Blutsbande

  • Noch funkelte das helle Licht der Kuppel über der Hauptstadt, doch hie und da mochte man schon die ersten Schatten erspähen, die sich in den verwinkelten Ecken unter den Erkern versteckten und auf ihren Auftritt warteten. Die Dämmerung - oder was man wohl als ihr Äquivalent auf der Insel weit unter den Fluten des Sternenmeers bezeichnen konnte - war gewiss nicht mehr fern. Es war ein lauer Abend, viel Fussvolk genoss die angenehmen Temperaturen in der ganzen Stadt. Vor den meisten Tavernen und besseren Spelunken der Stadt standen noch einige Tische auf der Strasse, an ihnen sassen die eingesessenen Stammkunden und verzechten ihren wohl kargen Lohn, wenn man ihrem Aussehen glauben schenken wollte.


    Doch nicht überall in der Stadt herrschte die dafür so typische Unruhe und Unordentlichkeit. Das Adelsviertel von Niralenar glänzte nahezu, so penibel wurde es von den Dienern der hier Residierenden sauber gehalten. Von den restlichen Bezirken durch kleine Kanäle getrennt, konnten sich die Oberen hier nicht nur sicher fühlen, sondern sich beinahe in ihrer eigenen kleinen Stadt wähnen. Am Rande, nicht unweit davon einer der besagten Kanäle, stand eine kleine, aber umso schönere Residenz. Auf den ersten Blick war klar, dass hier niemand hauste, der dem Hochadel angehörte. Das eiserne Tor wies kunstvolle Muster auf, der weg aus hellem Kies dahinter war sauber und ordentlich. Im kleinen Park, nicht viel mehr als ein grosser Garten, standen adrett in Form geschnittene Büsche. Fackeln erhellten den Weg, gegen das Haus zu wurden sie jedoch immer mehr durch das weiche Licht der Muschellampen ersetzt.


    Die ersten Gäste waren bereits eingetroffen. Das Haus Arisdar hatte zu geselligem Beisammensein aufgerufen. Eingeladen waren bekannte Namen aus der aufstrebenden Händlerschicht Niralenars und ehrgeizige Adlige, deren derzeitige Position ihrem Machthunger nicht gerecht wurde. Ein Abend, um Kontakte zu knüpfen, Pläne zu schmieden und Allianzen zu schliessen.


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    Yarea strich ihr Kleid glatt. Der schwarze Stoff schmiegte sich schmeichelnd an ihren schlanken Körpern, die roten Akzente in Mieder und Rock passten zu den roten, tropfenförmigen Ohrringen und den vielen kleinen Steinchen in ihrem Haarreif, der mehr schlecht als recht ihre Lockenpracht bändigte. Das lange weisse Haar schimmerte seidig im Licht der Kuppel. Die Cath setzte ein verführerisches Lächeln auf und betrat den Garten, wohl wissend, das ein Becken voller wütender Yassalar nicht wesentlich gefährlicher war als die versammelte Gesellschaft.

  • Iola hatte ihr freudestrahlend mitgeteilt, dass das Haus Arisdar einen Empfang gab. Braves Kind. Immer die Augen und Ohren offen. Für brauchbare Informationen gab es zehn Kupferpfennige. Für das Bürsten von Maidas hüftlangem Haar noch einmal fünf. Iola war äußerst geschäftstüchtig und würde es noch weit bringen im Händlerviertel. Maida lächelte und hielt den erst kürzlich erworbenen Handspiegel hoch, um sich ein letztes Mal vor dem Auftritt zu betrachten. Alles war perfekt. Die Augen dunkel geschminkt, die Lippen in warmem Rot, an den Ohren glitzerten Silbergehänge. Maida liebte Silber, viel mehr als Gold. Die Cath'shyrr richtete die geschmackvolle Halskette mit dem einzelnen roten Edelstein und strich die Rockbahnen ihres zart grünen Kleides glatt. So, es konnte losgehen.


    Da sie keine explizite Einladung hatte, spielte sie wie immer das naive Fräulein. Das Schreiben leider auf der Kommode vergessen. Welch Schande. Aber der Siegelring ihres ehemaligen Förderers, den sie nach seinem Tod an sich genommen hatte, öffnete stets alle Tore. Genau deshalb trug sie ihn, auch wenn er für ihre zarten Finger zu groß war. Kaum hatte sie den Einlass passiert, verschwand der klobige Ring in der kleinen Handtasche, die sie immer bei sich trug.


