Eine fremde Welt

  • Kaum waren ihre Worte verklungen, hatte Tamrin kurz seine Wange berührt, auf welcher sich an jenem Abend für einige Zeit die Spuren ihrer Finger abgezeichnet hatten. Ihre heftige Reaktion tat ihr im Nachhinein sehr leid. Tamrin hatte schließlich ja nur versucht ihre Tanzlehrerin zu befreien und damit hatte sie es ihm gedankt. Dennoch überschattete es nicht den Abend und wie schön er noch gewesen war.
    Als der junge Mann zu sprechen begann, war es ihm anzuhören wie unglücklich? er damit war. Tári folgte aufmerksam. Er hatte es geerbt, es war eine alte und dunkle Kraft. Als sie das hörte lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Gefahr!? Es passte so gar nicht zu ihm... Oder übersah sie etwas? Die junge Frau hatte keinerlei Ahnung von Magie. Ja gut sie wusste, dass es unterschiedliche Arten gab. Elementargeister, Sänger die mit ihren Stimmen und Liedern jemanden beeinflussen konnten und so einen Firlefanz. Es war ihr unheimlich und deswegen hatte sie dieses Schauspiel der Schemen auch nicht vergessen. Es war das erste Mal, dass sie mit Magie überhaupt in Kontakt gekommen war. Ihre Familie und sie waren so magisch wie ein normaler Stein, zumindest war ihr nichts anderes bekannt.
    Der Mann mit den grünen Augen rutschte näher und nahm ihre Hände. Es musste ihm unendlich schwer fallen, ihr das alles zu erzählen. Es versetzte ihr einen leisen Stich ins Herz. Sie kannten einander kaum und doch war es irgendwie wie angekommen zu sein. Sie sah Tamrin mit liebevollen Augen an. Seinen Wunsch kein Hexer sein zu wollen, konnte Tári ihm tatsächlich nachempfinden. Wie oft hatte sie gebeten, dass man diese Gabe, welche die ihre war, aus ihr herausziehen oder sie irgendwie abstellen könnte. Damit die Sorgen ihrer Familie vorbei waren. Und sie selbst ….. “normal” sein konnte. Was immer das eigentlich genau bedeuten mochte. Nur gab es scheinbar Dinge denen man nicht entkommen konnte und nur die Möglichkeit hatte, das Beste daraus zu machen.
    Es war rührend und erschreckend zugleich, Tamrin so zu sehen. "Ich glaube dir und habe keine Angst vor dir, Tamrin.", begann sie leise. " ... ich vertraue dir und weiß, du würdest mich nie absichtlich in Gefahr bringen. Es war nur so ein Schock für mich ….....", aber Worte schienen nicht auszureichen, um ihn ihre tiefe Zuneigung fühlen zu lassen und ehe Tári es sich versah, flog sie in seine Arme und drückte ihn fest an sich.

  • Tamrin schloss seine Arme um Tári’s schmalen weichen Körper. Er zitterte am ganzen Leib, so groß war die nervliche Anspannung bei seinen Worten gewesen. Und so groß die Erleichterung über ihre Reaktion. Die Bestie patrouillierte zwar hinter den Gitterstäben ihres Käfigs auf und ab, aber gegen den jetzigen warmen Strom von zärtlicher Zuneigung war sie machtlos und sie wusste es. Tamrin zog Tári noch fester an sich und legte seine Wange an ihr weiches duftiges Haar. “Ich habe mich so in Dich verliebt.”, gestand er ihr leise. “Ich will nicht, dass das zwischen uns steht. Ich habe Angst davor, dass es mich verschlingt.” Viele Ängste waren damit verbunden. Angst davor, schlimme Dinge zu tun, Angst davor, verrückt zu werden, machtversessen, Angst davor, dass sein Vater ihn töten würde …........……


    Mit Tári im Arm erschien es lange nicht so gefährlich wie sonst zu sein. Niemals hatte Tamrin an so etwas gedacht, als er in diese Welt aufgebrochen war. Vielleicht war es Schicksal. Oder vielleicht auch unausweichlich. Vielleicht konnte man einfach nicht ständig in der Nähe einer so schönen und ungewöhnlichen Frau sein, ohne sich in sie zu Verlieben. Es war auch müßig darüber nach zu grübeln. Jetzt, in diesem Moment, war alles, was er sich wünschte, sie im Arm zu halten und ihre Wärme zu spüren. Tamrin lächelte verträumt und schmiegte sich noch enger an Tári’s mageren Körper. So fühlte sich das also an, wenn die Liebe auf leisen, heimlichen Sohlen heran geschlichen kam und einen berührte.

