlaf, Dandara“, sagte sie ruhig. „Und weck mich auf, sobald eine Seele versucht, dieses Zimmer zu betreten.“


    Sie presste die Lippen zusammen und ließ sich auf das Bett sinken.


    „Morgen. Morgen werden wir sehen, wie wir uns unser Leben zurückholen. Und wie wir dafür sorgen, dass Sharinoe Daranday für alle Zeit die Finger von uns lässt.“


    Es klang wie ein Schwur.


    Ja, Morgen. Wenn die Kräfte in ihren Körper zurückgekehrt waren. Shizar ließ sich rückwärts auf das Bett sinken und schloss die Augen.

  • Die Nacht verging wie im Fluge. Während Shizar ruhte, lies Klavius ihr gesammtes Hab und Gut herbei schaffen. Bücher, Aufzeichnungen, Utensilien, Werkzeuge und persöhnliche Gegenstände. Seine Schergen brauchten die restliche Nacht und fast

    den gesammten Tag, um die Dinge ungesehen in sein Herrenhaus zu schmuggeln. Dabei nutzten die Männer nicht die Strassen des Viertels, sondern die dunklen Wege unter der Stadt.

    Zeitgleich hatte der Schatten einen offenen Raum in seiner Bibliothek herrichten lassen. Tische und Regale säumten die Stelle, es roch nach altem Papier, ledernen Einbänden und altem Wissen. Muschellampen erhellten den Arbeitsplatz und der Frau würde es an nichts mangeln.

    Klavius hatte die Arbeiten beaufsichtigt, nachdem auch er geruht hatte. Nichts sollte Shizar bei ihrer Arbeit behindern und einschränken.


    Gold wechselte im Keller des Hauses seinen Besitzer, gedungene Schurken verschwanden in der Dunkelheit und der Schatten nährte sich an einem Gefangenen, als er die Zeit dafür fand.

    Er liebte es, wenn alles nach Plan funktionierte. Zufrieden hielt einen Brief in der Hand, welchen er nach dem Lesen verbrannte.

    Informanten gab es viele, gute Informanten weniger und jene dessen Informationen wirklich gefährlich waren, waren rar.

    Doch Klavius hatte einen gefunden. Einen alten Bekannten um genau zu sein, Sein Wissen war nicht einfach nur gefährlich, es konnte ganze Reiche stürzen. Genau genommen, war er durch sein Wissen reicher geworden, als man es sich vorstellen konnte und lebte dekadent in seinem Anwesen vor der Stadt.

    Seine Sicherheitsvorkehrungen und Wachen waren so extrem, das es für Klavius immer eine sportliche Herausforderung war, sie zu überlisten. Ein gutes Training seiner Fähigkeiten und eine Mahnung an Devius, das Klavius der Wolf in der Dunkeheit war, mit dem man immer rechnen sollte und an dem es kein Vorbei gab, wenn es um die Lilie ging.

    So war ein friedlicher Status Quo entstanden, welcher von beiden Seiten mit Argusaugen überwacht wurde. Kleine Machtdemonstrationen waren an der Tagensordnung.


    Nachdem der Schatten alles erldigt hatte und Shizar´s Reich fertig, lies er nach der Frau rufen uns sie in die Bibliothek bringen. Die Nacht würde bald anbrechen und sie brauchten diese Zeit, um Devius zu sprechen und die dunkle Priesterin zu finden.

  • Shizar war unruhig, als sie dem Diener folgte, der sie zur Bibliothek geleitete. Dazu gezwungen, den Tag in Untätigkeit zu verbringen, hatte nichts dazu beigetragen, ihre Nervosität zu mildern, im Gegenteil. Auch wenn sie mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt worden war, zerrte allein die Anwesenheit der Dienerschaft an ihren Nerven. Shizar hatte niemals viel Personal beschäftigt. Ganz zu schweigen davon, dass sie es zugelassen hätte, dass ein Mädchen ihr beim Ankleiden half und dabei das Mal auf ihrer Schulter entdeckte. Noch dazu das Wissen, dass Fremde in ihrem Heim gewesen waren ... ihre Habseligkeiten berührt hatten ...


    Wie sehr sie es verabscheute. Tatenlos zuzusehen. Zu erdulden.


    Shizar biss die Zähne zusammen, doch darüber hinaus drang nichts von ihren Gefühlen auf ihre Miene. Stattdessen erschien sie gelassen, als sie die Bibliothek betrat. Ihr Blick schweifte über die Bücher, ihre Hände waren verschlungen, als sie die Buchrücken musterte. Dann fand sie den Mann, der sich in der Bibliothek aufhielt. Klavius. Sie hatte ihn den Tag über nicht zu Gesicht bekommen. Im Gegensatz zu ihr war er offensichtlich beschäftigt gewesen. Und Shizar, die Frau, die es gewohnt war, niemals untätig zu sein und selbst über ihre Wege zu bestimmen, fühlte sich wie eine Gefangene.


    „Ihr habt nach mir rufen lassen?“, fragte sie, ohne Neugier in ihre Stimme dringen zu lassen. Zwar mochte ihr Inneres ein Wirbel aus Gefühlen sein, doch Shizar hatte der Welt zu lange eine Fassade zur Schau getragen, um sie jetzt fallen zu lassen. Sie legte den Kopf schief und betrachtete wieder interessiert die Bibliothek.

  • Klavius beteuterte seine Absichten mit einem Lächeln.