    Der Garten war eine Augenweide. Maida promenierte mit einem koketten Lächeln an den Grüppchen von Gästen vorbei und spitzte die Ohren. Zu wem sollte sie sich gesellen?

  • Kaum hatte die Cath grazil einen Fuss auf den hellen Kies gesetzt, da hörte sie auch schon die dunkle Stimme eines Bekannten ihres Vaters. Der ältere Mensch stand in Begleitung einiger Männer aus allen Altersklassen nicht unweit des Eingangs. Sein langes Haar begann an den Schläfen bereits zu ergrauen, doch bis auf einige Strähnen war es überwiegend noch aschblond. Blaue Augen funkelten unter buschigen Augenbrauen und Lachfältchen bedeckten Augen- und Mundwinkel. Der wohlhabende Händler war zu seinen besten Zeiten bestimmt gut aussehend, doch auch im Alter war er nicht unansehlich.


    Mit einem herzlichen Lächeln, das einen Tick verführerischen Charme enthielt, trat Yarea zu ihm hin. "Mein Lieber, wie schön Euch hier zu treffen! Eine überaus angenehme Überraschung." Ihre Stimme hatte etwas schnurrendes. Natürlich war sie ganz und gar nicht überrascht, sondern hatte mit ihm gerechnet.


    Derweil verschlangen die meisten der jüngeren Anwesenden ihre Gestalt. Einer, kaum im Mannesalter, stiess seinem Nachbarn den Ellenbogen in die Seite und nickte in Richtung Maida. "Schau mal, da ist noch so ein hübsches Kätzchen. Ob sie auch so heissblütig ist wie diese hier?"

  • Achtlos spazierte Maida an einer Gruppe Frauen vorüber. Frauen interessierten sie heute nicht. So ein Abend war perfekt um Beziehungen zu honorigen Herren zu knüpfen. Ihr geschmeidiger Körper bewegte sich grazil und ein klein wenig aufreizend - nicht zu übertrieben, aber doch verlockend. Schon spürte die hübsche Cath'shyrr die ersten lüsternen Blicke. Unweit des Eingangs stand eine Gruppe Männer beisammen. Mehrere Köpfe, vor allem die der Jüngeren, hatten sich ihr zugewandt.


    Das sanfte Licht der Muschellampen vergrößerte Maidas ansonsten schlitzartige Pupillen zu dunklen runden Kreisen. Männer liebten diesen unschuldig kindlichen Blick. Mit einem leisen Kichern zwinkerte sie den Burschen zu und schwebte näher. "Was für ein wunderschöner Abend, nicht wahrrr", schnurrte sie und lächelte reizend. "Der Garten ist einfach bezaubernd. Und so ein angenehmes Publikum."


    Auffallend musterte sie die Männer von oben bis unten und gab mit ihrem Gesichtsausdruck zu verstehen, dass ihr gefiel was sie sah.

  • Einer der beiden Jungen bekam verdächtig rote Wangen, als Maida auf sie zu kam. Der andere sah sie jedoch nur an und lächelte schmallippig. Offensichtlich wollte er sein Interesse nicht offen zur Schau tragen, doch die glänzenden Augen verrieten ihn sofort. Er war gross, überragte die dunkelhaarige Cath mindestens um einen Kopf. Seine hagere Gestalt und das kantige Gesicht liessen ihn älter aussehen, als er es war.


    "Ganz angenehm, da habt Ihr recht, meine Dame", seine Stimme sollte wohl gleichgültig und gelangweilt klingen, doch der Spross und Erbe eines weniger bedeutenden Adelshauses war noch nicht so gewandt im Umgang mit der Stimme. Deshalb war die Gier für kundige Ohren nur allzu gut herauszuhören.


    Yarea derweil unterhielt die Gefolgschaft ihres älteren Gönners. Kokett klimperte sie mit den langen Wimpern, lachte höflich über die Scherze und erzählte selber welche. Gekonnt stellte sie sich immer hinter denjenigen, der gerade als Opfer auserwählt wurde und sammelte so Sympathien bei allen. Und obwohl deutlich war, das sie für den Moment dem Blonden gehörte , scheute sie sich nicht, vielversprechende Blicke und geheimnisvolle Lächeln zu verteilen.

