Der Park

  • Es überraschte ihn ein wenig, dass Shiai ihm die Frage nach seiner Blindheit stellte. Aber er war froh darum, zeigte es doch, dass er sie nicht verschreckt hatte. "Die kurze Version ist: es wurde mir genommen," antwortete er. "Es ist schon lange her, als ich noch ein Kind war. Meine Eltern waren reisende Händler, mal erfolgreich, mal weniger. Jedenfalls erwischte es uns in einer weniger erfolgreichen Phase. Wir wurden überfallen und die Banditen namen mich gefangen, um meine Eltern zu erpressen. Ich vermute sie dachten sie hätten den Sohn reicher Händler erwischt. Wir waren auch gut gekleidet und hatten eine guten Wagen, schließlich ist es nicht gut für die Geschäfte, wenn man einen ärmlichen Eindruck macht. Die Geldmenge, welche die Banditen forderten hatten wir nicht, daran war nicht zu ändern, so sehr sich mein Vater auch anstrengte. Irgendwann haben sie wohl eingesehen, dass sie nicht so viel erbeuten würden wie sie vorgehabt hatten ließen sie ihrem Ärger freien Lauf und blendeten mich, bevor sie mich laufen ließen. Zum Glück trafen wir kurz darauf einen fähigen Heiler, der erbarmen mit dem kleinen Jungen hatte und mich kostenlos behandelte, denn alles Wertvolle war uns gestohlen worden. Nun, der Heiler hat mich gerettet, aber die Narben konnte er natürlich nicht verhindern. Daher trage ich auch die Maske." Er tippte sich kurz an die Maske, welche die Region um seine Augen bedeckte. "Ich habe mir sagen lassen es sein kein schöner Anblick." Es war natürlich eine sehr komprimierte Version der Geschehnisse, die er erzählt hatte, aber er wollte Shiai natürlich nicht mit allen Eizelheiten überschütten.

  • Shiai, die sich nur mit Mühe hatte zu der Frage durchringen können und sie unter anderem aus Angst gestellt hatte, weil der andere Teil ihrer Selbst sie bedrängte, schlug die Hände vor den Mund.
    "Oh, bei Eriadne. Das ist ja furchtbar," entfuhr es ihr bestürzt.
    "Es ist doch furchtbar, was sich Menschen, Elfen unter einander antun."

  • "Ja, ich werde auch nie verstehen warum es Leute gibt die anderen so etwas antun," sagte Elaioël mit einem Seufzen. "Ich habe mich mitlerweile damit abgefunden. Vermutlich war es hilfreich, dass ich noch so jung war. Ich befürchte meine Eltern hingegen geben sich bis heute die Schuld, dass sie es nicht verhindern konnten. Aber ich weiß, dass sie ihr bestes gegeben haben. Wisst Ihr, was sich komisch anfühlt ist der Gedanke, dass die Banditen von damal heute in meinen Laden kommen und Gewürze kaufen könnten und ich würde sie nicht erkennen."

  • Dieser Gedanke war Shiai noch gar nicht gekommen und sie riss die Augen weiter auf.
    "Ohhh.......der Gedanke muss sehr beunruhigend sein." Shiai war froh, dass sie sich hatte überwinden können ihn nach dem Verlust seines Augenlichts zu fragen. Noch eine andere Frage brannte ihr auf der Seele.
    "Wie gelingt es euch.......euch zu orientieren. Wenn ich mich recht erinnere, habt ihr vorhin sogar gewusst, dass ich eine Frau bin............Ich habe aber nichts gesagt gehabt," erkundigte sie sich zaghaft.
    Etwas anderes was Shiai interessierte, war das Aussehen hinter der Maske doch danach würde sie nicht fragen. Das erschien ihr respektlos und es war auch nicht so, dass sie bereits beste Freunde waren, sondern nur zwei Fremde, die sich im Park getroffen haben.