    "Ich habe euch nicht rufen lassen und ihr seid nicht meine Gefangene! Ich lies euch informieren, das eure Besitztümer nun wieder in eurer Hand sind und zu eurer Verfügung stehen", stellte der Schatten richtig, wobei ihm die feine Spitze Shizar´s nicht entgangen war.


    "Ihr müsst euch gefangen vorkommen, aber nach ein wenig Zeit, werdet ihr euch frei bewegen können und euch hier zurecht finden".

  • Ein wenig Zeit ...


    Shizar schnaubte leise. Es war nicht so, dass sie sich jemals in ihrem Leben so frei hätte bewegen können, wie sie es gewollt hätte. Und doch war sie ihr eigener Herr gewesen. Etwas, das man nun nicht mehr behaupten konnte.


    "Ihr werdet verstehen müssen, dass ich es nicht gewohnt bin, jemandem zur Last zu fallen. Und in einem fremden Haus kann ich mich schwerlich frei bewegen. Ganz zu schweigen davon, dass ich es nicht gewohnt bin, dass Fremde mein Heim betreten und in all den Dingen wühlen, die zu berühren ich normalerweise niemandem gestatte."


    Ihre Geheimnisse. Bücher. Gegenstände. Es ging beileibe nicht um ihre Unterkleider. Wer Freude empfand, wenn er darin wühlte, sollte sie haben. Doch alles andere ... war etwas, das Shizar nicht einfach zu schlucken vermochte.

  • "Oh ihr fallt mir nicht zur Last, Wehrteste! Ich empfinde eure Gesellschaft als angenehm", verischerte Klavius lächelnd.

    "Ich bin mir bewusst, das es für euch sehr unangenehm sein muss, dass man eure Besitztümer berührt hat, aber seid euch versichert, das ich sehr großen Wert auf Diskretion lege und diese erwarte ich kompromisslos von meinen Angestellten und Schergen. Jede Zuwiederhandlung wir bestraft, also seid euch gewiss, das niemand in euren privaten Dingen gestöbert oder gelesen hat", beteuerte der Schatten ruhig und freundlich, da ihm die missliche Lage der Frau, nur all zu bewusst war.

  • Shizar faltete die Hände und schwieg für einen langen Moment. Sie blickte zur Seite. Sich wohl bewusst, dass sie ihre Lage für den Augenblick kaum ändern konnte. Und doch ... könnte sie hinausgehen ... zurück zu ihrem Zuhause ...


    ... und vermutlich den Tod dabei finden.


    Sie stieß den Atem aus und hob die Schultern. "Eure Verbündeten haben mein Haus unberührt vorgefunden?"


    Shizar vermochte kaum, daran zu glauben, dass niemand ihrer Rückkehr geharrt hatte. Eine törichte Hoffnung ... sinnlos. Als würde ihr die Bestätigung, dass niemand auf sie gewartet hatte, dass die letzte Nacht ein Zufall gewesen war, ihr dazu verhelfen, wieder in ihr Leben zurückzukehren. Daran zu glauben, dass all das nicht mehr als ein Albtraum war, aus dem sie erwachen konnte.


    Dumm ... und doch ...

  • Klavius konnte die Zweifel der schönen Frau durchaus verstehen.

    Auch wenn sie an ihrer Fassade keine Zweifel erkennen ließ, so ließ es niemanden unberührt, wenn Fremde im eigenen Heiligtum einer Personen Ein und Aus gingen.


    "Ja, das haben sie in der Tat. Die Eingänge und Fenster waren unversehrt und euer Hab und Gut blieb unberührt. Ich bin mir sicher", entgegnete er ruhig und suchte in dem feinen Gesicht der Elfe, nach Anzeichen der Erleichterung.

    Eine Erleichterung die eine Illusion sein würde. Doch so klar dem Schatten war, dass sie für eine gewisse Zeit vorherrschen würde, so schnell würde sie auch Risse bekommen.

    Spätestens am heutigen Tage, würde dem Feind klar werden, dass man ihn bemerkt hatte. Shizar konnte nicht ergriffen werden, ihr Häscher war nicht zurückgekehrt. Vielleicht gewannen sie ein paar Stunden, aber spätestens am Abend sollte jedem klar sein, das die Entführung misslungen und die Elfe gewarnt war.

    Die Frage, die sich Klavius stellte, war nicht die nach Zeit. Zeit verrann zu schnell, wenn man sie brauchte.

    Nein, viel wichtiger war, wie der Feind nun vorgehen würde.


    Würde er sich offenbaren? Auf Geheimhaltung verzichten?

    Offensiver vorgehen und direkter?


    Oder würde er weiter in den Schatten verweilen und planen?


    Wenn ja, dann würden sie ernsthafte Probleme bekommen. Wobei die jetzigen nicht wirklich einfacher waren.

    Aber im Moment, konnten Klavius die Spielregeln vorgeben. Ein Katz- und Mausspiel, bei dem die Maus die eigentliche Katze war.


    "Aber um euch ein wenig Hoffnung zu schenken und den Gehalt meiner Versprechen zu beweisen, habe ich jemanden gefunden, der uns weiter helfen kann. Allerdings müsst ihr eine Entscheidung treffen, bevor ich weiter spreche. Eine Entscheidung, ob ihr diesen Weg, wirklich weiter beschreiten wollt", erklärte Klavius eindringlich und sein Blick machte deutlich, wie ernst das Thema war.

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