Es wehte ein laues Lüftchen, mit Nichten ein starker Windzug und doch.. lies der laue Zug das junge Ding ahnen wie schön das Gefühl sein musste eine stürmische Böe auf der Haut zu spühren. Im seichten Takt wogen die silberweißen Haare um den filligran gewachsenen Körper der jungen Halbsylphen, schier lautlos raschelte der hellblaue Stoff des einfachen Kleides an dessem Saum der schwache Windhauch verspielt zu nesteln wußte. Die dünne Haut der Augenlider verbarg die regenbogenfarbenen Augen, der helle Schopf war seitlich leicht gegen das kühle Holz gelehnt, aus welchem die Eingangstüre des väterlichen Hauses einstmals gefertigt worden war. Zierliche Finger, samtweiche Fingerkuppen tasteten sich wie in Zeitlupe über den ebenen Grund, befühlten all jene vertrauten Kerben die der Lauf der Zeit - oder aber die Unachtsamkeit eines Stadtbewohners - dem Türrahmen beschert hatte.
Feingezeichnete Lippen öffneten sich wenige Millimeter weit, einige vorwitzig ins schmale Antlitz gerutschte Haarlocken wehten auf im Atemhauch der mitsammt einem lautlosen Seufzen das zartrote Fleisch passierte. Monoton hob sich die schmale Brust einige male, spannte der helle Stoff sich über die wenigen Rundungen die der viel zu zarte Körper der jungen Weberin aufzuweisen hatte. Spührbar haftete der Blick des Vaters zwischen den eigenen Schulterblättern. Schon verebbte das gleichmäßige Geräusch welches zuvor die Stille durchbrochen hatte - das vertraut gewordene, dumpfe Aufeinandertreffen von Holz auf Holz, wann immer die geschickten Finger des Tuchmachers das hölzerne Schiffchen durch die, straff auf dem Webrahmen gespannten, Fäden schob.
Nilani liebte ihren Vater, war dankbar für jeden gemeinsamen Moment und doch sehnte sich das junge Herz so oft nach.. anderem. Einmal die Stupsnase hinein in den Wind recken, die dürren Arme ausstrecken und fliegen im Atem des uralten Gevatters - fort weit fort ohne zu wissen wohin der Wind einen trug. Langsam sank das Kinn hinab auf die schmale Brust, hob sich die linke Hand und einzig fahrig wurden die hellen Locken aus dem durchaus hübschen Antlitz geschoben, sogleich hinter die kleine Ohrmuschel geklemmt. Wimpernfäden, hell und dicht, stoben empor - präsentierten einem stummen Betrachter das merkwürdige Augenpaar der jungen Halbsylphen. In allen Farben des Regenbogens schillerten die Fenster der verträumten Mädchenseele als das Haupt sich ein klein wenig auf Seite neigte, der unstete Blick über die Schulter zurück glitt den Vater suchte und doch wie stets nicht fand.
"Ich gehe ein paar Schritte", melodisch erhob sich die stets leise Stimme Nilanis hinein in die herschende Stimme. Allerlei Klangnuancen barg jene, ähnelte gar dem leisen Singsang den einzig der Wind zu summen wußte wenn er mit seinem Atem die grüne Krone eines Baumes liebkoste. Geschwängert von Sanftmut, gekleidet in der tiefen Zuneigung die Vater und Töchterlein füreinander empfunden. Ein kurzes Lächeln berührte die zartroten Lippen.
Zierliche Fingerchen tasteten sich behände am porösen Mauerwerk entlang welches bündig am Türrahmen endete, ein einzelner, nackter Fuß schob sich unter dem Saum des Kleides hervor. Leises Rascheln geleitete den ersten Schritt des blinden Mädchens hinaus auf den Platz. Nur zögerlich lies die tastende Hand vom kühlen Gestein ab, reckte sich sogleich im Gleichzug mit der anderen Hand ein wenig vor um ein eventuelles Hinderniss frühzeitig zu erkennen. Die Augenlider schlossen sich abermals, verbargen das unstet umher blickende Augenpaar. Ein, zwei weitere Schritte vor und das zarte Geschöpf tauchte ein in der Symphonie des Lebens, das diese Stadt bewohnte.
Vielerlei Stimmen zwängten sich an das feine Gehör, hier und da feilchte ein Kunde mit einem der Verkäufer um den Preis einer bestimmten Ware, an einer anderen Stelle plauderten einige Frauen munter vor sich her - Kinder tollten über den unebenen Pflasterstein, spielten wohl Verstecken denn ein glockenhelles Stimmchen zählte lauthals vor sich her. Federleichte Schritte nackter Füßchen, schwere weitausholende Schritte deren Klang die leisen Schritte verschluckte. Eine Vielzahl an Gerüschen ströhmte der jungen Weberin entgegen, süßliche Kuchendüfte unter welche sich der Geruch der verschiedenartigen Wesen mengte. Es roch nach Arbeit, roch nach Leben.
Ein stummes Lächeln lag auf den Lippen Nilanis deren tapsig anmutende Schritte sie seltsam zielstrebig dem Plätschern des kleinen Brunnens entgegen trugen. Ja, sie kannte jeden einzelnen Pflasterstein, wußte sehr wohl an welchen Stellen sie tückisch ein wenig empor ragten - schmerzliche Erfahrungen hatten diese Fallen in ihr Gedächtnis gebrannt, Fallen die einen Sehenden mit Nichten einschränken würden und auch das zarte Geschöpf wußte sie nun geschickt zu umgehen. Eine bekannte Stimme rief ihren Namen, kurz sollte sich die rechte Hand zu einem wagen Winken heben, sank der Schopf zu einem höflichen Nicken gen der eigenen Brust ehe die Sinne sich wieder unter die Geräusche mengten die ebenso vertraut schienen wie jeder einzelne Pflasterstein.
Fern warf die Seifenblasenartige Kuppel ein Echo, spiegelte die Geräusche derart leise wieder das selbst Nilani sie nicht stets hören konnte und doch erhaschte sie hier und da ein leises Geräusch. Silberne Locken umwarben die schmale Hüfte in einem Takt der jeglichem Leben inne wohnte, von Geburt an, tänzelten im munteren Reigen um den duftigen Stoff der die Zartheit des jungen Leibes einzig untermalen konnte. Erst als die vorgestreckten Finger die steinerne Umsäumung des Brunnens berührten verebbten die leisen Schritte, spreizten Fingerchen sich sacht als das geringe Gewicht darauf gestützt wurde. Sacht neigte der Kopf sich zurück in den Nacken, zeitgleich ein wenig auf Seite und schweigend, regungslos harrte das zierliche Mädchen aus, umgeben von der Geräuschskulisse ihrer Heimatstadt Nir'alenar.