  • Elaioël war sich nicht sicher wie er die Frage beantworten sollte. Manche hielten ihn für einen Spinner oder einen Lügner, aber nach einem kurzen Zögern beschloss er es mit der Wahrheit zu halten. "Nun ja, man könnte es als eine Art sechsten Sinn bezeichnen. Ich nehme einige Ding wahr, die ich so gesehen nicht wissen dürfte. Wie zum Beispiel, dass ich wusste, dass Ihr eine Elfe seit, bevor ich Euch angesprochen habe. Oder, dass dort ein kleiner, aufgeregter Fisch schwimmt." Er deutete zum Wasser in Shiais Nähe. "Ich vermute sogar, dass er Euch beißen würde, wenn Ihr den Zeh ins Wasser strecktet. Aber es hat seine Grenzen. Ich kann euch nicht sagen wie der Fisch aussieht außer, dass er ungefährlich klein ist, welche Farbe er hat oder in welche Richtung er gerade blickt... oder auch Ihr. Ob zu mir oder in die Richtung in die ich zeige." Tja, nun war die Frage wie die Elfe reagieren würde, ob sie ihm glaubte oder meinet er würde sie reinlegen wollen.


    edit: Mir ist gerade aufgefallen, dass ich das falsch verständlich geschrieben habe. Ich meinte, dass er nicht in der Lage ist z.B. Farbe und Orientierung des Fisches zu erkennen. Und auch nicht wohin Shiai guckt.

  • Die Elfe war fasziniert. Ihr Blick glitt zur Wasseroberfläche. Leider spiegelte das Wasser, sodass sie sich nicht sicher war, ob es tatsächlich ein Fisch war, der dort glitzerte. Auf jeden Fall bewegte es sich.
    "Die Fähigkeit muss sich über Jahre entwickelt haben," schlussfolgerte sie. Allein die Vorstellung, dass so etwas möglich war.....erstaunlich.
    "Eigentlich seid Ihr gar nicht blind, sondern sehr nur anders und mit anderen Sinnen." Hinter Shiai's Stirn arbeitete es noch immer. Und immer wieder tauchte dabei das Wort erstaunlich in ihren Gedanken auf.

  • "Eigentlich konnte ich das schon immer. Nachdem ich das Augenlicht verloren hatte habe ich nur mehr darauf geachtet. Aber Ihr habt natürlich recht, es ist schon praktisch wenn man nichts sehen kann." Immerhin schien Shiai ihm zumindest halbwegs zu glauben. Das war schön. "Manchmal muss ich darauf achten Dinge nicht zu tun um die Leute nicht zu irritieren. Oder mir schnell eine andere Erklärung ausdenken. In meinem Laden fällt mir das nicht so schwer, denn den kenne ich wie meine Westetasche," meinte er mit einem Lächeln. "Außerdem kann man Gewürze auch prima am Geruch erkennen."



    (Mir ist gerade aufgefallen, dass ich das im vorherigen Beitrag falsch verständlich geschrieben habe. Ich meinte, dass er nicht in der Lage ist z.B. Farbe und Orientierung des Fisches zu erkennen. Und auch nicht wohin Shiai guckt.)

  • (dann hast du Glück, denn ich habe es trotzdem richtig verstanden ;) )


    Nun war Shiai doch etwas irritiert. Zum einen, weil er offenbarte die Gabe bereits vorher gehabt zu haben, aber noch viel mehr, weil er die Gabe anscheinend nicht zu geben konnte oder eher durfte.
    "Ich kann mir vorstellen, dass man zunächst irritiert ist. Ich war es ja auch etwas. Aber ich verstehe nicht, warum die Erklärung nicht vernünftig sein sollte. Warum sollten einem die Götter keinen Ausgleich für die verlorene Sehkraft schenken oder man diese Fähigkeit entwickeln. Und wenn sie tatsächlich bereits vorher über die Gabe verfügten.....nun das weiß doch kaum jemand." Ihre Stirn war gerunzelt, denn sie wusste nicht, wie andere auf seine Worten reagierten.