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    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Die Arme des jungen Mannes umfingen sie und es hätte ewig dauern dürfen. Sein leises Geständnis stürzte ihre Gefühlswelt ein weiteres Mal ins Chaos. Sie konnte nicht benennen was sie für den Mann aus der Fremde empfand. Sie hatte noch nie ähnliches gefühlt oder erlebt. War das verliebt sein? War das Liebe? Sie wusste, ohne Tamrin wollte sie nicht mehr sein und schloss ihre Arme noch fester um ihn. "Ich habe so etwas noch niemals für jemand anderen empfunden, Tamrin. Noch nie...", sagte sie leise. "Es ist nichts was zwischen uns stehen könnte." Er war so offen und ehrlich zu ihr und ... seine Angst war auch ihre Angst. Wie konnte so etwas nur sein? Würde er sie verstehen? Vielleicht konnte er sie verstehen wie kein anderer es je vermochte? Irgendwann vielleicht? Die Angst von etwas verschlungen zu werden und vielleicht nie wieder davon los zu kommen. Nein sie hatte keine alten und dunklen magischen Kräfte, aber dennoch war etwas in ihr, was ihrer Familie und ihr selbst Unwohlsein bereitete. Sie war immer nur ein noch nicht gebrochenes Versprechen weit davon entfernt, dem Ruf, den sie vernahm, nicht nachzugeben. Sich nicht von ihren Instinkten vereinnahmen zu lassen, um etwas zu werden was sie nicht sein wollte. Natürlich waren sie nützlich, hier und da. Und auch konnte sie nicht abstellen zu sein was sie war - zu tief war die von Geburt an gesetzte Verbindung und zu groß die Angst vollends in jene abzurutschen und jede Menschlichkeit zu vergessen.. "Ich verstehe dich, Liebster.", wisperte sie und drückte sich noch enger an ihn heran. ‘Diese Angst ... verschlungen zu werden ... ich kenne sie auch.’ dachte sie stumm. Schwieg aber. Zu groß war die Angst, dass Tamrin seine Unbekümmertheit ihr gegenüber verlieren könnte, wenn er Angst um sie bekam. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Vielleicht waren sie trotzdem dazu gemacht - für einander gemacht? Vielleicht konnten sie sich gegenseitig davor bewahren, zu werden was sie nicht sein wollten? "Es wird Dich nicht verschlingen." sagte sie fest, als sie ihre Stimme wieder unter Kontrolle zu haben glaubte - aber vorsichtshalber irgendwo gegen die weiche warme Haut seines Halses. Für ihn. Und auch für sich selbst..