  • Hach, die menschliche Jugend. So vertrauensvoll. Sie hatte die beiden schon um den Finger gewickelt, ehe sie irgendwelche Versprechungen gemacht hatte. Und das mit einem einzigen Augenaufschlag. Junge Männer, die sich vor einer Frau wichtig machen wollten, waren die perfekten Opfer. Sie erzählten einem einfach alles. So unschuldig, ohne jegliches Misstrauen. Ältere Kaliber waren stets mit Vorsicht zu genießen.


    "Ich weiß, was Ihr meint", kokettierte Maida geschickt auf seinen versucht gleichgültigen Tonfall hin. "So langweilig...", flüsterte sie ihm ins Ohr und musste sich dabei weit genug vorbeugen, dass die Schicklichkeitsgrenze einen kurzen Moment lang überschritten war. Geschmeidig zog sich die Cath'shyrr wieder zurück und lächelte verschwörerisch. "Das sind alle diese Empfänge. Der höfliche Anstand muss gewahrt bleiben, denn wie würde das denn aussehen, wenn wir toben wie das Gesindel aus dem Hafenviertel. Ich habe gehört, dort tanzen sie auf den Tischen." Maida lachte bei der Vorstellung herzlich auf. Wie unabsichtlich berührten ihre zarten Finger seinen Handrücken.


    Sie schäkerte noch eine Weile mit den beiden Burschen, doch es war deutlich, dass der schlaksige mit dem kantigen Gesicht ihr Favorit war. Er verfiel ihr mit Haut und Haar, das konnte sie an seinen gierigen Augen erkennen. Schon bald konnte sie anfangen ihn über seine Familie auszufragen. Doch vorerst gelüstete sie nach anderem.


    "Wärt Ihr so freundlich, Verehrtester... Ihr habt mir noch gar nicht Euren Namen verraten, wie schändlich", scherzte sie. "... mir ein Gläschen von diesem vorzüglichen Schaumwein zu bringen?", schnurrte sie mit samtweicher Stimme. "Ich bin am verdursten."


    Da fiel ihr Blick hinter seinen Rücken, zu einer blendend aussehenden Gestalt mit weißem Haar. Eine Cath'shyrr. Eine Artgenossin. Maida erstarrte und überhörte beinahe, was der Adelsspross zu ihr sagte.

  • Maidas Taktik schien aufzugehen, doch die Nähe der Cath, als sie ihm ins Ohr flüsterte, irritierte den jungen Mann dann doch etwas. Seine überraschte Miene verflog jedoch schnell wieder und er genoss das Geplänkel mit der schönen Frau sichtlich. Ihre Ausstrahlung zog ihn absolut in ihren Bann, doch die offensichtliche Koketterie der Dunkelhaarigen gab auch dem Adligen etwas Sicherheit zurück. Bald schien er sich in diesem Spiel wohl zu fühlen und berührte die Dame unter den verschiedemstem Vorwänden immer wieder, etwa um ihr ein vorwitziges Blättchen von der Schulter zu zupfen.


    Ein amüsiertes Schnauben drang aus seiner Aristokratennase. " Das Gesindel verfügtüber keinerlei Disziplin oder Geschmack. Ihre rohe Art verwehrt ihnen jeglichen Blick auf die wirklich interessanten Dinge." Seine Stimme war tief und melodisch, doch das Gesagte wirkte auswendig gelernt.


    Ihre Bitte liess den zweiten Mann wieder das Wort ergreifen. "Aber sicher, sofort, meine Dame, ich gehe gleich. Ach, und er ist Luca und ich, mich nennt man Dorn", letzteres sagte er nicht ohne Stolz, als müsste es auch die Damenwelt in Staunen versetzen. Dann drehte er sich um und eilte davon, nicht ohne dabei beinahe über seine Füsse zu stolpern. Der Lange lächelte nur, froh darum sich ob seines Freundes in ein besseres Licht rücken zu können.


    "Lucaros ist mein eigentlicher Name, und wie nennt man Euch, meine Schöne?", wandte er sich wieder an seine Bekanntschaft, doch diese schien abgelenkt. Ihr Blick war auf die andere Katze gefallen.
    "Sie ist beeindruckend, nicht war? Doch ich bevorzuge die Dunkelheit." Er lächelte gewinnend, wohl wissend das es kaum einer Frau gefiel, wenn man eine andere Anwesende für ihr Aussehen oder Wesen rühmte.


    Yarea indes bemerkte den Blick nicht, sondern wirbelte vergnügt am Arm des Blonden, so dass die langen Schlitze im schwarzen Stoff sich öffneten und ein feines rotes Gespinst preisgaben. Dabei lächelte sie ein naives, bescheidenes Lächeln und sah mit grossen Augen zu ihrem Partner.