  • "Es freut mich, dass Ihr das so seht. Vielleicht hält es auch die Mehrheit so, ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass es Leute gibt, die dann direkt denken man würde sie reinlegen wollen." Er seufzte leicht. "Und wenn die dann erzählen man sei ein Betrüger, dann ist das nicht gut für das Geschäft."

  • Das diese Skepsis der anderen direkten Einfluss auf die Geschäfte haben könnte, daran hatte sie gar nicht gedacht. "Hmm." Es arbeitete noch immer hinter ihrer Stirn. Sie ließ sich seine Worte noch einmal duch den Kopf gehen. Sie ließ die angewickelten Beine zur Seite sinken, um sich etwas bequemer hinzusetzen.
    Die Elfe wusste nicht, was sie weiter sagen sollte. Gleichzeitig spürte sie ein komisches Gefühl. In ihre Unsicherheit hinein begann sich wieder die Stimme zu melden. Sie schwieg während sie einen inneren Kampf ausfocht.

  • Über irgendetwas schien die Elfe zu grübeln. Elaioël wartete zunächst ab on Shiai noch etwas sagen würde, denn er wollte sich nicht in ihre Gedanken drängen. Er lauschte den Geräuschen des Parks, während es in Shiais Kopf die Stimmen stritten. Als nach einer ganzen Weile noch immer nichts geschah fragte er leise. "Möchtet Ihr vielleicht erzählen was Euch im Kopf herumgeht? Vielleicht kann eine zusätzliche Meinung helfen."

  • Shiai lächelte ihm unsicher zu. Es war dieses Lächeln, welches Menschen in schwierigen Lagen zeigten und sie war froh, dass er dieses nicht sehen konnte. Eine weitere Stimme die ihre Meinung dazu gab, die konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. Und wie sollte sie ihm antworten ohne unhöflich zu wirken
    Während sie noch immer zögerte zu antworten, malte sie mit ihrer linken Hand ein Muster auf dem Boden, den Blick darauf gerichtet.
    "Ich glaube nicht, aber ich danke euch." Sie machte erneut eine Pause. "Vielleicht......" sie zögerte wieder. "Habt Ihr eine Ahnung wie man mit Pflanzen in der Stadt erfolgreich sein konnte." Erneut wurden ihre Worte von einem unsicheren Lächeln begleitet, doch dieses Mal war es auch deutlich ihrer Stimme anzuhören. Mit diesen Worten war ein innerer Damm durchbrochen und die Wehmut legte sich wieder auf das Gemüt der Elfe.

  • Anscheinend wollte Shiai nicht darüber reden was sie bewegte, oder vielleicht doch? Er zupfte einen Grashalm vom Boden und drehte ihn zwischen den Fingern, vielleicht als unbewusste Reaktion darauf, dass Shiai irgendetwas malte. Als sie schließlich doch noch eine indirekte Frage an ihn richtete hatte Elaioël nicht mehr damit gerechnet.
    Erfolg mit Pflanzen? Na ja als Gewürze, aber zum einen hatte er davon schon viel zu viel gesprochen und zum anderen war es sich sicher, dass die Elfe sich auf lebendige, vermutlich vor allem blühende Pflanzen bezog.
    "Ich glaube," begann er, "wenn man in der Stadt wirklich erfolgreich mit Pflanzen oder Blumen sein will muss man versuchen sich bei den Reichen und Adeligen einen Namen machen. Vor allem mit außergewöhnlichen Exemplaren. Wenn man irgendwann genug Geld zusammenbekommt wäre auch ein beheiztes und im Extremfall sogar magisch beleuchtetes Gewächshaus eine Option um auch im Winter Blumen anbieten zu können." Er machte eine kurze Pause. "Sicher, das ist natürlich nichts was im Augenlick weiterhilft. Aber ich denke man muss die Leute davon überzeugen, dass man besser ist als alle anderen oder etwas anbieten, was andere nicht anbieten können. Am besten natürlich beides."

