Ilassea vor einem halben Jahr.
Eigentlich war es ja eine Schnapsidee gewesen. Eine man-müsste-mal-, oder man-bräuchte-mal-Idee. Aber wie das manchmal so ist mit Ideen, besonders Jene, die auf der Treppe zum Achterdeck entstehen, nachdem die Rumflasche auch schonmal voller war, befindet man sich plötzlich in der Situation, diese Idee umsetzen zu wollen. Und genau so ging es gerade Niiv.
Ruben Harkson, der erste Maat der Norelia, hatte ihr gesagt, dass er in Ilassea jemanden kenne, der sicherlich sowas bauen könne. Es war etwas sehr lallend aus ihm herausgekommen, als er das erstmal von dieser Zisch geredet hatte, aber am nächsten Morgen hatte Ruben die Idee wieder aufgegriffen. Dabei war zwar auch herausgekommen, dass er diese Zisch nicht persönlich kannte, sondern nur von ihren Tüfteleien gehört hatte, aber das schmälerte irgendwie nicht seine Begeisterung für die Idee. Dabei wäre es für seine Welt vollkommen egal, ob es so was geben würde oder nicht. Für Niiv hingegen würde es einiges an Veränderung bedeuten, weshalb sie sich gar nicht so sehr an die Idee klammern wollte.
Aber nachdem sie so oder so auf ihrem Weg zurück nach Ji San in Ilassea vor Anker gehen wollten, konnte sie Ruben auch nicht so recht widersprechen, diese Zisch zu suchen.
Also hatten sie beide nun die Norelia verlassen und waren auf dem Weg durch das Hafenviertel.
Harkson hatte die Führung übernommen und Niiv hilt sich an seinem starken Arm fest um ihm zu folgen. Den langen Stab, denn sie immer bei sich trug hilt sie nur locker neben sich um eventuelle Dinge, die da rechts von ihr kamen, rechtzeitig zu bemerken. Ein unglaublich geschäftiges Treiben drang an ihr Ohr, und schien hier in dieser Stadt noch sehr viel lebendiger und wuseliger zu sein, als in anderen Hafenstädten.
„Oh, das sieht so majestätisch aus.“ entfuhr es Ruben, der sich seiner Verwunderung nur all zu schnell bewusst wurde, „Oh, es tut mir leid.“ fügte er schnell hinzu.
„Das muss es nur, wenn ihr mir nicht beschreibt, was ihr seht!“ antwortet Niiv neckisch.
„Also gut,“ lachte der Maat, „Mir kommt es vor, als ob die Norelia in ihrer Art hier eine Minderheit darstellt und plump und schwerfällig auf den Wellen schaukelt, während alle anderen Schiffe sich in die Lüfte erhoben haben und leichtfüßig, wie die Möwen im Wind stehen. Die schweben einfach so vor sich hin, als wäre es das natürlichste von der Welt.“
„Und wenn man sie nicht festbinden würde, würden sie immer weiter empor steigen?“ fragte Niiv scherzend, erinnerte sie sich doch daran, dass das die erste Frage gewesen war, als sie als Kind mal ein solches Wolkenschiff gesehen hatte. Aber das war auch eines der Bilder, welches sie nicht mehr so recht zu greifen wusste.
„Ja genau. Da ist es doch irgendwie auf der Norelia sicherer, da wird man nass, wenn man über Bord geht und hat wenigsten eine Chance, wieder herausgefischt zu werden. Aber bei diesen fliegenden Schiffen, puh.“ ein wenig konnte man dem Maat anmerken, dass er, obwohl er die Wolkenschiffe sehr schön fand, doch einen gehörigen Respekt davor hatte.
Langsam wandelte sich der Boden unter ihren Füßen und das Stimmenwirrwarr um sie herum nahm mehr und mehr zu, wandelte sich aber ebenso. War zuvor eideutig die Stimmung der Kais, mit dem seemännischen rauen Ton der Matrosen und das gurgeln, glucksen nur rauschen des Meeres zu vernehmen, hatten sich nun mehr und mehr die Stimmen von Marktleuten und Händlern dazugesellt.
„Ich glaube dort vorne ist es.“ meinte Harkson plötzlich, „zumindest sagte der Kapitän, dass wir es mal bei Meister Melroms veruschen sollen.“ Dann blieb er stehen und beugte sich etwas näher an die Priesterin heran um ihr den nächsten Satz ins Ohr flüstern zu können: „Und er sagte auch, wir sollen uns nicht in die Luft jagen lassen.“