  • Tári’s Lippen an seiner Haut lösten leise wohlige Schauer in Tamrin aus. “Danke Liebes!” murmelte er in die weiche Flut goldblonder Locken hinein. Es spielte gerade überhaupt keine Rolle, wie wahr oder ernst ihre Worte gemeint waren oder ob sie sie jemals unter Beweis würde stellen müssen. Hier und jetzt war nur wichtig, dass sie sich so nah sein konnten, unabhängig irgendwelcher Vorbehalte oder Bedingungen oder Erwartungen. Minutenlang verharrten sie so, eng aneinander geschmiegt und Tamrin genoss die Wärme und die Zuversicht, die sie ihm bescherte. “Wir werden es schaffen!” flüsterte er entschlossen - und war sich sicher, dass er nicht extra erwähnen musste, dass er das Einverständnis ihrer Familie meinte - bevor er sacht seine Lippen in die wirren Haare drückte und sich dann langsam etwas von ihr löste, um sie ansehen zu können. Sie war umwerfend, wenn ihre Gesichtszüge so gelöst waren und ihre Wangen ein wenig glühten. Schuldbewusst lächelte Tamrin sie an. “Wenn ich nicht langsam mit den Dingen beginne, die ich mir für hier vorgenommen habe, dann wird nichts mehr daraus. Trocken wird ohnehin nichts mehr werden.” Wehmütig dachte Tamrin an sein Schuhwerk. “Wollen wir beim Wasser noch etwas reden ?”, fragte er sie. “Oder magst Du in der Zwischenzeit etwas anderes tun ?” Besonders spannend war es sicherlich nicht, ihm beim Reinigen seiner Kleidungsstücke zu zusehen.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Es war ein herrliches Gefühl Tamrin so nah zu sein, umfangen von seinen Armen.Tári hatte die Augen geschlossen und genoss es einfach nur.
    Die junge Frau nickte zuversichtlich. Sie würden es schaffen die Einwilligung ihrer Tante zu bekommen und alles andere sicherlich auch. An ersterem zweifelte sie nicht eine Sekunde. Noch immer war sie davon überzeugt, dass ihre Tante und Eltern froh waren wenn sie von dem Wunsch der jungen Leute erfahren würden.
    Die Zeit stand für sie leider nicht still in diesem schönen Moment voller Zuversicht, Zuneigung und Hoffnung. Tamrin löste sich von ihr und erinnerte sie daran, dass er noch Wäsche waschen wollte. "Ich komme mit dir.", war ihre Antwort auf seine Fragen. Am morgigen Tag würden sie sich nicht sehen und so wollte sie die restliche Zeit heute mit ihm verbringen. Seine Kleidung würde sicher nicht trocken werden, bis sie aufbrechen mussten. Immerhin würde auch der Rückweg einige Zeit in Anspruch nehmen ... Aber in nassen Schuhen laufen konnte unschön werden. "Du sag mal ... Können wir deine Schuhe nicht mit warmen Steinen füllen? Vielleicht bekommen wir jene so zumindest halbwegs trocken?"

  • Tamrin’s Lächeln vertiefte sich. Es war schön, sie bei sich zu haben, auch wenn er langweilige Dinge zu tun hatte. Tári äußerte eine Idee zu seinen Schuhen und Tamrin wandte den Blick unwillkürlich zu ihrer Erdgrube und den Steinen, die dort noch lagen. Das Feuer war längst nicht erloschen, es wäre eine Kleinigkeit, es erneut zu entfachen. Und Holz hatte er auch noch an seiner Sammelstelle liegen. “Davon hab ich noch nie gehört.....”, antwortete er langsam, aber dann eifriger als Tári’s Idee sich in seinem Kopf fest zu setzen begann. “Warum nicht ? Was für Steine brauchst Du dafür ? Ich habe dort hinten noch Holz liegen, das kann ich holen.”

    Er erhob sich auf die Füße, seine Augen leuchteten. Und falls Tári es nicht schon geahnt hatte, konnte sie nun feststellen, dass er ein ausgesprochen experimentierfreudiger junger Mann war, wenn es um neue Ideen ging.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Schuhe mit warmen oder heißen Steinen zu trocknen, ob sie sich das richtig überlegt hatte? Tamrin schien sehr schnell Feuer für diese Idee zu fangen und so musste Tári selbst erst einmal überlegen. "Nun das war jetzt nur so eine Idee ...", sie lächelte fröhlich-verzagt zurück. "Aber ich denke unterschiedlich große Steine wären vielleicht sinnvoll. Damit man die Schuhe komplett damit füllen kann, aber doch noch so viel Zwischenraum bleibt, dass die Luft und Feuchtigkeit entweichen kann. Also keine kleinen Kiesel..." Tári ließ ihre Augen über die herumliegenden Steine schweifen. "Kümmere du dich um das Feuer und hol deine Schuhe, derweilen sammele ich mal ein paar Stein, ja?" Nun erhob sich die junge Frau auch und begann sogleich unterschiedliche Steine zu sammeln. Immer wieder brachte sie jene gereinigt zu Tamrin.