  • Die Elfe sah ihn sprachlos an. Es hatte bei ihm so einfach, so selbst verständlich geklungen. Ein magisches Gewächshaus klang in ihren Ohren noch utopisch, aber natürlich könnte sie stärker versuchen an adlige Kundschaft zu kommen. Und dann......
    Sie nahm seine Hand zwischen ihre. "Ich danke euch," stieß sie aus. Endlich spürte sie wieder Hoffnung und sie war so furchtbar dankbar dafür, dass sie ihn hätte einen Kuss geben können. Aber das wäre natürlich zu viel gewesen.

  • Elaioël zuckte ganz leicht zusammen als Shiai seine Hand ergriff. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet. "Äh, gerne geschehen." Er war sich nicht ganz sicher womit er den Dank der Elfe verdient hatte. Aber wenn sich Shiais Laune gebessert hatte freute ihn das durchaus. "Was für Pflanzen verkauft Ihr denn?" Er hoffte, dass seine Frage die Stimmung nicht wieder kippen würde.

  • Shiai, die erst einmal von Hoffnung erfüllt war, war nun auch wieder für dieses Thema zu begeistern. "Alles," erwiderte sie, lachte dann aber. "Das klingt etwas vermessen. Ich verkaufe Pflanzen von einfachen Sträuchern, Kräutern, Blumensträußen, Zierpflanzen bis hin zu seltenen Blumen und ein paar eigene Züchtungen," fügte sie mit Stolz hinzu. "Ich biete auch Beratung bei der Gartengestaltung an." Sie machte eine Pause. "Aber das ist wahrscheinlich kein interessantes Thema." Das Zusammenzucken des Mannes war ihr gar nicht aufgefallen, jedoch bemerkte sie auf einmal, dass sie immer noch seine Hand hielt und ließ diese los. "Verzeiht..." Erneut errötete die Elfe, jedoch verließ das Lächeln nicht ihre Lippen.

  • Ein leichtes Bedauern schlich sich in seine Gedanken als die Elfe seine Hand wieder losließ. "Aber nein, das ist doch interessant", widersprach er Shiai. "Ich denke besonders mit den seltenen und eigenen Blumen und mit der Gartengestaltung könntet Ihr erfolgreich sein." Aufmunternd lächelte er die Elfe an.

  • Shiai freute sich über die aufmunternden Worte. Ihr Herz schlug wild vor Aufregung.
    "Nun, ich hoffe es wird wieder so sein. Ich war Jahre lang erfolgreich mit meinem Geschäft, aber in den letzten Jahren....Dieses Jahr ist es besonders .... schwierig." Ein trauriges Lächeln huschte für einen Moment über ihre Lippen. "Aber ich werde Euren Rat beherzigen," fügte sie bestimmt hinzu.

  • "Das wird sicherlich werden," munterte er sie auf. "Ihr liebt Pflanzen, das merke ich Euch an." Er dachte einen Moment nach. "Hmm, ich kann nichts versprechen, aber ich kann mich ja mal bei ein paar meiner Kunden erkundigen wie es denn um ihre nicht für die Küche bestimmten Pflanzen bestellt ist."

  • Nun wurde Shiai doch wieder verlegen. Ein Rat war das Eine, aber diese Form von Hilfe etwas anderes. Wenn nun genau diese Kunden nicht zufrieden waren, dann würde der Mann es erfahren. Das wollte sie nicht. Ihr lag etwas daran, dass er keinen schlechten Eindruck von ihr hatte. Doch wie gut konnte der Eindruck jetzt überhaupt noch sein? Und leisten konnte sie sich solche Zimperlichkeiten momentan auch nicht.
    "Ich bin euch sehr dankbar. Wo befindet sich euer Geschäft überhaupt?" setzte sie noch hinzu. Sie lebte jetzt schon ein paar Jahrzehnte in Nir'alenar, aber bei einem Gewürzhändler war sie noch nicht gewesen.

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