Beiträge von Klivv

    “Es hat sich so ergeben“, meinte Klivv, der an Dank nicht gewöhnt war, mit einem Schulterzucken. “Und wenn Ihr müde seid, könnt ihr ruhig noch ein wenig bleiben.“ Ihm war das herzhafte Gähnen der Rothaarigen nicht entgangen und das Geld, das er dem Riesen am Eingang gegeben hatte, sollte noch eine ganze Weile vorhalten.

    Leider war anzunehmen, dass es unmittelbar nach solch einem Angebot unhöflich gewesen wäre aufzustehen und zu verschwinden. Also blieb der Rattenfänger vorläufig sitzen und konnte es sich bei dem Beben eines der Wandvorhänge, das er entweder erahnte oder sich nur einbildete, gerade noch verkneifen in die entsprechende Richtung zu starren. Seine zuckenden Nasenflügel deuteten allerdings darauf hin, dass er aufmerksam schnüffelte und gerne hätte er einfach mal eine Bleikugel auf die entsprechende Stelle abgefeuert. Als seine Hand in kurz darauf in seiner Manteltasche verschwand, brachte sie statt der Schleuder jedoch eine flache Blechflasche zum Vorschein. “Auch einen Schluck?“

    Als sofort von Schwertern die Rede war, befürchtete Klivv es zu weit getrieben zu haben. Hatte er seine Botin einfach ins offene Messer laufen lassen? Doch dann stellte sich recht schnell heraus, dass es nur ein Missverständnis gewesen war und zu seiner großen Enttäuschung schien sich die Gräfin über die Ratten kaum aufgeregt zu haben. Wenn er das gerade gehörte richtig interpretierte, war sie sogar fast freundlich zu der Rothaarigen gewesen. Verständnislos blinzelte der kleine Mann sein Gegenüber an.

    “Einen Dukat? Die blöde…“, ihm wollte kein passendes Wort einfallen, “hat doch gar keine Ahnung, was für Arbeit es ist zwei Dutzend Ratten zu fangen. Lebend!“ Nun, das war wohl zu keiner Zeit Teil der Vereinbarung gewesen. “Lass Gut sein, ist ja Dein Geld“, fügte er etwas ruhiger hinzu. “Wenn Du mit zweien gerechnet hast, hätte ich noch einen, den ich von dieser Gräfin erhalten habe – steckte allerdings schon in einem Pferdeapfel.“

    Der Vorschlag war ganz nach Klivvs Geschmack. Er wusste zwar recht genau, dass diejenigen die heimlich taten an einem Ort wie diesem nur umso mehr auffielen – schließlich waren hier all die Dinge, die sonst keiner sehen durfte, nächtliche Normalität – aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er den Trubel gerne mied. Mit einer knappen Geste gab er Fanir zu verstehen, dass sie ihm folgen sollte.

    Es gab kaum eine Wahre, die auf dem Nachtmarkt nicht erhältlich war. Selbst Ruhe wurde hier gehandelt. Mit mehreren dicken Stoffbahnen, die Geräusche durchaus effektiv schlucken konnten, verhangene tiefe Nischen, versprachen Abgeschiedenheit inmitten all des Trubels und der grimmige Blick des Hünen, der davor auf und ab ging, sollte wohl darauf hinweisen, dass er nicht zulassen würde, dass irgendjemand die Zeit, die seine Kunden – aus welchen Gründen auch immer – unter sich verbringen wollten, störte.

    Dennoch hatte Klivv diesen Dienst bisher nie in Anspruch genommen, denn entgegen aller Beteuerungen war er sich sicher, dass Diskretion im Angebot nicht mit inbegriffen war. Was sie heute zu besprechen hatten, war jedoch kein wirkliches Geheimnis und so drückte er dem großen Mann, der daraufhin einen der Vorhänge für sie zur Seite schob, einen seiner kleinen Beutel in die Pranke. Das Innere der Kammer war mit Teppichen, die einem das Gefühl gaben sich in einer Art Zelt zu befinden und Geräusche noch weiter dämpften, ausgekleidet und der Rattenfänger fragte sich unweigerlich, was sie abgesehen von kahlen Steinwänden noch verbargen. Als einzige Lichtquelle diente das schwache Glühen in einem kleinen Kohlebecken.