  • “Einverstanden.” willigte Tamrin ein und trabte auch sogleich davon, um das restliche Holz zu holen, welches es noch nicht bis zu ihrer Feuerstelle geschafft hatte. Glut und verkohltes Holz schob er dichter zueinander, blies in die Hitze hinein und als die Flammen wieder über die verbliebenen Stücke leckten, legte er wieder zunächst dürres Geäst dazu und - nachdem er flugs seine Halbstiefel ebenfalls herbeigeholt hatte, danach auch größere Stücke. Tári brachte immer wieder einige saubere Steine und Tamrin sah sie beide mit ihrem Plan vor einem Problem. Es war ein leichtes, die Steine im Feuer zu erhitzen - allerdings würden sie dabei so dreckig werden, dass er sie ungern in seine Schuhe stopfen würde. Tamrin überlegte, ob man nicht aus den großen flachen Steinen eine Art Gestell über dem Feuer fertigen könnte, auf welchem die Steine zwar heiß, aber nicht rußig werden würden. Er suchte seinerseits zwei massivere Steine, welche seitlich neben das Feuer zu liegen kamen und als Auflage dienen sollten. Auf diese legte er zwei der flachen Grubensteine. Die von Tári gesammelten Steine kamen hinauf und Tamrin musste sich ziemlich verbiegen, um nun das Feuer unter den Steinen mit Pusten und Auflegen am Lodern zu halten.

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  • Mit weiteren Steinen in den Händen kehrte sie wieder zu Tamrin und dem Lagerfeuer zurück. Das sollte wohl nun reichen. Bedacht legte sie jene zu den anderen und musterte das Gestell, welches an eine steinerne Brücke in Miniatur erinnerte. Darunter züngelten die Flammen des Feuers und der junge Mann hatte etwas Mühe damit. Die Verwirklichung ihrer Idee in dem sie sich mit dem behalfen, was um sie herum zu finden war, war Tári vertraut. Dass Tamrin so selbstverständlich daran teil nahm, ließ in ihr ein enges Gefühl von Zusammengehörigkeit entstehen. Es war so eine ganz andere Art von Geselligkeit, als das was auf diesen gesellschaftlichen Veranstaltungen statt fand. Und hinterließ ein viel stärkeres Gefühl von Gemeinschaft. Tári ließ sich auf den Boden sinken und betrachtete weiter das Gerüst. Das Feuer erhitzt die 'Steinplatte' und die gesammelten Steine würden auf der heißen 'Platte' durch die Hitze des Feuers erwärmt. Ob es funktionieren würde? "Kann ich dir irgendwie zur Hand gehen?", fragte sie nach, sonst blieb ihr wohl erst nur abzuwarten und zu sehen was passierte. Aber tatsächlich, die zuletzt aufgelegten Steine, welche noch leicht feucht waren, begannen zu Dampfen. Der Film der Feuchtigkeit verschwand und zurück blieben trockene Steine. Somit zahlten sich Tamrins Verrenkungen tatsächlich aus. Eine Weile warteten sie ab, aber dann wagten die jungen Leute den Versuch und befüllten die Schuhe mit den heissen Steinen. Tári hielt die Schuhe, während Tamrin die Steine hinein bugsierte, und kippte sie jeweils, damit die Steine in den Fußraum kullerten bis dieser voll war und die restlichen Steinen obenauf kamen. "Nun müssen wir wohl warten und du kannst deine Wäsche machen."

  • “Ich denke wir werden die Steine hin und wieder austauschen müssen.”, sagte Tamrin und betrachtete mit gerunzelter Stirn seine nun mit den erhitzten Steinen befüllten Stiefel. Er war neugierig, ob es funktionieren würde. “Soll ich Dir erst schnell dabei helfen, noch einmal eine Ladung Steine zusammen zu suchen ?”

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Meinst du?", fragte sie leise und grübelte etwas. Tári hatte ähnliches noch nie versucht und wusste nicht wie lange die Steine wohl heiss bleiben würden, aber wenn die Quelle der Erhitzung fehlte, war es klar, dass sie irgendwann auskühlen würden. Eine weitere Ladung? Ja warum nicht, so konnte man ohne zeitlichen Verlust arbeiten. Die junge Frau schnappte sich Tamrins Hände, sprang auf die Füße und versuchte ihn hinter sich her auf seine Füße zu ziehen. "Wenn du willst.", lächelte sie ihn vergnügt an. Tári hatte ehrliche Freude daran etwas gemeinsam mit Tamrin zu tun, auch wenn es sich um so Kleinigkeiten wie Steine sammeln handelte oder ihm Gesellschaft zu leisten beim Wäsche waschen. Es war etwas ganz anderes, als mit ihrer Schwester oder Familie zu sein. Dort musste sie sich immer etwas verbiegen, um ihnen keinen Kummer zu bereiten. Aber nicht bei dem jungen Mann mit den freundlichen grünen Augen. Er ließ sie wie sie war. Die Steine für eine zweite Ladung waren schnell gesammelt, gereinigt und auf Tamrins Vorrichtung platziert.