  • "Wie?" Maida riss sich von dem Anblick los und sah zu dem jungen Mann hoch. "Oh verzeiht vielmals, ich war kurz abgelenkt, werter Lucarrros", gurrte sie. "Welch männlicher Name. So sinnlich, dass er auf der Zunge zerfließt." Sie lachte ihr dunkles, ansprechendes Lachen. "Nennt mich Maida." Ihre Finger berührten leicht seinen Unterarm und verweilten darauf, während sie mit dem Kinn in Richtung der Weißhaarigen deutete. "Diese Dame, wer ist sie? Bisher ist sie mir auf keiner Gesellschaft aufgefallen."


    Wie geschickte diese Cath agierte. Derselbe unschuldsvolle mädchenhafte Blick, den auch Maida so gut beherrschte. Eine Spionin? Oder eine, die einfach nur das Spiel liebte. Sie musste die Weißhaarige unbedingt kennenlernen. Doch mehr wollte sie vorerst über die Artgenossin von Luca nicht wissen. Einen Verehrer nach einer anderen Frau auszufragen würde sein Interesse an ihr augenblicklich abkühlen lassen. Sie musste seine Aufmerksamkeit bedingungslos fesseln.


    Ihre Hand glitt sanft von seinem Unterarm ab, griff nach dem Seidentuch an seinem Hals und zupfte es gerade. "Es saß ein klein wenig schief." Ihr Augenaufschlag, von unten zu Lucaros' forschendem Blick hinauf, mochte Eisen zum Schmelzen bringen. Ihre Hand zog sich züchtig zurück.


    "Wo ist euer kleiner Freund geblieben?" Die Wortwahl würde ihm deutlich machen, dass sie seine Gesellschaft bevorzugte.

  • Lucaros liess ebenfalls ein kurzes, dunkles Lachen hören. "Nichts zu verzeihen. Das geht den Meisten so."


    Die Schmeicheleien der Cath'Shyrr waren eine Wohltat für seine Seele, vor allem da er sich in letzter Zeit ständig mit seinem Vater herumschlagen musste, insbesondere da ihm der breite Oberkörper seines alten Herrn fehlte.
    "Maida", er liess ihren Namen klingen, als spräche er von einer exotischen Kostbarkeit. Dann wanderte sein Blick für einen Moment wieder zu der Hellhaarigen.


    "Sie ist die älteste Tochter von Mar'Rennor, einem gut betuchten Händler aus der Stadt der Vögel, Shayvinyar. Er besitzt die edelsten Blutlinien und teuersten Tiere die man sich nur vorstellen kann. Er handelt nur mit allerbester Qualität. Wenn ich mich nicht irre", er tippte sich einen Moment lang nachdenklich mit dem Zeigefinger an die Lippen, "genau, ja. Ihr Vorname ist Yarea, sie hat für ihren Vater das Geschäft mit den Pferden eine Weile lang geleitet und ist seit kurzer Zeit nun hier in der Hauptstadt. Die Mar'Rennor waren seit je her eine ehrgeizige Familie." Im letzten Satz war sowohl Respekt, als auch eine Spur von Missbilligung zu hören.


    Lucaros hätte am Liebsten nach der Hand Maidas gegriffen, bevor sich diese zurückzog. Doch ein letztes Fünkchen klarer Verstand hielt ihn davon ab. Zu schnell, dachte er. Schliesslich wollte er diese Schönheit nicht verschrecken.


    Dorn stolperte mit vier Gläsern in der Hand wieder dazu, ohne jedoch Maidas Worte gehört zu haben. Hastig verteilte er zwei auf die beiden, dann wollte er sich offensichtlich davonstehlen. Doch Lucaros hielt ihn auf. "Dorn, heda! Wofür hast du noch ein Glas?"
    Der Ertappte lief noch röter an und murmelte verlegen. "Für Yarea", dann hastete er davon. Lucaros schüttelte nur den Kopf. "Der Übermut der Jugend." Was natürlich lächerlich war, schliesslich war Dorn sogar ein Jahr älter als er.