    Klivv fühlte sich hier kaum weniger beobachtet, als zuvor und hoffte, dass sich zumindest seine Begleiterin in diesem scheinbar abgeschirmten Bereich wohler fühlte. Er setzte sich so auf dem Teppich, dass die Rothaarige ihm gegenüber Platz nehmen konnte und legte einen Beutel aus Rattenfell, der die drei versprochenen Silbermünzen enthielt, in die Mitte. “Also dann: Wie hat sie reagiert.“, fragte er endlich.

    So viele Leute und der eigentliche Markt hatte noch nicht einmal begonnen. Klivv schauderte und er war weiter als jeder andere hier davon entfernt den guten Rat, den Oshligg der Rothaarigen gegeben hatte, zu beherzigen. Geduckt und mit sichtlichem Unbehagen huschte er zwischen den Ständen hin und her und hielt dabei nach seiner Botin Ausschau. Tatsächlich hatte ihm dieses Verhalten bereits das ein oder andere Mal Ärger eingehandelt, bis man sich daran gewöhnt und gelernt hatte, dass er durchaus schnell mit dem Dolch bei der Hand sein konnte. Jetzt zogen es die meisten vor ihn in Ruhe zu lassen – so zu tun, als würden sie ihn gar nicht sehen…

    Endlich erspähte er die Frau, die für ihn beim Schloss gewesen war und machte sich durch ein leises Räuspern aus dem Schatten eines Standes heraus bemerkbar. Wie es ihr bei der Gräfin wohl ergangen war? Fast hatte er das Gefühl, als wollten die Fragen aus ihm heraussprudeln – etwas, das er bei Shirashai nicht gewohnt war. Doch es war besser noch etwas Geduld aufzubringen und sich ein ruhigeres Eckchen zu suchen.

    “Ich kann eben gut mit Tieren“, erwiderte Klivv in einem Tonfall, als müsse er sich dafür rechtfertigen, und betrachtete mit leicht sorgenvoller Miene, wie Tara den doch sehr starken Fusel hinunterstürzte. “Wenn Du eh schon auf den Markt gehst“, setzte er in bereits bekannter und gefürchteter Form an, “kannst gleich ein paar Flaschen richtig guten Rum mitbringen.“ Um zu zeigen, dass er es durchaus ernst meinte, schob er der Rothaarigen einen goldschweren Beutel zu. Dann bediente auch er sich, allerdings an einem seiner selbstgebrannten Schnäpse.

    “Redet nur“, meinte er und lehnte sich zurück so gut es auf einem flachen Schemel ohne Lehne eben ging. “Glaub nicht, dass ich mich langweilen werd – so selten wie ich rauskomm.“ Da die Piratin darauf zu warten schien prostete der kleine Mann ihr zu und leerte dann seinen Becher mit einem Zug. “Man bekommt’s am Nachtmarkt. Bei dem Mütterchen, dass auch Kräuter und all das Zeug verkauft zum Beispiel.“ Hexereibedarf hätte man es wohl auch nennen können und besagtes Marktweib passte perfekt zu einem solchen Stand.

    “Sieh’s Dir eben vorher an“, grummelte Klivv, der keine Lust hatte die Geschichte nochmal aufgewärmt zu bekommen. Die offene Kiste hatte schon ihren Grund… “Sind schöne Sachen dabei.“ Wie er das so genau sagen konnte, obwohl doch hinreichend bekannt war, dass er von solchen Dingen keine Ahnung hatte, erklärte der Rattenfänger lieber nicht.

    Wenn aber Edelsteine dasjenige waren, was das Piratenherz höher schlagen ließ, so konnte er vielleicht bei dem grünen Stein an der filigranen – leider gerissenen – Silberkette, oder dem Rubinarmband, durchaus Hoffnung hegen. “Den Rest müsst Ihr auch nicht wegwerfen, lasst’s einfach hier.“ Nachdem er das klargestellt hatte, huschte Klivv zu seinem Regal, um die gewünschte Spirituose für den Rotschopf zu holen. “Ist recht starkes Zeug. Leg normalerweise nur Dinge darin ein“, warnte er und hatte wie zur Bestätigung für sich eine eigene Flasche mitgebracht.