  • “Ja, meine ich und will ich.” lachte Tamrin und bemühte sich, sie nicht mit all zu viel Gewicht zu belasten, als er sich von ihren Händen auf die Füße ziehen ließ. Hand in Hand ging es zum Flussufer. “Die Steine halten zwar recht gut die Wärme, aber für so feuchtes Leder braucht es die Wärme dann doch noch um einiges länger.” Zusammen hatten sie schnell eine zweite Ladung Steine beisammen. “Dann such ich mal meine schmutzigen Sachen zusammen.” nickte Tamrin der jungen Frau zu und trabte Richtung Sattelzeug davon, wo er das nasse sowie das mitgerachte Zeug zurück gelassen hatte. Ein trockenes Paar Socken kam in die Hosentasche, der Inhalt seines Umhangs wurde sorgfältig heraus genommen und zur Seite gelegt und alles, was er zuvor noch getragen hatte, wanderte nebst der schmutzigen Socken an Tamrin’s Füßen hinein, um als Kleiderbündel zum Fluss getragen zu werden. Mit hochgekrempelter Hose und blanken Füssen sucht der junge Mann sich einen größeren Stein knapp unterhalb der Wasseroberfläche und begann seelenruhig damit, seine Sachen dort durch zu walken und auszuspülen - schön eines nach dem anderen und darauf bedacht, dabei selbst möglichst trocken zu bleiben.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Während Tamrin seine Sachen holte legte Tári dem Feuer noch etwas Holz nach, damit es heiß weiter brannte. Der junge Mann stand bereits im Wasser, als die junge Halbelfe sich dazu gesellte. Sie setzte sich an den Rand und ließ die Beine ins Wasser baumeln. Tamrin hatte sich die Hose hoch gekrempelt und stand nun mit nackten Füßen im Wasser. Ausgiebig musterte sie ihn, wie er in Ruhe seiner Tätigkeit nachging. Nach einer kurzen Weile ließ sie sich nach hinten sinken, die Arme neben sich ausgebreitet und seufzte wohlig. "Es ist einfach schön hier...", bekannte sie, während ihre Füße im Wasser plätscherten. "...mit dir." Tári stemmte sich auf die Unterarme um den jungen Mann wieder ansehen zu können. Das war viel interessanter, als den Blick hinauf an die Kuppel zu richten. "Hast du dir außer Wäsche waschen noch etwas für hier vorgenommen?"

  • Tamrin’s Mutter hatte - zum gelegentlichen Leidwesen seines Vaters, der es mit Äußerlichkeiten hier und da schon mal selbst nicht all zu genau nahm - immer viel Wert auf Ordnung und Sauberkeit gelegt und dementsprechend war Tamrin regelmäßige Hygiene und Kleiderwechseln seit frühester Jungend an gewohnt. Insofern ging die Reinigung der Unterwäsche, Socken und Tunikas ihm schnell von der Hand. Einzig der Weg vom Walkstein zurück zum Gras über die vielen, zum Teil spitzen Steinchen des Ufers war unangenehm und Tamrin wusste, warum er ungern mit blanken Füßen herum lief. Die Hose - von der Wiederherrichtung der ehemaligen Gerümpelkammer doch stärker in Mitleidenschaft gezogen - beanspruchte etwas mehr Zeit, in der Tári sich vom Feuer wieder zu ihm gesellte. Ähnlich wie er selbst zuvor lag sie auf dem Rücken direkt am überhängenden Ufer und schien das Nichtstun zu genießen.