    Die beiden konnten beobachten, wie Dorn schüchtern auf die andere Cath zutrat und ihr - ohne ein Wort herauszubringen - das Glas Schaumwein überreichte. Brüllendes Gelächter war zu hören, doch darüber lag ein freundliches, perlendes Lachen der Cath. Sie dankte dem Jungen sehr herzlich und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

  • Kaum hatte sie Dorn erwähnt, tapste er auch schon mit vier Gläsern heran. Ohne ein Wort des Dankes - das wäre in diesen Kreisen ein Fauxpas gewesen - nahm Maida den Wein wie selbstverständlich entgegen. Für einen Moment sah die Cath'shyrr zu Luca auf, als er den Kopf schüttelte, und verfolgte dann Dorns schüchternen Versuch die Weißhaarige zu beeindrucken.


    "Hm, die Tochter von Mar'Rennor", kommentierte Maida nun doch. "Ich fürchte, ihre Schuhe sind zu groß für unseren Dorn." Sie sagte unseren, als würde sie die beiden jungen Männer schon ewig kennen. Vertraulichkeit verband. Hoffentlich sah das Lucaros auch so. "So sagt man doch hier, nicht wahr?", hinterfragte sie die Redensart. Was sie meinte war: Yarea wäre ein paar Nummern zu groß für Dorn.


    Maida beobachtete Yarea ganz genau, während sie so tat, als würde sie sich bloß für Dorns Reaktion interessieren. Sie erinnerte sich an die weißhaarige Cath, die Herrn von Muesig durch eine illusionäre Wand gestoßen hatte. Doch die Ereignisse hatten sich hinterher überstürzt und es hatte sich keine Gelegenheit ergeben für eine nähere Bekanntschaft.


    Lucanors Missbilligung ob des Erfolgs der Mar'Rennors war Maida wohl aufgefallen. Daher schlug sie in dieselbe Kerbe. "Ich habe über die vortreffliche Qualität der Rosse reden hören. Aber ein Kaufmann bleibt eben nur ein Kaufmann, egal wie reich er ist." Es klang ein klein wenig abfällig. "Sein plumpes Auftreten wird ihn stets verraten. Trotzdem wäre ich sehr daran interessiert, die Dame kennenzulernen. Wäre dies denn möglich, verehrter Lucanors?"

  • Für einen kleinen Moment war ein Stirnrunzeln auf Lucaros kantigem Gesicht zu sehen, als er die Cath vor ihm neugierig betrachtete. "Ja, so sagt man hier. Aber sagt, so wie Ihr das ausdrückt kommt ihr nicht von hier, Maida? Verzeiht mir meine Neugierde, aber darf ich fragen woher ihr stammt? Ich glaube ich habe Euch noch nie zuvor bei einem solchen Anlass erblickt. Und ich bin mir sicher, ich könnte mich an diesen wundervollen Anblick erinnern", in der Stimme des jungen Adligen war keine Spur Misstrauen zu hören, nur ehrliche Neugierde.


    Dorn gesellte sich mit rot glühenden Wangen wieder zu ihnen, stammelte dann aber hastig eine kaum verständliche Entschuldigung, als er Lucas vernichtenden Blick auffing. Nur einen Herzschlag später war er bereits unter den vielen anderen Gästen verschwunden.
    Währenddessen nippte Yarea genüsslich an ihrem Schaumwein und liess die frotzelnden Sprüche bereitwillig über sich ergehen. Ihr Blick schweifte kurz durch den Garten und hing an einem Paar hängen, dass nicht weit von ihren Grüppchen stand. Die Dämmerung war zu weit fortgeschritten als dass sie die Gestalten erkannt hätte, doch irgendwie kam ihr die weibliche Person bekannt vor. Doch da lenkte ihr Gönner sie bereits wieder ab.


    Luca nickte bekräftigend. "So ist es meine Schöne. Gewisse Eigenschaften lassen sich weder durch Reichtum noch durch Macht erstehen. Sie liegen einem im Blut."
    Die schöne Frau neben ihm, die Tatsache dass sie noch immer mit ihm sprach und keine Anstalten machte, sich so bald nach etwas anderem umzusehen, all dies machte den jungen Adligen etwas übermütig. So bot er ihr seinen Arm an und geleitete sie zu der Gesellschaft, in deren Mitte die weissharige Cath stand. Eigentlich war dieses Grüppchen, wie Maida es zuvor so schön ausgedrückt hatte, eine Nummer zu gross für Luca. Doch er war wild entschlossen, sich keine Blösse zu geben. Daher überging er die kurze Stille und das sichtliche Zögern der Männer mit einem gewinnenden Lächeln.