    “Nur geliehen“, antwortete er auf die Frage nach dem Vogel. “Versteh aber eh nicht, wie einem ein Tier gehören kann. Hat doch seinen eigenen Kopf… Schau nach ihr, bis es ihr ein wenig besser geht.“ Obwohl es keinen Hinweis darauf gab, dass es Noinin nicht ohnehin schon gut gegangen wäre. Sie hatte es sich gerade im Haar des kleinen Mannes gemütlich gemacht und ein fröhliches Lied angestimmt.

    “Na, dafür zerreißt sie einem hier herunten nicht gleich das Trommelfell“, meinte Klivv mit einem frechen Grinsen. “Jedem das seine, würde ich meinen.“

    Da Tara seinem Vorschlag für ihn einzukaufen nicht gleich widersprochen hatte, wusste der Rattenfänger, dass sie schon fast überredet war. Begeisterungsstürme hatte er ohnehin nicht erwartet. “Muss keine Vogelscheiße sein“, meinte er deshalb mit einem Schulterzucken. “Wenn’s Dir nichts ausmacht, dass das Schießpulver dreimal so viel kostet, kannst Du auch nach Salpeter fragen. Ist auch gut, spart mir Arbeit.“

    Inzwischen hatten sie die Kammer des Rattenfängers erreicht und dieser bat die Piratin mit einer schon beinahe einladenden Geste ins Innere. “Wenn Du schon auf dem Markt gehst“, obwohl er nicht hinsah, hatte Klivv das Gefühl, dass Tara die Augen verdrehte, “kannst Du zuvor nachsehen, ob da was brauchbares dabei ist.“ Mit diesen Worten schob er eine Holzkiste voller Kram, den er gefunden hatte, vor die Füße der Piratin. “Verkauf‘s oder behalt’s, wenn’s Dir gefällt.“

    Als hätte er im tiefsten Winkel seines Gedächtnis einen Hinweis darauf gefunden, dass er sich als Gastgeber eigentlich anders verhalten sollte, scheuchte der Rattenfänger plötzlich den schwarzen Kater, mit dem kleinen weißen Fleck auf der Stirn, von einem der Schemel. “Setzt Dich doch. Willst vielleicht einen Schluck Wachholderschnaps? Und darf ich vorstellen…“ Klivv blickte sich um und Pfiff dann ungeduldig woraufhin ein kleiner bunter Vogel auf ihn zugeflattert kam. “Noinin, ist zu Gast hier die Kleine und die Lady in der Ecke ist inzwischen die Neunte.“

    Ob's wirklich das Forum war? Ich zweifle in solchen Fällen jedenfalls immer an mir und gehe davon aus, dass ich vergessen habe "Absenden" zu drücken. :rolleyes:


    Ach und einen guten Morgen natürlich.

    “Die Gefahr sie gänzlich zu ruinieren ist groß“, bestätigte Klivv. So konnte man sie zumindest noch als Erinnerungsstücke aufbewahren, wenn man Wert auf so etwas legte. “Werd also neue machen und das Pulver braucht…“ Faulbaumholz und Schwefel waren kein Problem, aber soweit er sich erinnerte, waren seine Salpetervorräte zur Neige gegangen und er hatte keine Lust dafür extra den Nachtmarkt aufzusuchen. “… drei Tage, wenn Du eine kleine Besorgung für mich machst. Würde aber an Deiner Stelle gleich auf die Schleuder umsteigen. Macht keinen Lärm, braucht kein Pulver.“ Der Rattenfänger hatte diesen Vorschlag allerdings schon so oft gemacht, dass er wusste, dass Tara dafür nicht zu haben war.

    “Da sind wir“, bemerkte er, da die abenteuerliche Brücke über den Kanal im spärlichen Licht kaum zu sehen war. Dass diese für die Piratin, die schon die Takelage von so manch stolzem Segler bezwungen hatte, kein Hindernis war, wusste er inzwischen. Deshalb übernahm er erst jenseits der Öffnung zu seinen Kellern wieder die Führung, denn der Pfad zu seiner Kammer war schwer zu finden und das war auch durchaus so gewollt.

    Nun, am Ende kann es ohnehin passieren, dass er sich das Gänseblümchen wieder krallt. Ist wohl nur geliehenes Glück...


    *schnappt sich den Krug und zieht ordentlich an*


    EDIT:
    @Tara: Wie ich sagte, Frauen reagieren unberechenbar auf Komplimente. :D