    Gerade war Tamrin mit der Sauberkeit der Hose soweit zufrieden und mit ihr auf dem Rückweg, als Tári sich etwas aufrichtete und ihm eine Frage stellte. Er breitete die Hose im Gras aus, nahm den Umhang und setzte sich mit seinem letztem Wäschestück nah bei ihr halb auf das überhängende Ufer und sein untergeschlagenes Bein. Er neigte den Kopf, betrachtete sie mit freundlichem Ernst und erfreute sich heimlich an ihrem Anblick.
    “Tut mir leid!”, sagte er lächelnd. “Ich weiß, besonders aufregend ist es nicht. Aber ich habe sonst bislang noch keine so gute Gelegenheit gehabt dazu. Sauberes Wasser in meinem Viertel zu bekommen, ist sehr zeitaufwendig. Und einen großen Zuber nebst Waschbrett besitze ich auch nicht. Hattest Du noch etwas geplant ? Dann machen wir das sofort - nur noch der Umhang, ja ?” Er hob ihn ein wenig hoch, damit sie ihn sehen konnte.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Es gibt nichts, was dir leid tun müsste! Ich will es gar nicht anders. Warum nicht das Nützliche mit dem Schönen verbinden...? Außerdem ist es der schönste Tag!" Tári lächelte ihn fröhlich-strahlend an. Außerdem war der Tag alles andere als langweilig...
    Sie wusste nicht genau wie weit es von dem Brunnen am Marktplatz zu Tamrins Zimmer war, aber dort - das hatte er ihr schon gesagt - war es mit frischem Wasser nicht so leicht. Seltsam wie selbstverständlich es für sie mittlerweile war im Haus Pumpen mit Frischwasserzufuhr zu haben. Auf die Problematik mit welcher er gerade zu kämpfen hatte, wäre sie nicht gekommen. Oder hatte nicht darüber nachgedacht. Sogar in der Abgeschiedenheit bei ihrem Mütterchen hatte ein kleiner Bach sie stets mit frischen Wasser versorgt. "Bitte nimm dir die Zeit, die du brauchst! Ich habe nichts geplant ... ausser ... nach den Schuhen zu sehen...", mit einem Lächeln rollte sie sich herum, rappelte sich auf die Füße und ging zu dem Feuer davon. Wirklich viel Zeit war nicht vergangen und das Feuer brannte noch etwas, wenn auch nicht so schön wie bei Tamrins Bemühungen. Tári legte Holz nach und pustete immer wieder, damit sich mehr und mehr Flammen und Hitze entwickeln konnte. Danach lehrte sie die Halbschuhe von dem jungen Mann, die nicht mehr heiße Füllung auf einen Haufen und füllte sie mit frischen heißen Steinen. Jene schob sie mit einem Stecken hinein. Die Steine aus den Schuhen legte sie erneut auf die Steinplatte zum erhitzen. Holz ins Feuer und schon machte sie sich auf den Rückweg. "Soll ich dir beim Auswinden behilflich sein?"

  • “Das ist er!” beteuerte Tamrin. “Du machst mich glücklich, wenn Du das sagst.” und wirklich strahlte sein Gesicht vor Freude, auch dann noch als Tári sich schon in einer fließenden Bewegung gedreht hatte und längst wieder auf dem Weg zum Feuer war. Seufzend sah er auf den Umhang in seiner Hand. Wenn er all das, was heute geschehen war, hätte vorher sehen können, dann hätte er sich sicherlich nichts zum Waschen mitgenommen. Aber nun alles unverrichteter Dinge mit zurück nehmen hatte ihm ebenfalls widerstrebt. Er glitt vom Ufer herab, tappte mit einem kleinen Fluch hier und da zurück zu seinem Stein ins Wasser und begann auch den Umhang zu reinigen. Der edle leichte Stoff war schnell gesäubert und Tamrin war schon wieder auf dem Weg zurück als auch Tári mit seinen Stiefeln fertig war. “Danke nein.” antwortete er ihr. "Er wird nicht ausgewrungen, nur kurz über einen Strauch gehängt. Fass an!” Er hielt ihr den dunkelgrauen Stoff entgegen. “Ist jetzt schon kaum noch nass, in spätestens einer Stunde ist er trocken.” zwinkerte er ihr fröhlich zu und streckte Tári die freie Hand entgegen. “Komm, ich will Dir etwas zeigen.” Seine Gedanken über die Vorhersehbarkeit der Ereignisse oder besser deren Nichtvorhersehbarkeit, hatten Tamrin darauf gebracht, dass das Wichtigste ja eigentlich noch fehlte. Und so zog er Tári, so schnell es ihm mit nackten Füßen möglich war, hinter sich her zu seinen ausgebreiteten Habseligkeiten, welche er beim Sattelzeug zurück gelassen hatte.