    "Seid mir gegrüsst, werte Herren. Darf ich Euch meine Begleiterin vorstellen? Dieses entzückende Geschöpf an meiner Seite ist Maida."

  • Luca fragte nach ihrer Herkunft.


    "Cantharrrrr", schnurrte Maida. "Ich wurde im Süden Erianors geboren."


    Womit alles gesagt zu sein schien. Die prunkvollen Festlichkeiten, die edelsteinverzierten Häuser, der unermessliche Reichtum ihrer Heimat waren legendär. Maida vertraute darauf, dass der junge Mann über das märchenhafte Leben des Adels von Canthar gehört hatte. Denn somit bedurfte es keiner Lügengeschichte über ihre Herkunft - sie würde selbst unter Folter niemals verraten, dass sie bloß Tochter eines Kaufmanns war -, denn Lucaros würde automatisch annehmen, sie wäre von adliger Abkunft.


    Ihr Arm ruhte leicht auf seinem, während sie sich von Luca zu der kleinen Gruppe um die weißhaarige Cath geleiten ließ. Maidas eleganter Hüftschwung unterstrich ihre augenscheinlich edle Abstammung bei jedem Schritt. Sie nährten sich jenen Kalibern von Männern, die von eigentlichem Interesse waren. Jene, die das Geld erwarben und verwalteten, das junge Burschen wie Luca achtlos aus dem Fenster schmissen.


    "Es ist mir eine Frrreude", gurrte Maida mit strahlendem Blick und prostete mit dem Glas in ihrer Hand den Herrn und schließlich Yarea herzlich zu. "Verehrteste, ich freue mich sehr Euch kennenzulernen. Mein lieber Freund Lucaros war so freundlich mir von Eurer ehrenwerten Familie zu erzählen."

  • Luca verschluckte sich beinahe. Trieb diese Dame ihre Scherze mit ihm? Oder war sie tatsächlich - wie sie gerade so nebenbei bemerkte - aus der Oberwelt? Der richtigen, echten, die weit über ihren Köpfen lag? Jedes Kind auf Beleriar wusste, dass die Insel versenkt wurde, tief am Grund des Meeres. Doch so richtig vorstellbar war es für die meisten nicht. Besonders nicht für die Adelssprosse. Unvorstellbar, dass all die Geschichten war waren. Er würde Maida danach fragen, später. Erst galt es, sie standesgemäss vorzustellen.


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    Yarea hatte Lucaros freundlich zugelächelt, auch wenn darin eine Spur Verwirrung zu finden war. Der Junge war im Normalfall nicht so mutig, oder anmassend. Die Dame an seiner Seite musste wohl eine beflügelnde Wirkung für den jungen Adligen haben. Beinahe hätte sie gekichert.


    Maida.. Dieser Name kam ihr bekannt vor. Doch woher nur? Sie musterte sie genauer. Eine Artgenossin! Vielleicht war der Name in einer der unzähligen Stammbäume zu finden, die sie als Kind hatte auswendig lernen müssen. Sie war sich nicht sicher.


    Ob ihrer Worte bedachte die Weisshaarige Lucaros mit einem berechnenden Blick. Nur ganz kurz verlor sich die mädchenhafte, schelmische Ausstrahlung die sie sonst umgab wie eine zweite Haut. Sie kannte die Familie dieses Jünglings. Ein Haufen überehrgeiziger Adliger, die jedoch einen so niedrigen Rang in der hochherrschaftlichen Hackordnung inne hatten, dass sie keine Gelegenheit ausliessen, über die Händler herzuziehen.


    Schnell setzte Yarea wieder ein strahlendes Lächeln auf, das dieses Mal jedoch kaum ihre spitzen Eckzähne verbarg. Schliesslich sprach sie mit einer weiteren Katze. "Ganz meinerseits, meine Liebe! Oh, ich hoffe doch nur Gutes! Doch bei dem ehrenwerten Lucaros kann ich mir kaum etwas anderes vorstellen. Seine Familie ist bekannt für ihren Anstand und Ehre, Ihr hättet keinen besseren Begleiter finden können." Ob Lucaros die amüsierten Blicke der anderen Adligen auffielen? Bemerkte er überhaupt, dass sie ihn gerade äusserst liebenswürdig beleidigt hatte? Wohl nicht. Aber vielleicht war die Dunkelhaarige ja etwas feinfühliger. Gespannt beobachtete sie seine Begleiterin.

  • Das Schmunzeln in den Augenwinkeln der anwesenden Herren alarmierte Maida. Zu lange schon verkehrte sie in diesen Kreisen, als dass sie die unterschwellige Botschaft nicht zu deuten gewusst hätte. Kurz zusammengefasst: Lucaros war ein eitler Geck, seine Familie von geringer Wichtigkeit. Ihre Vermutung, der junge Mann wäre nur das Sprungbrett zur besser gestellten Gesellschaft für sie, bestätigte sich somit. Sie musste ihn dringend loswerden.


    "Oh, aber ja, werte Yarea. Lucaros sprach von edelsten Blutlinien und allerbester Qualität. In Bezug auf die Pferde, versteht sich. Ihr stammt aus Shayvinyar, wie ich hörte? Leider bin ich seit meiner Ankunft aus Nir'alenar nie hinausgekommen. Wirklich eine Schande, ich gestehe es ungern. Ich sollte meinen lieben Freund Herrn von Muesig dazu anregen, eine kleine Spazierfahrt mit mir zu unternehmen. Ihr kennt doch Herrn von Muesig? Rothaarig, gut aussehend..."


    ... gut situiert, fügten ihre dunklen Augen und das berechnende Lächeln hinzu, das nur eine echte Cath'shyrr als solches deuten konnte. Maida ließ ihren Blick über die Herrenrunde schweifen. Wie würden die Anwesenden auf den Namen des Muesig reagieren?

  • Erfreut bemerkte Yarea, wie der Blick ihres Gegenübers kurz über die Gesichter der Umstehenden huschte. Wenn sie nicht alles täuschte - und das tat es in diesen Kreisen selten - war diese Maida durchaus nicht entgangen, was sich hier abspielte. Lucaros hingegen schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und eine höfliche Verbeugung. Beinahe hätte die Cath laut gelacht. Aber so blieb es nur bei einem Schmunzeln, dass durchaus als freundlich misszudeuten wäre.


    Die Herrenrunde belohnte Maidas Auftakt in das Gespräch mit Lächeln und einigen Lachern. Selbst Yarea schmunzelte, auch wenn sie diesen Witz schon einige Male gehört hatte. Jedenfalls eleganter als die vielen Sprüche, die sie irgendwie mit Zuchtstuten in Verbindung brachten...


    Die eine oder andere Augenbraue wanderte überrascht nach oben, als die Dunkelhaarige den Herrn von Müsig erwähnte. Nicht wenige Blicke huschten darauf zu Lucaros. Dem armen Jüngling entgleisten die Gesichtszüge gerade lange genug, damit es bemerkt werden konnte. Obwohl die Dame an seinem Arm seinen Kopf bereits gehörig vernebelt hatte, war er sich dennoch im Klaren darüber, dass er nun in ähnlich grossen Schuhen steckte wie sein armer Freund Dorn zuvor.


    Die Weisshaarige nickte, wenn auch ihre Mimik eine Spur kälter geworden war. Doch als die Maidas Lächeln gewahr wurde, funkelte in ihren Augen der Schalk. Diese Maida schien gerissener zu sein, als dass es ihr Aufmarsch mit dem Jüngling hätte vermuten lassen. So eine gönnte sie dem Müsig von Herzen.


    "Entschuldigt uns bitte, meine Herren. Ich müsste mich kurz etwas frisch machen und es wäre mir eine Freude, wenn die werte Maida mich begleiten würde? Aber lauft nicht weg, wir sind in Kürze wieder da", sie lächelte noch einmal in die Runde und hakte sich dann bei der Dunkelhaarigen Cath unter.

  • Herr von Muesig war ein Begriff unter den Adelsleuten. Kein Wunder, die Familie Imarkar war schweinereich, wie sie inzwischen selbst sehen durfte. Dennoch schenkte sie zum Abschied Lucaros ein liebreizendes Lächeln, das genauso falsch war ihr Interesse an ihm. Willig ließ sich die Cath'shyrr von der hübschen Yarea fort von der Gruppe führen. Geplauder ohne neugierige Ohren würde zumindest für den Moment möglich sein. Ihre Körper bewegten sich in geschmeidigem Gleichklang durch den Garten. Wie lange war es her eine andere Cath getroffen zu haben? Es schien ihr wie Jahrhunderte.


    "Prachtvolles Anwesen habt Ihr hier", gestand sie neidlos. "Leider habe ich es noch nicht ganz so weit gebracht."