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  • Mit leichtem Staunen im Gesicht berührte die junge Frau den Umhang von Tamrin und es war wie er sagte. Dafür, dass er gerade eben erst damit aus dem Wasser gekommen war, konnte man das tatsächlich kaum noch nass nennen. "Ja wirklich." Tári lächelte und nickte, man sollte alle Kleidung aus solchem Stoff machen, das würde viel Zeit sparen. Aber was so ein Stoff wohl kostete? Und ob es diesen hier wohl gab?
    Ihre Hand erfasste die des jungen Mannes wie von selbst und so ließ sie sich von ihm mitnehmen. Er wollte ihr etwas zeigen? Beim Sattelzeug hielten sie an und erst blickte Tári auf diverse Dinge, die zuvor wohl irgendwo eingesteckt gewesen waren. Neugierig blickte sie zu dem jungen Mann an ihrer Seite auf.

  • Tamrin hatte den Umhang zunächst zur Seite gelegt und war vor dem kleinen Haufen in die Knie gegangen. Jetzt wühlte er in drei kleinen Blechdosen mit verschiedenen Markierungen, einigen Phiolen mit dunkelgrünen und farblosen Flüssigkeiten sowie einer mit Haaren und diversen kleinen Lederbeutelchen mit verschiedenfarbigen Verschnürungen herum, bis er schließlich einen mit violetten Bändchen gefunden hatte und Tári freudestrahlend unter die Nase hielt. “Gib mir Deine Hand!” bat er während er den Knoten der Schnürchen löste.

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  • Der Umhang aus dem besonderen Stoff wurde von dem jungen Mann zur Seite gelegt und sogleich kramte er in den Dingen vor seinen Knien. Wo hatte er diese ganzen Sachen nur versteckt gehabt haben? In seinem Umhang? Zumindest hatte er aus jenem das Salz in einer Blechdose hervorgezogen gehabt. Aber bislang hatte sie noch nie etwas davon gespürt gehabt...? Es war nicht wichtig und sie lächelte als Tamrin ihr ein Lederbeutelchen unter die Nase hielt. "Was hast du vor?", fragte sie gespannt und streckte ihm vertrauensvoll die Hand entgegen.

  • “Mir ist eingefallen, dass zu einer Verlobung ja eigentlich ein Ring dazu gehört.” erklärte Tamrin und versuchte angestrengt, mit zwei Fingern den Inhalt des kleinen Lederbeutels ans Tageslicht zu befördern. Schließlich erwischte er ihn, zog ihn heraus und hielt Tári einen sehr schmalen Silberring entgegen. Seine einzige Zierde bestand darin, dass er an einer Stelle zu einer kleinen Feder ausgearbeitet worden war. “Meine Mutter hat ihn von einem Freund zum Abschied geschenkt bekommen und als ich jetzt Abschied von Zuhause genommen habe, hat sie ihn an mich weiter gegeben.” Tamrin rollte in der Erinnerung unwillkürlich etwas die Augen, obwohl er auch schmunzeln musste bei seinen Worten. Seine Mutter ….. Immer wollte sie auf ihn aufpassen …… wahrscheinlich in 50 Jahren noch, wenn es nach ihr ginge.


    Mit feierlichem Ernst nahm er Tári’s kleine Hand und steckte ihr den Ring behutsam an den Finger. Es fühlte sich unglaublich gut an das zu tun und ohne zu überlegen drückte er sanft seine Lippen auf ihre feingliedrige Hand, was sich gleich noch viel besser anfühlte.
    Mit scheuem aber glücklichem Lächeln sah er zu Tári hinauf. “Ich weiß, dass es kein richtiger Verlobungsring ist - aber ich dachte, solange es noch nicht offiziell ist………. nur für uns, ....... wenn es Dir recht ist ? Es ist ein Federfallring.”

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