  • Yarea genoss es, jemanden neben sich zu haben, der mühelos mit ihrem geschmeidigen Gang mithalten konnte. Ein Lachen entfuhr der Cath, als sie Maidas Kompliment hörte.


    "Ich bin ebenfalls nur zu Gast hier, mein eigenes Grundstück wird hauptsächlich von einem prunkvollen Verkaufsstall beherrscht. Die Gäule leben bestimmt doppelt so luxuriös wie ich." Die Wiesshaarige schmunzelte vergnügt. Es war ihr anzusehen, dass ihr das nicht viel ausmachte.


    "Nun, wenn ihr es bis in die Gunstkreise der Familie Imarkar geschafft habt, würde ich sagen ihr seid auf einem guten Weg zu weit mehr als das" eine elegante Geste ihrer beringten Finger schloss den Garten und das kleine Adelshaus ein.

  • "Oh, verzeiht, Ihr habt Recht, dies ist das Anwesen der Familie Arisdar. Natürlich, wie konnte ich das vergessen. Das liegt wohl an dem Schaumwein. Ich vertrage nicht sonderlich viel davon. Herr von Muesig bevorzugt Liqueur."


    Maida nahm einen letzten Schluck und schwenkte das leere Glas.


    "Wenn Ihr wüsstet. Kennt Ihr die Dame des Hauses Imarkar? Ein Schwertkampf gegen einen Fechtmeister wäre einfacher zu gewinnen. Doch ich wäre keine Cath'shyrr, würde ich so einfach aufgeben."


    Maidas glockenhelles Lachen schwang durch den Garten. Das charakteristische R rollte geschmeidig über ihre Lippen, als sie fragte: "Und Ihr? Seid Ihr auf Kundenfang oder zum Vergnügen hier?"

  • Yarea schmunzelte. "Liqueur? Gut zu wissen. Unter uns - die Arisdar haben zwar einen vorzüglichen Geschmack, aber abgesehen davon sind sie leicht zu vergessen. Manchmal glaube ich, sie geben diese Treffen nur, um den Schein zu waren. Grosse Ambitionen sind mir noch bei keinem Spross der Familie aufgefallen." Die Cath teilte bereitwillig ihr Wissen, vor allem weil es sich dabei um ein offenes Geheimnis handelte. Die Arisdar würden nie zu den wichtigen Leuten in Nir'alenar gehören.


    Es vergingen nur wenige Momente, bis ein Diener neben Maida auftauchte und ihr das leere Glas abnahm. 'Möchtet Ihr ein weiteres Glas, werte Dame? Oder wünscht ihr etwas anderes zu trinken?"


    "Nicht persönlich, nein. Aber ich habe schon viel von ihr gehört." Ihr Tonfall liess erahnen, dass es sich dabei keineswegs nur um gute Dinge handelte. Yarea hatte bisher nicht viel mit den Imarkars zu tun gehabt. Zum Glück.


    Yarea zuckte mit den Schultern. Eine Strähne fiel aus ihrem hochgestecktem Haar, die sie schnell wieder hinter das spitze Ohr strich. "Etwas von beidem, würde ich sagen. Man könnte sagen, ich fange mit Vergnügen Kunden. Und ihr? Eine Freundin der Familie Imarkar auf diesem kleinen Fest zu sehen scheint mir ungewöhnlich."

  • Zumindest das Dienstpersonal war passabel. Möglicherweise war es für den Abend angemietet. Maida bestellte ein Gläschen Mandellikör, auch Amaretto genannt. Ihr gelüstete nach Süßem.


    "Ach, ich suche stets nach neuen Kontakten. Und ein bisschen Tratsch. Die Dienstmädchen plappern gern, doch was soll ich mit Waschweiber-Geschwätz anfangen?"


    Die Cath'shyrr zwinkerte. Yarea hatte bestimmt verstanden, worum es ihrer Begleitung wirklich ging. Geheimnisse der pikanten Art. Wissen, mit dem man betuchte Personen ein wenig erleichtern konnte. Maida nahm von dem Kellner das Glas Likör entgegen und nippte ein wenig davon.


    "Da wir gerade von Alimea von Imarkar sprachen. Eine begnadete Führerin des Rapiers, wie man hört. In jungen Jahren soll sie bildschön gewesen sein. Der eine oder andere Verehrer lag dieser Dame garantiert zu Füßen. Seltsam nur, dass sie nie geheiratet hat."

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